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Urteil Kantonsgericht (SG)

Kopfdaten
Kanton:SG
Fallnummer:BR.2010.2
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:Kantonsgericht
Kantonsgericht Entscheid BR.2010.2 vom 18.01.2011 (SG)
Datum:18.01.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 8, insbes. Art. 8 Abs. 1 lit. d, Art. 12 lit. b, Art 13 BGFA (SR 935.61). Anwälte, die als Angestellte einer als Kapitalgesellschaft organisierten Anwaltskanzlei tätig sind, sind vom Eintrag in das Anwaltsregister ausgeschlossen (Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, 18. Januar 2011, BR.2010.2).
Schlagwörter : Anwalt; Anwälte; Gesuch; Anwältin; Anwaltskammer; Gesuchsteller; Entscheid; Recht; Kapitalgesellschaft; Anwältinnen; Anwaltlich; Auslegung; Beruf; Anwaltliche; Beschwerde; Kanton; Anwaltskanzlei; Kapitalgesellschaften; Setze; Angefochtener; Beschwerdeschrift; Anwaltskanzleien; Zulassung; Register; Wortlaut; Hinweis; Anwälten; Beschwerdeschrift; Organ; Organisation
Rechtsnorm: Art. 190 BV ; Art. 27 BV ; Art. 33 OR ; Art. 552 OR ; Art. 562 OR ; Art. 568 OR ; Art. 697d OR ; Art. 8 BV ;
Referenz BGE:123 V 310; 124 III 363; 128 I 288; 130 II 87; 131 II 217; 131 II 697; 99 V 23;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Erwägungen

I.

Mit Eingabe vom 25. Mai 2010 an die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen ersuchten die als Anwältinnen/Anwälte für die Anwaltskanzlei X tätigen Gesuchsteller um Erlass einer Feststellungsverfügung, wonach sie nach einer

Umstrukturierung der Kanzlei in eine Anwaltsaktiengesellschaft als deren Angestellte im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen registriert bleiben können (vi-act. 1, 2). Mit Entscheid vom 28. Juli 2010 wies die Anwaltskammer das Gesuch ab, indem sie feststellte, die Gesuchsteller würden nach der vorgesehenen Kanzleiumstrukturierung in eine anwaltliche Kapitalgesellschaft als deren Angestellte aus dem Anwaltsregister des Kantons St. Gallen gelöscht. Auf die Erhebung von Kosten wurde angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen verzichtet (vi-act. 2).

Gegen diesen am 17. August 2010 zugestellten Entscheid erhoben die Gesuchsteller - soweit noch bei der Anwaltskanzlei X tätig - am 31. August 2010 beim Kantonsgericht Beschwerde mit den eingangs erwähnten Anträgen. Die Anwaltskammer hat auf eine Stellungnahme verzichtet (B/6).

II.

  1. Gegen Entscheide der Anwaltskammer kann innert vierzehn Tagen seit Eröffnung Beschwerde erhoben werden (Art. 41 AnwG i.V.m. Art. 64 und Art. 47 Abs. 1 VRP). Beschwerdeinstanz ist gemäss Art. 6 Abs. 2 AnwG in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden und hier noch massgebenden Fassung das Kantonsgericht. Beschwerdegründe sind Rechtsverletzungen sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Art. 41 AnwG i.V.m. Art. 61 VRP).

  2. Hier haben die Gesuchsteller die Beschwerdefrist gewahrt. Ein Rechtsschutzinteresse ist gegeben (siehe dazu auch nachfolgend Erw. 3). Auf die Beschwerde ist einzutreten. Für deren Beurteilung zuständig ist die III. Zivilkammer (Art. 15 lit. d GO).

  3. Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass im vorliegenden Fall die grundlegenden Voraussetzungen für den Erlass einer Feststellungsverfügung (aktuelles schutzwürdiges Interesse der Gesuchsteller, welches nicht ohne entscheidende Nachteile durch eine rechtsgestaltende Verfügung gewahrt werden kann, sowie keine entgegenstehenden und überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen) erfüllt sind; es kann in dieser Hinsicht auf die zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid verwiesen werden (angefochtener Entscheid Erw. I.3, mit Hinweisen).

III.

  1. Seit Erlass des BGFA haben in einer Vielzahl der Kantone die Aufsichtsbehörden anwaltliche Kapitalgesellschaften zugelassen (vgl. die Übersicht in Anwaltsrevue 4/2010, 191 f.). Die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen anerkennt zwar, dass die Organisation von Anwaltskanzleien in Form einer Aktiengesellschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einem aktuellen wirtschaftlichen Bedürfnis entspricht. Sie kommt aber zum Schluss, anwaltliche Kapitalgesellschaften seien mit dem geltenden Recht nicht vereinbar. Für deren Zulassung sei eine klare gesetzliche

    Grundlage auf eidgenössischer Ebene zu schaffen; allein der Bundesgesetzgeber sei in der Lage, die sich in diesem Zusammenhang stellenden Problembereiche adäquat zu lösen sowie eine für das gesamte Gebiet der Schweiz einheitliche und verbindliche Regelung zu treffen (angefochtener Entscheid, 4 ff.).

    Nach Ansicht der Gesuchsteller verletzt der ablehnende Entscheid der Anwaltskammer Bundesrecht (Beschwerdeschrift Ziffer II.9 sowie im einzelnen Ziffer IV.1 ff.).

  2. Art. 7 und Art. 8 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) regeln die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für den Anwaltsregistereintrag. Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA müssen Anwältinnen und Anwälte in der Lage sein, "den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben" und können sie "Angestellte nur von Personen sein, die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind". Hier ist in erster Linie umstritten, ob diese Bestimmung der Zulässigkeit von Anwaltskanzleien in Form von Kapitalgesellschaften entgegensteht oder nicht, was eine Frage der Auslegung ist.

  3. Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung ist der Wortlaut der auszulegenden Bestimmung. Führt die grammatikalische Auslegung zu keinem klaren Ergebnis, ist die Bedeutung der auszulegenden Norm aufgrund der in der Lehre und Praxis entwickelten weiteren Auslegungsmethoden (systematische, historische, teleologische und zeitgemässe Methode) zu ermitteln. Dabei ist im Einzelfall abzuwägen, welche Methode oder Methodenkombination geeignet ist, den wahren Sinn der auszulegenden Norm wiederzugeben, wobei auch auf ein vernünftiges und praktikables Ergebnis zu achten ist (Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl., N 90 ff., mit Hinweisen).

    Vom klaren - d.h. eindeutigen und unmissverständlichen - Wortlaut einer Norm darf im Rahmen der Auslegung nur abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür sprechen, dass er nicht dem wahren Sinn entspricht; solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Sinn und Zweck der Norm oder im Kontext mit anderen Bestimmungen ergeben (Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., N 92, mit Hinweis auf BGE 131 II 217 Erw. 2.3). Bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden. Wurde in der Gesetzesberatung

    insbesondere ein Antrag, das Gesetz sei im Sinne einer bestimmten Auslegungsmöglichkeit zu ergänzen, ausdrücklich abgelehnt, so darf bei der späteren Auslegung der betroffenen Normen eben diese Auslegungsmöglichkeit in der Regel nicht in Betracht gezogen werden (BGE 123 V 310 Erw. 4, mit Hinweisen; vgl. auch BGE 131 II 697 Erw. 4.1 sowie BGE 128 I 288 = Pra 92/2003 Nr. 80 Erw. 2.4).

  4. Die Anwaltskammer vertritt im angefochtenen Entscheid den Standpunkt, der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA sei klar und lasse keinen Interpretationsspielraum offen: In das kantonale Anwaltsregister könnten nur natürliche Personen eingetragen werden, welche die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen von Art. 7 und Art. 8 BGFA erfüllen; dementsprechend dürfe auch ein Anstellungsverhältnis nur zu einer ebenfalls im Register eingetragenen natürlichen Person bestehen (angefochtener Entscheid Erw. II.2). Sie kommt sodann aufgrund einer eingehenden Sichtung der Materialien zum Schluss, dies entspreche auch dem klaren Willen des Gesetzgebers: Dieser sei sich bewusst gewesen, dass ein Bedürfnis nach anwaltlichen Kapitalgesellschaften bestehe, habe deren Zulassung aber gerade nicht im BGFA regeln, sondern dies einem späteren Bundesgesetz vorbehalten wollen (angefochtener Entscheid Erw. II.4). Weiter hält die Anwaltskammer die Rechtszersplitterung, die sich ergibt, wenn die Zulassungsmodalitäten für anwaltliche Kapitalgesellschaften von Kanton zu Kanton anders definiert sind, als mit dem BGFA nicht vereinbar, da dieses nicht nur die Regelung der Freizügigkeit bezwecke, sondern auch eine Vereinheitlichung des schweizerischen Anwaltsrechts anstrebe (angefochtener Entscheid Erw. II.5 und II.6). Nach Ansicht der Anwaltskammer enthält das BGFA sodann neben Art. 8 Abs. 1 lit. d weitere Bestimmungen, die mit der Ausgestaltung von Anwaltskanzleien als Kapitalgesellschaften nicht vereinbar sind. Sie nennt in diesem Zusammenhang zunächst Art. 12 lit. b BGFA, wonach Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf "in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung" auszuüben haben. Aus dieser Bestimmung - so die Anwaltskammer - ergebe sich insbesondere, dass sich Anwältinnen und Anwälte ihrer persönlichen finanziellen Verantwortung nicht entziehen könnten. Dies sowie namentlich das im BGFA und im kantonalen Anwaltsrecht vorgesehene Erfordernis der Verlustscheinlosigkeit würde mit der Beschränkung der Haftung bei anwaltlichen Kapitalgesellschaften unterlaufen, wobei sich diesbezüglich auch eine Besserstellung gegenüber selbständigen Anwältinnen und Anwälten ergäbe (angefochtener Entscheid Erw. II.7.a und II.7.b). Nach Ansicht der Anwaltskammer

steht sodann auch die in Art. 13 BGFA geregelte persönliche Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses der Zulässigkeit anwaltlicher Kapitalgesellschaften entgegen. Vor allem sei ungeklärt, wie ohne Beeinträchtigung des Berufsgeheimnisses die Revisionsstelle die Bonität der Mandanten bewerten und eine aktienrechtliche Sonderprüfung erfolgen könnte (angefochtener Entscheid Erw. II.7.c). Und schliesslich kommt die Anwaltskammer zum Schluss, die Nichtzulassung anwaltlicher Kanzleien in Form von Kapitalgesellschaften widerspreche auch nicht dem Binnenmarktgesetz vom

6. Oktober 1995 (SR 943.02): Mit dem BGFA sei im Jahr 2000 ein Gesetz erlassen worden, welches für den Teilbereich der anwaltlichen Tätigkeit den freien Marktzugang gewährleisten und die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte sicherstellen wolle; damit ergänze und konkretisiere das BGFA das Binnenmarktgesetz aus dem Jahr 1995. Für die Zulassung massgebend seien die spezifischen Bestimmungen des BGFA; die allgemeinen Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes könnten höchstens zur Auslegung herangezogen werden, vermöchten aber die Vorschriften des BGFA nicht zu derogieren (angefochtener Entscheid Erw. II.8).

  1. a) Der Anwaltskammer ist beizupflichten, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA klar ist: Er schreibt als persönliche Voraussetzungen für den - natürlichen Personen vorbehaltenen - Registereintrag vor, dass Anwältinnen/Anwälte in der Lage sein müssen, "den Anwaltsberuf unabhängig auszuüben" und "Angestellte nur von Personen sein" können, "die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind"; dies schliesst den Eintrag von bei Anwaltskapitalgesellschaften angestellten Anwältinnen und Anwälten aus, da die Gesellschaften ihrerseits - als nicht natürliche Personen - vom Registereintrag ausgeschlossen sind. Auch der italienische und französische Gesetzestext sind in dieser Hinsicht klar.

    Nicht stichhaltig ist der Einwand der Gesuchsteller, Konsequenz einer strikten Beachtung des Wortlautes, wie die Anwaltskammer ihn verstehe, wäre, dass sämtliche bei Kollektivgesellschaften angestellte Anwältinnen und Anwälte aus dem Anwaltsregister gelöscht werden müssten. Denn dass Kollektivgesellschaften (vgl. zu deren Zulässigkeit als Organisationsform von Anwaltskanzleien: BGE 124 III 363) im Verhältnis zu Dritten als organisatorische Einheit verselbständigt sind und insofern - trotz fehlender Rechtspersönlichkeit - am Rechtverkehr teilnehmen können (Art. 562 OR), ändert nichts daran, dass letztlich eben doch allein die Gesellschafter Träger der

    Rechte und Pflichten sind, weshalb ein Angestelltenverhältnis - sofern die Kollektivgesellschafter im Anwaltsregister eingetragen sind - mit dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ohne weiteres vereinbar ist (vgl. Carl Baudenbacher, Basler Kommentar, N 3 zu Art. 552 OR, mit Hinweisen)

    Soweit die Gesuchsteller aufgrund einer teleologischen Auslegung zum Schluss gelangen, für das in Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA angesprochene Anstellungsverhältnis komme es nicht auf den formellen Arbeitsvertrag, sondern auf die wirtschaftliche Beherrschung der Gesellschaft sowie die Weisungsbefugnisse innerhalb des Unternehmens an (Beschwerdeschrift Seite 8 ff. i.V.m. Seiten 15 ff. und 23), ist darauf im entsprechenden Zusammenhang noch zurückzukommen (unten Erw. b.cc).

    1. Zu prüfen bleibt, ob triftige Gründe dafür sprechen, dass der Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA nicht dem wahren Sinn der Bestimmung entspricht, und - gegebenenfalls - welche vom Wortlaut abweichende Bedeutung ihr beizumessen ist.

      aa) Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA ergeben sich keine zureichenden Hinweise, dass der Wortlaut der Bestimmung nicht ihrem wahren Sinn entspricht. Wohl findet sich in der Botschaft des Bundesrates die Bemerkung, das BGFA wolle die Entwicklung im Bereich der Organisation von Anwaltskanzleien nicht blockieren, wobei sich in der dazugehörigen Fussnote auch der Hinweis findet, die Frage nach der Zulässigkeit von Anwaltskanzleien in Form einer Aktiengesellschaft werde sich wahrscheinlich auch in der Schweiz bald stellen (BBl 1999 6038). Wie die Anwaltskammer im angefochtenen Entscheid eingehend und zutreffend herleitet und darlegt (Erw. II.4.), lassen jedoch die parlamentarischen Beratungen - wenn auch die einschlägigen Voten unterschiedlich klar sind - letztlich keine Zweifel offen, dass der Gesetzgeber als Kapitalgesellschaften organisierte Anwaltskanzleien im Rahmen des BGFA bewusst nicht zulassen, sondern eine allfällige Zulassung und (gegebenenfalls) deren rechtliche Umsetzung einem späteren Bundesgesetz vorbehalten wollte: Die Einschränkung, wonach eingetragene Anwältinnen/Anwälte "Angestellte nur von Personen sein" können, "die ihrerseits in einem kantonalen Register eingetragen sind", war im Entwurf des Bundesrates nicht enthalten, sondern kam erst in den parlamentarischen Beratungen hinzu, während auf der anderen Seite ein parlamentarischer Vorstoss, die Umschreibung der Unabhängigkeit dahin zu ergänzen,

      Anwältinnen und Anwälte seien in der Wahl ihrer rechtlichen Organisationsform frei, wegen der zahlreichen damit verbundenen offenen Fragen ausdrücklich abgelehnt wurde (Art. 7 lit. e und Art. 11 lit. b Entwurf BGFA , BBl 1999 6038 f., 6080; Nationalrat: AB 1999 N 1555 ff., AB 2000 N 38 f., N 41 ff.; Ständerat: AB 1999 S 1155 ff., S 1170 f.,

      AB 2000 S 234 ff., S 239). Verwiesen wurde dabei insbesondere auf eine im Jahre 1999 von Ständerat Anton Cottier eingereichte (freilich bis heute nicht beantwortete) Motion, mit welcher der Bundesrat eingeladen worden war, "die verschiedenen Organisationsformen für den Zusammenschluss von Angehörigen der freien Berufe (Anwaltskanzleien, Ärztekollektive usw.) abzuklären und dem Parlament - soweit erforderlich - einen Entwurf für geeignete rechtliche Grundlagen zu

      unterbreiten" (Motion 2000 M 99.3656; AB 2000 N 42 ff.: Voten Cina, Baumann, Jutzet, Mariétan, Metzler). Nicht gefolgt werden kann dem von den Gesuchstellern erhobenen Einwand, der Gesetzgeber habe mit dieser Änderung bzw. Verwerfung (bloss) verhindern wollen, dass Unternehmensjuristen für Kunden ihres Arbeitgebers im Monopolbereich tätig sein könnten und Anwaltskanzleien von Banken, Versicherungen oder Treuhandgesellschaften beherrscht würden sowie - allenfalls - beabsichtigt, gemischtwirtschaftliche Kanzleien zu untersagen, aus den Wortprotokollen ergebe sich aber nicht, dass er (auch) rein anwaltlich beherrschte Anwaltskapitalgesellschaften habe untersagen wollen (Beschwerdeschrift, 13 ff.). Zwar trifft zu, dass im Rahmen der Beratungen eingehend über die Registrierungsmöglichkeit von Unternehmensjuristen diskutiert und dies schliesslich verworfen wurde (Nationalrat: AB 1999 N 1557 ff., AB 2000 N 38 f.; Ständerat: AB 1999 S 1160 ff., S 1166 ff.). Daneben wurde aber durchaus auch die Zulässigkeit von als Kapitalgesellschaften organisierten Anwaltskanzleien diskutiert und die für Art. 11 lit. b Entwurf BGFA vorgeschlagene freie Wahl der rechtlichen Organisationsform verworfen (Nationalrat: AB 2000 N 42 ff. [insbes. die oben erwähnten Voten]; Ständerat: AB 2000 S 239). Mit einer Regelung sollte - nicht zuletzt mit Blick auf die einschlägige Motion Cottier - zugewartet werden, um die mit einem solchen Entscheid verbundenen Anschlussfragen zu klären. Zureichende Hinweise, dass letzteres rein anwaltlich beherrschte Anwaltskapitalgesellschaften nicht betreffen sollte (so die Mutmassung der Gesuchsteller, Beschwerdeschrift, 13), ergeben sich aus den Protokollen nicht. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber - nach wiederum eigehender Diskussion (insb. Nationalrat: AB 2000 N 39 ff., Ständerat: AB 1999 S 1165 ff., AB 2000 S 237 ff.) - mit Art. 8 Abs. 2 BGFA den Registereintrag von

      Anwältinnen und Anwälten, die bei anerkannten gemeinnützigen Organisationen angestellt sind, explizit zugelassen und damit eine Ausnahmeregelung zu Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA geschaffen hat. Der Anknüpfungspunkt des Anstellungsverhältnisses ist somit im Zusammenhang mit der Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit vom Gesetzgeber nicht zufällig, sondern nach eingehender Diskussion gewählt worden. Der Umstand, dass es bei dieser einen Ausnahmeregelung blieb, legt - nicht nur unter dem Aspekt einer entstehungszeitlichen, sondern auch einer systematischen Auslegung - nahe, dass nach dem Willen des Gesetzgebers keine weiteren - und vor allem keine weitergehenden - Ausnahmen zulässig sind. Dies gilt umso mehr, als Art. 12 lit. b BGFA, der die unabhängige Berufsausübung in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung als Berufsregel statuiert (dazu nachfolgend Erw. dd.aaa), vom Parlament bewusst im Gesetzestext belassen wurde.

      bb) Das BGFA wurde am 23. Juni 2000 erlassen und ist damit ein relativ junges Gesetz. Dies spricht grundsätzlich gegen eine vom klaren Wortlaut und dem ebenso klaren Willen des Gesetzgebers abweichende Auslegung, die sich allenfalls aufgrund weiterer Auslegungsmethoden ergeben könnte. Denn wie dargelegt kommt bei jungen Gesetzen dem Willen des historischen Gesetzgebers eine vorrangige Bedeutung zu und darf insbesondere dann, wenn in der Gesetzesberatung - wie hier - bewusst davon abgesehen wurde, das Gesetz in einem bestimmten Sinn auszugestalten, den betroffenen Normen nicht später auf dem Umweg der Auslegung eben dieser Sinn beigemessen werden (oben Erw. 3). Im übrigen mag zwar zutreffen, dass sich die Organisationsstruktur des schweizerischen Anwaltsstandes seit Erlass des BGFA insofern verändert hat, als die Anzahl Einzelkanzleien zurückging, während Kanzleien mit mehr als fünf, zehn oder gar fünfzig Anwälten eine gewisse Verbreitung fanden (Beschwerdeschrift, 19 ff.; vgl. auch Beat von Rechenberg, Anwaltskörperschaft - Wohin führt der Weg, in: Anwaltsrevue 10/2010, 425). Die Gesuchsteller verkennen indes, dass es in erster Linie Sache des Anwaltsstandes ist, sich bei der Kanzleiorganisation nach dem geltenden Recht zu richten, und nicht umgekehrt Aufgabe der Behörden und Gerichte, die einschlägigen Normen in Missachtung der anerkannten Auslegungsregeln im Sinne einzelner - vor allem grösserer - Kanzleien umzudeuten. Ein richterliches Eingreifen - aufgrund einer zeitgemässen Auslegung oder allenfalls durch Ausfüllen einer Gesetzeslücke - wäre hier nur gerechtfertigt und statthaft, wenn von einem offensichtlichen Irrtum des Gesetzgebers auszugehen wäre

      oder sich die Verhältnisse seit Erlass des BGFA derart gewandelt hätten, dass die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA im vorliegenden Zusammenhang geradezu missbräuchlich wäre (vgl. BGE 99 V 23, mit Hinweisen). Weder das eine noch das andere ist indes der Fall. Vielmehr liegt ein rechtspolitisches Versäumnis vor, indem der bei Erlass des BGFA durchaus bekannte gesetzgeberische Handlungsbedarf, der damals mit der Motion Cottier schon in die Wege geleitet schien, nicht weiter verfolgt wurde, und daher der heutige Rechtszustand insoweit unbefriedigend ist, als er den wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht entspricht. Davon, dass die aktuelle Rechtslage unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchsverbots schlicht nicht hingenommen werden könnte, kann indes keine Rede sein, und entsprechendes wird von den Gesuchstellern soweit ersichtlich auch nicht behauptet. Gegen eine richterliche Korrektur - im Sinne einer zeitgemässen Auslegung oder durch Ausfüllen einer Gesetzeslücke - auf kantonaler Ebene spricht im übrigen auch der Umstand, dass sich diese nicht auf die blosse Zulassung von bei anwaltlichen Kapitalgesellschaften angestellten Anwältinnen und Anwälten beschränken könnte, sondern auch die damit verbundenen Anschlussfragen (insbesondere die Zulassungsmodalitäten) regeln müsste. In dieser Hinsicht gilt es nun aber - wie sogleich zu zeigen ist - eine Rechtszersplitterung zu verhindern.

      cc) Die Anwaltskammer führt unter dem Aspekt der teleologischen Auslegung aus, das BGFA verfolge neben der Regelung der Freizügigkeit auch die Vereinheitlichung des schweizerischen Anwaltsrechts; würde die Frage der Organisationsform von Anwaltskanzleien allein der kantonalen Praxis und Rechtsprechung überlassen, würde die aufgrund des BGFA zumindest partiell erreichte Vereinheitlichung teilweise wieder zunichte gemacht (angefochtener Entscheid, Erw. 5 und 6).

      Die Gesuchsteller halten dem zunächst entgegen, aufgrund des föderalistischen Staatsaufbaus erfolge die Anwendung materiellen Bundesrechts in der Schweiz primär durch kantonale Instanzen, weshalb eine Rechtszersplitterung in der Rechtsanwendung systemimmanent sei (Beschwerdeschrift, 6). Dieser Einwand mag im Grundsatz berechtigt sein; er ändert aber nichts daran, dass das BGFA - wie die Anwaltskammer zutreffend festhält - (auch) eine einheitliche Regelung der Voraussetzungen für die Ausübung des Anwaltsberufs anstrebt (Art. 1 BGFA; BBl 1999, 6018; AB 1999 S 1162, Votum Metzler), und diesem Zweck bei der Auslegung seiner

      Bestimmungen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen ist. Dies gilt umso mehr, als sich aus den genannten parlamentarischen Voten ergibt, dass der Gesetzgeber die Problematik erkannte und den Anwältinnen und Anwälten eine freie Wahl der Organisationsform nicht zugestehen wollte, bis die Anforderungen an die Ausgestaltung in einem für die ganze Schweiz einheitlichen Gesetz geregelt sind.

      Unbegründet ist der weitere Einwand der Gesuchsteller, mit Ausnahme der Anwaltskammer des Kantons St. Gallen hätten alle übrigen kantonalen Aufsichtsbehörden (gemeint: soweit sie entsprechend angegangenen wurden) anwaltliche Kapitalgesellschaften zugelassen, und wenn überhaupt eine Rechtszersplitterung vorliege, habe die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen die Ursache hiefür gesetzt (Beschwerdeschrift, 6): Zum einen gibt es auch Kantone, in denen noch keine veröffentlichten Entschiede vorliegen. Und zum anderen ergibt sich unmissverständlich aus den Erwägungen auf Seite 9 des angefochtenen Entscheides, dass die Anwaltskammer - wenn sie von Rechtszersplitterung spricht - damit in erster Linie den Umstand meint, dass dann, wenn die Zulassung anwaltlicher Kapitalgesellschaften der kantonalen Praxis überlassen wird, die Zulassungsmodalitäten, d.h. die Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung solcher Gesellschaften, nicht einheitlich definiert sind. Dieses Argument wiederum ist - entgegen der Auffassung der Gesuchsteller - nicht bloss nebensächlich, sondern fällt angesichts der daraus folgenden Probleme bei der Umsetzung im interkantonalen Verhältnis, die letztlich auch zu Ungleichbehandlungen führen können, durchaus ins Gewicht. Mit der Zulassung von kapitalgesellschaftlich organisierten Anwaltskanzleien wäre deshalb unabdingbar ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf verbunden. Das wurde nicht nur in der parlamentarischen Diskussion erkannt, sondern entspricht auch den in der Lehre geäusserten Meinungen (vgl. Kaspar Schiller, Schweizerisches Anwaltsrecht, 1423 ff.). Soweit der Bundesrat dies - nach seinen Ausführungen im Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte vom 5. März 2010 (gest.-act. 37) zu schliessen - anders sieht, ist diese Ansicht für die Gerichte nicht verbindlich.

      Die Gesuchsteller führen unter dem Aspekt der teleologischen Auslegung weiter aus, die Unabhängigkeit im Sinne des BGFA erschöpfe sich in der Einhaltung des Berufsgeheimnisses und im Verbot von Interessenkonflikten. Als Berufsregel (Art. 12 lit.

      b BGFA) sei sie eine bei der Berufsausübung im konkreten Fall zum Zuge kommende, mandatsbezogene Verhaltensregel ("sie üben aus"). Die Voraussetzung zum Eintrag (Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA) verlange hingegen bloss, dass der Anwalt zur Einhaltung dieser Berufsregel "in der Lage" sein müsse. Im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA müsse daher nur beurteilt werden, ob die gewählte Organisation und die getroffenen Massnahmen es dem Anwalt ermöglichen würden, die Geheimhaltungspflicht und das Konfliktverbot einzuhalten. Charakteristisch für den Arbeitsvertrag sei das Subordinationsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein Subordinationsverhältnis bestehe daneben aber auch - und dies sei hier zentral - zwischen leitendem Angestellten und dem ihm unterstellten Arbeitnehmer. Bei als Kollektivgesellschaften organisierten Kanzleien hätten die selbständig tätigen Partneranwälte gegenüber den von der Kollektivgesellschaft angestellten Anwälten ein Weisungsrecht, welches sich über rein organisatorische Belange hinaus auch auf die Mandatsführung erstrecken könne. Dies sei mit dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA vereinbar, wenn man diesen richtigerweise dahingehend auslege, dass es effektiv um die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Weisungsrechte hinter dem formalen Anstellungsverhältnis gehe. Damit müssten aber auch bei einer Anwaltskapitalgesellschaft angestellte Anwälte im Anwaltsregister eingetragen werden, wenn sie in der Lage seien, die Vertraulichkeit und das Verbot der Interessenkollision einzuhalten, was bei der von ihnen - den Gesuchstellern - vorgeschlagenen Anwalts- AG der Fall wäre, da diese zu 100% von Personen beherrscht würde, die selbst im Anwaltsregister eingetragen seien, und zwar auf sämtlichen gesellschaftsrechtlichen Ebenen (Generalversammlung, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung [falls delegiert]). Die Partner-Anwälte der AG hätten damit dieselbe Stellung wie jene einer Kollektivgesellschaft: Sie allein wären berechtigt, den angestellten Anwälten ohne Gesellschafterstatus Weisungen zu erteilen, während sie selbst niemandem rechenschaftpflichtig wären und von niemandem Weisungen empfangen würden (Beschwerdeschrift, 15 ff. und 23, mit Hinweis auf Schiller, a.a.O., N 1005 ff., N 1022 ff., N 1057 und N 1243 ff.; vgl. auch derselbe N 1256 ff.). Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass mit dem Begriff "Anstellung" in Art. 8 BGFA ohne Zweifel in erster Linie obligationenrechtliche Arbeitsverhältnisse und nicht bloss organisatorische Subordinationsverhältnisse angesprochen sind; dies ergibt sich neben den vorne zitierten Voten auch aus der Ausnahmebestimmung Art. 8 Abs. 2 BGFA. Weiter blendet

      dieser Standpunkt der Gesuchsteller aus, dass, wie schon erwähnt, bei Kollektivgesellschaften - auch wenn sie nach aussen als organisatorische Einheit verselbständigt sind und insoweit trotz fehlender Rechtspersönlichkeit am Rechtverkehr teilnehmen können (Art. 562 OR) - letztlich eben doch allein die Gesellschafter Träger der Rechte und Pflichten sind. In der Praxis lauten denn auch bei als Kollektivgesellschaften organisierten Anwaltskanzleien die Arbeitsverträge angestellter Anwältinnen und Anwälte arbeitgeberseits regelmässig auf die - ihrerseits im Register eingetragenen - Partneranwälte und -anwältinnen. Hinzu kommt, dass die Kollektivgesellschaft nach dem gesetzgeberischen Konzept eine typische Rechtsform für KMU ist (vgl. Baudenbacher, a.a.O., N 1 zu Art. 552 OR), während die Rechtsform der AG daneben auch für grosse bis sehr grosse Unternehmen geeignet ist. Bei Kollektivgesellschaften liegen daher regelmässig überschaubare Verhältnisse vor, die es ermöglichen, mit relativ einfachen Mitteln die Vertraulichkeit zu wahren und Interessenkonflikte zu vermeiden, während dies bei Aktiengesellschaften - je nach Grösse - nur mit mehr oder weniger aufwendigen Massnahmen sichergestellt werden kann, was wiederum die Gefahr von unerkannten Durchlässigkeiten und Interessenkollisionen erhöht. Gerade dies zeigt auf, dass das bereits erwähnte Bedürfnis nach einer klaren und einheitlichen Regelung der Zulassungsmodalitäten für Anwaltskapitalgesellschaften, welches im Rahmen der teleologischen Auslegung ebenfalls berücksichtigt werden muss, von durchaus zentraler Bedeutung ist.

      Beizufügen bleibt, dass sich - wie schon die Vorinstanz festgehalten hat (angefochtener Entscheid, 13 oben) - aus den Ausführungen des Bundesgerichts im von den Gesuchstellern in diesem Kontext ebenfalls angerufenen BGE 130 II 87 (vgl. Beschwerdeschrift, 16) im vorliegenden Zusammenhang nichts Relevantes herleiten lässt: Der Entscheid betrifft (wie im übrigen auch die in der ergänzenden Eingabe der Gesuchsteller vom 28. Dezember 2010 [B/7] angesprochenen Fälle) die Zulässigkeit einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Anwältin oder Anwalt neben einer anderen im Anstellungsverhältnis ausgeübten Erwerbstätigkeit. Mit der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen des Anstellungsverhältnisses selbst - insbesondere auch, wenn dieses zu einer anwaltlichen Kapitalgesellschaft besteht - setzt sich der Entscheid hingegen nicht näher auseinander.

      dd) Die Anwaltskammer kommt (implizit unter dem Aspekt der systematischen Auslegung) zum Schluss, mit Art. 12 lit. b und Art. 13 enthalte das BGFA weitere Bestimmungen, die der Zulassung anwaltlicher Kapitalgesellschaften entgegenstünden (angefochtener Entscheid Erw. 7).

      aaa) Art. 12 lit. b BGFA bestimmt, dass Anwältinnen und Anwälte ihren Beruf nicht nur unabhängig, sondern auch "in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung" ausüben. Die Anwaltskammer erwägt, dies setze zwingend voraus, dass ein direktes Auftragsverhältnis zwischen der Anwältin bzw. dem Anwalt und dem Mandanten bestehe und keine Kapitalgesellschaft dazwischen geschaltet sei, woran auch nichts zu ändern vermöge, wenn die Vollmacht auf die einzelne Anwältin bzw. den einzelnen Anwalt ausgestellt sei, da damit bloss eine Vertretungsmacht begründet werde, die vom Grundverhältnis losgelöst sei und ein direktes Auftragsverhältnis nicht zu ersetzen vermöge (angefochtener Entscheid Erw. 7.a, mit Hinweis auf Watter/Schneller, Basler Kommentar, N 12 zu Art. 33 OR). Weiter führt die Anwaltskammer aus, die Ausübung der Anwaltstätigkeit auf eigene Verantwortung bedeute insbesondere, dass sich Anwältinnen/ Anwälte ihrer persönlichen finanziellen Verantwortung nicht entziehen könnten. Führe ihre berufliche Tätigkeit oder auch ihr übriges Verhalten zu einem Verlustschein, fehle es an einer zwingenden Eintragungsvoraussetzung (Art. 8 Abs. 1 lit. c BGFA). Zudem sei ihnen aufgrund des kantonalen Rechts in aller Regel auch das Patent zu entziehen. Der Bestand von Verlustscheinen führe somit nach Bundesrecht zu einem Berufsausübungsverbot im Monopolbereich und nach kantonalem Recht im Allgemeinen auch zum Verlust der Berufsbewilligung. Dieses gesetzgeberische Konzept werde mit der Beschränkung der Haftung bei Anwaltskapitalgesellschaften unterlaufen, was auch zu einer nicht zu rechtfertigenden Besserstellung gegenüber selbständigen Anwältinnen oder Anwälten führe (angefochtener Entscheid Erw. 7.b).

      Der Anwaltskammer ist zunächst beizupflichten, dass die Berufsausübung in eigenem Namen und auf eigene Verantwortung zwingend ein direktes Auftragsverhältnis zwischen der Mandantschaft und der Anwältin bzw. dem Anwalt voraussetzt, was der Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft(wovon auch die Gesuchsteller ausgehen: Eingabe an die Anwaltskammer Rz 212, Beschwerdeschrift Rz 85 a.E. und Rz 107, gest.-act. 20 Anhang 2 [Vollmacht] und gest.-act. 22 [Arbeitsvertrag] Rz 2) entgegensteht und insbesondere auch nicht durch eine der Anwältin oder dem Anwalt

      direkt erteilte Vertretungsvollmacht ersetzt werden kann. Nicht zu überzeugen vermag sodann der von den Gesuchstellern - und zum Teil auch in der Literatur - vertretene Standpunkt, mit der gesetzlich statuierten Pflicht zur Berufsausübung "auf eigene Verantwortung" werde bloss klargestellt, dass in disziplinarischer Hinsicht jede Anwältin/jeder Anwalt persönlich verantwortlich sei (Beschwerdeschrift, 26; Schiller, a.a.O., N 1274); er findet in den Materialien keine Stütze und wird denn auch von den Gesuchstellern nicht näher begründet. Im übrigen mag zwar zutreffen, dass die Pflicht zur Berufsausübung "auf eigene Verantwortung" nicht primär auf eine unbeschränkte persönliche Haftung der Anwältinnen/Anwälte abzielt, sondern - wie namentlich die Pflicht zum Abschluss einer angemessenen Berufshaftpflichtversicherung (Art. 12 lit. f BGFA) nahelegt - vor allem ein genügendes Haftungssubstrat im Auge hat, weshalb Art. 12 lit. b BGFA der Zulässigkeit anwaltlicher Kapitalgesellschaften in dieser besonderen Hinsicht nicht zwingend entgegensteht (Beschwerdeschrift, 24; vgl. dazu Schiller, a.a.O., N 1276, Fellmann/Zindel, Kommentar zum Anwaltsgesetz, N 63 zu Art. 12 BGFA und Fellmann, Anwaltsrecht, N 1598). Dies ändert indes nichts daran, dass das Gesetz immerhin die Verlustscheinlosigkeit explizit als persönliche Voraussetzung für den Registereintrag nennt, und es in diesem Zusammenhang hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit (wenn auch nicht in Bezug auf den Privatbereich) zu einer Besserstellung von bei Anwaltskapitalgesellschaften angestellten Anwältinnen und Anwälten kommen kann. Führt die in der Form einer Einzelkanzlei oder einer Kollektivgesellschaft ausgeübte Anwaltstätigkeit zum Konkurs, so haftet nämlich zumindest der Inhaber bzw. Gesellschafter persönlich sowie unbeschränkt (Art. 568 OR), was regelmässig zu persönlichen Verlustscheinen und zur Löschung aus dem Anwaltsregister führt (Art. 8 Abs. 1 lit. c BGFA). Diese Konsequenz stärkt letztlich das Vertrauen in die Anwaltschaft und fördert das Verantwortungsbewusstsein der Kanzleiinhaber. Zudem stellt es sicher, dass die Klienten dem Anwalt bedenkenlos finanzielle Mittel anvertrauen können (Fellmann/Zindel, Art. 8 N 23). Wird hingegen über eine in Form der juristischen Person geführten Anwaltskanzlei der Konkurs eröffnet, so bleibt die Haftung beschränkt. Keiner der beteiligten Anwälte läuft grundsätzlich Gefahr, wegen Verlustscheinen aus dem Register gelöscht zu werden. Die Schaffung der Möglichkeit eines Konkurses einer Anwaltskanzlei, ohne dass deren Inhaber Gefahr laufen, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können, verletzt somit den Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung im Kernbereich.

      bbb) Art. 13 BGFA verpflichtet die Anwältinnen/Anwälte zur Wahrung des Berufsgeheimnisses. Soweit die Anwaltskammer diese Pflicht im Zusammenhang mit der (ordentlichen oder eingeschränkten) Revision - insbesondere bei der Beurteilung der Bonität der Mandanten - gefährdet sieht, ist ihr beizupflichten, dass die Revisionsstelle - als Organ - kaum gestützt auf Art. 13 Abs. 2 BGFA als Hilfsperson in die Verpflichtung zur Wahrung des Anwaltsgeheimnisses eingebunden werden kann und das eigene Berufsgeheimnis der Revisionsstelle anderen Regeln unterliegt (angefochtener Entscheid Erw. 7.c; zum ersten a.M.: Schiller, a.a.O., N 1348 ff.; zum zweiten gl. M.: Schiller, a.a.O., N 1357). Zwar mag theoretisch die Möglichkeit bestehen, dem Einblick der Revisoren in vertrauliche Informationen mittels Anonymisierung der Prüfungsunterlagen zu begegnen, was dieses Argument der Anwaltskammer relativiert (Beschwerdeschrift, 27; Schiller, a.a.O., N 1355; Fellmann, a.a.O., N 1635). Beizupflichten ist dieser aber in jedem Fall insoweit, als im Rahmen einer aktienrechtlichen Sonderprüfung (Art. 697a ff. OR) mit einer Verletzung des anwaltlichen Berufsgeheimnisses zu rechnen ist (angefochtener Entscheid, Erw. 7.c). Soweit Schiller (a.a.O., N1314) eine andere Ansicht vertritt, legt er nicht dar, wie ohne Verletzung des Berufsgeheimnisses eine Sonderprüfung erfolgen könnte, sondern bloss, wie sich eine solche vereiteln lässt. Unerheblich ist im übrigen, dass der Sonderprüfer seinerseits wiederum zur Geheimhaltung verpflichtet ist (Art. 697d Abs. 4 OR; vgl. Fellmann, a.a.O., N 1636); denn ohne spezialgesetzliche Ausnahmeregelung ist das Berufsgeheimnis bereits mit Bekanntgabe vertraulicher Informationen an diesen verletzt. Gerade im Hinblick auf die Revision und die Sonderprüfung ist denn auch die Notwendigkeit einer gesetzlichen Sonderregelung für anwaltliche Kapitalgesellschaften ebenfalls offenkundig.

      ee) Die Anwaltskammer kommt schliesslich zum Schluss, die Nichtzulassung von Anwaltskapitalgesellschaften widerspreche auch nicht den Regelungen des Binnenmarktgesetzes vom 6. Oktober 1995 (SR 943.02). Zur Begründung führt sie wie schon erwähnt aus, mit dem BGFA sei im Jahr 2000 ein Gesetz erlassen worden, welches für den Teilbereich der anwaltlichen Tätigkeit den freien Marktzugang gewährleisten und die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte sicherstellen wolle; damit ergänze und konkretisiere das BGFA das Binnenmarktgesetz aus dem Jahr 1995. Für die Zulassung massgebend seien die spezifischen Bestimmungen des BGFA; die allgemeinen Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes könnten allenfalls zur

      Auslegung herangezogen werden, vermöchten aber die Vorschriften des BGFA nicht zu derogieren (angefochtener Entscheid, Erw. 8). Diese Ausführungen werden von den Gesuchstellern zu Recht nicht bemängelt: Dass im vorliegenden Zusammenhang das BGFA - als Spezialgesetz - dem Binnenmarktgesetz vorgeht, bedarf keiner näheren Erörterung und wurde im übrigen auch vom Bundesgericht im Entscheid 2A.353/2003 Erw. 4.2. sinngemäss festgestellt. Dort führte das Bundesgericht ausserdem aus, es könne "nicht ohne weiteres angenommen werden, dass ein Kanton, der ansässigen angestellten Anwälten die Tätigkeit im Monopolbereich ... untersagte, gestützt auf das Binnenmarktgesetz hätte verpflichtet werden können, einen Anwalt aus einem Kanton mit 'liberalerer' Praxis für diese Tätigkeit zuzulassen".

    2. Im Ergebnis führt die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA demnach zum Schluss, dass Anwältinnen und Anwälte, die bei als Kapitalgesellschaften ausgestalteten Anwaltskanzleien angestellt sind, vom Registereintrag ausgeschlossen sind. Die Feststellung der Anwaltskammer, die Gesuchsteller würden nach der vorgesehenen Kanzleiumstrukturierung in eine anwaltliche Kapitalgesellschaft als deren Angestellte aus dem Anwaltsregister des Kantons St. Gallen gelöscht, erweist sich damit als begründet. Daran vermag auch der Einwand der Gesuchsteller nichts zu ändern, aufgrund der in Art. 4 BGFA geregelten interkantonalen Freizügigkeit in Verbindung mit Art. 8 BV (Rechtsgleichheit) müsse die in zahlreichen anderen Kantonen zulässige anwaltliche Kapitalgesellschaft auch im Kanton St. Gallen zugelassen werden, da sich sonst eine Ungleichbehandlung gegenüber ausserkantonalen Anwälten ergebe, welche für eine Anwaltskapitalgesellschaft tätig seien und (auch) im Kanton St. Gallen im Monopolbereich tätig sein dürften (Beschwerdeschrift, 27 f.): Die st. gallischen Behörden und Gerichte sind nicht gehalten, den Registereintrag entgegen dem Gesetz zuzulassen, um die Unwägbarkeiten zu beseitigen, die dadurch entstehen, dass der Eintrag in anderen Kantonen contra legem erfolgt. Soweit sich die Gesuchsteller auf Art. 8 BV - und im übrigen an anderer Stelle auch auf Art. 27 BV (Wirtschaftsfreiheit, Beschwerdeschrift, 21 ff.) - berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass Gesetze nur dann verfassungskonform auszulegen sind, wenn ihr Wortlaut und ihr Sinn nichts anderes gebieten, was aber hier wie dargelegt gerade der Fall ist (vgl. dazu Häfelin/Haller/Keller, a.a.O., N 154 ff., mit Hinweisen). Eine Interpretation im Sinne der Gesuchsteller liefe unter diesem Umständen auf eine richterliche Gesetzeskorrektur hinaus, und eine solche wäre aufgrund des Massgeblichkeitsgebots von Art. 190 BV

    unzulässig (Yvo Hangartner, in: Kommentar zur schweizerischen Bundesverfassung, Hrsg. Ehrenzeller/Mastronardi/ Schweizer/Vallender, N 21 zu Art. 190 BV). Soweit die Gesuchsteller die Wirtschaftsfreiheit als verletzt sehen, ist dem - zusätzlich zum erwähnten Massgeblichkeitsgebot - entgegenzuhalten, dass die hier zur Debatte stehende Einschränkung im öffentlichen Interesse steht, nicht als unverhältnismässig erscheint und im BGFA eine hinreichende gesetzliche Grundlage hat.

  2. Dies führt im Ergebnis zur Abweisung der Beschwerde.

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