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Urteil Versicherungsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:EL 2007/45
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:EL - Ergänzungsleistungen
Versicherungsgericht Entscheid EL 2007/45 vom 03.03.2008 (SG)
Datum:03.03.2008
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 25 Abs. 1 Satz 2 ATSG. Erlass einer Rückforderung. Auskunftspflichtverletzung durch Nichtangabe von Grundeigentum im Ausland (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. März 2008, EL 2007/45).
Schlagwörter : Beschwerde; Liegenschaft; Beschwerdeführerin; Recht; Sozialversicherungsanstalt; Erlass; Erbschaft; Ergänzungsleistung; Glauben; Zweigstelle; Ergänzungsleistungen; Rückforderung; Unverteilten; Anmeldung; Auskunft; Anspruch; Formular; Entscheid; Grundeigentum; Verfügung; AHV-Zweigstelle; Steuererklärung; Beschwerdegegnerin; Italienische; Leistungen; Einsprache; Steuerveranlagung; Deklariert; Härte; Ehemann
Rechtsnorm: Art. 25 ATSG ; Art. 28 ATSG ; Art. 506 ZGB ; Art. 560 ZGB ; Art. 86 IPRG ;
Referenz BGE:102 V 245; 110 V 176; 110 V 181; 112 V 97;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Präsident Franz Schlauri, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Lisbeth Mattle Frei; Gerichtsschreiberin Fides Hautle

Entscheid vom 3. März 2008 in Sachen

T. ,

Beschwerdeführerin,

vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Nicola Celia, Zürcherstrasse 49, Postfach 644, 8853 Lachen SZ,

gegen

Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,

Beschwerdegegnerin, betreffend

Erlass der Rückerstattung von Ergänzungsleistungen zur AHV

Sachverhalt:

A.

    1. Die 1936 geborene, am 13. März 2002 verwitwete T. meldete sich am 6. Juni 2002 zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV (Witwenrente) an. Im Anmeldeformular war unter anderem angegeben, sie verfüge über ein Sparvermögen von Fr. 7'760.30. Die weiteren Fragen nach allfälligem Vermögen, insbesondere auch die Frage nach Grundeigentum im In- oder Ausland, waren ebenso verneint wie die Frage, ob sie an einer unverteilten Erbschaft beteiligt sei. Mit einer Verfügung vom 22. August 2002 sprach die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen der Versicherten mit Wirkung ab 1. Juni 2002 eine ordentliche Ergänzungsleistung und eine ausserordentliche Ergänzungsleistung zu. Die Anspruchsberechnung wies als einzigen Vermögenswert das deklarierte Sparvermögen aus. Bereits am 10. Mai 2002 hatte die Versicherte aus der Kollektiv-Lebensversicherung des verstorbenen Ehemannes

      Fr. 111'855.40 ausbezahlt erhalten. Darüber wurde die Sozialversicherungsanstalt aber erst am 9. Oktober 2002 informiert. Die AHV-Zweigstelle forderte die EL- Durchführungsstelle auf, eine Rückforderung vorzunehmen. Trotzdem berücksichtigte diese das sich seit Mai 2002 auf Fr. 119'615.-- belaufende Sparvermögen erst ab

      1. November 2002 (Verfügung vom 24. Oktober 2002). In der Folge wurde der EL-

      Anspruch verschiedentlich angepasst.

    2. Am 23. Mai 2005 unterzeichnete die Versicherte ein Revisionsformular. Wieder verneinte sie die Fragen nach Grundeigentum im In- und Ausland und nach einer Beteiligung an einer unverteilten Erbschaft. Die Steuerveranlagungsberechnung 2004 wies aber ein Liegenschaftsvermögen von Fr. 35'000.-- aus. Die Sozialversicherungsanstalt nahm am 13. September 2005 Abklärungen auf (unter anderem betreffend die italienische Rente, die Abnahme des Sparvermögens und die Liegenschaft). Nachdem sie den EL-Anspruch am 9. Januar 2006 auf monatlich

      Fr. 514.-- festgesetzt hatte, reduzierte sie ihn anpassungs-, aber auch wiedererwägungsweise (betreffend diverse Positionen) am 16. Februar 2006 ab 1. März 2006 auf Fr. 270.--. Am 17. Juli 2006 übermittelte die AHV-Zweigstelle eine Liegenschaftsschätzung vom 20. Juni 2006, die einen Wert des Anteils der Versicherten an der Liegenschaft von 27'000 Euro auswies. Auf Anfrage der

      Sozialversicherungsanstalt, seit wann die Versicherte im Besitz der Liegenschaft sei, liess sie am 5. September 2006 telefonisch mitteilen, das Haus sei zwischen 1955 und 1965 gebaut worden. Mit Verfügung vom 4. August 2006 setzte die Sozialversicherungsanstalt den EL-Anspruch der Versicherten mit dem Hinweis, dass die rückwirkende Berechnung später erfolgen werde, ab 1. August 2006 auf Fr. 250.-- pro Monat herab (höhere italienische Rente, Liegenschaftswert Fr. 41'949.-- und jährlicher Mietertrag von Fr. 2'097.--). Am 5. September 2006 verfügte die Sozialversicherungsanstalt eine Rückforderung an die Versicherte für in der Zeit vom

      1. Juni 2002 bis 31. Juli 2006 zuviel bezogene Leistungen von insgesamt Fr. 12'129.-- (ordentliche Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 11'424.--; ausserordentliche Ergänzungsleistungen für die Zeit von 1. Juni bis 31. Oktober 2002 im Betrag von

      Fr. 705.--), weil die Liegenschaft in der ursprünglichen Verfügung mangels Deklaration

      nicht berücksichtigt worden sei.

    3. In der Einsprache vom 22. September 2006 gegen die Verfügung vom 5. September 2006 brachte die Versicherte vor, sie habe sich in gutem Glauben mit dem Ersuchen um Unterstützung und Hilfe an die AHV-Zweigstelle gewandt, weil sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei. In den Steuererklärungen habe sie das Grundeigentum immer ausgewiesen. Sie könne nicht nachvollziehen, wieso die Steuererklärungen und diverse andere Unterlagen bei der Anmeldung nicht mitgeschickt und wieso die entsprechenden Angaben im Anmeldeformular nicht gemacht worden seien. Der Einsprache lag die Steuererklärung 2002 bei. Die Sozialversicherungsanstalt wies die Einsprache am 14. Dezember 2006 ab.

    4. Im Beschwerdeverfahren liess die Versicherte am 15. Januar 2007 einwenden, sie habe sich von A. von der AHV-Zweigstelle helfen lassen, welche ihre Familie lange gekannt, über die Liegenschaft in Italien Bescheid gewusst und das Anmeldeformular ausgefüllt habe. Die Versicherte könne nicht sagen, warum die Frage nach Grundeigentum verneint worden sei. Sie sei gutgläubig davon ausgegangen, dass das Formular richtig ausgefüllt und dass die Steuererklärung beigelegt worden sei. Bereits in der Steuerveranlagung 2002 sei die Liegenschaft enthalten gewesen. Die EL- Durchführungsstelle habe seit dem 23. Mai 2005 über die Liegenschaft im Wert von

Fr. 35'000.-- Bescheid gewusst. Sie hätte sich die Auskunft, seit wann die Versicherte

Eigentümerin der Liegenschaft sei, durch einen einfachen Telefonanruf bei der

Gemeindeverwaltung oder beim Sohn der Versicherten holen können. Die Erlassvoraussetzungen seien offensichtlich erfüllt. Da die Liegenschaft seit 2002 steuerlich deklariert worden sei, könne von einer absichtlichen oder grobfahrlässigen Täuschung keine Rede sein. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Versicherten würde die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten. - Die Sozialversicherungsanstalt beantragte am 22. Januar 2007 die Abweisung der Beschwerde. Es treffe nicht zu, dass Mitarbeiter der Zweigstelle vor dem 30. Mai 2005 über die Liegenschaft Bescheid gewusst hätten. - Die Versicherte liess am 23. Januar 2007 einwenden, die EL-Durchführungsstelle hätte bei der AHV-Zweigstelle telefonisch nachfragen können, seit wann die Liegenschaft versteuert werde. Dann hätte sie die Auskunft erhalten, dass bereits die Steuerveranlagung 2002 die Liegenschaft ausgewiesen habe. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 3. Mai 2007, soweit auf sie eingetreten werden konnte, teilweise gut und setzte die Rückforderung ordentlicher Ergänzungsleistungen auf

Fr. 11'259.-- fest. Den Rekurs hiess es, soweit auf ihn eingetreten werden konnte, vollumfänglich gut und hob die Rückforderung ausserordentlicher Ergänzungsleistungen auf. Der Entscheid wurde rechtskräftig.

B.

    1. Daraufhin nahm die Sozialversicherungsanstalt am 3. Juli 2007 Abklärungen zu dem Erlassgesuch an die Hand, das die Versicherte bereits am 25. September 2006 gestellt und worin sie geltend gemacht hatte, sie habe die von der AHV-Zweigstelle ausgefüllten Formulare in gutem Glauben lediglich unterzeichnet, denn sie sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Der Rechtsvertreter der Versicherten wiederholte mit Schreiben vom 16. Juli 2007 den gestellten Antrag um Erlass. Die Sachbearbeiterin der Zweigstelle, welche der Versicherten bei der Anmeldung geholfen habe, habe über die Liegenschaft in Italien Bescheid gewusst. Weshalb die Frage nach Grundeigentum dann trotzdem verneint worden sei, könne die Versicherte nicht sagen. Sie habe gutgläubig angenommen, die Zweigstelle habe das Formular richtig ausgefüllt und die Steuererklärung beigelegt. Sie habe nichts zu verbergen und habe die Liegenschaft denn auch bereits im Jahr 2002 den Steuerbehörden deklariert. Von einer absichtlichen oder grobfahrlässigen Täuschung könne daher keine Rede sein. Zu berücksichtigen sei, dass der Versicherten zum Anmeldezeitpunkt eben erst der Ehemann verstorben

      gewesen sei und ihr nebst den erforderlichen Verfahrens- und Sprachkenntnissen auch die nötige Kraft gefehlt habe, weshalb sie um die Hilfe der Zweigstelle froh gewesen sei und dieser volles Vertrauen geschenkt habe. Die Gutgläubigkeit der Versicherten sei zu vermuten und nach dem Gesagten offensichtlich.

    2. Mit Verfügung vom 26. Juli 2007 wies die Sozialversicherungsanstalt das Erlassgesuch ab. Die Voraussetzungen des guten Glaubens seien nicht erfüllt. Es sei der Versicherten gemäss dem vorhandenen Vermögen möglich, die Rückforderung zu begleichen.

    3. Mit Einsprache vom 24. August 2007 liess die Versicherte die Aufhebung der Verfügung vom 26. Juli 2007 und den Erlass der Rückforderung von Fr. 11'259.-- beantragen. Die Liegenschaft in Italien habe dem verstorbenen Ehemann der Versicherten gehört und sei nach seinem Tod zu je einem Drittel zwischen der Versicherten und den beiden Söhnen aufgeteilt worden. Aus der Steuererklärung 2002 gehe hervor, dass die Erbteilung am 14. November 2002 erfolgt sei. Dass die Versicherte die Liegenschaft vor der EL-Anmeldung vom 6. Juni 2002 besessen habe, sei daher aktenwidrig und falsch. Sie habe die Liegenschaft vielmehr erst nach Beginn des EL-Anspruchs besessen, und zwar nur zu einem Drittel, und sie habe die Liegenschaft den Steuerbehörden am 9. Mai 2003 unverzüglich für das Steuerjahr 2002 deklariert. Mit dem EL-Revisionsformular vom 23. Mai 2005 habe die Sozialversicherungsanstalt die Steuerveranlagungsverfügung 2004 erhalten, aus der ersichtlich sei, dass die Versicherte eine Liegenschaft im Wert von Fr. 35'000.--

      besitze. Von einer Meldepflichtverletzung könne somit weder im einen noch im andern Fall die Rede sein. Aufgrund ihrer Schulbildung und des beruflichen Werdegangs sei nicht erstaunlich, dass die Versicherte nur gebrochen Deutsch spreche und die Sprache ungenügend verstehe und sich beim Umgang mit Behörden schon immer habe helfen lassen müssen.

    4. Mit Entscheid vom 23. Oktober 2007 wies die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen die Einsprache ab. Für die Anrechnung von Erbschaftsvermögen sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Erwerbs der Erbschaft (Art. 506 ZGB, recte: Art. 560 ZGB; Eröffnung des Erbgangs) massgebend. Die Versicherte hätte bei der Anmeldung angeben müssen, dass sie an einer unverteilten Erbschaft beteiligt sei. Die Verneinung

der Frage stelle eine Verletzung der Auskunftspflicht dar. Dass die Versicherte sich beim Ausfüllen des Formulars habe helfen lassen, habe sie nicht von der Überprüfung der Angaben entbunden. Eine solche hätte durch Übersetzung der Fragen und Antworten mit Hilfe ihrer Söhne oder einer Drittperson erfolgen müssen. Die Frage nach einer Beteiligung an einer unverteilten Erbschaft sei auch für eine relativ ungebildete Person verständlich. Die Versicherte könne sich nicht auf besondere Umstände berufen, welche ihr die Kontrolle verunmöglicht hätten. Es sei von einer nicht leicht zu nehmenden Verletzung der Auskunftspflicht auszugehen. Mangels des gutgläubigen Bezugs erübrige sich eine Abklärung der grossen Härte.

C.

Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die von Rechtsanwalt lic. iur. Nicola Celia für die Betroffene am 29. Oktober 2007 (Poststempel: 30. Oktober 2007) erhobene Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Rückforderung sei vollumfänglich zu erlassen, ausserdem sei der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin legt unter anderem dar, auf die Liegenschaft in Italien sei nach Art. 86 Abs. 2 IPRG und einem Staatsvertrag italienisches Recht anwendbar. Sämtliche erbrechtlichen Fragen (auch der Zeitpunkt des Erwerbs der Erbliegenschaft) richteten sich nach italienischem Recht, das für den Erwerb eine Annahme voraussetze. Diese ausdrückliche bzw. konkludente Annahme der Erbschaft sei frühestens anlässlich der Erbteilung erfolgt. Bei der EL-Anmeldung sei die Beschwerdeführerin somit noch nicht Miteigentümerin der Liegenschaft und nicht an einer unverteilten Erbschaft beteiligt gewesen. Mit dem Revisionsformular vom 23. Mai 2005 habe die Beschwerdegegnerin die Steuerveranlagungsverfügung 2004 erhalten, aus der ersichtlich gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin eine Liegenschaft im Wert von Fr. 35'000.-- besitze. Eine Meldepflichtverletzung habe nicht stattgefunden. Die Beschwerdeführerin habe sich damals kurz nach dem Tod ihres schwerkranken Ehemannes in einer absoluten Ausnahmesituation befunden, welche es ihr verunmöglicht habe, die Angaben im Formular selbständig zu kontrollieren. Das beweise sich aus dem Umstand, dass die Liegenschaft in der Steuerveranlagung 2004 ohne weiteres deklariert sei. Selbst wenn man trotzdem von einer Meldepflichtverletzung ausginge, sei das Verhalten als leichte Fahrlässigkeit zu

bewerten. Die Beschwerdeführerin sei nicht in der Lage gewesen, den vorgeworfenen Rechtsmangel zu erkennen. Sie bleibe weiterhin EL-Bezügerin, weshalb die grosse Härte offensichtlich erfüllt sei.

D.

In ihrer Beschwerdeantwort vom 21. November 2007 beantragt die Beschwerdegegnerin Abweisung der Beschwerde. Selbst wenn das italienische Recht mit der von der Beschwerdeführerin genannten Folge zur Anwendung kommen sollte, so hätte sie bei der EL-Anmeldung wenigstens angeben müssen, dass das Schicksal einer Beteiligung an einer unverteilten Erbschaft noch in der Schwebe liege. Da sie das unterlassen habe, bleibe es bei der Verletzung der Auskunftspflicht.

E.

Mit Replik vom 26. November 2007 bringt der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vor, diese habe die Frage nach der unverteilten Erbschaft richtig beantwortet. Die Antwort, dass eine Beteiligung an einer unverteilten Erbschaft "in der Schwebe" sei, könne nirgends angekreuzt werden. Juristische Kenntnisse könnten bei der Beschwerdeführerin nicht vorausgesetzt werden. Nicht einmal der Beschwerdegegnerin sei aufgefallen, dass nicht Schweizer Recht anwendbar sein könne. Hätte die Beschwerdegegnerin ausserdem so sorgfältig gearbeitet, wie sie es von der 70-jährigen Beschwerdeführerin verlange, so hätte sie angesichts der deklarierten Verwitwung knapp drei Monate vor der Anmeldung selber herausfinden müssen, dass noch zusätzliche Informationen einzuholen seien. Die Beschwerdeführerin könne sich auf ihren guten Glauben berufen.

F.

Die Beschwerdegegnerin hat am 3. Dezember 2007 an ihrem Antrag festgehalten.

Erwägungen:

1.

Über die Rückforderung von ordentlichen Ergänzungsleistungen von Fr. 11'259.-- ist rechtskräftig entschieden. Streitgegenstand bildet vorliegend einzig die Ablehnung des Erlassgesuchs. Der Sachverhalt, der für die Bewilligung oder Verweigerung des Erlasses der Rückerstattungsschuld massgebend ist, nämlich der Leistungsbezug und das Verhalten der Beschwerdeführerin (insbesondere das fragliche Unterlassen einer Anzeige oder Meldung) haben sich vor dem 1. Januar 2008 ereignet, so dass das auf diesen Zeitpunkt hin in Kraft getretene ELG vom 6. Oktober 2006 nicht anwendbar ist.

2.

Unrechtmässig bezogene Leistungen sind gemäss Art. 25 Abs. 1 ATSG, welcher gemäss Art. 1 Abs. 1 ELG auch im Bereich der Ergänzungsleistungen anwendbar ist, zurückzuerstatten (Satz 1); wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Satz 2). Für einen Erlass müssen beide Voraussetzungen (gutgläubiger Bezug und grosse Härte) kumulativ erfüllt sein.

3.

    1. Die Rückforderung hatte ihren Grund darin, dass der EL-Anspruch der Beschwerdeführerin ohne Berücksichtigung ihres Liegenschaftsvermögens berechnet worden war.

    2. Nach Art. 28 Abs. 2 ATSG muss, wer Versicherungsleistungen beansprucht, unentgeltlich alle Auskünfte erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs und zur Festsetzung der Versicherungsleistungen erforderlich sind. Im Anmeldeformular zum Bezug von Ergänzungsleistungen, das die Beschwerdeführerin am 6. Juni 2002 unterzeichnet hat, war angegeben, sie verfüge weder über Grundeigentum noch sei sie an einer unverteilten Erbschaft beteiligt. Eine Liegenschaftsschätzung vom 20. Juni 2006 (act. 65-4 ff./9) enthält ein Gutachten über den Marktwert von vier Parzellen (zwei kleine Wohnungen, ein Lager und ein landwirtschaftliches Grundstück) in einer italienischen Gemeinde, und zwar bezogen auf den Eigentumsanteil der Beschwerdeführerin. Die beiden Wohnungen stünden im alleinigen Eigentum der Beschwerdeführerin und seien 25'000 Euro wert. Das Lager und der landwirtschaftliche

      Boden mit Marktwerten von 5'000 und von 1'000 Euro gehörten aufgrund der Erbfolge in den Nachlass des Ehemannes der Beschwerdeführerin zu einem Drittel der Beschwerdeführerin (also mit einem Wert von zusammen 2'000 Euro) und zu zwei Dritteln den beiden Söhnen. Daraus geht somit hervor, dass das Eigentum am wertmässigen Hauptteil der Grundstücke, nämlich dasjenige an den Wohnungen, unabhängig vom Erbgang ihres Ehemannes allein der Beschwerdeführerin zustand, und zwar gemäss der Auskunft vom 5. September 2006 wohl schon seit langem, jedenfalls schon vor Juni 2002. Die entsprechende Angabe im Anmeldeformular erweist sich demnach als falsch.

    3. Die Beschwerdeführerin macht für diesen Fall einer Auskunftspflichtverletzung geltend, sie habe das Grundeigentum in der Steuererklärung angegeben und sich bei der EL-Anmeldung gutgläubig auf die Hilfe der AHV-Zweigstelle beim Ausfüllen des Formulars verlassen dürfen. Sie sei zur Zeit der Anmeldung infolge des kürzlich erlebten Todes ihres kranken Ehegatten und der mangelnden (Sprach-)Kenntnisse nicht in der Lage gewesen, die Angaben im Formular selbständig zu kontrollieren. Der Beschwerdeführerin mag zuzubilligen sein, dass sie sich der Unrechtmässigkeit der entgegengenommenen Ergänzungsleistungen nicht bewusst gewesen ist und nicht absichtlich zu hohe Leistungen erwirkt und bezogen hat. Die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens ist aber nicht schon mit der Unkenntnis des Rechtsmangels gegeben. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen dem guten Glauben als fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann beziehungsweise ob er bei zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen (BGE

      122 V 223 E. 3). Der Bezüger unrechtmässiger Leistungen darf sich nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Der Erlass der Rückforderung ist daher zu verweigern, wenn der Leistungsbezüger die nach den Umständen gebotene zumutbare Aufmerksamkeit nicht beachtet oder seine Meldepflicht hinsichtlich Änderungen in den massgebenden Verhältnissen in grober Weise verletzt hat (BGE 102 V 245). Die versicherte Person, die sich auf den guten Glauben beruft, darf ihre Melde- und Auskunftspflicht somit nicht in grober Weise verletzt haben; eine bloss leichte Verletzung der Sorgfalts- und Aufmerksamkeitspflicht schliesst hingegen eine Berufung auf den guten Glauben nicht aus (BGE 110 V 176 = ZAK 1985 S. 63). Nach der Rechtsprechung ist grobe

      Fahrlässigkeit gegeben, wenn jemand das ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in gleicher Lage und unter gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen (BGE 110 V 181 E. 3d). Das Mass der erforderlichen Sorgfalt beurteilt sich also zwar nach einem objektiven Massstab, doch darf das den Betroffenen in ihrer Subjektivität noch Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad usw.) nicht ausgeblendet werden (RKUV 1989 Nr. U 79 S. 368; vgl. zum Ganzen auch der Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i/S E. vom 14. August 2006, I 622/05).

    4. Das Bundesgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine grobfahrlässige Nachlässigkeit bejaht werden muss, wenn konkrete, formularmässig gestellte Fragen unrichtig (oder gar nicht) beantwortet werden. Dass das Formular von dritter Seite ausgefüllt wird, vermag die versicherte Person praxisgemäss von ihrer Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben nicht zu entlasten (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i/S H. vom 15. Mai 2000, P 49/99, mit Hinweisen auf BGE 110 V 181 f. E. 3d und Ulrich Meyer, Die Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen, in: ZBJV 1995 S. 484; vgl. ZAK 1989 S. 179). Die vorliegend geschilderten Umstände sind nicht geeignet, die Auskunftspflichtverletzung davon abweichend als lediglich leichte Fahrlässigkeit zu beurteilen. Es liegt keine Urteilsunfähigkeit der Beschwerdeführerin (vgl. BGE 112 V 97 = ZAK 1987 S. 488) vor. Auszugehen ist demnach von grober Fahrlässigkeit, zumal der Umstand des Eigentums an den Grundstücken mit ihrem angesichts der übrigen finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht unbedeutenden Wert von ihr nicht zu übersehen war.

    5. Kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf ihren guten Glauben beim Bezug der überhöhten Leistungen berufen, so kann dahingestellt bleiben, ob die Erlassvoraussetzung der grosse Härte erfüllt wäre. Die Beschwerdegegnerin hat das Erlassgesuch zu Recht abgelehnt.

4.

    1. Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.

    2. Gerichtskosten sind keine zu erheben. Es besteht bei diesem Ausgang des Verfahrens kein Anspruch auf eine Parteientschädigung. Die Beschwerdeführerin hat aber ein Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung stellen lassen. Die Voraussetzungen sind erfüllt, so dass diese zu bewilligen ist, wobei Rechtsanwalt lic. iur. Nicola Celia, Lachen, zum Beistand bestimmt wird. Die Höhe der Entschädigung ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen. Eine Entschädigung von Fr. 3'500.-- erscheint als angemessen. Diese Entschädigung ist in Anwendung von Art. 31 Abs. 3 des st. gallischen Anwaltsgesetzes um 20 % auf Fr. 2'800.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu kürzen.

Demgemäss hat das Versicherungsgericht

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

  3. Der Staat entschädigt den Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin mit Fr. 2'800.--.

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