Zusammenfassung des Urteils AHV 2008/2: Versicherungsgericht
Z. beantragte eine Änderung der Rentenberechnung aufgrund von Beitragslücken in den Jahren 1995 bis 1999. Die Sozialversicherungsanstalt wies den Antrag ab, da die Beiträge als uneinbringlich abgeschrieben wurden. Z. legte Beschwerde ein, da sie nicht über die Beitragslücken informiert wurde. Das Gericht entschied, dass Z. eine neue Frist zur Bezahlung der Beiträge für die Jahre 1995 bis 1998 eingeräumt werden müsse. Die Beiträge für das Jahr 1999 konnten aufgrund der Verjährung nicht mehr nachgefordert werden. Die Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen, und Z. erhielt eine Parteientschädigung von Fr. 1'600.-.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AHV 2008/2 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung |
Datum: | 30.10.2008 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 16 Abs. 1 und 2 AHVG; Art. 34c AHVV; abgeschriebene Beiträge; Lücken in der Beitragsdauer können u.a. auch dann gefüllt werden, wenn deren Entstehung darauf zurückzuführen ist, dass seitens der Behörde eine falsche Auskunft erteilt wurde; Verwirkungsregeln stehen diesem Vorgehen nicht entgegen; das Unterbleiben einer gebotenen Auskunft ist einer falschen Auskunft gleichgestellt (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 30. Oktober 2008, AHV 2008/2). Aufgehoben durch Urteil des Bundesgerichts 9C_1005/2008. |
Schlagwörter: | Beiträge; GastroSocial; Recht; Auskunft; Beitragsjahre; Person; Fassung; Beitragslücken; Ausgleichskasse; Betreibung; Beitragspflichtigen; Mindestbeiträge; Hinweis; Parteien; Verwirkung; Gallen; Beigeladene; Beitragsdauer; Konkurs; Stellungnahme; Zustellung |
Rechtsnorm: | Art. 16 AHVG ;Art. 27 ATSG ;Art. 3 AHVG ;Art. 30 AHVG ;Art. 62 ATSG ; |
Referenz BGE: | 111 V 136; 115 V 186; 121 V 79; 125 V 150; 131 V 11; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 30. Oktober 2008
in Sachen
Z. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsagent Roger Hochreutener, Hochreutener Treuhand &
Rechtsberatung, Hauptgasse 12, 9620 Lichtensteig,
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
und
GastroSocial Ausgleichskasse, Heinerich Wirri-Strasse 3, Postfach, 5001 Aarau,
Beigeladene, betreffend Altersrente Sachverhalt: A.
Z. , geboren 1943, meldete sich am 18. September 2007 zum Bezug einer Altersrente an (act. G 3.1/6).
Am 15. November 2007 verfügte die Sozialversicherungsanstalt (SVA) St. Gallen mit Wirkung ab 1. Dezember 2007 eine ordentliche monatliche Altersrente (Rentenskala 41/Teilrente). Der Rentenberechnung legte sie eine anrechenbare Beitragsdauer von 40 Jahren (Beitragsjahre des Jahrganges: 43 Jahre) zu Grunde (act. G 3.1/1).
B.
Die Versicherte erhob gegen die Verfügung vom 15. November 2007 Einsprache und beantragte, die Rentenberechnung auf der Basis von 43 Beitragsjahren vorzunehmen. Sie rügte, dass die Jahre 1995 bis 1999 zu Unrecht als Beitragslücken bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden seien. Sie habe während dieser Zeit im Restaurant A. als Selbstständigerwerbende gewirtet. Die entsprechenden Unterlagen seien der AHV-Zweigstelle St. Gallen bekannt. Die AHV-Beiträge seien über die Gastrosuisse Ausgleichskasse in Aarau (seit 1. Januar 2005: GastroSocial; nachfolgend: GastroSocial) abgerechnet worden. Durch betrügerische Handlungen des damaligen Geschäftsführers sei der Restaurantbetrieb in Konkurs geraten. Dieser sei mangels Aktiven eingestellt worden (act. G 3.1/7).
Mit Entscheid vom 9. Januar 2008 wies die SVA St. Gallen die Einsprache ab. Sie begründete die Abweisung damit, dass die bei der GastroSocial abgerechneten Jahre 1995 bis 1998 gesamthaft abgeschrieben worden seien. Sie könnten daher nicht als Beitragsjahre angerechnet werden. Für das Jahr 1999 läge überhaupt kein Eintrag im individuellen Konto vor. Es habe den Anschein, dass diesbezüglich keine Beiträge abgerechnet worden seien. Demnach seien für die Jahre 1995 bis 1999 zu Recht keine Beiträge angerechnet worden (act. G 3.1/11).
C.
Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom
27. Januar 2008. Die Beschwerdeführerin beantragt, vertreten durch Roger Hochreutener, Rechtsagent, unter Kosten- und Entschädigungsfolge die Aufhebung des Entscheides sowie die Rückweisung der Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Beschwerdegegnerin. Eventualiter sei die Rentenskala 44/Vollrente anzuwenden unter Berücksichtigung der Beitragsjahre 1995 bis 1998 sowie des Beitragsjahres 1999 als Angestellte. Betreffend die Beitragsjahre 1995 bis 1998 bringt die Beschwerdeführerin vor, als selbstständigerwerbende Wirtin tätig gewesen zu sein. Infolge von ungetreuer Geschäftsführung sei sie in Konkurs geraten, welcher am 4. August 1998 eingestellt worden sei. Sämtliche Gläubiger hätten im Anschluss das Inkasso ihrer Forderungen weitergeführt und seien teilweise mit Vergleichen Ratenzahlungen befriedigt worden. Nur die GastroSocial habe keinerlei Inkassohandlungen vorgenommen und sei an der Bewirtschaftung der Ausstände nicht besonders interessiert gewesen. Dies obwohl die Beschwerdeführerin auch nach dem Konkursverfahren stets angestellt gewesen sei und ein, wenn auch geringes, Einkommen erzielt habe. Ab dem Jahr 2002 habe sie als Selbstständigerwerbende überdies verschiedene Schulden bereinigt. Die GastroSocial habe die Abschreibungen der Beiträge für die Jahre 1995 bis 1998 leichtfertig vorgenommen. Sie habe ihre Aufgabe nicht richtig wahrgenommen. Diese Nachlässigkeit der GastroSocial dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Bezüglich der Beiträge des Jahres 1999 macht die Beschwerdeführerin geltend, dass sie als Serviertochter einen Monatslohn von rund Fr. 3'000.-- bezogen habe. Ob und wo der damalige Arbeitgeber die AHV-Beiträge abgerechnet habe, entziehe sich ihrer Kenntnis. An der Nichtbezahlung dieser Beiträge treffe sie keine Schuld (act. G 1).
Die Beschwerdegegnerin ersuchte am 11. Februar 2008 die GastroSocial um Stellungnahme zur Beschwerde vom 27. Januar 2008 (act. G 3.1/12). Die GastroSocial teilte am 18. Februar 2008 mit, dass sämtliche Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 infolge offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Betreibung hätten abgeschrieben werden müssen. Es seien sämtliche Möglichkeiten zur Einforderung der verfügten Beiträge wahrgenommen worden. Am 18. Dezember 2001 hätte sie (die GastroSocial) die Beschwerdeführerin mit eingeschriebenem Brief auf mögliche Beitragslücken der Jahre 1995 bis 1998 aufmerksam gemacht. Die Beiträge des Jahres 1999 seien nicht über die GastroSuisse abgerechnet worden (act. G 3.1/13).
Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 28. Februar 2008 die Beschwerdeabweisung. Sie stellt sich auf den Standpunkt, dass die GastroSocial die offenen Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 habe abschreiben dürfen. Es sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt worden, Einzahlungen vorzunehmen, um die entsprechenden Beitragslücken zu vermeiden. Davon habe sie keinen Gebrauch gemacht. Der GastroSocial könne daher keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden (act. G 3).
D.
In der Replik vom 7. März 2008 bringt die Beschwerdeführerin vor, dass ein allfälliges Inkasso der offenen Beiträge nicht aussichtslos gewesen wäre. Das erwähnte Schreiben der GastroSocial an die Beschwerdeführerin vom 18. Dezember 2001 liege nicht in den Akten (act. G 5).
Unter Verweis auf die Beschwerdeantwort verzichtet die Beschwerdegegnerin auf eine Duplik (act. G 7).
Die Verfahrensleitung des Versicherungsgerichts räumt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. April 2008 Gelegenheit ein, ihre unselbstständige Erwerbstätigkeit im Jahr 1999 durch entsprechende Lohnabrechnungen zu belegen (act. G 8).
In der Stellungnahme vom 28. April 2008 führt die Beschwerdeführerin aus, dass
die unselbstständige Erwerbstätigkeit im Jahr 1999 nicht belegt werden könne. Sie
habe keine Kenntnis des Briefes vom 18. Dezember 2001 gehabt. Dessen Zustellung
an sie (die Beschwerdeführerin) sei nicht bewiesen (act. G 9).
Die Verfahrensleitung des Versicherungsgerichts ersucht am 7. Mai 2008 die GastroSocial, die Zustellung des Schreibens vom 18. Dezember 2001 nachzuweisen (act. G 10).
Die GastroSocial teilt am 15. Mai 2008 mit, dass das Schreiben vom
18. Dezember 2001 nicht per Einschreiben, sondern mit "Normalpost" versandt worden sei. Es bestehe diesbezüglich kein Erfordernis zur Versendung per Einschreiben. Ein Nachweis der Zustellung an die Beschwerdeführerin sei daher nicht möglich (act.
G 11).
In der Stellungnahme vom 2. Juni 2008 bringt die Beschwerdeführerin vor, sie wäre bis zur Verjährungsfrist im Jahre 2005 in der Lage gewesen, die entsprechenden Mindestbeiträge für die Jahre 1995 bis 1998 zu bezahlen. Da sie keine Kenntnis des Schreibens vom 18. Dezember 2001 gehabt habe, sei ihr eine Frist zur Bezahlung der Mindestbeiträge zu eröffnen (act. G 13).
E.
Die Verfahrensleitung des Versicherungsgerichts hat mit Schreiben vom
22. August 2008 die GastroSocial Ausgleichskasse dem Verfahren beigeladen und ihr Gelegenheit gegeben, sich zum vorliegenden Beschwerdeverfahren vernehmen zu lassen (act. G 15).
In der Stellungnahme vom 1. September 2008 bringt die Beigeladene vor, dass gemäss den damals und auch heute noch geltenden Bestimmungen kein Formerfordernis bestehe, über die abgeschriebenen Beiträge sowie die daraus resultierenden Konsequenzen mittels eingeschriebener Postzustellung zu informieren. Daraus lasse sich ableiten, dass ihr (der Beigeladenen) keine Verfehlungen im Verfahren über den Beitragsbezug anzulasten seien. Es liege keine Verletzung einer Aufklärungs- Informationspflicht vor (act. G 16).
Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin verzichteten auf eine Stellungnahme zur Eingabe der Beigeladenen (act. G 17).
Erwägungen:
1.
Am 1. Januar 2003 sind das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) und die Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV; SR 830.11) in Kraft getreten und haben in einzelnen Sozialversicherungsgesetzen und -verordnungen zu Revisionen geführt. In materiellrechtlicher Hinsicht gilt jedoch der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz, dass der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, die gegolten haben, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat (vgl. BGE 131 V 11 E. 1 mit Hinweis). Demgegenüber traten die formellen Bestimmungen des ATSG – d.h. Art. 27 bis Art. 62 ATSG – am 1. Januar 2003 sofort in Kraft (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 82 N 8).
2.
Vorliegend umstritten sind die Beitragslücken der Jahre 1995 bis 1999.
Für die Rentenberechnung werden nach Art. 29bis Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) Beitragsjahre, Erwerbseinkommen sowie Erziehungs- Betreuungsgutschriften der rentenberechtigten Person zwischen dem 1. Januar nach Vollendung des
20. Altersjahres und dem 31. Dezember vor Eintritt des Rentenalters berücksichtigt. Die Beitragsdauer ist vollständig, wenn eine versicherte Person gleich viele Beitragsjahre aufweist wie ihr Jahrgang (Art. 29ter Abs. 1 AHVG). Als Beitragsjahre gelten nach
Art. 29ter Abs. 2 AHVG Zeiten, in welchen eine Person Beiträge geleistet hat (lit. a), in
welchen der Ehegatte gemäss Art. 3 Abs. 3 AHVG mindestens den doppelten Mindestbeitrag entrichtet hat (lit. b), und Zeiten, für die Erziehungs- Betreuungsgutschriften angerechnet werden können (lit. c). Die Summe der Erwerbseinkommen wird entsprechend dem Rentenindex gemäss Art. 33ter AHVG aufgewertet (Art. 30 Abs. 1 AHVG). Das Bundesamt legt die Faktoren für die Aufwertung der Summe der Erwerbseinkommen nach Art. 30 Abs. 1 AHVG jährlich fest (Art. 51bis Abs. 1 der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung
[AHVV; SR 831.101]). Die Summe der aufgewerteten Erwerbseinkommen sowie die Erziehungs- Betreuungsgutschriften werden durch die Anzahl der Beitragsjahre geteilt (Art. 30 Abs. 2 AHVG).
Nicht angerechnet werden Erwerbseinkommen, für die eine Person keine Beiträge mehr schuldet, weil sie verjährt sind (Art. 16 Abs. 1 und 2 AHVG). Dies gilt
insbesondere auch für Beiträge, die gemäss Art. 34c AHVV als uneinbringlich abgeschrieben wurden und verjährt sind. Beiträge sind abzuschreiben, wenn gegen die Beitragspflichtigen eine Betreibung erfolglos aussichtslos ist und die geschuldeten Beiträge nicht mit Forderungen der Beitragspflichtigen verrechnet werden können, spätestens jedoch beim Erlass einer Schadenersatzverfügung (Art. 34c Abs. 1 AHVV). Mit der Abschreibung geht die Beitragsschuld nicht unter, sondern kann später wieder geltend gemacht werden (Hanspeter Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 1996, S. 328; Fred L. Gerber, Alters- und Hinterlassenenversicherung, 1954, S. 78).
Die Beitragspflichtigen gelten als erfolglos betrieben, wenn ein Pfändungsverlustschein gegen sie ausgestellt wurde. Dem Pfändungsverlustschein ist der Konkursverlustschein gleichgestellt. Als offensichtlich aussichtslos ist die Betreibung zu betrachten, wenn die Beitragsschuldenden notorisch zahlungsunfähig sind, das Betreibungsverfahren daher aller Wahrscheinlichkeit nach zur Ausstellung eines Verlustscheins führen würde. Ein Indiz dafür bildet namentlich die Tatsache, dass in den letzten zwei Jahren gegen die Beitragsschuldenden Verlustscheine ausgestellt wurden. Indessen sollen die Ausgleichskassen nicht auf das Ausstellen von Verlustscheinen allein abstellen, sondern im einzelnen Fall prüfen, ob nicht Umstände zu der Annahme berechtigen, eine Betreibung werde Erfolg zeitigen (Rz 6001 ff. der Wegleitung über den Bezug der Beiträge [WBB] in der AHV, IV und EO in der im Jahre 2001 gültigen Fassung; vgl. auch Rz 7001 ff. WBB, in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung).
Die Ausgleichskassen haben allgemein danach zu trachten, abgeschriebene Beiträge einzubringen. Was sie zu diesem Zweck im Einzelnen vorkehren, bleibt ihrem Ermessen überlassen (Gerber, a.a.O., S. 79). Auch in Fällen, da die finanzielle Lage der Beitragspflichtigen nach wie vor ungünstig ist, sollen diese aufgefordert werden,
Zahlungen an ihre Schuld zu leisten, zum Mindesten in einem Umfang, der es erlaubt zu verhindern, dass im Individuellen Konto (IK) der Beitragspflichtigen eine Lücke in der Beitragsdauer entsteht. Die nachträgliche Erhebung und Verrechnung abgeschriebener Beiträge ist nur so lange möglich, als die Beitragsschuld nicht verjährt ist (Rz 6010, 6012 und 6014 WBB in der im Jahre 2001 gültigen Fassung; vgl. Rz 7010, 7012 und 7014 WBB in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung).
Gemäss Art. 16 Abs. 1 Satz 1 AHVG können Beiträge nicht mehr eingefordert entrichtet werden, wenn sie nicht innert fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches sie geschuldet sind, durch Verfügung geltend gemacht werden. Im Rahmen der 10. AHV-Revision (in Kraft seit 1. Januar 1997) wurde Satz 1 unverändert gelassen, jedoch ein neuer Satz 2 eingefügt. Gemäss Satz 2 von Art. 16 Abs. 1 AHVG in der vom 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung
endet die Verjährungsfrist für Beiträge nach den Artikeln 6, 8 Absatz 1 und 10 Absatz 1 AHVG erst ein Jahr nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die massgebende Steuerveranlagung Nachsteuerveranlagung rechtskräftig wurde. Das ATSG hat diesbezüglich zu keiner inhaltlichen Revision geführt.
Entgegen dem Randtitel "Verjährung" handelt es sich bei der in Art. 16 Abs. 1 AHVG statuierten Frist um eine Verwirkungsfrist (BGE 115 V 186 E. 2b mit Hinweisen). Die Frist für die Beitragsfestsetzung kann somit weder unterbrochen werden noch stillstehen (BGE 111 V 136 E. 3b mit Hinweisen). Die gemäss Art. 16 Abs. 1 AHVG geltend gemachte Beitragsforderung erlischt fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie rechtskräftig wurde (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 AHVG). Bei der in Art. 16 Abs. 2 AHVG festgelegten Vollstreckungsfrist handelt es sich ebenfalls um eine Verwirkungsfrist (Ueli Kieser, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Erwin Murer/Hans-Ulrich Stauffer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, 2005, S. 141).
3.
Die Abschreibung der Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 begründete die GastroSocial aufgrund des Vorliegens von elf Pfändungsverlustscheinen sowie der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven mit der offensichtlichen Aussichtslosigkeit
der Betreibung (act. G 3.1/14). Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht, dass seit dem Jahr 1995 weitere zahlreiche Verlustscheine gegen die Beschwerdeführerin ausgestellt wurden (act. G 1.5), durfte die GastroSocial die offenen Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 sowohl wegen erfolgloser Betreibung als auch aufgrund offensichtlicher Aussichtslosigkeit abschreiben.
Unter den Parteien zu Recht nicht bestritten und aus den Akten ersichtlich ist, dass die Verwirkungsfrist des Art. 16 Abs. 2 AHVG in Bezug auf die Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 bereits Ende 2005 verstrichen ist. Die Beschwerdeführerin rügt aber, dass ihr das Schreiben vom 18. Dezember 2001 (act. G 3.1/15) nicht zugestellt worden sei und sie von dessen Inhalt keine Kenntnis gehabt habe. Sie macht sinngemäss geltend, dass sie bei Aufklärung über die Beitragslücken die Mindestbeiträge vor Eintritt der Verwirkung bezahlt hätte (act. G 9 und 13).
Lücken in der Beitragsdauer können u.a. auch dann gefüllt werden, wenn deren Entstehung darauf zurückzuführen ist, dass seitens der Behörde eine falsche Auskunft erteilt wurde (Ueli Kieser, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, Rz 361). Unterbleibt eine Auskunft entgegen gesetzlicher Vorschrift obwohl sie nach den im Einzelfall gegebenen Umständen geboten war, hat die Rechtsprechung dies der Erteilung einer unrichtigen Auskunft gleichgestellt (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 1. Dezember 2005 i.S. S., C 144/2005, E. 2.3.3). Verwirkungsregeln stehen diesem Vorgehen nicht entgegen (vgl. BGE 121 V 79 E. 3 mit Hinweis).
Art. 27 Abs. 1 ATSG stipuliert eine allgemeine und permanente Aufklärungspflicht der Versicherungsträger und Durchführungsorgane, die nicht erst auf persönliches Verlangen der interessierten Personen zu erfolgen hat. Was die Tiefe der Aufklärung betrifft, muss sichergestellt sein, dass die betroffenen Personen durch sie in die Lage versetzt werden, die für sie im konkreten Fall in Betracht fallenden Schritte einzuleiten (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Art. 27 N 7 ff.).
Unterbleibt eine Auskunft entgegen gesetzlicher Vorschrift obwohl sie nach den im Einzelfall gegebenen Umständen geboten war, hat die Rechtsprechung dies der Erteilung einer unrichtigen Auskunft gleichgestellt. Abgeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, der den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten schützt, können falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist dies der Fall,
1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte; 4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können und 5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat. Diese Grundsätze sind bei einer unterbliebenen Auskunft analog anzuwenden, wobei die dritte Voraussetzung diesfalls lautet: wenn die Person den Inhalt der unterbliebenen Auskunft nicht kannte (zum Ganzen Urteil des EVG vom
11. Oktober 2005 i.S. L., C 122/05, E. 4 mit Hinweisen).
Wie bereits ausgeführt (vgl. E. 2.4) sind die Ausgleichskassen auch in Fällen, wo die finanzielle Lage der Beitragspflichtigen nach wie vor ungünstig ist, verpflichtet, diese aufzufordern, Zahlungen an ihre Schuld zu leisten, zum Mindesten in einem Umfang, der es erlaubt zu verhindern, dass im Individuellen Konto (IK) der Beitragspflichtigen eine Lücke in der Beitragsdauer entsteht (Rz 6010 und 6012 WBB in der im Jahre 2001 gültigen Fassung; vgl. Rz 7010 und 7012 WBB in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung). Ohnehin hätte die GastroSocial spätestens ab dem 1. Januar 2003 die im ATSG normierte Aufklärungspflicht (Art. 27 Abs. 1 ATSG) zu beachten gehabt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Zustellung des Schreibens vom 18. Dezember 2001 an die Beschwerdeführerin von dieser bestritten wird. Da die GastroSocial das Schreiben nicht per Einschreiben versandte, lässt sich dessen Zustellung an die Beschwerdeführerin auch nicht nachweisen. Es ist somit nicht erwiesen, dass die Beschwerdeführerin über die Beitragslücken sowie die damit verbundenen Konsequenzen bei Nichtbezahlung der Ausstände betreffend die Jahre 1995 bis 1998 aufgeklärt worden ist. Dass die Beschwerdeführerin anderweitig bis
Ende 2005 in Nachachtung der den zuständigen AHV-Behörden obliegenden Pflicht (Art. 27 Abs. 1 ATSG und Rz 6010 und 6012 WBB in der im Jahre 2001 gültigen Fassung; vgl. Rz 7010 und 7012 WBB in der ab 1. Januar 2008 gültigen Fassung) über die Beitragslücken aufgeklärt worden ist, wird weder von der Beschwerdegegnerin noch der Beigeladenen geltend gemacht. Aus der Aktenlage ergeben sich keine entsprechenden Anhaltspunkte. Es ist daher mit dem im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 150
E. 2c mit Hinweisen) davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beitragslücken sowie der damit verbundenen Konsequenzen bei Nichtbezahlung der Ausstände betreffend die Jahre 1995 bis 1998 nicht aufgeklärt worden ist und durch das Nichtbezahlen der Mindestbeiträge Dispositionen getroffen hat, die grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden können. Ferner hat die gesetzliche Ordnung der AHV-Beitragserhebung für die hier zu beurteilende Frage seither keine relevante Änderung erfahren. Das Gesagte führt zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin eine neue Frist zur Entrichtung der Mindestbeiträge für die Jahre 1995 bis 1998 einzuräumen ist.
4.
Was die umstrittenen Beiträge des Jahres 1999 angeht, so räumt die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 28. April 2008 ein, dass sie die unselbstständige Erwerbstätigkeit als Serviertochter nicht nachzuweisen vermöge (act. G 9). Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 1999 keine beitragspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und als Nichterwerbstätige zu qualifizieren ist. Als Nichterwerbstätige hätte sich die Beschwerdeführerin selbst bei der Ausgleichskasse ihres Wohnsitzkantons bei der Gemeindezweigstelle anmelden müssen. Dieser Obliegenheit kam die Beschwerdeführerin nicht nach. Aufgrund der bereits eingetretenen Verwirkungsfolge gemäss Art. 16 Abs. 1 AHVG (Festsetzungsverjährung) ist eine nachträgliche Erhebung der Beiträge für das Jahr 1999 nicht mehr möglich. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen.
5.
Betreffend die Beiträge der Jahre 1995 bis 1998 wird die Beschwerde teilweise gutgeheissen. Der Beschwerdeführerin ist eine neue Frist zur Entrichtung der Mindestbeiträge für die Jahre 1995 bis 1998 einzuräumen. Dazu ist die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG).
Da die Beschwerdeführerin teilweise obsiegt, hat sie einen reduzierten Anspruch auf eine Parteientschädigung. Anspruch auf Entschädigung besteht nur beim Beizug eines berufsmässigen Vertreters (Rechtsanwalt Rechtsagent) gemäss Art. 10 f. des Anwaltsgesetzes (sGS 963.70). Die Parteientschädigung ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen, wobei insbesondere der Bedeutung der Streitsache und
dem Aufwand Rechnung zu tragen ist. Der Vertreter der Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerde vom 27. Januar 2008 eine Kostennote für seine bis dahin erbrachten Bemühungen im Umfang von Fr. 585.-- ein (act. G 1). Die im weiteren Beschwerdeverfahren vom Vertreter erbrachten Leistungen werden darin aber nicht berücksichtigt. Bei vollständigem Obsiegen wäre angesichts des mehrfachen Schriftenwechsels im Beschwerdeverfahren und unter Berücksichtigung der am
27. Januar 2008 eingereichten Kostennote eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- angemessen. Die Beschwerdeführerin obsiegt zu ungefähr vier Fünfteln. Entsprechend dem Ausmass des Obsiegens erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 1'600.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als gerechtfertigt.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom
9. Januar 2008 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur weiteren
Abklärung und neuer Verfügung an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 1'600.-- (inkl. Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.