Zusammenfassung des Urteils KV-Z 2013/2: Versicherungsgericht
Die Klägerin war als Näherin bei der Firma B. AG angestellt und hatte eine Taggeldversicherung bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG. Nach Krankmeldung zahlte die Mobiliar Taggelder aus, die später mit IV-Renten verrechnet wurden. Die Klägerin forderte eine Kürzung der Verrechnungsbeträge, da die Überentschädigungsregelung unklar sei. Das Gericht entschied, dass die Verrechnung rechtens war, da die Taggelder als Vorleistungen gelten. Die Klage wurde abgewiesen, ohne dass Gerichtskosten erhoben wurden.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV-Z 2013/2 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | KV - Krankenversicherung |
Datum: | 30.10.2013 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 22 Abs. 2 ATSG (in Verbindung mit Art. 85bis IVV und Art. A5 der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten): Die Grenze der Überentschädigung ist mit 80% des versicherten Tageslohns klar festgelegt worden und die Berechnung des Rückforderungsbetrags durch die Beklagte richtig erfolgt. Art. 69 ATSG mit der Überentschädigungs-Grenze beim mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich Mehrkosten findet auf die allfällige Verrechnung von Taggeldzahlungen nach VVG keine Anwendung. In die Berechnung der Überentschädigung sind auch Kinderrenten der IV uneingeschränkt einzubeziehen, da diese akzessorischen Charakter (zur Stammrente) haben (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. Oktober 2013, KV-Z 2013/2). Auf die Beschwerde 4A_12/2014 betreffend Parteientschädigung ist das Bundesgericht mit Entscheid vom 6. März 2014 nicht eingetreten. |
Schlagwörter : | Taggeld; Überentschädigung; Mobiliar; Rente; Zahlung; Verrechnung; Kinderrente; Versicherung; Bundes; Tochter; Beklagten; Klage; Rückforderung; IV-Rente; Arbeit; Schweizer; Schweizerische; Leistungen; Berechnung; Bundesgesetz; Taggeldleistungen; Taggeldversicherung; Betrag; IV-Renten; Anspruch; Vorleistungen; Gericht; Zivil; Schweizerischen; üglich |
Rechtsnorm: | Art. 219 ZPO ;Art. 22 ATSG ;Art. 247 ZPO ;Art. 51 VVG ;Art. 69 ATSG ; |
Referenz BGE: | 134 V 15; 138 III 411; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Entscheid vom 30. Oktober 2013
in Sachen
,
Klägerin,
vertreten durch Hans Rüdlinger pat. Rechtsagent, Churfirstenstrasse 14, Postfach 60, 9642 Ebnat-Kappel,
gegen
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft AG, Bundesgasse 35, Postfach, 3001 Bern,
Beklagte,
vertreten durch Fürsprecher Franz Müller, Herrengasse 22, Postfach, 3000 Bern 7
Bärenplatz, betreffend
Rückforderung von Taggeldleistungen Sachverhalt:
A.
A. (nachfolgend Versicherte Klägerin) war als Näherin bei der B. AG, angestellt (act. G 5.10). Durch die Arbeitgeberin war sie bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend Mobiliar, Taggeldversicherung Beklagte) für Taggeldleistungen im Krankheitsfall kollektiv versichert (act. G 5.2). Mit Krankmeldung vom 24. August 2009 wurde der Taggeldversicherung angezeigt, dass A. die Arbeit am 14. August 2009 wegen Krankheit niedergelegt habe und voraussichtlich während mehr als eines Monats arbeitsunfähig sei (act. G 5.10, G 5.4). Die Mobiliar errechnete aufgrund des versicherten Verdiensts von Fr. 60'900.-- (13 Monatslöhne à Fr. 4'500.-zuzüglich 12 Kinderzulagen à Fr. 200.--; vgl. act. G 5.10) einen Taggeldansatz von gerundet Fr. 133.50 pro Tag. Aufgrund der attestierten Arbeitsunfähigkeit zahlte sie zunächst der Arbeitgeberin und nach erfolgter Kündigung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Dezember 2009 direkt der Versicherten diese Taggelder aus (vgl. act. G 5.6, G 5.8 f.).
Im Frühjahr 2012 kündigte die Invalidenversicherung (IV) an, dass sie der Versicherten mit Wirkung ab 1. August 2010 eine ganze Rente sowie eine Kinderrente für die Tochter zusprechen werde. Die Mobiliar errechnete am 21. März 2012 eine
Überentschädigung der Versicherten für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum Ende des Taggeldanspruchs am 13. August 2011 von insgesamt Fr. 30'592.50 und forderte diesen Betrag bei der Ausgleichskasse C. zurück, die für die Ausund Nachzahlung der Invalidenrenten an die Versicherte zuständig ist (vgl. act. G 5.7 f.). Mit der Abrechnung zur Verfügung vom 2. April 2012 hielt die IV-Stelle des Kantons St. Gallen fest, dass sie den Anteil von Fr. 30'592.50 an den nachzuzahlenden IV-Renten gemäss deren Abrechnung vom 21. März 2012 direkt der Mobiliar Versicherung überweise (act. G 1.3).
B.
Gegen die Verfügungen der IV-Stelle vom 2. April 2012 liessen die Versicherte und ihr Ehemann, beide vertreten durch pat. Rechtsagent Hans Rüdlinger, Ebnat-Kappel, am 11. Mai 2012 vorsorglich Beschwerde erheben (Proz. IV 2012/175). Die Beschwerde wurde am 21. Juni 2012 begründet. Im Lauf jenes Verfahrens stellte sich heraus, dass die dortige Beschwerdeführerin 2, die Versicherte, ausdrücklich den Verrechnungsantrag der Mobiliar bzw. die Auszahlung des Betrags von Fr. 30'592.50 an die Taggeldversicherung anfocht. Zur Beurteilung dieser Streitsache wurde daher Anfang Februar 2013 das vorliegende Verfahren - Proz. KV-Z 2013/2 eröffnet. Bezüglich Rückforderung der Taggeldleistungen lauteten die Anträge der Klägerin, die Verfügung der IV vom 2. April 2012 sei in dem Sinn aufzuheben/zu ändern, dass die IV angewiesen werden solle, den Verrechnungsantrag der Schweizer Mobiliar im Umfang von mindestens Fr. 8'745.80, eventualiter sogar um Fr. 12'625.20 zu kürzen und diese
Beträge an A. zu überweisen; unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der
IV-Stelle St. Gallen/Mobiliar Versicherungs-Gesellschaft AG, Bern. Zur Begründung wird angeführt, im Artikel A5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Mobiliar (gemeint sind die Allgemeinen Bedingungen der MobiSana zur KollektivKrankentaggeldversicherung; nachfolgend mit AB abgekürzt) werde nicht ausgeführt, wann eine Überentschädigung entstehe. Unter Berücksichtigung der Regelungen von Art. 69 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts
(ATSG; SR 830.1) bzw. von Art. 51 des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1) stelle der gesamthaft entgangene Verdienst, zuzüglich krankheitsbedingter Mehrkosten, die Überentschädigungs-Grenze dar. Für die Versicherte errechne sich so eine Überentschädigung von maximal
Fr. 17'967.30, wenn auch die Kinderrenten der IV für die Tochter berücksichtigt würden. Die Überentschädigungs-Regelung der Beklagten sei in verschiedener Hinsicht unklar und dürfe nicht mehrfach zu Lasten der Klägerin ausgelegt werden. Eventuell sei der Verrechnungsantrag mindestens um den Betrag der IV-Kinderrenten für die Tochter von Fr. 8'745.80 zu kürzen, da nicht einzusehen sei, dass dieser Anspruch der Tochter in die Überentschädigungs-Berechnung der Mutter einzubeziehen sei.
Die Klage wurde der Mobiliar am 14. Februar 2013 zur Stellungnahme zugestellt (act. G 2). Diese beauftragte Fürsprecher Franz Müller, Bern, mit ihrer Vertretung (act. G 3). Mit Klageantwort vom 3. April 2013 liess er die Abweisung der Klage unter Kostenfolgen beantragen (act. G 5). Zur Begründung führte er an, die Verrechnung der von der Beklagten ausgerichteten Taggelder mit Nachzahlungen der IV-Renten sei aufgrund von Art. 22 Abs. 2 ATSG zulässig. Art. A5 AB setze die Grenze der Überentschädigung klar beim versicherten Taggeld. Die Kongruenz sei sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht berücksichtigt und der Betrag von
Fr. 30'592.50 zutreffend errechnet worden. Art. 69 ATSG könne nur beim Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen berücksichtigt werden. Die Taggeldversicherung der Mobiliar sei jedoch eine Privatversicherung und richte sich nach dem VVG. Auch Art. 51 VVG finde vorliegend keine Anwendung. Auch für die Ausklammerung der Kinderrente für die Tochter der Klägerin aus der Berechnung der Überentschädigung finde sich kein Grund.
Die Klägerin liess mit Replik vom 29. April 2013 an ihren Anträgen festhalten (act. G 7). Ihr Rechtsvertreter führte aus, weder aus Art. A5 AB noch aus einer anderen Regelung sei ersichtlich, dass diese Vorleistungen im Sinn von Art. 22 Abs. 2 ATSG erbracht habe. Weil die Tochter unter gewissen Umständen einen eigenen Auszahlungsanspruch für die IV-Kinderrente habe, sei es nicht nachvollziehbar, dass sie in der Überentschädigungs-Berechnung der Mutter voll angerechnet werde, wenn sie über die Mutter ausbezahlt werde, während dies bei separater Auszahlung nicht der Fall sei. Bei einer Einberechnung der Kinderrente in die Überentschädigung der Mutter würde nur die Mobiliar zum Schaden der Tochter profitieren. Da Art. A5 AB unklar formuliert sei, dürfe diese Regelung nicht allseits zu Ungunsten der Klägerin ausgelegt werden.
Mit Duplik vom 22. Mai 2013 hielt die Beklagte am Antrag auf Abweisung der
Klage fest. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, es sei derart notorisch, dass von Krankentaggeld-Versicherern ausgerichtete Taggelder, die vorab die arbeitsvertragliche Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgebenden ersetzten bzw. im Lauf der Zeit übernehmen und ergänzen würden, Vorschussleistungen im Sinn von Art. 22 Abs. 2 ATSG darstellten, dass sich weitere Ausführungen hiezu erübrigten. Sie liess Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern und des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich anführen, die bestätigen würden, dass Art. A5 AB (der Mobiliar) der strengen Praxis standhielten und im Sinn von Art. 85bis Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) rechtsgenüglich seien.
C.
Auf die weiteren Begründungen in den einzelnen Rechtsschriften sowie den Inhalt der übrigen Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.
1.1 Mit Urteil vom 21. Oktober 2004, I 296/03, hat das damalige Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialversicherungsrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) entschieden, dass Streitigkeiten über die materiellrechtliche Begründetheit von Rückforderungsansprüchen privater Taggeldversicherungen gegenüber der IV durch Zivilgerichte zu beurteilen seien. Dieses prozessuale Vorgehen hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 30. Mai 2012, 4A_24/2012, E. 4.3 (mit weiteren Hinweisen; in BGE 138 III 411 nicht publizierte E.) bestätigt. Im Kanton St. Gallen entscheidet das Versicherungsgericht gemäss Art. 9 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EGZPO; sGS 961.2) in Verbindung mit Art. 7 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO;
SR 272) als einzige kantonale Instanz über Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG, SR 832.10). Bei der Taggeldversicherung der Mobiliar, deren Rückforderung
streitig ist, handelt es sich um eine solche Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung. Vorliegend ist somit die Voraussetzung der sachlichen Zuständigkeit erfüllt. Auf die Klage ist einzutreten.
1.2 Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung werden gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO ohne Rücksicht auf den Streitwert im vereinfachten Verfahren beurteilt, wobei gemäss Art. 219 ZPO die Bestimmungen über das ordent liche Verfahren sinngemäss gelten (vgl. Christoph Leuenberger/Beatrice Uffer-Tobler, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Bern 2010, N 11.154, N 11.157). Das Gericht wirkt gemäss Art. 247 Abs. 1 ZPO durch entsprechende Fragen darauf hin, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen, und stellt in Anwendung von Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Im Geltungsbereich dieser sogenannten Untersuchungsmaxime besteht begriffsnotwendig keine Beweisführungslast der klagenden Partei. Das Gericht hat jedoch nach den Regeln der Beweislast zu urteilen, d.h. wenn eine Tatsache beweislos bleibt, verliert diejenige Partei regelmässig den Prozess, die aus jener Rechte ableitet (Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [ZGB; SR 210]; Urteil des Bundes gerichts vom 28. Juli 2000, 4C.283/1999, E. 2b; Bernd Hauck in: Sutter-Somm/ Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 247 N 31 ff., besonders
N 37).
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beklagte vom ermittelten (und ihr bereits ausbezahlten [vgl. Art. 6 der Klageantwort bzw. Telefonnotiz vom 18. September 2013, act. G 11]) Überentschädigungsbetrag von Fr. 30'592.50 der Klägerin einen Anteil von
Fr. 12'625.20 eventuell von Fr. 8'745.80 zurückzubezahlen hat. (Erst aus der Klagebegründung ist entgegen dem Wortlaut des Rechtsbegehrens ersichtlich, dass der Betrag von Fr. 8'745.80 der Kürzung des Verrechnungsbetrags um die Kinderrente entspricht und damit für das Eventualbegehren steht.)
3.
3.1 Die Beklagte sieht in Art. A5 Abs. 1 ihrer AB die Kürzung der Taggelder (und Invalidenrenten) vor, die in Prozenten des Lohnes bestimmt sind, soweit sie mit Leistungen der IV (oder von anderen Sozialversicherungen) zusammen das versicherte Taggeld übersteigen (act. G 5.3). Als Taggeld ist gemäss der Police 80% des Tageslohns versichert (act. G 5.2). Abs. 2 von Art. A5 AB regelt weiter, dass die zuviel erbrachten Taggelder (und Invalidenrenten) zurückgefordert mit den Leistungen der IV (oder von anderen Sozialversicherungen) direkt verrechnet werden können, wenn trotz Kürzungsmöglichkeit insbesondere durch von der Beklagten erbrachte Vorleistungen eine Überentschädigung entsteht.
3.1.1 Diese Bestimmungen sind eindeutig formuliert; Unklarheiten liegen nicht vor. Es ist klar ersichtlich, dass die Beklagte ihre Leistungen in jedem Fall auf das versicherte Taggeld beschränkt, was vorliegend 80% des Tageslohns entspricht. Andere Interpretationen lässt Abs. 1 von Art. A5 AB nicht zu.
3.1.2 Es gibt somit keinen Anlass, die Überentschädigungsregelung von Art. 69 ATSG, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut beim Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen, zu welchen die Beklagte unbestrittenermassen gerade nicht gehört, gültig ist, analog anzuwenden (vgl. auch Ueli Kieser, ATSGKommentar, 2. Aufl. Zürich 2009, N 4 zu Art. 69).
3.1.3 Für den Entscheid über eine allfällige Überentschädigung der Klägerin und deren Berechnung kann diese sich auch nicht auf Art. 51 VVG beziehen, wie die Beklagte in der Klageantwort zutreffend ausführen lässt (Art. 4 Ziff. 8 der Klageantwort; vgl. Christian Boll, Basler Kommentar zum VVG, Basel 2001, Art. 51 N 6).
Unbestritten ist, dass der Klägerin aufgrund der Kollektivversicherung ihrer Arbeitgeberin und deren Krankmeldung vom 24. August 2009 von der Mobiliar, nach Ablauf der Wartefrist (von 90 Tagen) und bis am 13. August 2011, Krankentaggelder zum Tagesansatz von Fr. 133.50 ausgerichtet wurden (vgl. act. G 5.2 ff., G 5.7 ff.). Ab dem 1. August 2010 hatte sie, ebenfalls unbestritten, Anspruch auf eine ganze IV-Rente und eine Kinderrente für ihre Tochter, die ihr mit Verfügung der IV-Stelle St. Gallen vom
2. April 2012 zugesprochen worden waren (act. G 1.3). Die IV-Rente der Klägerin betrug 2010 monatlich Fr. 1'740.-- und ab Januar 2011 monatlich Fr. 1'771.--; die
Kinderrente für die Tochter 2010 monatlich Fr. 696.-- und ab Januar 2011 monatlich Fr. 708.--. Auf den Tag umgerechnet erhielt die Klägerin 2010 Fr. 80.10 (Fr. 1'740.-plus Fr. 696.-x 12 : 365) von der IV und 2011 Fr. 81.50 (Fr. 1'771.-plus Fr. 708.--
x 12 : 365). Für die Zeit vom 1. August 2010 bis 13. August 2011 wurde von der Beklagten die Verrechnung mit den nachzuzahlenden IV-Renten im Gesamtbetrag von Fr. 30'592.50 errechnet (153 Tage [1. August bis 31. Dezember 2010] à Fr. 80.10
= Fr. 12'255.30 zuzüglich 225 Tage [1. Januar bis 13. August 2011] à Fr. 81.50
= Fr. 18'337.50; total Fr. 30'592.80 mit einer Rundungsdifferenz von Fr. 0.30) und bei der Ausgleichskasse C. am 21. März 2012 beantragt (vgl. act. G 5.8, G 11.1). Die IVStelle St. Gallen ordnete in ihrer Verfügung vom 2. April 2012 (mit der der Klägerin die
IV-Renten zugesprochen wurden) auch die Auszahlung des Betrags von Fr. 30'592.50 an die Beklagte an (act. G 1.3).
Der Regelung über die Verrechnungsmöglichkeit mit Nachzahlungen von Sozialversicherungsleistungen gemäss Art. A5 AB der Beklagten steht auf der Seite der IV bzw. der Ausgleichskasse C. Art. 22 Abs. 2 lit. b ATSG gegenüber, wonach Nachzahlungen von Leistungen an eine Versicherung abgetreten werden können, wenn diese Vorschussleistungen erbracht hat. Kieser weist in N 41 zu Art. 22 seines ATSGKommentars darauf hin, dass der Gesetzgeber auf Anregung des Bundesrats (vgl. BBl 1994 V 937 f.) diese Bestimmung absichtlich offen formuliert und auch Vorleistungen von Privatversicherern (zum Beispiel Haftpflichtoder Taggeldversicherern) in die Verrechnungsmöglichkeit mit Nachzahlungen von Sozialversicherungen einbezogen hat. Entgegen dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 lit. b ATSG ist keine Abtretung gemäss Art. 164 ff. des Bundesgesetzes betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivil gesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht; OR; SR 220) erforderlich (vgl. Franz Schlauri, Die zweigübergreifende Verrechnung und weitere Instrumente der Vollstreckungskoordination des Sozialversicherungsrechts, in: Schaffhauser/
Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2004, S. 190). Besteht ein normativ eindeutig festgelegtes Rückforderungsrecht, wie es die Beklagte in Art. A5 AB geregelt hat, ist eine Drittauszahlung ohne Abtretung zulässig (vgl. Kieser, a.a.O., N 41 zu
Art. 22 ATSG sowie Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV).
Die Klägerin macht gegenüber der (rückwirkenden) Verrechnung des Nachzahlungsbetrags der IV-Renten mit den Taggeldleistungen der Beklagten auch
geltend, es sei ihr nie mitgeteilt worden, dass es sich dabei um Vorleistungen handle. Entsprechende Orientierungspflichten gegenüber den anspruchsberechtigten Mitarbeitenden treffen allerdings in erster Linie die Arbeitgeberin (vgl. dazu den Abschnitt "Welches sind Ihre wichtigsten Pflichten" in den Kundeninformationen der MobiSana zur Kollektiv-Krankentaggeldversicherung, act. G 5.3), nicht die Beklagte.
Zudem regelt Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV ausdrücklich, dass vertraglich aufgrund
eines Gesetzes erbrachte Leistungen als Vorleistungen gelten, soweit aus dem Vertrag dem Gesetz ein eindeutiges Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet werden kann. Diese Voraussetzungen treffen auf die Taggeldleistungen der Beklagten aufgrund der Police und von Art. A5 AB zu. Jedenfalls kann die Klägerin aus der Angabe, dass sie von der Eigenschaft der Krankentaggelder als Vorleistungen nichts gewusst habe, nichts ableiten, insbesondere nicht, dass die Beklagte keinen Verrechnungsanspruch gemäss Art. A5 Abs. 2 AB (mehr) habe.
3.5 Da 80% des Tageslohns gemäss Art. A5 Abs. 1 AB die Höchstgrenze der Entschädigung durch die Beklagte bildet und keine andern Überentschädigungsgrenzen zu berücksichtigen sind (vgl. vorstehende Erwägung 3.1), ist die Überentschädigung mit dem Tagesansatz der für denselben Zeitraum ausgerichteten IV-Renten korrekt berechnet worden. Die Kürzung des Verrechnungsbetrags um Fr. 12'625.20 bzw. die entsprechende Rückforderung gegenüber der Beklagten findet in der vorliegend gültigen Vertragsbzw. Rechtsordnung keine Stütze.
4.
Als Eventualantrag macht die Klägerin geltend, die Kinderrente für die Tochter die Tochter habe bei der Überentschädigungs-Berechnung unberücksichtigt zu bleiben und der Verrechnungsbetrag sei um Fr. 8'745.80 zu kürzen bzw. die entsprechende Rückforderung gegenüber der Beklagten gutzuheissen.
Eine Invalidität eines versicherten Elternteils von mindestens 40% generiert gemäss Art. 28 und Art. 35 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Verbindung mit Art. 25 des Bundesgesetzes über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) neben dem eigenen Rentenanspruch
auch einen solchen auf eine Kinderrente der IV. Dieser ist strikt akzessorisch (vgl. Ulrich Meyer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 2. Aufl. Zürich 2010, S. 410).
Art. 35 Abs. 4 IVG bestimmt denn auch ausdrücklich, dass die Kinderrente zur IV-Rente
(des Elternteils) "gehört".
Soweit die Klägerin auf BGE 134 V 15 verweist, tut sie dies mit Blick auf die Auszahlungsberechtigung. Diese ist jedoch von der Anspruchsberechtigung zu unterscheiden (vgl. auch Meyer, a.a.O., S. 411 ff.). Massgebend für die Berechnung einer allfälligen Überentschädigung gemäss Art. A5 Abs. 1 AB sind aber die Rente und allfällige Zusatzrenten, auf welche die (für Taggeldleistungen) bei der Mobiliar versicherte Person Anspruch hat. Vorliegend sind demnach sowohl die Rente der Klägerin als auch die Kinderrente für die Tochter in die Berechnung der Überentschädigung einzuberechnen, wie es die Beklagte getan hat. Für die Kürzung des Verrechnungsbetrags bzw. eine entsprechende Rückforderung gegenüber der Beklagten bleibt damit auch diesbezüglich kein Raum.
5.
Im Sinn der vorstehenden Erwägungen ist die Klage vom 21. Juni 2012
abzuweisen.
Gerichtskosten sind keine aufzuerlegen (Art. 114 lit. e ZPO).
5.3 Ausgangsgemäss hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Dagegen hätte die obsiegende Beklagte einen solchen Anspruch. Sie hat jedoch weder eine Parteientschädigung beantragt noch eine Kostennote eingereicht. Da somit ein einschlägiger Antrag fehlt, kann das Gericht der Beklagten keine Parteientschädigung zusprechen (vgl. Viktor Rüegg, Basler Kommentar zur ZPO, Basel 2010, Art. 95 Rz 16 und Art. 105 Rz 2).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 14 der sanktgallischen Verordnung über die Organisation und den Geschäftsgang des Versicherungsgerichts (OrgV; sGS 941.114)
entschieden:
Die Klage wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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