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Urteil Kantonsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:BZ.2007.91
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Zivilkammern (inkl. Einzelrichter)
Kantonsgericht Entscheid BZ.2007.91 vom 22.07.2008 (SG)
Datum:22.07.2008
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 462 OR (SR 220). Eintritt der Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht. Die Bindungswirkung tritt beim ungewollt Vertretenen nur ein, wenn sein tatsächliches Verhalten nach Treu und Glauben als Erteilung oder Duldung einer Vollmacht aufgefasst werden darf. Der Abschluss eines langfristigen und kostenintensiven Insertionsvertrags liegt ausserhalb dessen, was die Position einer Büroangestellten eines Kleinunternehmens gewöhnlich mit sich bringt (Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, 22. Juli 2008, BZ.2007.91).
Schlagwörter : Klagt; Berufung; Beklagten; Vollmacht; Verhalten; Vertretene; Geschäft; Berufungsantwort; Berufungsantwort; Berufung; Vertrag; Treuen; Vertretenen; Vertrauen; Abschluss; Gewöhnlich; Handel; Behauptet; Geschäfts; Inserate; Klage; Kläg; Recht; Vertreter; Büro; Vertrags; Insertionsvertrag; Handlung; Parteien; Klageantwort
Rechtsnorm: Art. 234 ZPO ; Art. 33 OR ; Art. 34 OR ; Art. 36 OR ; Art. 377 OR ; Art. 461 OR ; Art. 462 OR ;
Referenz BGE:102 II 197; 120 II 197;
Kommentar zugewiesen:
Leuenberger, Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, 1999
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Art. 462 OR (SR 220). Eintritt der Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht. Die Bindungswirkung tritt beim ungewollt Vertretenen nur ein, wenn sein tatsächliches Verhalten nach Treu und Glauben als Erteilung oder Duldung einer Vollmacht aufgefasst werden darf. Der Abschluss eines langfristigen und kostenintensiven Insertionsvertrags liegt ausserhalb dessen, was die Position einer Büroangestellten eines Kleinunternehmens gewöhnlich mit sich bringt (Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, 22. Juli 2008, BZ.2007.91).

Erwägungen

I.

1. Die Klägerin bezweckt die Gestaltung, Herstellung und den Vertrieb

werbefinanzierter Gemeindeagenden. Die Beklagte bezweckt den Handel mit

Brennstoffen (Erdölprodukte, Heizöl, Benzin, etc.). Gemäss Handelsregisterauszug der Beklagten sind für diese E mit Einzelunterschrift sowie F und G je mit Kollektivunterschrift zu zweien zeichnungsberechtigt. H, die Ehefrau von G, ist bei der Beklagten in einem Teilzeitpensum als Sekretärin angestellt. Sie verrichtet die Sekretariatsarbeiten in ihrer Privatwohnung (Berufungsantwort, 6 Ziff. 14).

    1. Im Dezember 2005 kontaktierte H telefonisch die Beklagte (Berufung, 4 Ziff. 11; Berufungsantwort, 3 Ziff. 6). Der Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien strittig. Während die Klägerin behauptet, H habe um einen Aussendienstbesuch gebeten (Berufung, 4 Ziff. 11), behauptet die Beklagte, H habe lediglich eine Auskunft über die von der Klägerin produzierte Ortsagenda erbeten. Ein Besuch eines Aussendienstmitarbeiters sei indessen nicht gewünscht worden (Berufung, 3 Ziff. 6).

      Die Klägerin sei nicht bereit gewesen, die Fragen von H telefonisch zu beantworten und habe sie stattdessen an ihren für die Region X zuständigen Aussendienstmitarbeiter, K, verwiesen. Auch dieser habe die gewünschten Auskünfte telefonisch nicht erteilt und stattdessen ein direktes Gespräch vorgeschlagen (Klageantwort, 3 Ziff. 5). Unstrittig ist, dass K am 22. Dezember 2005 H an ihrer Privatadresse in Y besuchte (Berufung, 4

      Ziff. 11; Klageantwort, 3 Ziff. 6). Dieser Besuch dauerte rund dreieinhalb Stunden (Berufung, 4 Ziff. 11; Berufungsantwort, 3 Ziff. 7).

    2. Über den Inhalt des Gesprächs gehen die Behauptungen der Parteien auseinander. Während die Klägerin behauptet, K habe H das Produkt ausführlich erläutert (Berufung, 4 Ziff. 11), behauptet die Beklagte, K habe keineswegs nur das Produkt erläutert, sondern auch ausführlich über Probleme in seinem Geschäfts- und Privatleben erzählt (Berufungsantwort, 3 Ziff. 7).

      Die Klägerin führt aus, H habe K gesagt, sie sei im Betrieb generell für das Büro und insbesondere für die Werbung zuständig. Sie habe schon Inserate in verschiedenen lokalen Gratisanzeigern und Mitteilungsblättern in Auftrag gegeben (Berufung, 4

      Ziff. 11). H habe K als Druckvorlagen auch Text- und Bildmaterial überreicht (Berufung, 5 Ziff. 12). Die Beklagte bestreitet, dass H erklärt habe, bei der Beklagten für die Werbung zuständig zu sein. Auch habe sie keine Druckvorlagen überreicht, sondern auf Nachfrage von K lediglich Beispiele von Zeitungsinseraten gezeigt (Berufungsantwort, 3 Ziff. 6).

      Die Beklagte behauptet, H habe während des Gesprächs K gesagt, sie sei für einen Vertragsabschluss nicht zeichnungsberechtigt (Klageantwort, 4 Ziff. 7; Berufungsantwort, 10 Ziff. 24). Dies wird von der Klägerin bestritten (Replik, 4 Ziff. 6).

    3. Am Ende des Gesprächs unterzeichneten H für die Beklagte und K für die Klägerin einen "Rahmenvertrag für 40 Agenden" mit einer Laufzeit von drei Jahren und jährlichen Kosten von Fr. 25'824.- inkl. MWST (kläg. act. 1). Weiter unterzeichnete H blanko 35 weitere Vertragsformulare (kläg. act. 10). Die Beklagte behauptet, H habe gedacht, es handle sich dabei bloss um Offerten (Klageantwort, 4 Ziff. 7). K habe dies so erklärt (Berufungsantwort, 11 Ziff. 26). Sämtliche Verträge sind mit dem Firmenstempel der Beklagten versehen. Angebracht wurden diese von K, wobei die Klägerin behauptet, H habe diesen gebeten, die Stempel auf den Verträgen anzubringen (Replik, 4 Ziff. 6). Die Beklagte behauptet, K habe sich den Stempel, mit

      der Erklärung, dieser diene als Vorlage für das Layout der Inserate, behändigt (Duplik, 5

      Ziff. 9).

    4. Später rief H K an. Dieser konnte den Anruf nicht unmittelbar entgegennehmen, rief H aber noch gleichentags zurück (Klage, 5 Ziff. 11; Klageantwort, 5 Ziff. 11). Gemäss Darstellung der Beklagten teilte ihm H mit, der Werbeauftrag werde annulliert beziehungsweise es werde keine Offerte der Klägerin gewünscht (Berufungsantwort, 4 oben). Gemäss Darstellung der Klägerin teilte H K hingegen mit, ihr Ehemann sei mit dem Vertrag nicht einverstanden (Berufung, 5 Ziff. 12).

Sodann konnten sich K einerseits und H und G andererseits darauf verständigen, dass K am 28. Dezember 2005 nochmals an die Privatadresse von H und G komme und das Produkt nochmals vorstelle (Berufung, 5 Ziff. 12; Berufungsantwort, 4 Ziff. 9).

Am 25. Dezember 2005 sandte H vom E-Mail Benutzerkonto xxx@ch aus eine E-Mail

an K, in der sie ausführte, die von ihr unterzeichneten Aufträge seien von ihr am

22. Dezember 2005 sofort wieder annulliert worden. Der Auftrag würde das Budget sprengen und sie sei für diesen Betrag gar nicht unterschriftsberechtigt (kläg. act. 7).

Anlässlich der Besprechung vom 28. Dezember 2005 konnte keine Einigung erzielt werden (Berufung, 5 Ziff. 13; Berufungsantwort, 4 Ziff. 9).

Mit Schreiben vom 9. Januar 2006 teilte H der Klägerin mit, sie sei für die Beklagte nicht unterschriftsberechtigt gewesen und der Rahmenvertrag sei daher nicht rechtsgültig zustande gekommen. Ausserdem teilte H mit, die für die Beklagte unterschriftsberechtigten Personen hätten momentan kein Interesse an Geschäftsabschlüssen mit der Klägerin. Als Absender des Schreibens erschien H persönlich, insbesondere wurde kein Briefpapier der Beklagten verwendet und die Beklagte in der Kopfzeile nicht als Absenderin erwähnt (kläg. act. 8).

3. Nachdem die Streitsache vor dem Vermittleramt unvermittelt geblieben war (vi-

act. 3), erhob die Klägerin am 5. Februar 2007 beim Kreisgericht die eingangs erwähnte Klage, nach der die Beklagte zu verpflichten sei, ihr den durch den Vertragsrücktritt für das Jahr 2007 entstandenen Schaden zu ersetzen (vi-act. 1). Mit Klageantwort vom

26. März 2007 verlangte die Beklagte die Abweisung der Klage (vi-act. 6). Mit Replik vom 9. Mai 2007 und Duplik vom 25. Juni 2007 hielten die Parteien an ihren Anträgen fest (vi-act. 10 und 16). Die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht fand in Anwesenheit beider Parteivertreter am 16. August 2007 statt (Urteil, 3 oben). Auch H erschien an der Hauptverhandlung (Berufung, 8 oben; Berufungsantwort, 9 Ziff. 20). Der Entscheid der Vorinstanz wurde am 17. August 2007 im Dispositiv an die Parteien versandt (vi-act. 23). Der Versand des begründeten Urteils erfolgte am 14. November 2007 (Urteil, 9).

4. Am 17. Dezember 2007 erhob die Klägerin gegen diesen Entscheid Berufung beim Kantonsgericht (act. B1). Die Beklagte reichte ihre Berufungsantwort am 2. Mai 2008 ein (act. B8).

Auf einen zweiten Schriftenwechsel im Sinne von Art. 234 Abs. 2 ZPO haben die Parteien verzichtet (act. B12 und B14). Eine mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt (vgl. act. B11).

II.

  1. Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen

    (Art. 79, 224 Abs. 1 lit. d, 225, 229 ZPO; Art. 82 ff. GerG) ergibt, dass diese erfüllt sind. Zuständig ist die III. Zivilkammer (Art. 20 Abs. 1 lit. a ZPO; Art. 15 lit. d GO).

    Auf die Berufung ist einzutreten.

  2. Festzustellen ist sodann, dass die Vorinstanz ihre sachliche Zuständigkeit zu Recht bejaht hat. Zwar sind beide Parteien im schweizerischen Handelsregister eingetragen, die Streitigkeit hängt mit der gegenseitigen geschäftlichen Tätigkeit zusammen und das wirtschaftliche Streitinteresse übersteigt Fr. 30'000.-. Die Klägerin macht indessen mit der vorliegenden Teilklage nur Fr. 23'241.60 geltend. Es ist grundsätzlich zulässig, durch Teilung des Anspruchs zu bewirken, dass der Prozess vor Kreisgericht statt vor Handelsgericht geführt wird. Vorbehalten bleibt, dass die Teilklage rechtsmissbräuchlich erhoben wird (Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, Art. 65 N 9a). Dies ist bei unechten Teilklagen (wo nur der fällig Teil einer Forderung eingeklagt wird) von vornherein nicht der Fall. Bei echten Teilklagen (wo nur ein Teil der fälligen Forderung eingeklagt wird) steht dem Beklagten zudem die Möglichkeit zu, durch Erheben einer negativen Feststellungswiderklage an das für den gesamten Anspruch sachlich zuständige Gericht zu gelangen und sich damit allenfalls Weiterzugsmöglichkeiten zu sichern (Leuenberger/Uffer-Tobler, Art. 65 N 9b; Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl., Bern 2006, 7 N 47; Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur

zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, § 17 N 20; ZR 83 [1984] Nr. 104). Vorliegend ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass das erheben der Teilklage rechtsmissbräuchlich wäre.

III.

  1. Die Beklagte ist vertraglich gebunden, wenn H einen Vertrag im Namen der Beklagten als Fremdgeschäft abgeschlossen hat und dazu bevollmächtigt war, oder wenn die Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten in guten Treuen auf eine solche

    Vollmacht schliessen durfte, oder wenn die Beklagte den Vertrag nachträglich

    genehmigt hat (BGE 120 II 197 E. 2 S. 198).

    Bei der Beklagten handelt es sich um eine Handelsgesellschaft. Die Zeichnungsberechtigung für die Gesellschaft ergibt sich damit in erster Linie aus dem Handelsregister. Ist eine Person als zeichnungsberechtigtes Organ oder als Vertreterin im Handelsregister eingetragen, so dürfen sich Dritte auf die Richtigkeit des Eintrags verlassen und werden im Vertrauen darauf grundsätzlich geschützt (zur Prokura vgl. Art. 461 Abs. 2 OR). Ähnlich verhält es sich, wenn dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde ausgestellt wird (vgl. Art. 36 Abs. 2 OR) oder der Vertretene dem Dritten die Ermächtigung des Stellvertreters ausdrücklich mitteilt (vgl. Art. 34 Abs. 3 OR). Die Klägerin behauptet nicht, ein Organ der Beklagten habe ihr mitgeteilt, H sei zum Abschluss des Insertionsvertrages ermächtigt. Aus den Akten ergibt sich eindeutig, dass H keine im Handelsregister eingetragene kaufmännische Vollmacht eingeräumt wurde. Eine Genehmigung des Vertrags durch die Beklagte steht ebenfalls ausser Frage.

  2. Zu prüfen ist somit, ob die Klägerin darauf vertrauen durfte, H sei berechtigt, im Namen der Beklagten einen Insertionsvertrag zu schliessen und in diesem Vertrauen zu schützen ist.

    1. Die Bindung des ungewollt Vertretenen beruht auf dem Vertrauensprinzip. Dabei wird der Vertretene nicht etwa gebunden, weil er einen bestimmt gelagerten inneren Willen hatte, sondern weil er ein Verhalten an den Tag legte, aus dem die Gegenseite in guten Treuen auf einen bestimmten Willen schliessen durfte. Verhält sich der Vertretene so, dass der gutgläubige Dritte das Verhalten in guten Treuen als Vollmachtskundgabe verstehen durfte und darauf vertraute, so wird das berechtigte Vertrauen des Dritten in den vom Vertretenen geschaffenen Rechtsschein geschützt (BGE 120 II 197 E. 2a

      S. 199; Entscheid des Bundesgerichts 4C.293/2006 vom 17. November 2006 E. 2.1.1; Entscheid des Bundesgerichts 4C.12/2002 vom 14. Mai 2002 E. 3.1).

    2. Das Verhalten des Vertreters allein vermag eine Vertrauenshaftung des Vertretenen nicht zu begründen. Vielmehr hat der Vertretene zum Vornherein nur für den Rechtsschein einzustehen, den er durch sein eigenes Verhalten geschaffen hat.

      Entscheidend ist damit allein, ob das tatsächliche Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Erteilung oder Duldung einer Vollmacht aufgefasst werden durfte. Dieses Verhalten des Vertretenen kann in einem positiven Tun bestehen, indessen auch in einem passiven Verhalten, einem bewussten oder normativ zurechenbaren Unterlassen (BGE 120 II 197 E. 2b/bb S. 200; Entscheid des Bundesgerichts 4C. 293/2006 vom 17. November 2006 E. 2.1.2).

      Daraus folgt für den vorliegenden Streitfall, dass sich allein aus dem Verhalten von H, namentlich was sie zu K betreffend ihre interne Zuständigkeit und Zeichnungsberechtigung gesagt oder nicht gesagt haben soll, kein Schutz der Klägerin in ein berechtigtes Vertrauen des Vorliegens einer Vollmacht abgeleitet werden kann. Vielmehr hat die Klägerin darzulegen, aus welchem Verhalten der Beklagten sie in guten Treuen das Vorliegen einer Vollmacht ableiten durfte. Eine Bindungswirkung wäre für die Beklagte nämlich nicht bereits dann eingetreten, wenn die Klägerin aus irgendwelchen Gründen auf den Bestand einer Vollmacht schliessen durfte. Vielmehr hat die Klägerin darzulegen, dass die Beklagte diese Vertrauensgrundlage selber - durch ein aktives Tun oder passives Unterlassen - geschaffen hat. Die Bindungswirkung setzt mit anderen Worten voraus, dass das Unterlassen oder Tun der Beklagten in guten Treuen als Vollmachtskundgabe gewertet werden durfte

      (BGE 120 II 197 E. 2b/bb S. 201 f.; Entscheid des Bundesgerichts 4C.293/2006 vom

      17. November 2006 E. 2.1.2). Blosse Untätigkeit des Vertretenen darf in diesem Sinne für sich alleine genommen nicht in guten Treuen als Vollmachtserteilung aufgefasst werden. Soll aus einem passiven Verhalten des Vertretenen eine Bindungswirkung abgeleitet werden, müssen vielmehr zusätzlich hinreichende objektive Umstände gegeben sein, aus denen Dritte auf die Bevollmächtigung zum Abschluss eines Geschäfts schliessen dürfen. Damit Dritte in ihrem Vertrauen auf eine Vollmacht geschützt werden, muss der Rechtsschein zum einen bereits hervorgerufen worden sein (BGE 120 II 197 E. 3b S. 203) und zum anderen dem Vertretenen - bei gehöriger Sorgfalt - bekannt sein, so dass Dritte in guten Treuen davon ausgehen dürfen, der Vertretene würde dem Anschein ausdrücklich widersprechen, wenn er damit nicht einverstanden wäre.

    3. Es ist demgemäss zu untersuchen, ob das tatsächliche Verhalten der Beklagten nach Treu und Glauben auf den Willen zur Mitteilung einer Vollmacht (Art. 462 OR), die

      auch den Abschluss des vorliegenden Insertionsvertrags mit Einzelunterschrift beinhaltete, oder einer Einzelvollmacht (Art. 33 OR) zum Abschluss des Insertionsvertrags, schliessen liess. Die Klägerin muss somit entweder darlegen, dass die Beklagte durch aktives Verhalten den Anschein erweckte, H sei für dieses Geschäft bevollmächtigt, oder aber zum Beweis erstellen, dass die Beklagte vom Auftreten von H Kenntnis hatte und nicht dagegen einschritt bzw. zumindest das Auftreten von H bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit hätte kennen und verhindern müssen.

  3. Dadurch, dass die Beklagte H anstellte und sie namentlich Büroarbeiten verrichten liess, ihr also einen bestimmten Aufgabenkreis überliess, bei dem sie voraussichtlich auch mit Dritten in Kontakt kommen würde, räumte sie ihr zumindest konkludent eine Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 OR ein (Meier-Hayoz/ Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., Bern 2007, § 9 N 50). Die Grenzen dieser Handlungsvollmacht liegen zunächst in der Art des Unternehmens, dem die Bevollmächtigte dient; nur Rechtshandlungen, die der Betrieb des Unternehmens gewöhnlich mit sich bringt, sind von der Vertretungsmacht erfasst (Art. 462 Abs. 1 OR; Meier-Hayoz/Forstmoser, § 9 N 37). Aussergewöhnlich ist einerseits, was in der Branche nicht üblich ist, sind andererseits aber auch Geschäfte, die durch den laufenden Geschäftsbetrieb des konkreten Betriebs nicht erklärlich sind und erkennbar in einem Missverhältnis zum gewöhnlichen Bedarf und zu den verfügbaren Mitteln stehen (Meier-Hayoz/Forstmoser, § 9 N 39). Eine weitere Grenze der Handlungsvollmacht liegt in der besonderen Stellung, die der Bevollmächtigte im Betrieb der Vollmachtgeberin innehat. Die Handlungsvollmacht ist ihrem typischen Wesen nach Vollmacht kraft Anstellung. Sie entnimmt ihren Inhalt den jeweiligen

    verschieden abgestuften Anstellungsverhältnissen, so wie sie äusserlich in Erscheinung treten (Meier-Hayoz/Forstmoser, § 9 N 41). Die gleiche Handlung kann im selben Betrieb durch die dem einen Angestellten eingeräumte Stellung und die damit verbundene Handlungsvollmacht gedeckt sein, bei einem in anderer Stellung tätigen Angestellten hingegen nicht.

    1. Das vorliegend strittige Geschäft kann nicht als branchenungewöhnlich bezeichnet werden. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass im Brennstoffhandel tätige Unternehmen Werbe- und Insertionsverträge, allenfalls auch langfristige, abschliessen (vgl. auch Berufungsantwort, 7 Ziff. 15). Hingegen erscheint das konkrete

      Geschäft, ein Insertionsvertrag über drei Jahre mit einem Gesamtvolumen von über Fr. 77'000.-, bei der Grösse der Beklagten als aussergewöhnliches Geschäft. Dies war für die Klägerin auch ersichtlich, wäre es doch äusserst ungewöhnlich, dass die Büroarbeiten einer mittleren oder grösseren Gesellschaft von der Frau des Geschäftsführers zu Hause erledigt werden. Vor allem aber liegt der Abschluss eines solchen langfristigen und kostenintensiven Vertrags ganz klar ausserhalb dessen, was die Position einer Sekretärin bzw. Büroangestellten eines Unternehmens von der Art und Grösse der Beklagten gewöhnlich mit sich bringt. Daran würde auch nichts ändern, falls es tatsächlich zuträfe, dass H gegenüber K erklärt hätte, sie sei bei der Beklagten auch für die Werbung zuständig. Wie gesehen kommt es nicht darauf an, wie die Vertreterin sich verhält, sondern ob ihr Verhalten der Vertretenen unter dem Vertrauensprinzip als Kundgabe einer Vollmacht anzurechnen ist. Die Beklagte räumt zwar ein, dass H im Auftrag der Geschäftsleitung Werbeinserate in Zeitungen platziert habe (Berufungsantwort, 7 oben), besagte Inserate (kläg. act. 4-6) dürften aber zusammen kaum mehr als einige Fr. 100.- gekostet haben. Aus dem Umstand, dass H die Kompetenz besass, einzelne Inserate in der örtlichen Lokalpresse zu schalten, beziehungsweise dass dieses Verhalten durch die Beklagte offensichtlich geduldet wurde, durfte die Klägerin jedenfalls nicht in guten Treuen schliessen, H sei auch zum Abschluss des strittigen Insertionsvertrags ermächtigt. Vielmehr hätte die Klägerin bereits aufgrund der Grösse des Auftrags davon ausgehen müssen, dieser falle in die Zuständigkeit der Geschäftsleitung bzw. einer Person mit (faktischer) Organstellung.

    2. In dieser Hinsicht bringt die Klägerin vor, die Beklagte habe H im Betrieb eine weit wichtigere Stellung als die einer normalen Teilzeitsekretärin zukommen lassen (Berufung, 10 Ziff. 19). Die objektiven Umstände sprechen allerdings - auch für die Klägerin klar ersichtlich - gegen die Annahme, die Beklagte habe H eine organähnliche Stellung in der Firma eingeräumt. Obwohl H die Ehefrau des Mitinhabers und Geschäftsführers G ist, wurde sie nicht als zeichnungsberechtigt ins Handelsregister aufgenommen, wie dies in kleinen Familienunternehmen oft der Fall ist. Im übrigen reicht die Ehe der Vertreterin zum Mitinhaber und Geschäftsführer mit Kollektivunterschrift einer Aktiengesellschaft - ebenso wenig wie eine Verwandtschaft (BGE 120 II 197 E. 3b S. 205) - nicht aus, den Rechtsschein einer umfassenden Handlungsvollmacht im Bereich dieser Aktiengesellschaft zu begründen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass H über einen Firmenstempel der Beklagten

      verfügte. Dass dem Sekretariat ein Firmenstempel zur Verfügung steht, ist vielmehr als normal anzusehen und zur Erfüllung von dessen Aufgaben wohl sogar notwendig (BGE 102 II 197 E. 3b S. 205 f.; 39 II 91 E. 3 S. 94). Aus der Tatsache, dass eine Büroangestellte über einen Firmenstempel verfügen kann, lässt sich darum nicht auf

      den Umfang ihrer Vertretungsbefugnis schliessen. Ebenso unbehelflich ist es, wenn die Klägerin vorbringt, die Beklagte habe es geduldet, dass H im Besitz von Druckvorlagen für Inserate war. Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dass es sich bei den von der Klägerin als Druckvorlagen bezeichneten Akten (kläg. act. 4-6) lediglich um Zeitungsausschnitte von bereits erschienenen Inseraten respektive Kopien davon handelt. Von der Beklagten zu verlangen, sie hätte, um den Rechtsschein der Vertretungsmacht von H für den Abschluss des hier strittigen Vertrags zu zerstören, verhindern müssen, dass diese in den Besitz von Zeitungsausschnitten bisher erschienener Inserate kommt, wäre weltfremd. Andererseits spricht gerade der Umstand, dass es sich um kleinere, in der Lokalpresse erschienene Inserate handelte, für die Annahme, die Kompetenzen von H seien auf solche kleinere Inserate beschränkt. Die Beklagte war denn im Übrigen auch bereit, den Auftrag in ähnlichem Rahmen, nämlich beschränkt auf eine Agenda (anstelle von 40 Agenden), gegen sich gelten zu lassen (Klageantwort, 6 Ziff. 12). Ein berechtigtes Vertrauen in eine Vollmachterteilung zum Abschluss von Insertionsverträgen, die offensichtlich ein Vielfaches der von H zuvor geschalteten Inserate kosten und den Rahmen des Gewöhnlichen offensichtlich sprengen, lässt sich aus dem Verhalten der Beklagten jedenfalls nicht in guten Treuen ableiten.

      Auch aus der Tatsache, dass sich H mit E-Mail vom Benutzerkonto der Beklagten vom

      25. Dezember 2005 (kläg. act. 7) und mit persönlichem Schreiben vom 9. Januar 2006 (kläg. act. 8) in der Sache an K beziehungsweise die Klägerin wandte, kann diese nichts für ihren Standpunkt ableiten. Damit der Vertrag mit der Klägerin gültig zustande gekommen wäre, hätte nämlich die Vollmachtskundgabe durch die Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits erfolgt sein müssen. Alles was nachher

      geschah, dazu gehört auch das Auftreten von H an der Gerichtsverhandlung, ist - da es zur Vertrauensbildung nicht relevant sein und den Rechtsschein einer Vollmacht nicht hervorrufen konnte - nicht von Bedeutung (Entscheid des Bundesgerichts 4C.12/2002 vom 14. Mai 2002 E. 3.2).

      Aus der E-Mail vom 25. Dezember 2005 und dem Schreiben vom 9. Januar 2006 von H könnte entgegen der Ansicht der Klägerin ohnehin nicht geschlossen werden, dass diese seitens der Beklagten eine Vollmacht zum Abschluss des strittigen Vertrags eingeräumt worden ist. H führt in ihrer E-Mail ausdrücklich aus, sie sei für diesen Betrag nicht unterschriftsberechtigt gewesen. Einerseits kann aus dieser E-Mail - so diese denn überhaupt der Beklagten zugerechnet werden kann - nicht abgeleitet werden, die Beklagte habe H tatsächlich intern eine Unterschriftsberechtigung eingeräumt oder gar gegen aussen kundgetan. Andererseits sind Handlungsvollmachten im Sinne von Art. 462 OR wie gesehen auch umfangmässig auf den gewöhnlichen Bedarf beschränkt. Inwiefern das Schreiben vom 9. Januar 2006, in dem H erneut erklärt, für die Beklagte nicht unterschriftsberechtigt zu sein, zeigen soll, dass H "entsprechende Vollmachten der Beklagten besitzt" (Berufung, 7 Ziff. 16), ist nicht ersichtlich. Die Erklärung, eine Vertreterin habe nicht die entsprechenden Vollmachten besessen, kann ohne weiteres von der Vertreterin selbst kommen. Warum diese Erklärung von der Vertretenen kommen müsste und andernfalls davon ausgegangen werden müsste, die Vertreterin habe eine entsprechende Vollmacht besessen, leuchtet nicht ein. Auch aus der Teilnahme von H an der Vermittlungs- und der vorinstanzlichen Hauptverhandlung kann nichts zu Lasten der Beklagten abgeleitet werden.

    3. Eine Gesamtwürdigung ergibt, dass H nicht als zeichnungsberechtigte Person im Handelsregister eingetragen ist und keine von der Beklagten zu vertretende Gründe vorliegen, aus denen die Klägerin in guten Treuen hätte schliessen dürfen, H sei berechtigt, für die Beklagte Insertionsverträge im Gesamtbetrag von über Fr. 77'000.- abzuschliessen. Vielmehr sprach die von K bei der Beklagten angetroffene Firmenstruktur, in der H als Angestellte bei der Beklagten anfallende Büroarbeiten zu Hause erledigte, allenfalls für Vollmachten in Bezug auf die täglich anfallenden gewöhnlichen Routinegeschäfte. Was die Werbung betrifft, hätte die Klägerin wohl in guten Treuen darauf vertrauen dürfen, H habe in der Vergangenheit jeweils einzelne Zeitungsinserate geschaltet und sei berechtigt, auch in diesem Umfang für die Beklagte zu handeln. Es hätte ihr allerdings auffallen müssen, dass die von H unterschriebenen Insertionsverträge diesen Rahmen bei weitem sprengten. Die Klägerin hätte somit nach Treu und Glauben davon ausgehen müssen, im angetroffenen Kleinunternehmen sei eine Büroangestellte nicht bevollmächtigt,

      Werbeaufträge in dieser Grössenordnung zu erteilen, weil solche Geschäfte üblicherweise in die Kompetenz der Geschäftsleitung fallen. Die Klägerin durfte unter diesen Umständen somit auch nicht in guten Treuen davon ausgehen, H sei zu einem solchen Rechtsgeschäft bevollmächtigt, zumal die Beklagte nie den Anschein erweckte, bei H handle es sich um eine Person, der eine organähnliche Stellung im Betrieb zukomme. Der Eintritt der Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht rechtfertigt sich im vorliegenden Fall nicht.

  4. Steht fest, dass zwischen den Parteien kein Insertionsvertrag zustande gekommen ist, kann die Klägerin von der Beklagte nicht wegen Rücktritts respektive Kündigung im Sinne von Art. 377 OR Schadloshaltung verlangen. Die Berufung ist damit abzuweisen.

Es erübrigt sich somit, darauf einzugehen, ob H beziehungsweise die Beklagte von der Klägerin absichtlich getäuscht wurde, ob die Klägerin sich unlauterer Verkaufsmethoden im Sinne des UWG bediente (indem der Vertreter der Klägerin H zwei Tage vor Weihnachten angeblich massiv mit persönlichen Problemen belastete, um sie zur Unterzeichnung des Papiers "Rahmenvertrag für 40 Agenden" (kläg. act. 1) zu drängen; vgl. Berufungsantwort, 12 f. Ziff. 28) und wie der von der Klägerin behauptete Schaden zu bestimmen wäre.

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