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Urteil Kantonsgericht (LU)

Zusammenfassung des Urteils 7H 17 23: Kantonsgericht

Der Beschuldigte D.________ wurde wegen des Verdachts auf Bandendiebstahl in Untersuchungshaft genommen, da Fluchtgefahr bestand und die Schwere der Straftaten eine Freilassung nicht rechtfertigte. Sein Antrag auf Freilassung wurde abgelehnt, ebenso wie sein Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme von Schriftstücken. Der Richter entschied, dass die Untersuchungshaft aufrechterhalten werden soll, da die Möglichkeit einer Kollusion und das Risiko der Flucht bestehen. Der Beschuldigte wurde angewiesen, die Kosten des Verfahrens und die Anwaltsgebühren zu tragen.

Urteilsdetails des Kantongerichts 7H 17 23

Kanton:LU
Fallnummer:7H 17 23
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Kantonsgericht Entscheid 7H 17 23 vom 30.11.2017 (LU)
Datum:30.11.2017
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Sicherungsentzug wegen Missachtung der Auflage, Alkohol nur in sozialverträglichem Ausmass zu konsumieren. Divergierende Ethylglucuronid-Werte bei Beinhaar- und Kopfhaarproben. Gemäss Gerichtsgutachten ist der exakte Rückschluss von einer bestimmten EtG-Konzentration auf die tatsächlich konsumierte tägliche Alkoholmenge nicht möglich. Unter Berücksichtigung aller Unsicherheiten kann der Übermasskonsum nicht nachgewiesen werden.
Schlagwörter : Alkohol; Gericht; Gutachten; Basel; Recht; Alkoholkonsum; Fahreignung; Strassenverkehr; Verfügung; Führerausweis; Verfahren; Untersuchung; Auflage; Kopfhaar; Gerichtsgutachten; Beinhaar; Luzern; Vorinstanz; Sicherungsentzug; Auflagen; -Wert; Über; Person; Verwaltungs; Kantons; Haaranalyse; öglich
Rechtsnorm:Art. 14 SVG ;Art. 16 SVG ;Art. 17 SVG ;Art. 320 StGB ;
Referenz BGE:123 II 359; 125 V 351; 129 II 82; 131 II 248; 132 II 257; 133 II 331; 133 II 384; 136 I 229; 136 II 539;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts 7H 17 23

A wurde anlässlich einer Verkehrskontrolle einem Atemalkoholtest unterzogen. Die im Kantonsspital Luzern entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholwert von min. 1,80 ‰, max. 2,42 ‰.


Das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern entzog A am 4. März 2016 den Führerausweis gestützt auf ein verkehrsmedizinisches Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Zürich (IRMZ) auf unbestimmte Zeit wegen einer Alkoholmissbrauchsproblematik. Die Wiedererteilung wurde u.a. von der Einhaltung und vom Nachweis einer totalen und ärztlich kontrollierten Alkoholabstinenz während mindestens sechs Monaten sowie einem erneuten, die Fahreignung bejahenden Gutachten inkl. Haaranalyse durch das IRMZ abhängig gemacht.


Das Strassenverkehrsamt hob den Führerausweisentzug am 27. Mai 2016 auf, indem es eine neue Verfügung erliess und dem Beschwerdeführer den Führerausweis unter Auflagen wiedererteilte. Die Auflagen hielten im Wesentlichen fest, dass für den Beschwerdeführer am Steuer eine Promillegrenze von 0,0 ‰ gelte; der sonstige Alkoholkonsum im sozial verträglichen Ausmass stattzufinden und der Beschwerdeführer per November 2016 auf eigene Kosten eine Kontrolluntersuchung inkl. Haaranalyse durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Basel (IRM Basel) vorzunehmen habe. Sollten die Auflagen nicht eingehalten werden, werde der Ausweis sofort entzogen.


Am 29. November 2016 nahm das IRM Basel dem Beschwerdeführer eine Beinhaarprobe ab. Diese ergab für den Zeitraum von Juni/August bis Ende November 2016 einen Ethylglucuronid (EtG)-Wert von 40 pg/mg. Aufgrund dieses Ergebnisses entzog das Strassenverkehrsamt dem Beschwerdeführer den Führerausweis am 27. Dezember 2016 auf unbestimmte Zeit ab Zustellung der Verfügung. Die Wiedererteilung wurde von einer sechsmonatigen totalen Alkoholabstinenz und einem die Fahreignung bejahenden Gutachten des IRM Basel abhängig gemacht.


Dagegen erhob A beim Kantonsgericht Luzern Verwaltungsgerichtsbeschwerde.


Erwägungen:


1.

1.1.

Beschwerden gegen administrative Massnahmen nach Strassenverkehrsrecht fallen nach Massgabe von § 18a Abs. 2 lit. b des Gesetzes über die Organisation der Gerichte und Behörden in Zivil-, Strafund verwaltungsrechtlichen Verfahren (JusG; SRL Nr. 260) in die Zuständigkeit des Einzelrichters.


1.2.

Entscheidet das Kantonsgericht Luzern als einzige Rechtsmittelinstanz im kantonalen Verfahren, steht ihm eine unbeschränkte Überprüfungsbefugnis zu. Somit kann es neben der Sachverhaltsfeststellung und der Rechtsanwendung der Vorinstanz auch die Angemessenheit der streitigen Verfügung überprüfen (vgl. §§ 161a und 156 Abs. 2 i.V.m. §§ 144-147 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege [VRG; SRL Nr. 40]). Soweit sich aus der Natur der Streitsache nichts anderes ergibt, sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Beschwerdeentscheids massgebend (vgl. § 146 VRG).


1.3.

Der rechtserhebliche Sachverhalt ergibt sich hinlänglich aus den Akten. Auf weitere Beweismassnahmen insbesondere die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugeneinvernahmen kann verzichtet werden (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 m.H.; BGer-Urteil 1C_375/2011 vom 28.12.2011 E. 2.2).


2.

2.1.

Die Überprüfungsbefugnis der Rechtsmittelbehörde kann sich in der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege nur auf das beziehen, was auch Gegenstand des angefochtenen Entscheids war bei richtiger Rechtsanwendung hätte sein müssen (Wirthlin, Luzerner Verwaltungsrechtspflege, Bern 2011, N 27.1). Der Streitgegenstand, d.h. der Umfang, in dem das mit der angefochtenen Verfügung geregelte Rechtsverhältnis umstritten ist, kann zwar durch die Beschwerdeanträge eingegrenzt werden, darf jedoch nicht über das hinausgehen, was im Anfechtungsgegenstand geregelt ist (vgl. BGE 123 II 359 E. 6b/aa).


Anfechtungsobjekt bildet hier die Verfügung vom 27. Dezember 2016, mit welcher die Vorinstanz einen Sicherungsentzug des Führerausweises gestützt auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG; SR 741.01) und Art. 5a, 5i sowie Art. 33 Abs. 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) anordnete und eine Wiedererteilung von der Einhaltung einer mindestens sechs Monate dauernden totalen Alkoholabstinenz sowie einem die Fahreignung bejahendes Gutachten (inkl. Haaranalyse; auf eigene Kosten) des IRM Basel abhängig machte. Soweit der Beschwerdeführer die Erteilung der Fahrberechtigung und des Führerausweises ohne Auflagen beantragt, kann darauf nicht eingetreten werden, da sich dieser Antrag nicht auf die angefochtene Verfügung bezieht und deshalb nicht gerichtlich überprüft werden kann.


3.

3.1.

Angefochten ist die Verfügung vom 27. Dezember 2016, mit welcher die Vorinstanz einen Sicherungsentzug des Führerausweises gestützt auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 2 SVG und Art. 5a, 5i sowie Art. 33 Abs. 4 VZV anordnete. Die Vorinstanz stützt den Sicherungsentzug und die Festlegung der Auflagen und Bedingungen der Wiedererteilung im Wesentlichen auf das verkehrsmedizinische Gutachten des IRM Basel vom 20. Dezember 2016. Das Analyseergebnis der asservierten Beinhaarprobe der Länge von 1,5 - 2,5 cm (gesamte Haarlänge) wies einen EtG-Wert von 40 pg/mg in den letzten vier bis sechs Monaten vor der Entnahme aus. Laut Gutachten spreche das Resultat der Untersuchung für einen starken Konsum von Alkohol in den letzten vier bis sechs Monaten vor der Asservierung der Haare. Der Wert weise auf einen chronischen Alkoholüberkonsum hin und spreche für einen deutlich über dem in der Verfügung geforderten Alkoholkonsum im sozial verträglichen Rahmen. Dies zeige auf, dass die Auflage der Einhaltung eines Alkoholkonsums, welcher im sozial verträglichen Ausmass zu liegen habe, nicht erfüllt und die Fahreignung des Beschwerdeführers aus verkehrsmedizinischer Sicht nicht mehr gegeben sei.


3.2.

Gemäss Art. 14 Abs. 1 SVG müssen Motorfahrzeugführer über Fahreignung und Fahrkompetenz verfügen. Die Fahreignung bildet somit eine Grundvoraussetzung für die Erteilung des Führerausweises (BGE 133 II 384 E. 3.1). Über Fahreignung verfügt, wer das Mindestalter erreicht hat, die erforderliche körperliche und psychische Leistungsfähigkeit zum sicheren Führen von Motorfahrzeugen hat, frei von einer Sucht ist, die das sichere Führen von Motorfahrzeugen beeinträchtigt und nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr bietet, als Motorfahrzeugführer die Vorschriften zu beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht zu nehmen (Art. 14 Abs. 2 lit. a-d SVG). Über Fahrkompetenz verfügt, wer die Verkehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher führen kann (Art. 14 Abs. 3 lit. a und b SVG).


3.3.

Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Der Führerausweis wird einer Person auf unbestimmte Zeit namentlich dann entzogen (sog. Sicherungsentzug), wenn sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Der Sicherungsentzug nach Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG dient dazu, den Verkehr von Fahrzeuglenkern freizuhalten, die aus medizinischen charakterlichen Gründen, wegen Trunksucht anderer Süchte wegen einer anderen Unfähigkeit nicht zum Führen eines Motorfahrzeugs geeignet sind (BGE 131 II 248 E. 4). Der Ausweisentzug kann diesfalls selbst ohne Vorliegen einer konkreten Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsregeln erfolgen. Ein solcher sog. Sicherungsentzug wegen fehlender Fahreignung wird erlassen, um die zu befürchtende Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Fahrzeugführer, welche aus medizinischen charakterlichen Gründen, wegen Trunksucht anderen Süchten wegen einer anderen Unfähigkeit zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet sind, in der Zukunft zu verhindern und nicht, um den Betroffenen wegen einer begangenen Verkehrsregelverletzung zu bestrafen (vgl. BGE 133 II 331 E. 9.1).


3.4.

Die Rechtsprechung geht von einer Trunksucht aus, wenn die betroffene Person regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass ihre Fahrfähigkeit vermindert wird und sie diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden zu kontrollieren vermag. Auf eine fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, Alkoholkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass sie im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Auch bloss suchtgefährdete Personen können demnach vom Führen eines Motorfahrzeugs ferngehalten werden (BGE 129 II 82 E. 4.1 m.H.; siehe auch BGer-Urteil 1C_238/2013 vom 27.8.2013 E. 2.1). Der Begriff der Sucht im Strassenverkehrsrecht deckt sich nach dem Gesagten nicht mit dem medizinischen Begriff der Alkoholabhängigkeit. Der Sicherungsentzug ist grundsätzlich auch bei suchtgefährdeten Personen möglich, bei denen ein die Verkehrssicherheit beeinträchtigender regelmässiger Alkoholoder Drogenmissbrauch vorliegt (BGE 129 II 82 E. 4.1).


3.5.

Der Sicherungsentzug greift tief in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen ein. Nach der Rechtsprechung ist daher in jedem Fall und von Amts wegen eine genaue Abklärung der persönlichen Verhältnisse vorzunehmen. Das Ausmass der notwendigen behördlichen Nachforschungen, namentlich die Frage, ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde (BGE 133 II 384 E. 3.1; BGer-Urteil 1C_248/2011 vom 30.1.2012 E. 3.1).


Im Zusammenhang mit der Frage einer Suchterkrankung ist daher eine genaue Abklärung der persönlichen Verhältnisse und insbesondere der Trinkgewohnheiten bzw. der Konsumgewohnheiten anderer Drogen des Betroffenen vorzunehmen.


4.

4.1.

Die am 29. November 2016 am IRM Basel entnommene Beinhaarprobe ergab für den Zeitraum von Juni/August bis Ende November 2016 einen Ethylglucoronid (EtG)-Wert von 40 pg/mg. Demgegenüber ergab eine vom Beschwerdeführer zu den Akten gegebene Haaranalyse der Universität Lausanne unter Verwendung von 3 cm langen Kopfhaaren, entnommen am 2. Dezember 2016, für die letzten drei bis vier Monate vor der Entnahme einen EtG-Wert von 20 pg/mg. Im Laufe des Verfahrens liess der Beschwerdeführer dem Gericht zwei weitere Analyseergebnisse zukommen: Am 18. Januar 2017 liess sich der Beschwerdeführer vom IRM Basel erneut eine Haarprobe (Kopfhaar) in der Länge von 4,5 cm entnehmen, welche für den Zeitraum von August/September 2016 bis Mitte Januar 2017 einen EtG-Wert von 11 pg/mg ergab; eine am 23. Januar 2017 durch das IRMZ entnommene Kopfhaarprobe in der Länge von 4,5 cm wies für den Zeitraum von Ende August 2016 bis Anfang Januar 2017 eine EtG-Konzentration von 15 pg/mg auf. Aufgrund der unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse der Beinund Kopfhaaranalysen ordnete das Kantonsgericht ein medizinisch-toxikologisches Gerichtsgutachten an, welches insbesondere Klarheit darüber schaffen sollte, ob aufgrund der beim IRM Basel durchgeführten Beinhaaranalyse auf einen übermässigen Alkoholkonsum während des zu beurteilenden Zeitraums geschlossen werden könne.


4.2.

Was die Würdigung dieses Gutachtens betrifft, ist vorab an den für das Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu erinnern. Demnach hat ein Gericht die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, umfassend und nach pflichtgemässem Ermessen zu würdigen (vgl. § 59 VRG). Bei Gerichtsgutachten weicht das Gericht nach der Praxis nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung des Experten ab, dessen Aufgabe es ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt zu erfassen (vgl. BGE 132 II 257 E. 4.4.1). Dass einem Gerichtsgutachten ein erhöhter Beweiswert zukommt, hängt auch mit damit verbundenen verfahrensrechtlichen Regeln zusammen, wie etwa der Hinweis auf die Straffolgen von Art. 307 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) für die Erstattung eines wissenschaftlich falschen Gutachtens, sowie auf diejenigen von Art. 320 StGB für die Verletzung des Amtsgeheimnisses (vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern A 10 32/33 vom 28.3.2013 E. 3a/bb = LGVE 2013 IV Nr. 3 E. 3a/bb). Das Gericht hat zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens aufdrängen. Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben (BGE 136 II 539 E. 3.2 mit Hinweisen; BGer-Urteil 1C_589/2014 vom 3.2.2016 E. 5). Ein Grund für das Abweichen von einem Gerichtsgutachten kann somit vorliegen, wenn die Gerichtsexpertise widersprüchlich ist wenn ein vom Gericht eingeholtes Obergutachten in überzeugender Weise zu anderen Schlussfolgerungen gelangt. Eine abweichende Beurteilung kann ferner gerechtfertigt sein, wenn gegensätzliche Meinungsäusserungen anderer Fachexperten dem Richter als triftig genug erscheinen, die Schlüssigkeit des Gutachtens in Frage zu stellen, sei es, dass er die Überprüfung durch einen Oberexperten für angezeigt hält, sei es, dass er ohne Oberexpertise vom Ergebnis des Gerichtsgutachtens abweichende Schlussfolgerungen zieht (vgl. auch BGE 125 V 351 E. 3b/aa; zum Ganzen: Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 13 133 vom 13.7.2014 E. 4.5.1). Allerdings kann sich das Gericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung bei einem im gerichtlichen Verfahren und in Beachtung der einschlägigen prozessualen Anforderungen erstellten Gutachten bei der Prüfung darauf beschränken, ob das Gutachten auf zutreffender Rechtsgrundlage beruht, vollständig, klar, gehörig begründet und widerspruchsfrei ist und ob der Gutachter hinreichende Sachkenntnis sowie die erforderliche Unbefangenheit aufweist (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 15 42 vom 22. November 2016 E. 4.5.1).


4.3.

4.3.1.

Das vorliegende Gerichtsgutachten vom 13. Oktober 2017 wurde von einer fachlich qualifizierten Person sowie durch ein dafür qualifiziertes Institut erstellt und erging unter Beachtung der massgebenden Akten. Dr. B hält im Gutachten kurz den vorliegenden Sachverhalt fest und fasst die relevanten Ergebnisse der forensisch-toxikologischen Untersuchungen, denen sich der Beschwerdeführer unterzogen hat, zusammen. Danach erstattet er zu allen Expertenfragen ausführliche und widerspruchsfreie Stellungnahmen, welche wie folgt zusammengefasst werden können: Im Einzelfall könne aufgrund individueller Unterschiede hinsichtlich der Einlagerungsrate von Substanzen in das Haar von einer bestimmten EtG-Konzentration grundsätzlich nicht exakt auf die tatsächlich konsumierte tägliche Alkoholmenge geschlossen werden. Der individuelle Alkoholkonsum, der zu dem gemessenen Wert führe, könne sowohl höher als auch niedriger sein. Die genaue Schwankungsbreite der für das Erreichen einer bestimmten Konzentration im Haar erforderlichen Aufnahmemenge sei aktuell nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen hinreichend gesichert. Zudem müsse die analytische Messunsicherheit berücksichtigt werden. Die tatsächliche EtG-Konzentration in der vom IRM Basel untersuchten Haarprobe (Gutachten vom 9.12.2016) könne demzufolge zwischen 28 pg/mg und 52 pg/mg gelegen haben. Unter Berücksichtigung aller Unsicherheiten könne anhand der gemessenen EtG-Konzentration in der Beinhaarprobe und ohne Berücksichtigung anderer Umstände verkehrsmedizinisch erhobener Befunde nicht auf einen Alkoholkonsum im Übermass geschlossen werden. Diese Unsicherheiten würden sich nicht auf die Analytik sondern auf die Interpretation der valide bestimmten Werte beziehen, denn die im IRM Basel verwendete analytische Methode entspreche den Vorgaben der Arbeitsgruppe Haaranalytik der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin (SGRM) und sei in einem akkreditierten Labor ermittelt worden. Die Vorgaben sowie die externe Überwachung im Rahmen einer Akkreditierung würden sicher stellen, dass die Werte valide bestimmt werden und die erforderliche Richtigkeit und Präzision aufweisen würden. Die Diskrepanz der einzelnen Untersuchungsergebnisse erklärte Dr. B damit, dass die verschiedenen Lokalitäten der Probennahme unterschiedliche absolut-Werte liefern könnten. Zudem seien alle ermittelten Messwerte mit einer Messunsicherheit behaftet. Daher sei die initial augenscheinliche Diskrepanz der Messwerte im Beinhaar von 40 pg/mg und im drei Tage später entnommenen Kopfhaar der gleichen Person von 20 pg/mg zu relativieren. Unter Berücksichtigung der beiden Unsicherheitsfaktoren seien die Ergebnisse nicht diskrepant sondern als gleichwertig zu betrachten. Sodann stellte Dr. B fest, dass sowohl die Werte der Beinhaarprobe wie auch die Werte der Analysen der Kopfhaare als valide, richtig und präzis anzusehen seien. Zudem seien alle vier erwähnten Analysen gemäss den Empfehlungen der Fachgruppe Forensische Toxikologie der SGRM durchgeführt worden. Des Weiteren sei eine Einlagerung von EtG über Schweiss und/oder Sebum möglich, dies sei in verschiedenen Experimenten bestätigt worden und die Einlagerung sei daher von den nationalen und internationalen Fachgremien als mögliche Inkorporationsmöglichkeit angenommen und beschrieben worden. Schliesslich führte Dr. B zur Berücksichtigung einer möglichen Kontamination von aussen bei der Analyse vom 29. Dezember 2016 aus, die Inkorporation von EtG ins Haar über Schweisskontamination stelle einer der möglichen Gründe für die individuellen Unterschiede bei der Substanzeinlagerung in das Haar dar. Die Möglichkeit der Kontamination durch Schweiss sei bei der verkehrsmedizinischen "Verlaufskontrolle" im IRM Basel nicht diskutiert worden.


4.3.2.

Das Gerichtsgutachten vom 13. Oktober 2017 ist in der Darlegung der Schlussfolgerungen nachvollziehbar und in sich schlüssig. Es stützt sich auf alle wesentlichen Akten und äussert sich zu allen hier relevanten Aspekten. Damit erweist sich das Gerichtsgutachten auch als vollständig. Schliesslich sind keine Hinweise ersichtlich, welche berechtigte Zweifel an der Fachkenntnis und Unbefangenheit des Experten erwecken würden. Die Schlussfolgerung von Dr. B werde im Übrigen durch die weiteren drei vorgenommenen Kopfhaaruntersuchungen, welche allesamt von einem moderaten Alkoholkonsum (sog. "social drinker") ausgingen, gestützt. Für das Gericht besteht daher keine Veranlassung, an den gutachterlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen zu zweifeln.


4.4.

Ist somit auf das Gerichtsgutachten abzustellen, kann anhand der vom IRM Basel vorgenommenen Haaranalyse nicht auf einen übermässigen Alkoholkonsum geschlossen werden. Der Nachweis, dass der Beschwerdeführer gegen die Auflagen gemäss der Verfügung vom 27. Mai 2016 verstossen hat, misslingt.


4.5.

Daran vermögen die Einwände der Vorinstanz, soweit nicht bereits durch die vorangegangenen Erwägungen entkräftet, nichts zu ändern. So bringt das Strassenverkehrsamt vor, vorliegend sei von einer Verweigerung der Mitwirkung an Massnahmen zur Untersuchung der Fahreignung auszugehen, weshalb auf fehlende Fahreignung des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Zwar trifft es zu, dass sich der Beschwerdeführer vor der vorgenommenen Beinhaaranalyse die Kopfhaare kürzen liess. Jedoch unterzog er sich bereits am 2. Dezember 2017 und somit lediglich drei Tage nach der Untersuchung durch das IRM Basel einer Kopfhaaranalyse an der Universität Lausanne. Zudem liess er danach noch drei weitere forensisch-toxikologische Untersuchungen vornehmen, nämlich am 2. Dezember 2016 an der Universität Lausanne, am 18. Januar 2017 erneut durch das IRM Basel und am 23. Januar 2017 durch das IRMZ. Der Vorwurf einer Verweigerung der Mitwirkung einer Vereitelung des Auflagenzwecks ist daher nicht gerechtfertigt. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Universität Lausanne lediglich drei Tage nach der für das vorliegende Verfahren anlassgebenden Untersuchung durch das IRM Basel mit den damals 3 cm langen Kopfhaaren des Be-schwerdeführers eine Haaranalyse durchführen und lediglich einen EtG-Wert von 20 pg/mg feststellen konnte. Sodann kann dem Einwand, dass die Messunsicherheit bei der Bestimmung des EtG-Werts im Haar vorliegend unerheblich sein soll, nicht gefolgt werden. Vielmehr ist aufgrund der für das Gericht verbindlichen Feststellung des Experten die Berücksichtigung dieser Messunsicherheit gerade ausschlaggebend für die Frage, ob der Alkoholkonsum noch in einem sozialverträglichen Mass lag. Wie Dr. B im Gerichtsgutachten ausführte, wurde diese Messunsicherheit bei der Auswertung der Ergebnisse der Beinhaaranalyse jedoch nicht berücksichtigt, obwohl sie im Gutachten selber erwähnt wurde. Überdies wurde ein chronisch übermässiger Alkoholkonsum bereits beim Programm-Abschluss der kardialen ambulanten Rehabilitation (7.9.-2.11.2016) anhand der Leberwerte und somit unabhängig von einer Kopfbzw. Körperhaaruntersuchung verneint. Auch wenn diese Untersuchung in keinem Zusammenhang zu einer forensisch-toxikologischen Haaranalyse steht, betrifft sie auch einen Teil des Zeitraums, welcher mit der Beinhaaranalyse untersucht wurde und steht somit im Widerspruch mit dem durch das Gutachten des IRM Basel vom 20. Dezember 2016 festgestellten Alkoholkonsum.


5.

Nach dem Gesagten ist ein Verstoss gegen die Auflage, den Alkoholkonsum im sozialverträglichen Ausmass zu halten, der gegebenenfalls den Sicherungsentzug vom 27. Dezember 2016 zu begründen vermöchte, nicht erstellt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid des Strassenverkehrsamts vom 27. Dezember 2016 ist aufzuheben und der Führerausweis dem Beschwerdeführer unter denselben Auflagen wie in der Verfügung vom 27. Mai 2016 zu belassen (§ 140 Abs. 1 VRG).


6.

6.1.

Grundsätzlich trägt die Verfahrenskosten, wer im Rechtsmittelverfahren unterliegt (§ 198 Abs. 1 lit. c VRG). Die amtlichen Kosten bestehen aus den Gebühren für die behördliche Tätigkeit (Spruchgebühren, Schreibgebühren usw.), den Beweiskosten und andern Barauslagen der Behörde (§ 193 Abs. 2 VRG). Die Vorinstanz ist von Gesetzes wegen von der Kostenpflicht befreit (§ 199 Abs. 1 VRG). Folglich sind keine amtlichen Kosten zu erheben und die Beweiskosten können den Verfahrensbeteiligten nicht überbunden werden. Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1''000.-ist ihm zurückzuerstatten.


6.2.

Mit Bezug auf die Parteientschädigung unterscheidet das Luzerner Recht zwischen Verfahren, an denen Parteien "mit gegensätzlichen Interessen" beteiligt sind, und den anderen (§ 201 VRG). Nur bei ersteren besteht ein Anspruch der obsiegenden gegenüber der unterliegenden Partei auf Entschädigung. In den anderen Fällen kann das Gemeinwesen, dem die Vorinstanz angehört, nach Massgabe von § 201 Abs. 2 VRG lediglich dann zur Entrichtung einer angemessenen Parteientschädigung zu Gunsten der obsiegenden Partei verpflichtet werden, wenn der Vorinstanz "grobe Verfahrensfehler" "offenbare Rechtsverletzungen" vorgeworfen werden müssten.


Zwar stützte sich die Vorinstanz im Licht des heutigen Beweisergebnisses zu Unrecht auf das Gutachten des IRM Basel vom 20. Dezember 2016. Darin liegt aber kein Verfahrensmangel und noch viel weniger sind qualifizierte Mängel im Sinn von § 201 Abs. 2 VRG gegeben. Folglich entfällt eine Parteientschädigung.
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen

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