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Zusammenfassung des Urteils KV-SG 2012/5: Versicherungsgericht
A. hat bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen eine individuelle Prämienverbilligung für das Jahr 2012 beantragt, wurde jedoch abgelehnt. Er erhob Einspruch und argumentierte, dass er die Mindestgarantie erfülle. Der Rekurs wurde jedoch ebenfalls abgewiesen. A. reichte daraufhin einen weiteren Rekurs ein, in dem er darlegte, dass sein gewähltes Studium als Ausbildung anzuerkennen sei. Die Vorinstanz lehnte die Mindestgarantie erneut ab, obwohl sie in einem früheren Fall das Studium als Ausbildung anerkannt hatte. Das Versicherungsgericht entschied schliesslich zugunsten von A., hob die Entscheidung auf und wies den Fall zur Neuberechnung an die Vorinstanz zurück.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV-SG 2012/5 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | - |
Datum: | 01.03.2013 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 65 Abs. 1bis KVG. Minimalgarantie. Ausbildung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St.Gallen vom 1. März 2013, KV-SG 2012/5). |
Schlagwörter: | Rekurrent; Ausbildung; Vorinstanz; Beruf; Weiterbildung; Prämien; Prämienverbilligung; Gallen; Kanton; Studium; Rekurrenten; Verfügung; Mindestgarantie; EG-KVG; Betriebsökonomie; Betriebsökonomiestudium; Kantons; Gewährung; Anspruch; Rekurs; Antrag; Personen; Einkommen; Berufslehre; Bachelor; Entscheid; Gesuch; Begründung; ählten |
Rechtsnorm: | Art. 65 KVG ;Art. 66 KVG ;Art. 97 KVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 1. März 2013
in Sachen A. ,
Rekurrent, gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.
Gallen, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,
Vorinstanz, betreffend
individuelle Prämienverbilligung 2012 Sachverhalt:
A.
A.a A. meldete sich im Februar 2012 bei der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (SVA) zum Bezug einer individuellen Prämienverbilligung (IPV) für das Jahr 2012 an. Auf dem Anmeldeformular der SVA gab er an, sich am 1. Januar 2012 noch in Ausbildung befunden zu haben. Seine Eltern hätten für den Monat Januar 2012 keine Ausbildungszulage nach dem Familienzulagengesetz bezogen. Für seinen Lebensunterhalt würden die Eltern nicht überwiegend aufkommen (act. G 5.1.1).
A.b Mit Verfügung vom 30. Mai 2012 sprach die SVA dem Gesuchsteller für das Jahr 2012 eine IPV von Fr. 323.55 zu. Dies basierend auf dem im Gesuch angegebenen Reineinkommen von Fr. 22'675.-- ohne steuerbares Vermögen (act. G 5.1.6).
Der Gesuchsteller erhob am 13. Juni 2012 Einsprache. Er machte geltend, er erfülle sämtliche Kriterien für die Gewährung der Mindestgarantie (act. G 5.1.8).
Mit Entscheid vom 26. Juni 2012 wies die SVA die Einsprache ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, bei dem vom Versicherten gewählten Studiengang handle es sich nicht um eine Ausbildung, sondern um eine Weiterbildung. Folglich bestehe kein Anspruch auf die Mindestgarantie (act. G 5.1.9).
B.
Gegen diesen Entscheid richtet sich der vom Versicherten erhobene Rekurs vom 9. Juli 2012, mit dem sinngemässen Antrag um Neuberechnung der Prämienverbilligung bzw. um Gewährung der Mindestgarantie. Der Rekurrent hält der Argumentation der Vorinstanz entgegen, der von ihm gewählte Studiengang könne auch von Wirtschaftsmittelschülern und Kantonsschülern absolviert werden. Auch diese Personen könnten berufsbegleitend studieren und nebenbei 70 % arbeiten. Es würden diejenigen Personen bestraft, welche eine Mehrbelastung (Fachhochschule und Beruf) auf sich nähmen (act. G 1). Ergänzend zur Beschwerde reichte der Rekurrent am 11. Juli 2012 einen Auszug aus einem E-Mail der Fachhochschule St. Gallen vom 10. Juli 2012 ein (act. G 3).
Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 24. August 2012 die Abweisung des Rekurses.
Mit Replik vom 16. September 2012 hält der Rekurrent an seinem Antrag fest (act. G 7).
Die Vorinstanz verzichtete auf die Einreichung einer Duplik (vgl. act. G 9).
Auf die weiteren Begründungen in den einzelnen Rechtsschriften wird - soweit erforderlich - in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen eingegangen.
Erwägungen: 1.
Streitig und im vorliegenden Verfahren zu beurteilen ist, ob dem Rekurrenten bezüglich der IPV für das Jahr 2012 die gesetzliche Minimalgarantie zusteht.
2.
Nach Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) haben die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen zu gewähren. Dazu haben sie nach Art. 97 Abs. 1 KVG Ausführungsbestimmungen zu erlassen, bei deren Ausgestaltung die Bedingungen von Art. 66 KVG sowie Art. 65 Abs. 3 KVG zu beachten sind (Art. 65 Abs. 2 KVG). Der Kanton St. Gallen ist dieser Verpflichtung durch die Art. 9-16 des Einführungsgesetzes zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung (sGS 331.11; EG-KVG) und die dazugehörigen Vollzugsvorschriften in Art. 9-38 der Verordnung zum Einführungsgesetz zur Bundesgesetzgebung über die Krankenversicherung (sGS 331.111; Vo-EG) nachgekommen, wobei er insbesondere die persönlichen (Art. 10 EG-KVG) und die einkommensmässigen (Art. 11 EG-KVG) Voraussetzungen sowie die Höhe der Prämienverbilligung (Art. 12 EG-KVG) festgesetzt hat. Eine Prämienverbilligung wird nach Art. 10 Abs. 1 EG-KVG Personen gewährt, die im Kanton St. Gallen steuerrechtlichen Wohnsitz haben (lit. a) und ein die Prämienverbilligung auslösendes Einkommen erzielen (lit. b). In Bezug auf die einkommensmässigen Voraussetzungen bestimmt Art. 11 EG-KVG, dass das die Prämienverbilligung auslösende Einkommen unter teilweiser Berücksichtigung des steuerbaren Vermögens von der Regierung durch Verordnung festgesetzt wird (Abs. 1).
Grundlage für die Berechnung der Prämienverbilligung bildet in der Regel die letzte definitive Steuerveranlagung (Abs. 2). Entspricht das ermittelte Einkommen offensichtlich nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wird auf diese abgestellt (Abs. 3). Gemäss Art. 65 Abs. 1 bis KVG verbilligen die Kantone für untere und mittlere Einkommen die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent.
3.
Die Vorinstanz verneinte einen Anspruch des Rekurrenten auf die Minimalgarantie im Sinn von Art. 65 Abs. 1bis KVG mit der Begründung, der Rekurrent befinde sich nicht in einer Ausbildung, sondern in einer Weiterbildung. Der Rekurrent hatte ursprünglich gemäss eigenen Angaben eine Berufslehre zum Konstrukteur abgeschlossen. Seit dem Jahr 2009 absolviert er ein Studium zum "Bachelor of Science FHO in
Business" (nachfolgend: Betriebsökonomiestudium), dies berufsbegleitend für die Gesamtdauer von acht Semestern (vgl. act. G 5.1.13). Der Rekurrent arbeitet seit März 2012 zu einem 70 %-Pensum für die Genossenschaft B. (act. G 5.1.5b), zuvor war er seit September 2009 für die C. AG tätig gewesen, dies ebenfalls zu einem 70 %- Pensum (act. G 5.1.5b). Im Folgenden ist zu prüfen, ob das vom Rekurrenten gewählte
Studium als Ausbildung im Sinn von Art. 65 Abs. 1bis KVG zu qualifizieren ist. Der
Begriff "Ausbildung" wird vom Gesetz nicht näher umschrieben. Als Ausbildung im engeren Sinn gilt das Erlernen eines Erst- Zweitberufs. Sie ist abzugrenzen von der Weiterbildung, bei der es um die Erweiterung bereits erworbener Kenntnisse in einem bestimmten Beruf geht. Weiterbildung ist diejenige Art von Ausbildung im weiteren Sinn, die jemand auf sich nimmt, um in seinem Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, den steigenden Anforderungen einer beruflichen Stellung gewachsen zu bleiben (AGVE 2000 Nr. 101).
Der Rekurrent ist wie erwähnt der Ansicht, es handle sich bei dem von ihm gewählten Studium um eine Ausbildung. Er stützt sich dabei namentlich auf eine Stellungnahme der Fachhochschule St.Gallen vom 10. Juli 2012. Demgemäss werde an dieser Schule klar zwischen Ausbildung und Weiterbildung unterschieden. Als Ausbildung zählten alle Bachelor- und konsekutiven Masterstudiengänge, wobei diese sowohl im Vollzeitstudium wie auch berufsbegleitend absolviert werden könnten.
Weiterbildungskurse seien demgegenüber auf praxis- und führungserfahrene Berufsleute ausgerichtet, welche allenfalls bereits früher ein Bachelor- Masterstudium gemacht hätten. Der Rekurrent absolviere eindeutig eine Aus- und keine Weiterbildung (act. G 3.2).
Hinsichtlich der Qualifikation des Studiums des Rekurrenten als Aus- Weiterbildung ist zunächst das Verhältnis zur bisherigen Tätigkeit entscheidend. Diesbezüglich macht der Rekurrent zu Recht geltend, dass das Betriebsökonomiestudium ihm nicht unmittelbar der Vertiefung der Kenntnisse in seinem erlernten Beruf als Konstrukteur dient. Demzufolge wäre gemäss der oben (Ziff. 3.1) zitierten Rechtsprechung von einer Ausbildung auszugehen. In grundsätzlicher Hinsicht ist sodann festzuhalten, dass derjenige, der sich nach der obligatorischen Schulzeit für eine Berufslehre entscheidet, in gleicher Weise berechtigt ist, nach Abschluss der Lehre eine höhere Ausbildung in Form eines Bachelor- bzw. Masterstudiums zu absolvieren, wie derjenige, der den Weg der Matura einschlägt. Würde eine Ausbildung im Sinn von Art. 65 Abs. 1bis KVG nur dann anerkannt, wenn der Versicherte noch über keinen eigentlichen Berufsabschluss verfügt, wäre darin eine Benachteiligung derjenigen Personen zu erblicken, die vor Absolvierung der höheren Ausbildung zunächst eine (andere) Berufsausbildung erwerben bzw. erwerben möchten. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob der Rekurrent bereits vor Antritt der Berufslehre das Ziel vor Augen hatte, dereinst ein Studium in Betriebsökonomie in Angriff zu nehmen. Massgebend ist einzig, dass ein Betriebsökonomiestudium sowohl für den Mittelschulabgänger als auch für den Absolventen einer Konstrukteurberufslehre eine Fortsetzung seiner (Erst-)Ausbildung darstellt; folglich rechtfertigt sich auch keine unterschiedliche Behandlung des Berufslehreabgängers hinsichtlich der Gewährung der Mindestgarantie nach Art. 65 Abs. 1bis KVG. Unerheblich ist demnach im Übrigen ebenfalls die Tatsache, dass der Rekurrent neben dem Studium zu einem 70 %-Pensum arbeitet und aus diesem Grund das Studium in acht statt in sechs Semestern absolviert.
Immerhin weist die Vorinstanz zutreffend darauf hin, dass dem Rekurrenten für sein Studium von der Steuerbehörde Steuerabzüge gewährt wurden. Gemäss Art. 39 Abs. 1 lit. d des kantonalen Steuergesetzes (sGS 811.1) können mit dem Beruf zusammenhängende Weiterbildungs- und Umschulungskosten von den steuerbaren
Einkünften abgezogen werden. Bezüglich Ausbildungskosten hingegen ist dies nicht der Fall. Aus der Veranlagungsberechnung für das Jahr 2010 ist ersichtlich, dass der Rekurrent für die betreffende Steuerperiode Weiter- und Umschulungskosten in der Höhe von Fr. 3'838.-- deklarierte; akzeptiert wurde schliesslich ein Betrag von Fr. 3'138.-- (act. G 5.1.5f). Für die Steuerperiode 2011 wurde der deklarierte Betrag von Fr. 3'500.-- veranlagt (act. G 5.1.5g). Die Steuerbehörde scheint somit fälschlicherweise von einer Weiterbildung statt von einer Ausbildung ausgegangen zu sein. Indes ist festzuhalten, dass die Beurteilung der Steuerbehörde, wonach der Rekurrent eine Weiterbildung absolviere, für das vorliegende Verfahren nicht bindend ist.
Zu beachten ist schliesslich, dass der Rekurrent bereits für das Jahr 2011 einen Antrag auf Gewährung der Mindestgarantie gestellt hatte. Dieser war von der Vorinstanz mit Verfügung vom 6. Mai 2011 gutgeheissen worden (act. G 5.1.10). Die Vorinstanz hatte damals also - unter den gleichen Voraussetzungen wie im vorliegenden Fall - das Betriebsökonomiestudium des Rekurrenten als Ausbildung im Sinn von Art. 65 Abs. 1bis KVG anerkannt. Es wird von ihr indes mit keinem Wort begründet, weshalb sie hinsichtlich des Antrags für das Jahr 2012 zu einer anderen Beurteilung gelangt ist. Die Ablehnung der Mindestgarantie für das Jahr 2012 ist deshalb als Verstoss gegen das Gebot widerspruchsfreien Verhaltens zu qualifizieren.
4.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz das Betriebsökonomiestudium des Rekurrenten zu Unrecht nicht als Ausbildung im Sinn von Art. 65 Abs. 1bis KVG anerkannt hat. In diesem Sinn ist der Rekurs gutzuheissen und die angefochtene Verfügung aufzuheben. Die Sache ist zur Neuberechnung des IPV-Anspruchs und zur neuen Verfügung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Nach Art. 95 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP; sGS 951.1) hat in Streitigkeiten grundsätzlich jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz zum Teil abgewiesen werden. Beim vorliegenden
Verfahrensausgang hat demnach die Vorinstanz die Gerichtsgebühr zu bezahlen. Diese ist in Anwendung von Art. 7 Ziff. 122 der Gerichtskostenverordnung (sGS 941.12), der
einen Rahmen von Fr. 500.-- bis Fr. 15'000.-- vorsieht, wie in gleichartigen Fällen üblich, auf Fr. 1'000.-- festzusetzen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:
In Gutheissung des Rekurses wird die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Sache zur Neuberechnung des IPV-Anspruchs und zur neuen Verfügung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Die Vorinstanz hat die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- zu bezahlen.
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