Zusammenfassung des Urteils HG.2009.113: Kantonsgericht
Die Kläger 1 und 2 wurden von einer Wohnbaugenossenschaft ausgeschlossen, da sie sich angeblich nicht an statutenkonforme Beschlüsse hielten. Nach mehreren rechtlichen Auseinandersetzungen wurde der Ausschluss der Kläger durch die Generalversammlung bestätigt. Die Kläger klagten gegen diesen Beschluss und argumentierten, dass das Verfahren Verfahrensmängel aufwies. Letztendlich entschied das Handelsgericht, dass der Ausschluss der Kläger ungültig war, da wichtige Verfahrensvorschriften nicht eingehalten wurden. Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die Kläger die Genossenschaftsinteressen vorsätzlich geschädigt hatten. Der Beschluss der Generalversammlung wurde aufgehoben, und die Kläger wurden wieder als Mitglieder der Genossenschaft aufgenommen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | HG.2009.113 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | Kantonsgericht |
Datum: | 07.12.2010 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 846 und 891 OR (SR 220), Art. 8 ZGB (SR 210). Voraussetzungen für den Ausschluss aus einer Wohnbau-Genossenschaft; im Ausschlussverfahren zu beachtende Verfahrensvorschriften; verfahrensrechtliche und inhaltliche Anforderungen hinsichtlich der geltend gemachten Ausschliessungsgründe (Handelsgericht, 7. Dezember 2010, HG.2009.113). |
Schlagwörter : | Genossenschaft; Verwaltung; Generalversammlung; Genossenschafter; Beklagten; Ausschliessung; Ausschluss; Quot; Verfahren; Statuten; Recht; Beschluss; Klage; Vorwurf; Ausschliessungsentscheid; Begründung; Mitglied; Ermahnung; Äusserung; Handelsgericht; Verfahrens; Ansehen; Beschlüsse; Vorwürfe; Beweis; Verwaltungsmitglied |
Rechtsnorm: | Art. 257f OR ;Art. 8 ZGB ;Art. 846 OR ;Art. 866 OR ;Art. 891 OR ; |
Referenz BGE: | 136 III 65; 40 II 378; 85 II 543; 90 II 348; |
Kommentar: | Peter Forstmoser, Berner Band VII, Art. 846 OR, 1974 Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
I.
Die Beklagte ist eine Wohnbaugenossenschaft. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2008 beschloss die Verwaltung der Genossenschaft, die Kläger 1 und 2 per sofort aus der Genossenschaft auszuschliessen, da die Kläger so die Beklagte sich ständig über statutenkonforme Beschlüsse der Generalversammlung des Vorstandes hinwegsetzen wollten und sich in einer Weise verhalten hätten, die als stark querulierend und störend aufgefasst werde (kläg. act. 6; Duplik, S. 4). Die Berufung der Kläger vom 18. bzw. 22. Dezember 2008 gegen diesen Entscheid der Verwaltung an
die Generalversammlung wurde mit Beschluss der ordentlichen Generalversammlung vom 24. April 2009 abgewiesen bzw. es wurde der Ausschluss der Kläger 1 und 2 aus der Genossenschaft mit 42 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen bestätigt (kläg. act. 13). Dieses Abstimmungsergebnis wurde den Klägern mit Schreiben vom 18. Mai 2009 unter dem Hinweis mitgeteilt, dass dieser Beschluss nach Art. 891 OR innerhalb von 2 Monaten beim Richter angefochten werden könne (kläg. act 11).
Nachdem der Vermittlungsvorstand vom 3. Juni 2009 unvermittelt geblieben ist, reichten die Kläger am 30. Juni 2009 Klage beim Handelsgericht mit vorgenanntem Rechtsbegehren ein. Sie machen Ungültigkeit des GV-Beschlusses vom 24. April 2009 geltend, da weder ein statutarischer noch ein wichtiger Ausschlussgrund gegeben sei und ihr Ausschluss überdies unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sei.
Nach Eingang der Klageantwort vom 21. September 2009 fand am 23. November 2009 vor dem Handelsgerichtspräsidenten eine Vorbereitungsverhandlung im Beisein der Rechtsvertreter der Parteien, der Kläger 1 und 2 sowie des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Genossenschaft sowie dreier Genossenschafter statt. Anlässlich dieser Vorbereitungsverhandlungen verglichen sich die Parteien im Wesentlichen dahingehend, dass die Verwaltung der Beklagten an der ordentlichen Generalversammlung vom 9. April 2010 beantrage, dass die Kläger 1 und 2 wieder als Mitglieder in die Genossenschaft aufgenommen werden. Das Verfahren vor Handelsgericht wurde bis nach der Abstimmung der Generalversammlung sistiert (verf. act. 30).
Wie im Vergleich vom 23. November 2009 vereinbart, wurde an der ordentlichen Generalversammlung vom 9. April 2010 die Diskussion und die Beschlussfassung über die Wiederaufnahme der Kläger 1 und 2 als Mitglieder der Genossenschaft traktandiert. Die Genossenschafter haben in der Folge in einer geheimen Abstimmung eine Wiederaufnahme der Kläger 1 und 2 abgelehnt (verf. act. 35a).
In ihrer Replik vom 1. Juni 2010 (verf. act. 41) hielten die Kläger 1 und 2 im Wesentlichen an ihrem Standpunkt fest und behaupteten, die von der Beklagten angeführten Beweismittel über die Agitationen und Irritationen seitens der Kläger zeigten nicht im Entferntesten auf, inwiefern die Kläger eine Treuepflichtverletzung begangen haben sollen.
Am 30. Juni 2010 reichten die Kläger 1 und 2 gegen die Beklagte eine weitere Klage beim Handelsgericht ein (HG.2010.237-HGK). Damit beantragten sie, der Beschluss der Generalversammlung vom 9. April 2010 sei aufzuheben und die beiden
Kläger seien wieder als Genossenschafter aufzunehmen. Ferner stellten sie den Antrag, die beiden Verfahren HG.2009.113-HGK und HG.2010.237-HGK seien zu vereinigen.
Die Beklagte lehnte mit Duplik vom 22. Juni 2010 (verf. act. 44) eine Vereinigung beider Verfahren ab und beantragte die Sistierung des Verfahrens HG.2009.113-HGK.
Der Handelsgerichtspräsident entschied, das Verfahren HG.2010.237-HGK zu sistieren. Die Vereinigung beider Verfahren sei nicht zweckmässig, weil nur über die Wiederaufnahme der Genossenschafter entschieden werden müsse, wenn die Klage HG.2009.113-HGK abgewiesen würde. Werde die Klage HG.2009.113-HGK dagegen geschützt, sei das Verfahren HG.2010.237-HGK gegenstandslos, da in diesem Fall die Kläger zufolge Ungültigkeit des GV-Beschlusses vom 24. April 2009 - Genossenschafter der Beklagten geblieben seien (HG.2010.237-HGK, verf. act. 11).
Mit Datum vom 2. Juli 2010 (verf. act. 51) reichten die Kläger eine nachträgliche
Eingabe ein.
Die Hauptverhandlung wurde am 7. Dezember 2010 durchgeführt. Der Rechtsvertreter der Beklagten reichte an der Hauptverhandlung als neues Beweismittel ein Schreiben der Verwaltung der Beklagten vom 15. April 2009 ein und beantragte neu die Einvernahme von F. T. als Zeugen. Der Rechtsvertreter der Kläger verwehrte sich gegen diese neuen Beweisanträge und verlangte, diese seien aus dem Recht zu weisen bzw. abzulehnen.
II.
Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts zur Beurteilung dieser Streitsache ist gegeben, nachdem die Beklagte ihren statutarischen Sitz gemäss Art. 2 ihrer Statuten in . X ... (SG) hat (Art. 29 GestG) und das Handelsgericht nach Art. 15 Abs. 1 lit. b ZPO (sGS 961.2) für Streitigkeiten über Genossenschaften ausschliesslich zuständig ist.
Verwirkungsfristen wie die Dreimonatsfrist nach Art. 846 Abs. 3 OR, wonach ein ausgeschlossener Genossenschafter den Ausschlussentscheid der Generalversammlung innert drei Monaten beim Richter anfechten kann, wie auch die Zweimonatsfrist nach Art. 891 Abs. 1 OR, nach der die Verwaltung der Genossenschaft und jeder Genossenschafter von der Generalversammlung gefasste Beschlüsse, die gegen das Gesetz die Statuten verstossen, innert 2 Monaten nach der Beschlussfassung beim Richter mit Klage gegen die Genossenschaft anfechten können, sind von Amtes wegen zu prüfen. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses der Generalversammlung. Das Bundesrecht bestimmt, dass das Recht zur Anfechtung mit der Klageerhebung gewahrt wird, d. h. mit der ersten prozesseinleitenden Handlung des Klägers (Andreas Moll, in: BSK II, 3. Aufl. Basel 2008, N 25 zu Art. 891 OR).
Der Ausschliessungsentscheid der Verwaltung datiert vom 4. Dezember 2008. Die Berufung der Kläger datiert vom 18. bzw. 22. Dezember 2008. Der mit dieser Klage angefochtene Beschluss wurde an der Generalversammlung vom 24. April 2009 gefasst. Die Kläger verlangten in der Streitsache am 14. Mai 2009 Vermittlung. Damit war die Klage angehoben. Nach der Durchführung des Vermittlungsvorstands am 3. Juni 2009 reichten die Kläger diese Klage am 30. Juni 2009 ein. Damit sind die Zweimonatsfrist nach Art. 891 OR wie auch die Dreimonatsfrist nach Art. 846 Abs. 3 OR gewahrt worden.
Ist der Ausschluss eines Genossenschafters aus der Genossenschaft streitig, ist nach Art. 8 ZGB die Genossenschaft beweispflichtig für das Vorliegen eines wichtigen Ausschliessungsgrundes bzw. für das Vorliegen statutarischer
Ausschliessungsgründe sowie für die Einhaltung der verfahrensrechtlichen gesetzlichen wie statutarischen Bestimmungen des Ausschliessungsverfahrens, insoweit die Genossenschaft bzw. deren Verwaltung diese anzuwenden haben.
Die Rechtsstellung des Ausgeschlossenen während des Gerichtsverfahrens kann statutarisch frei bestimmt werden. Die Statuten der Beklagten bestimmen, dass der Anrufung des Richters nach Art. 846 Abs. 3 OR keine aufschiebende Wirkung zukommt. Keine aufschiebende Wirkung der Anrufung des Richters wäre nach herrschender Lehre im Übrigen auch dann anzunehmen, wenn es an einer
statutarischen Regelung fehlen würde. Die Mitgliedschaft befindet sich vom Zeitpunkt des Ausschlusses bis zum richterlichen Urteil in einem "resolutiven Schwebezustand". Wird die Klage des Ausgeschlossenen abgewiesen, war der Ausschluss von Anfang an wirksam. Wird die Klage des Ausgeschlossenen gutgeheissen, so wird zugleich festgestellt, dass die in Frage stehende Mitgliedschaft ununterbrochen weiterbestanden hat (Peter Forstmoser, in: Berner Kommentar, Band VII, Abt. 4, Bern 1974, N 49 f. zu Art. 846 OR).
Die Kläger behaupten, der Ausschliessungsentscheid sowohl der Verwaltung wie auch der Generalversammlung der Beklagten sei u.a. auch deshalb ungültig, weil das Ausschliessungsverfahren, mit welchem sie aus der Beklagten ausgeschlossen worden seien, erhebliche Verfahrensmängel aufweise.
a) Es ist unbestritten, dass die Verwaltung vor ihrem Ausschliessungsentscheid vom 4. Dezember 2008 keine Ermahnung ausgesprochen hat. Eine gesetzliche Pflicht zur vorgängigen Ermahnung besteht nicht (Peter Forstmoser, a.a.O., N 25 zu Art. 846 OR). Gemäss Art. 11 Abs. 3 Statuten hat dem Ausschluss aber eine entsprechende Ermahnung voranzugehen, ausser wenn diese nutzlos ist die mietrechtliche Kündigung nach Art. 257f Abs. 4 OR erfolgt.
Die Beklagte hat sich an das in den Statuten festgelegte Verfahren für einen Ausschluss eines Mitglieds zu halten. Sie ist beweispflichtig für die Tatsache, dass sie diese Verfahrensvorschriften eingehalten hat. Das Vorbringen der Beklagten, eine Ermahnung der Kläger wäre ohnehin nutzlos gewesen, überzeugt nicht. Voraussetzung für die Annahme der Nutzlosigkeit einer Ermahnung wäre vielmehr, dass sich der Genossenschafter, der ausgeschlossen werden soll, bereits explizit geweigert hätte, das ihm vorgeworfene unrechtmässige Verhalten (wie z.B. ehrverletzende Äusserungen über Mitglieder der Verwaltung) inskünftig zu unterlassen. Auch die rechtmässige Wahrnehmung von Beweissicherungsrechten durch den Genossenschafter kann nicht als Begründung für eine Nutzlosigkeit einer Ermahnung dienen.
Die Ermahnung hat selbst nicht die Funktion, dem Genossenschafter, der ermahnt wird, das rechtliche Gehör zu gewähren. Vielmehr ist die Ermahnung eine dem Genossenschafter zu gewährende letzte Chance, durch zukünftiges Unterlassen des
beanstandeten, unrechtmässigen Verhaltens seinen eigenen Ausschluss aus der Genossenschaft zu verhindern. Mit der Ermahnung muss dem betroffenen Genossenschafter auch klar und im Einzelnen bekannt gegeben werden, welches Verhalten beanstandet wird. Da durch den Entscheid der Verwaltung vom 4. Dezember 2009 das Ausschliessungsverfahren mit zwingenden Verwirkungsfristen für die Kläger eingeleitet worden war und den Klägern so die Möglichkeit genommen wurde, ihr eigenes Verhalten, insofern es allenfalls unberechtigt war, nochmals zu überdenken und dieses inskünftig zu unterlassen, konnte dieser Verfahrensmangel auch nicht durch die nachfolgende Generalversammlung vom 24. April 2009 geheilt werden. Mit dem Beschluss der Verwaltung vom 4. Dezember 2008 über den Ausschluss der Kläger ohne vorgängige Ermahnung verletzte die Verwaltung der Beklagten demnach die Verfahrensvorschriften von Art. 11 Abs. 2 Statuten.
Von Gesetzes wegen ist der Ausschliessungsbeschluss zwar formlos gültig, muss aber begründet werden, da nur unter dieser Voraussetzung der betroffene Genossenschafter den Beschluss anfechten kann. Die Begründung im Ausschliessungsentscheid der Verwaltung muss den Betroffenen in die Lage versetzen, zu konkreten Vorwürfen Stellung nehmen zu können. Ein Ausschluss ohne Grundangabe ist im Gegensatz zum Vereinsrecht - nicht zulässig (Alfred Schwartz, a.a.O., N 15 zu Art. 846 OR). Die Statuten der Beklagten gehen teilweise über die Anforderungen des Gesetzes hinaus. Der Ausschliessungsentscheid der Verwaltung ist nach Statuten dem betreffenden Mitglied durch eingeschriebenen Brief mit der Begründung und mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Berufung an die Generalversammlung zu eröffnen (Art. 11 Abs. 3 Statuten).
Die im Ausschliessungsentscheid der Verwaltung vom 4. Dezember 2008 genannten Ausschlussgründe "wiederholtes Hinwegsetzen über statutenkonforme Beschlüsse" sowie "unwahre und ehrverletzende Anschuldigungen" sind zu allgemein gehalten und genügen den Anforderungen an eine hinreichende Begründung nicht.
a) Die Kläger haben mit Schreiben vom 23. März 2009 eine Einladung zur Generalversammlung vom 24. April 2009 erhalten. Die Kläger behaupten, es sei seitens der Verwaltung anlässlich der Generalversammlung vom 24. April 2009 keine Begründung für den Ausschluss der Kläger abgegeben worden. Sie hätten nicht
gewusst, warum die Verwaltung einen Ausschluss verfügt habe. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass es die übrigen Genossenschafter gewusst hätten (Replik, S. 2 f., II.4).
Die Beklagte macht ihrerseits geltend, es sei allen an der Generalversammlung vom
24. April 2009 Anwesenden auch den Klägern bekannt gewesen, aufgrund welcher Sachumstände die Kläger aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden sollten. Die Aussagen von Herrn B., F. und T. anlässlich der Generalversammlung vom 24. April 2009 zeigten deutlich auf, dass die Anwesenden im Bilde gewesen seien (Klageantwort, II.4.; BO: kläg. act. 13).
Der von einem Ausschlussverfahren Betroffene hat aufgrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör ein Recht auf vorgängige Orientierung, Äusserung, Akteneinsicht sowie Anhörung im Sinne des persönlichkeitsbezogenen Mitwirkungsrechts (Alfred Schwartz, a.a.O., N 17 zu Art. 846 OR m.w.H. auf die Lehre und Rechtsprechung).
Auch gemäss Statuten der Beklagten hat der Ausgeschlossene das Recht, in der Generalversammlung seine Sicht selber darzulegen darlegen zu lassen (Art. 11 Abs. 3 Statuten). Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs stellt einen Mangel dar, der die Aufhebung des Ausschliessungsbeschlusses wegen Formwidrigkeit nach sich ziehen kann (BGE 40 II 378, 379 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts steht dem auszuschliessenden Mitglied das rechtliche Gehör aber nicht in gleicher Weise wie einer Partei im Zivilprozess zu, sondern genügt es, wenn das betroffene Mitglied "in diskutablen Fällen seine Einwendungen in irgendeiner Form vorbringen kann, bevor der Ausschluss endgültig angeordnet wird" (BGE 85 II 543, bestätigt in BGE 90 II 348: Peter Forstmoser, a.a.O., N 23 f,. zu Art. 846 OR).
Soweit ersichtlich hatten die Kläger anlässlich der Generalversammlung vom 24. April 2009 zwar Gelegenheit, ihren Standpunkt darzutun (kläg. act. 13, S. 4). Dies konnten sie aber nur insoweit tun, als der Beschluss der Verwaltung vom 4. Dezember 2008 begründet gewesen ist, bzw. insofern sie die konkreten Vorwürfe kannten, welche die Ausschliessung der Kläger aus Sicht der Verwaltung rechtfertigten.
Die seitens der Beklagten in diesem Verfahren aufgeführten Argumente, welche den Ausschluss der Kläger 1 und 2 rechtfertigen sollen, wurden soweit nachgewiesen erstmals in diesem Verfahren vor Handelsgericht explizit genannt. Damit ist nicht
nachgewiesen, dass die Kläger und die beschlussfassenden Genossenschafter diese konkreten Vorwürfe - die in diesem Verfahren seitens der Beklagten als Hauptbegründung für den Ausschliessungsentscheid vorgebracht werden im Zeitpunkt der Generalversammlung vom 24. April 2009 kannten kennen mussten. Das zum Beweis dieser Tatsache an der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2010 seitens des Rechtsvertreters der Beklagten eingereichte neue Aktenstück ist wie von den Klägern beantragt als verspätet eingereichtes Beweismittel aus dem Recht zu weisen. Aus demselben Grund ist die seitens des Rechtsvertreters der Beklagten anlässlich der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2010 neu angebotene Einvernahme des Zeugen, F. T., abzulehnen. Damit hat die Beklagte in diesem Verfahren nicht bewiesen, dass sie dem Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör hinreichend Genüge getan hat.
Die Eröffnung des Ausschliessungsentscheides vom 18. Mai 2008 enthält nur das Abstimmungsergebnis der GV vom 24. April 2009 und die Rechtsmittelbelehrung, eine Begründung fehlt vollständig. Die Kläger behaupten denn auch, mangels Begründung des GV-Beschlusses im genannten Schreiben vom 18. Mai 2009, hätten sie immer noch nicht gewusst, warum der Ausschluss verfügt worden sei.
Eine Begründung des Entscheides der Generalversammlung sehen die Statuten nicht vor. Dennoch ist auch der Ausschliessungsentscheid der Generalversammlung weil er eine nach Art. 846 Abs. 3 OR von Gesetzes wegen vor dem Richter anfechtbare Verfügung ist in hinreichender Weise zu begründen. Dem Argument der Beklagten, Entscheide einer Generalversammlung entzögen sich "offenkundig" einer Begründung, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist das Abstimmungsergebnis in dem Sinne auszulegen, dass die Generalversammlung den Entscheid der Verwaltung schützt und die Kläger mit der gleichen Begründung ausschliesst, wie dies die Verwaltung getan hat. War bereits die Begründung der Verwaltung ungenügend, so muss nach dem Gesagten der Beklagten ebenfalls vorgeworfen werden, dass auch die
Generalversammlung mangels Begründung ihres Bestätigungsentscheids vom 24. April 2009 Verfahrensvorschriften verletzt hat.
Damit hat die Verwaltung der Genossenschaft erstens die statutarischen
Vorschriften hinsichtlich der einem Ausschliessungsentscheid voranzugehenden
Ermahnung (Art. 11 Abs. 2 Statuten) verletzt. Zweitens hat sie ihren Ausschliessungsentscheid vom 4. Dezember 2009 nicht hinreichend begründet. Drittens hat die Beklagte in diesem Verfahren nicht nachgewiesen, dass sie die Genossenschafter im Hinblick auf die Generalversammlung vom 24. April 2009 hinreichend über die Gründe für ihren Ausschlussentscheid vom 4. Dezember 2008 informiert hat. Viertens hat die Generalversammlung der Beklagten ihren Ausschliessungsentscheid vom 24. April 2009 ebenfalls nicht begründet, obwohl es sich hierbei um eine von Gesetzes wegen anfechtbare Verfügung handelt. Damit leidet das seitens der Beklagten betreffend den Ausschluss der Kläger 1 und 2 durchgeführte Ausschliessungsverfahren an mehreren schweren Verfahrensmängeln, welche zur Ungültigkeit des Beschlusses der Generalversammlung vom 24. April 2009 führt, dies selbst wenn angenommen würde, dass die Beklagte in diesem Verfahren hätte beweisen können, dass ein hinreichender Ausschliessungsgrund bestanden hätte. Der Beschluss der Generalversammlung der Beklagten vom 24. April 2009, mit welchem der Ausschluss der Kläger 1 und 2 aus der Beklagten bestätigt wurde, wird deshalb aufgehoben. Die Kläger 1 und 2 sind damit weiterhin Mitglieder der beklagten Wohnbaugenossenschaft.
Überdies hat die Beklagte in diesem Verfahren auch nicht hinreichenden dargetan, dass die Kläger im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. a Statuten statutenkonforme Beschlüsse missachtet haben das Ansehen der Genossenschaft vorsätzlich geschädigt haben die genossenschaftliche Treuepflicht verletzt haben, sodass der Ausschliessungsbeschluss der Generalversammlung vom 24. April 2009 auch deshalb hätte aufgehoben werden müssen.
Die tatsächlichen Vorbringen der Beklagten - die Kläger hätten wiederholt auf bereits gefasste Beschlüsse der Generalversammlung zurückkommen wollen, dies obwohl sie hätten wissen müssen, dass ihre wiederholten Anträge an der Generalversammlung erneut abgelehnt würden und es sei den Klägern nicht um die Sache gegangen, was u.a. durch die Tatsache belegt sei, dass die Kläger mit Briefen an die Verwaltung wegen der "missglückten Kündigung von Hypotheken" mit Klagen und Haftungsansprüchen gegen die Verwaltungsmitglieder gedroht hätten genügen nicht den Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung. Insofern die Kläger der Verwaltung Vorwürfe wegen der so die Beklagte - "missglückten Kündigung der
Hypotheken" gemacht haben, muss sich die Verwaltung solche Vorwürfe wohl gefallen lassen, ist es entgegen der Ansicht der Beklagten grundsätzlich nicht Sache der Banken sondern der Beklagten selbst, ihre eigenen Hypothekarverträge mit anderen Banken und die dort vereinbarten Konditionen zu kennen. Insofern die Kläger das Protokoll vom 20. Mai 2008 der Generalversammlung vom 25. April 2008 angefochten haben, und insofern der Kläger 2 zuhanden der ausserordentlichen Generalversammlung vom 29. August 2008 zudem den Antrag auf Statutenänderung bzw. -ergänzung betreffend die Finanzkompetenzen der Verwaltung stellte (kläg. act. 2), insofern die Kläger an genannter ausserordentlichen Generalversammlung Fragen stellten hinsichtlich der Verbuchung einzelner Ausgaben in der Rechnung 2007, hinsichtlich des Voranschlags 2008 und hinsichtlich der Finanzplanung durch die Verwaltung, insbesondere wieso sie den planbaren nicht vom unplanbaren Unterhalt trenne, übten sie ihre Mitgliedschaftsrechte rechtmässig aus. Ihr Verhalten soweit in tatsächlicher Hinsicht erstellt kann demnach nicht als Missachtung statutenkonformer Beschlüsse qualifiziert werden, weshalb weder der Ausschliessungsentscheid der Verwaltung vom 4. Dezember 2008, noch die Bestätigung desselben durch die Generalversammlung vom 24. April 2009 auf diesen statutarischen Ausschliessungsgrund gestützt werden kann.
Gemäss Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 lit. a Statuten ist ein Ausschliessungsgrund sodann (nur) durch "die vorsätzliche Schädigung des Ansehens der Genossenschaft" gegeben; nicht genannt wird indessen die Schädigung des Ansehens einzelner Mitglieder der Verwaltung der Genossenschaft. Der verwendete Begriff "Ansehen" spricht denn auch für ein "Sehen" aus der Perspektive aussenstehender Dritter bzw. Nichtgenossenschafter und nicht für ein "Sehen" aus der Innenperspektive der Genossenschafter untereinander im Verhältnis der Genossenschafter zur Verwaltung. Der Schutz des Innenbereichs der Genossenschaft wird durch die anderen in Art. 11 Abs. 1 lit. a Statuten genannten Ausschlussgründe abgedeckt (Verletzung der Mitgliedschaftspflichten der Treuepflicht Missachtung statutenkonformer Beschlüsse der Generalversammlung der Verwaltung). So kann denn auch nur eine Diskreditierung des Ansehens der Genossenschaft selbst nach aussen für die Genossenschaft nachteilige und deshalb zu vermeidende Folgen für ihr Ansehen haben.
Insofern die Beklagte zur Begründung ihres Ausschlussentscheids in ihrer Klageantwort erstmals vorbringt,
[Vorwurf 1] aufgrund von Informationen seitens der Kläger hätten drei Nichtgenossenschafter die Genossenschafterin A. W. gefragt, was denn für ein "Puff" in der Genossenschaft herrsche (BO: Frau A. W. und Verwaltungsmitglieder als Partei);
[Vorwurf 2] die Kläger hätten den Präsidenten der Beklagten als "Baummörder" betitelt, weil die Verwaltung auf Empfehlung des Forstamtes Rapperswil einen grossen Ahornbaum habe fällen lassen (BO: Forstwart M. W. als Zeugen; Verwaltungsmitglieder als Partei);
[Vorwurf 3] der Kläger 1 habe es als vorhersehbar bezeichnet, dass die Genossenschaft innert drei Jahren bankrottgehen werde, wenn diese Verwaltung wiedergewählt werde (BO: M. B. als Zeugen; Verwaltungsmitglieder als Partei);
[Vorwurf 4] die Kläger hätten sich dahingehend geäussert, dass eine Dachreparatur zufolge Sturmschäden im Jahr 2007 vor die Generalversammlung gehört hätte und die Reparatur unfachmännisch ausgeführt worden sei (BO: Firma W. als Zeugin und Verwaltungsmitglieder, als Partei);
[Vorwurf 5] die Kläger hätten behauptet, die Auswechslung der Zugangstüren zur Tiefgarage in der Eichenwiesstrasse 5/7 sei unnötig gewesen, das habe ihnen der ehemalige Hausverwalter als Verwaltungsmitglied gesagt, was so die Beklagte aber nicht zutreffe. Vielmehr habe der Hauswart P. A. genau im Gegenteil betont, dass er die Auswechslung schon lange verlangt habe (BO: P. A. als Zeuge; Verwaltungsmitglieder als Partei);
[Vorwurf 6] die Kläger hätten die Buchhalterin der Genossenschaft, Frau G., gedrängt, sie solle das sinkende Schiff verlassen und ihre Anstellung mit der Genossenschaft beenden, solange sie noch könne (BO: E. G. als Zeugin; Verwaltungsmitglieder als Partei);
sind die Vorwürfe ohnehin verspätet erhoben worden und sind im Übrigen auch zu unbestimmt zu wenig substantiiert. Entweder geht aus den tatsächlichen
Vorbringen der Beklagten nicht hervor, was die Kläger konkret gesagt haben sollen, die angeblichen Adressaten der ansehensschädigenden Äusserungen sind nicht als Zeugen angerufen worden [Vorwurf 1] es bleibt unklar gegenüber wem die beanstandete Äusserung gemacht worden sein soll [Vorwurf 2, 3, 4 und 5] bzw. was die angerufenen Zeugen bezeugen sollen [Vorwurf 2, 4 und 5], so bleibt unklar, [Vorwurf 2] ob der Forstwart nur die Notwendigkeit der Fällung bezeugen kann, ob er allenfalls sogar der Adressat der behaupteten Äusserung der Kläger war; ebenso unklar bleibt, [Vorwurf 3] ob der als Zeuge angerufene M. B. selbst Genossenschafter ist. Wäre dies der Fall und wäre M. B. tatsächlich Adressat der beanstandeten Äusserungen gewesen, würde es sich um eine interne Kritik handeln, welche das Ansehen der Genossenschaft gegenüber Dritten nicht tangiert hätte. Selbst wenn M. B. kein Genossenschafter sein sollte, wäre aber auch hier nicht das Ansehen der Genossenschaft, sondern das Ansehen ihrer Verwaltung aufgrund der kritisierten Art und Weise ihrer Geschäftsführung tangiert. Genauso wenig klar ist, [Vorwurf 4] ob die Firma W. Adressat der behaupteten Äusserung der Kläger war ob sie nur bezeugen soll, dass die Dachreparatur zufolge Sturmschäden notwendig gewesen sei und / dass die Reparaturarbeiten fachmännisch ausgeführt worden seien Im Übrigen kann eine Firma nicht als Zeugin über die behaupteten wohl mündlichen Äusserungen der Kläger einvernommen werden, sondern allenfalls deren Mitarbeiter deren Inhaber.
Die Genossenschafter sind nach Gesetz und Statuten verpflichtet, die Interessen der Genossenschaft in guten Treuen zu wahren (Art. 866 OR; Art. 14 lit. a der Statuten der Beklagten vom Februar 2005 (bekl. act. 1)). Gemäss Art. 14 lit. b und c Statuten haben die Genossenschafter zudem eine Befolgungspflicht hinsichtlich der Beschlüsse der Genossenschaftsorgane sowie eine Teilnahmepflicht hinsichtlich genossenschaftlicher Aktivitäten. Eine Verletzung dieser Treuepflicht kann nach Art. 11 Abs. 1 lit. a Statuten zur Ausschliessung des Genossenschafters aus der Genossenschaft führen. Die Treuepflicht des Genossenschafters gegenüber der Genossenschaft verbietet einem Genossenschafter indessen nicht, kritisch zu Geschäften der Verwaltung Stellung zu nehmen und Statutenänderungen (hier z.B. eine Beschränkung der Finanzkompetenz der Verwaltung) vorzuschlagen.
Insofern sich die Behauptungen der Beklagten beweisen liessen, dass [Vorwurf 3] der Kläger 1 es als vorhersehbar bezeichnet habe, dass die Genossenschaft innert drei Jahren bankrottgehen werde, wenn diese Verwaltung wiedergewählt werde sowie [Vorwurf 6], dass die Kläger die Buchhalterin der Genossenschaft, Frau G., gedrängt hätten, sie solle das sinkende Schiff verlassen und ihre Anstellung mit der Genossenschaft beenden, solange sie noch könne, sind diese (bestrittenen) Äusserungen der Kläger vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Verwaltung z.B. bei der Erneuerung der Hypotheken tatsächlich ein Fehler mit erheblichen finanziellen Folgen für die Genossenschaft unterlaufen ist, weshalb diese Äusserung der Kläger relativiert werden müssen.
Da es sich bei der Ausschliessung gegen den Willen eines Genossenschafters um einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des Genossenschafters handelt, muss die beanstandete ansehensschädigende Äusserung bzw. eine Verletzung von Genossenschaftsinteressen grundsätzlich von erheblicher Schwere sein bzw. immer gewichtig genug sein, um die schwerwiegende Folge eines Ausschlusses des Genossenschafters als verhältnismässig nach sich ziehen zu können. Grund und Folge müssen einander richtigerweise an Gewichtigkeit mindestens annähernd entsprechen (BGE 136 III 65 E. 2.5; ZR 71 (1972) 103, zit. in: Berner Kommentar, Bern 1974, N 14 zu Art. 846 OR). Selbst unter der Annahme, dass sämtliche in diesem Verfahren seitens der Beklagten erhobenen und von den Klägerin bestrittenen Vorwürfe, vom Handelsgericht nach Durchführung des beantragten Beweisverfahrens als bewiesen angesehen worden wären, wären diese Vorwürfe welche im Kontext des Geschehens gesehen werden müssen als nicht hinreichend schwerwiegend zu bewerten, um einen Ausschluss der Kläger aus der Genossenschaft aufgrund von Gesetz Statuten als verhältnismässig zu rechtfertigen. Die Durchführung des beantragten Beweisverfahrens erübrigt sich demnach.
14.1. ( ) [Verfahrenskosten].
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