Zusammenfassung des Urteils BES.2016.68: Kantonsgericht
Ein Gläubiger setzte eine Forderung von rund Fr. 110'000.00 in Betreibung, basierend auf einer leeren Pfändungsurkunde und einem Pfändungsverlustschein aus dem Jahr 1989. Der Schuldner erhob Rechtsvorschlag und bestritt die Forderung unter Verweis auf aktuelle Betreibungsregisterauszüge. Der Einzelrichter des Kreisgerichtes hielt die Einwendung des Schuldners für nicht glaubhaft. Der Schuldner wehrte sich daraufhin vor dem Kantonsgericht. Nach ergänzenden Abklärungen des Betreibungsamtes wurde festgestellt, dass die strittigen Verlustscheine nicht gelöscht wurden und somit noch rechtsgültig bestehen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | BES.2016.68 |
Instanz: | Kantonsgericht |
Abteilung: | Zivilkammern (inkl. Einzelrichter) |
Datum: | 02.05.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 8 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 2 SchKG (SR 281.1). Beweiswürdigung bei Zusammentreffen zweier Vermutungen (Kantonsgericht, Einzelrichter für Beschwerden SchKG, 9. Oktober 2017, BES.2016.68). (Das Bundesgericht ist auf eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde nicht eingetreten [BGer 5A_929/2017].) |
Schlagwörter : | Verlust; Verlustschein; Betreibung; Verlustscheine; Betreibungs; Quot; Schuldner; Betreibungsamt; SchKG; Beweis; Recht; Gläubiger; Register; Löschung; Vermerk; Vorinstanz; Pfändung; Betreibungsregister; Forderung; Hinweis; Ausstellung; Rechtsöffnung; Betreibungsregisterauszüge; Feststellung; Betreibungsamtes; Betreibungsbuch; Verlustscheinforderung |
Rechtsnorm: | Art. 149 KG ;Art. 149a KG ;Art. 150 KG ;Art. 321 ZPO ;Art. 8 KG ;Art. 82 KG ; |
Referenz BGE: | 95 III 43; |
Kommentar: | - |
Gestützt auf eine leere Pfändungsurkunde und einen Pfändungsverlustschein aus dem Jahr 1989 setzte der Gläubiger eine Forderung von rund Fr. 110'000.00 in Betreibung. Der Schuldner erhob Rechtsvorschlag und hielt dem Bestand der Forderung im anschliessenden vom Gläubiger eingeleiteten Rechtsöffnungsverfahren unter Hinweis auf aktuelle Betreibungsregisterauszüge, in den vermerkt war, dass gegen ihn keine Verlustscheine bestünden, entgegen, die betreffende Forderung bestehe nicht (mehr). Der Einzelrichter des Kreisgerichtes hielt diese Einwendung nach zwei von den Parteien erwirkten Rückweisungen durch das Kantonsgericht zur Neubeurteilung für nicht glaubhaft gemacht. Dagegen wehrt sich der Schuldner vor Kantonsgericht.
Aus den Erwägungen:
c/aa) Die leere Pfändungsurkunde, d.h. die Feststellung des Betreibungsamtes anlässlich der Pfändung, dass kein pfändbares Gut vorhanden sei, und der Pfändungsverlustschein stellen zwar eine Schuldanerkennung i.S.v. Art. 82 Abs. 1 SchKG dar (vgl. Art. 115 Abs. 1 und Art. 149 Abs. 2 SchKG); sie sind aber keine Wertpapiere, sondern blosse Beweisurkunden. Die Ausstellung des Verlustscheins wird dabei im Betreibungsbuch im Zusammenhang mit der Erledigung der Betreibung (gänzlicher teilweiser Verlust) erfasst (Art. 8 Abs. 1 Ziff. 2 und Art. 10 Verordnung
über die im Betreibungsund Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung [VFRR; SR 281.31]; zur entsprechenden, bis zum Inkrafttreten der VFRR per 1. Januar 1997 geltenden Regelung vgl. Art. 28 Abs. 1 Ziff. 2 und Art. 30 Verordnung Nr. 1 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs - Reglement über die im Betreibungsund Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register und die Rechnungsführung [BS 3 86 ff.]). Der betreffende Registereintrag gilt gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Die Löschung des Eintrags eines Verlustscheins in den Registern durch das Betreibungsamt wiederum erfolgt (gegebenenfalls gegen Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung) vorab dann, wenn der Schuldner die Verlustscheinforderung durch Zahlung ans Betreibungsamt tilgt (Art. 149a Abs. 2 und 3 SchKG), das seinerseits die Zahlung nur gegen Herausgabe der quittierten Forderungsurkunde an den Gläubiger weiterleiten darf (Art. 149a Abs. 2 und 3 sowie Art. 150 Abs. 1 SchKG; vgl. auch BSK SchKG I-Huber, Art. 150 N 3). Auch bei einer ausseramtlichen Tilgung, also einer Zahlung, bei welcher das Betreibungsamt nicht beteiligt ist, hat der Schuldner Anspruch auf Löschung des Eintrags im Betreibungsbuch; überdies kann er gegen den Gläubiger auf Herausgabe (oder Entkräftung) des Verlustscheins vorgehen (BSK SchKG I-Huber, Art. 150 N 6, unter Hinweis auf BGE 95 III 43). An diese Regelung und Art. 8 Abs. 2 SchKG anknüpfend erbringt das Betreibungsregister, in welchem die Erledigung der Betreibung mit dem Code "DV" angegeben ist, den Beweis dafür, dass der Gläubiger in der fraglichen Betreibung zu einem gänzlichen teilweisen Verlust gekommen und ihm ein entsprechender Verlustschein ausgestellt worden ist (gestützt auf den der Gläubiger in einer nachfolgenden Betreibung gegebenenfalls provisorische Rechtsöffnung erwirken kann). Vorbehalten bleibt der Beweis des Gegenteils, sei es, dass der Schuldner beweisen kann, dass der Verlustschein zu Unrecht ausgestellt worden ist, sei es, dass er den Nachweis des Untergangs der Verlustscheinforderung, namentlich durch Bezahlung, erbringen kann.
bb) Das für das Betreibungsregister an sich Ausgeführte, d.h. die Vermutung der Richtigkeit des Inhalts (Art. 8 Abs. 2 SchKG), muss aus Gründen des Verkehrsschutzes auch für einen Registerauszug gelten. Vorbehaltlich des Beweises des Gegenteils ist mithin davon auszugehen, dass im Auszug aufgeführte Verlustscheine die Erledigung der damaligen Betreibung korrekt abbilden und zu Recht ausgestellt worden sind, aber
auch davon, dass bei Fehlen der Angabe von Verlustscheinen keine Verlustscheine ausgestellt ausgestellte Verlustscheine gelöscht worden sind. Nicht auszuschliessen und auch insofern dem Beweis des Gegenteils vorbehalten bleibt allerdings der Fall eines falschen, weil nicht mit dem Register übereinstimmenden Auszugs. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Aufhebung des ersten Rechtsöffnungsentscheids mit Urteil vom 20. Februar 2015 mit der Auflage, beim Betreibungsamt eine Auskunft einzuholen, um den Widerspruch aufzulösen, der sich einerseits aus der Existenz der fraglichen (Original-) Verlustscheine (und dem Besitz des Gläubigers daran) sowie andererseits den Betreibungsregisterauszügen ergab, in denen keine Verlustscheine aufgeführt sind. Der Vorrichter kam dieser Auflage nach; die eingeholte Auskunft liess allerdings einen Aspekt offen: Sie fokussierte nämlich im Wesentlichen auf die Frage der Löschung der beiden Verlustscheine, beantwortete diejenige der Ausstellung der Verlustscheine an sich und deren registermässigen Erfassung aber nicht (bzw. höchstens mittelbar, indem vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass nur etwas gelöscht werden kann, was einmal eingetragen wurde). Zur Ergänzung/Präzisierung der Auskunft wurde daher aus prozessökonomischen Gründen im Beschwerdeverfahren eine nochmalige, dritte Rückweisung hätte sich nicht rechtfertigen lassen, zumal mit der Abklärung im Gegensatz zur ersten Rückweisung nicht die Frage des Widerspruchs an sich beantwortet, sondern lediglich die Grundlage für diese Antwort vervollständigt werden wollte beim Betreibungsamt ein Bericht dazu eingeholt, ob die beiden Verlustscheine im Betreibungsbuch und/oder Personenregister vermerkt (gewesen) seien und ob das Betreibungsbuch und/oder das Personenregister einen Vermerk auf die vom Schuldner geltend gemachte Löschung enthalte.
Im Rahmen der ergänzenden Abklärungen reichte das Betreibungsamt Kopien der Karteikarten der Betreibungen ein, in denen die fraglichen Verlustscheine ausgestellt worden waren. Aus ihnen ergibt sich, dass in der Betreibung Nr. XXX betreffend den "Darlehensvertrag mit Solidarbürgschaft" der Verlustschein Nr. [ ] über Fr. 15'133.60 und in der Betreibung Nr. YYY betreffend den nämlichen Darlehensvertrag der Verlustschein Nr. [ ] über Fr. 95'271.00 ausgestellt wurden, wobei sich auf der Karteikarte betreffend die Betreibung Nr. XXX der Vermerk "erledigt" findet. Unklar sei, so die Leiterin des Betreibungsamtes in der E-Mail vom [ ], auf welchen Stand des Verfahrens sich der fragliche Vermerk beziehe; auf anderen Schuldnerkarteien seien
beispielsweise Stempel wie "bezahlt" angebracht. Die Verlustscheine sodann seien nicht im Verlustscheinordner der betreffenden Jahre; es sei für sie nicht eruierbar, ob die Forderungen bezahlt worden seien.
Für den Gläubiger ist bei dieser Ausgangslage der Nachweis, dass die Verlustscheinforderungen zurückbezahlt worden seien, nicht erbracht. Weder die erste noch die zweite Karteikarte enthalte einen entsprechenden Vermerk. Der Vermerk "erledigt" vermöge diesen Nachweis nicht zu erbringen. Er befinde sich nämlich in der Rubrik "Bemerkungen" nach dem Text "Verwertungsfrist abgelaufen", weshalb ihm nur der Sinn zukommen könne, dass nach abgelaufener Verwertungsfrist der Verlustschein infolge Pfändung ausgestellt worden sei, was am [ ] erfolgt sei. Demgegenüber stellt sich der Schuldner auf den Standpunkt, die neuen Belege beinhalteten eine Schlussabrechnung und den Vermerk "erledigt", der seinen Standpunkt bestätige, dass die Angelegenheit, und zwar der ganze Fall, damals tatsächlich erledigt worden sei, womit die neu vorgelegten Akten zusammen mit den bereits bekannten Auszügen den Beweis dafür erbrächten, dass keine Verlustscheine existierten.
cc) In beweismässiger Hinsicht bilden demgemäss einerseits die Registerkarten zu den fraglichen Betreibungen, in welchen die Ausstellung der Verlustscheine vermerkt ist, sowie die Verlustscheine selber und andererseits die vom Schuldner eingereichten Betreibungsregisterauszüge, in denen keine Verlustscheine aufgeführt sind, die Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob der Gläubiger über die für die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung erforderlichen Rechtsöffnungstitel verfügt. Beide Parteien können mithin im vorliegenden Fall für ihren Standpunkt die Beweiskraft betreibungsrechtlicher Urkunden gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG in Anspruch nehmen,
d.h. die Vermutung der Richtigkeit bis zum Beweis des Gegenteils. Von dieser Konstellation ging zu Recht auch die Vorinstanz aus, die auf die Verlustscheine abstellte und aufgrund des Berichts des Betreibungsamtes als erwiesen betrachtete, dass diese nicht gelöscht worden seien und daher noch rechtsgültig bestünden.
aaa) Die zitierte vorinstanzliche Erwägung betrifft die Beweiswürdigung. Diese wiederum ist Bestandteil der Ermittlung des massgeblichen Sachverhaltes, mit der Folge, dass die betreffenden Feststellungen einer Vorinstanz im Beschwerdeverfahren nur dann erfolgreich gerügt werden können, wenn sie offensichtlich unrichtig sind (Art.
320 lit. b ZPO), wobei in der Praxis in Analogie zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangt wird, dass der Beschwerdeführer die offensichtliche Unrichtigkeit substantiiert dartut (Sterchi, Berner Kommentar, N 17 und N 19 zu Art. 321 ZPO; zu den Voraussetzungen der offensichtlichen Unrichtigkeit als eigentliche willkürliche, unhaltbare Feststellung vgl. auch Leuenberger/Uffer-Tobler, Schweizerisches Zivilprozessrecht, N 12.70). Davon kann hier insofern keine Rede sein, als sich der Schuldner in der Beschwerde im Wesentlichen darauf beschränkt, seinen Standpunkt mit drei "leeren" Betreibungsregisterauszügen, der zurückhaltenden Formulierung im Amtsbericht, dem Fehlen eines Verlustscheinregisters und dem Umstand, dass die Banken von ihm eine Bereinigung der Verlustscheine verlangt hätten, zu begründen. Mit dieser Begründung stellt der Schuldner der Beweiswürdigung der Vorinstanz seine eigene Würdigung entgegen, ohne aufzuzeigen, inwiefern diejenige der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sein soll. Dies ist umso bemerkenswerter, als die vorinstanzliche Feststellung, dass dem Betreibungsamt im Falle der Löschung zwei gravierende Fehler hätten unterlaufen sein müssen, nämlich die Nichtanbringung eines Vermerks auf den Verlustscheindoppeln und die Nichtaufnahme in die Sammlung der gelöschten Verlustscheine, dass dafür aber keine Indizien bestünden, zumal das Zusammenfallen der Ausstellung der Verlustscheine mit der systematischen elektronischen Erfassung der Verlustscheine den Schluss nahelege, dass die strittigen Verlustscheine fälschlicherweise nicht in die elektronische Datenbank übertragen worden seien, nachvollziehbar erscheint und nur durch den Vermerk "erledigt" auf der einen Registerkarte etwas relativiert wird [ ]. Dies unterstellt, trifft auch der Hinweis der Vorinstanz zu, dass damit erklärbar sei, weshalb in den (aktuellen) Auszügen keine Verlustscheine ersichtlich seien; denn es liegt auf der Hand, dass nach einer (fehlerhaften) elektronischen Erfassung auch die nachfolgenden Auszüge denselben Fehler aufweisen. Darüber hinaus relativiert die angenommene unvollständige Erfassung der Verlustscheine die Bedeutung des vom Schuldner zwar behaupteten, allerdings in keinem einzigen Fall belegten Umstands, dass die Banken von ihm vor neuen Kreditvergaben gefordert hätten, es dürften keine Verlustscheine bestehen; dank Auszügen, in denen - nach Auffassung der Vorinstanz
fälschlicherweise keine Verlustscheine aufgeführt waren, war es dem Schuldner ohne weiteres möglich, die (behauptete) Bedingung zu erfüllen. Richtig ist, dass die Rückgabe der Verlustscheine ans Betreibungsamt bei einer Löschung nicht zwingend
war; der Umstand, dass diese Rückgabe nicht erfolgt ist, ist aber angesichts der hiervor umschriebenen gesetzlichen Regelung zumindest ein im Rahmen der Beweiswürdigung relevantes Indiz dafür, dass keine Löschung stattgefunden hat (zur Rechtslage vor Inkrafttreten von Art. 149a SchKG und in diesem Zusammenhang insbesondere zu einem Fall, in dem trotz Nachweises, dass in den Akten des Betreibungsamtes keine Verlustscheinforderungen mehr verzeichnet waren, vgl. BSK SchKG I-Staehelin, Art. 82 N 164, unter Hinweis auf JdT 1973 II 59 f.). Nichts abzuleiten vermag der Schuldner schliesslich aus dem Fehlen eines Verlustscheinregisters; denn dieses ist gesetzlich nicht vorgesehen, ganz abgesehen davon, dass das Betreibungsamt gemäss der Auskunft über die Doppel der fraglichen Verlustscheine ohne Hinweis auf eine Löschung verfügt.
bbb) In diesem Sinne hat die Vorinstanz zusammenfassend willkürfrei festgestellt, dass die strittigen Verlustscheine tatsächlich nicht gelöscht wurden und daher noch rechtsgültig bestehen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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