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Urteil Kantonsgericht (LU)

Kopfdaten
Kanton:LU
Fallnummer:7H 15 178
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:4. Abteilung
Kantonsgericht Entscheid 7H 15 178 vom 06.10.2016 (LU)
Datum:06.10.2016
Rechtskraft:Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Rechtswidrigkeit eines allfälligen vertraglichen Verzichts auf künftige Kanalisationsanschlussgebühren mit gleichzeitiger Einräumung einer Durchleitungsdienstbarkeit; unzulässige Abgabevergünstigung mangels gleichwertiger gegenseitiger Leistungen der Vertragsparteien. Prüfung des Austauschverhältnisses mittels hypothetischer Enteignungsentschädigung: Zur Bestimmung des Werts der Dienstbarkeit kann die Höhe einer hypothetischen Entschädigung herangezogen werden, welche bei zwangsweiser Begründung durch Enteignung zu bezahlen gewesen wäre. Dieser Wert erweist sich vorliegend als weitaus tiefer als die Höhe der voraussehbaren Kanalisationsanschlussgebühr (E. 5). Folgen eines widerrechtlichen Abgabevergünstigungsvertrags (E. 6.1-3).
Schlagwörter : Vertrag; Grundeigentümer; Verlegung; Recht; Grundstück; Wäre; Leitung; Abgabe; Enteignung; Grundeigentümerin; Interesse; Durchleitung; Rechtlich; Grundstücks; Gemeinde; Vertrags; Urteil; Hinweis; Hinweisen; Verhältnis; Durchleitungsdienstbarkeit; KEntG; Vertraglich; Minderwert; Verlegungsanspruch; Werden; Aufgr; Verwaltung; Überbauung
Rechtsnorm: Art. 26 BV ; Art. 5 BV ; Art. 691 ZGB ; Art. 693 ZGB ; Art. 742 ZGB ; Art. 781 ZGB ; Art. 8 BV ;
Referenz BGE:103 Ia 31; 103 Ia 505; 104 Ib 199; 105 Ia 207; 105 Ib 187; 114 Ib 321; 117 Ib 308; 122 I 177; 126 I 112; 131 II 458; 134 II 172; 136 I 142; 138 V 147; 139 V 82; 141 I 113; 71 II 27; 97 II 371;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid

Aus den Erwägungen:

5.

5.1.

Die Voraussetzungen, unter welchen ein Gemeinwesen durch Vertrag mit Privaten auf die künftige Erhebung von Kanalisationsanschlussgebühren ausnahmsweise verzichten dürfte, waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dies ergibt sich aus dem Folgenden.

5.2.

Der verwaltungsrechtliche (öffentlich-rechtliche) Vertrag ist heute als Handlungsform des Verwaltungsrechts anerkannt und weit verbreitet. Um zu vermeiden, dass das Legalitätsprinzip ausgehöhlt wird, müssen zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Zunächst muss eine kompetenzgemäss erlassene Rechtsnorm den Vertrag vorsehen, dafür Raum lassen oder ihn jedenfalls nicht ausdrücklich ausschliessen; eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung ist nicht erforderlich (BGE 136 I 142 E. 4.1, wie auch zum Folgenden; vgl. auch BGE 105 Ia 207 E. 2a, 103 Ia 31 E. 1b, 103 Ia 505 E. 3a). Weiter muss der Vertrag nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die er im Einzelfall konkretisiert, die geeignetere Handlungsform sein als die Verfügung. Raum für einen Vertrag verbleibt grundsätzlich nur dort, wo das Gesetz der einvernehmlichen Konkretisierung bedarf, namentlich bei beabsichtigter dauerhafter Bindung und bei erheblichem Ermessenspielraum der Behörde (Urteil des Verwaltungsgerichts Graubünden S 09 54A vom 22.2.2011 E. 3b; Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 33 N 24 ff.). Der Vertragsinhalt darf nicht gegen eine gültige Rechtsnorm verstossen und muss auf einem generell-abstrakten, genügend bestimmten Rechtssatz beruhen, der in Form eines Gesetzes erlassen worden sein muss, wenn es sich um eine wichtige Regelung handelt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Rechtssatzes sind geringer als bei Verfügungen, sofern das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit wegen der Zustimmung zur Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses durch die Privaten als geringfügig erscheint. Auch die Grundlage im Gesetz kann bei Verträgen im Allgemeinen schmaler sein als bei Verfügungen, weil staatliche Eingriffe in die Rechte der Privaten weniger intensiv und damit weniger wichtig sind, wenn die Betroffenen ihnen zustimmen (BGE 136 I 142 E. 4.1, mit weiteren Hinweisen; LGVE 2010 III Nr. 11 E. III.1; vgl. auch Klein, Die Rechtsfolgen des fehlerhaften verwaltungsrechtlichen Vertrags, Diss. Zürich 2003, S. 56 ff.; Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Bd. I, Bern 2012, N 2964 ff., mit Hinweisen).

In besonderen Fällen kann ein verwaltungsrechtlicher Vertrag auch dann abgeschlossen werden, wenn keine Norm ausdrücklich dazu ermächtigt. Jedoch müssen die vertraglich vereinbarten Leistungen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, was im Hinblick auf das Legalitätsprinzip im Abgaberecht umso mehr gilt, wenn der Vertrag die Entrichtung öffentlicher Abgaben regelt (BGE 136 I 142 E. 4.2, mit weiteren Hinweisen; LGVE 2010 III Nr. 11 E. III.1 f.).

Kein Raum für vertragliche Vereinbarungen besteht, wenn nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses im Einzelfall durch Verfügung erfolgen muss oder wenn das Gesetz eine zwingende, abschliessende Regelung enthält, die der Behörde keine Handlungsfreiheit belässt (BVGer-Urteil C-1107/2006 vom 14.9.2009 E. 4.1; vgl. auch Wiederkehr/Richli, a.a.O., N 2966 f.; Müller, Zulässigkeit des Vertrages und zulässige Vertragsinhalte, in: Der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis [Hrsg. Häner/Waldmann], Zürich 2007, S. 26 f.).

Verwaltungsrechtliche Verträge über die Abgabepflicht im Hinblick auf die Erschliessung von Bauland werden von Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich als zulässig erachtet, sofern damit keine eigentliche Abgabevergünstigung bezweckt wird (BGE 136 I 142 E. 4.2, 105 Ia 207 E. 2a, 103 Ia 505 E. 3b, mit Hinweisen; BGer-Urteil 1C_61/2010 vom 2.11.2010 E. 3.2; LGVE 2010 III Nr. 11 E. III.2; vgl. auch Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, N 1322). Abgabevergünstigung bedeutet dabei, dass einem Abgabepflichtigen eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Sonderbehandlung gewährt wird, die ihm wirtschaftliche Vorteile bringt. Keine eigentlichen Abgabevergünstigungsverträge bilden Vereinbarungen über Vergünstigungen, denen eine gleichwertige Leistung gegenübersteht, z.B. Abmachungen über Erschliessungsgebühren, bei welchen der Grundeigentümer Land unentgeltlich oder zu einem wesentlich unter dem Enteignungswert liegenden Preis abtritt und dafür keine Anstösserbeiträge zu entrichten hat (BGE 103 Ia 505 E. 3b und 103 Ia 31 E. 2b, mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern A 96 525 vom 11.6.1997 E. 3d).

5.3.

Zwar sahen das frühere Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer vom 14. Mai 1974 [G XVIII 455; aEGGSchG; i.K. bis 31.12.1997) und das Kanalisationsreglement der Gemeinde Y (nachstehend: KR Y) den öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Regelung von Anschlussgebühren nicht ausdrücklich vor, doch schlossen sie ihn auch nicht ausdrücklich aus. Der Umfang der Anschlussgebühren ("Baukostenbeitrag") wird in Art. 38 KR Y (i.V.m. § 23 Abs. 1 aEGGSchG) grundsätzlich abschliessend festgesetzt. Allerdings kann der Gemeinderat gemäss Art. 47 KR Y in besonderen Härtefällen in Bezug auf die kommunalen Vorschriften Ausnahmen gestatten, solange diese nicht den Gewässerschutzvorschriften widersprechen. Auch gemäss damaligem kantonalem Recht war vorgesehen, dass bei ausserordentlichen Verhältnissen die Beiträge und Gebühren angemessen herabzusetzen sind (§ 23 Abs. 2 Satz 2 aEGGSchG).

Selbst wenn hoheitliches Handeln des Staats im vorliegenden Zusammenhang nicht ohne Weiteres als geeigneter erscheint als solches in Form der Verfügung, ergibt sich hieraus, dass hinsichtlich einer Vereinbarung über Anschlussgebühren (bzw. eines "Baukostenbeitrags" gemäss Art. 38 KR Y) vertragliches Handeln der damaligen Gemeinde Y grundsätzlich als zulässig zu erachten war, soweit ein besonderer Härtefall bzw. ausserordentliche Verhältnisse vorlagen. Auch vor dem Hintergrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Kanalisationsanschlussgebühren (vgl. BGE 103 Ia 31 und 505) kann vertragliches Handeln des Gemeinwesens in diesem Bereich nicht von Vornherein ausgeschlossen werden.

Wie im Folgenden darzulegen, erweist sich indessen eine Vereinbarung zum Erlass der Anschlussgebühren bei näherer Betrachtung aufgrund des konkreten Vertragsinhalts als unzulässig, da nicht ersichtlich ist, dass die damalige Grundeigentümerin eine dem Wert der Abgabe entsprechende Gegenleistung erbracht oder einen Schaden in dieser Höhe erlitten hätte bzw. dass anderweitig ein Härtefall bzw. ausserordentliche Verhältnisse vorgelegen hätten.

5.4.

5.4.1.

Die Zulässigkeit eines Vertrags im genannten Sinn würde bedingen, dass die jeweiligen Leistungen der Vertragsparteien in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzip zueinander in einem ausgewogenen Verhältnis stehen (vgl. hierzu: Klein, a.a.O., S. 93 ff., mit weiteren Hinweisen). Soweit der streitbetroffene Vertrag in Bezug auf die Anschlussgebühren eine Sonderbehandlung gewährt, die von der gesetzlichen Regelung abweicht und der keine gleichwertige Leistung gegenübersteht, läge hingegen ein eigentlicher Abgabevergünstigungsvertrag vor.

Möglich wäre grundsätzlich, dass die Leistungen der Gemeinde, einschliesslich einer mutmasslichen Abgabebefreiung, einen Ersatz für Schaden darstellen, welche durch die Durchleitungsdienstbarkeit bzw. die damit ermöglichte Mischabwasserleitung verursacht werden, oder ein Entgelt für andere vertraglich vereinbarte Leistungen seitens der Grundeigentümerin. Wie im Folgenden aufzuzeigen, ist jedoch nicht erkennbar, dass einer Befreiung eine gleichwertige Leistung bzw. ein gleichwertiger ersatzfähiger Schaden der damaligen Grundeigentümerin gegenübergestanden hätte. Dies wiederum lässt darauf schliessen, dass die Gemeinde einen solchen Vertragsinhalt nicht beabsichtigt hat, gemäss dem Grundsatz, wonach in Zweifelsfällen bei der Auslegung zu vermuten ist, dass die Verwaltung nicht bereit ist, etwas zu vereinbaren, was mit den von ihr zu wahrenden öffentlichen Interessen und der einschlägigen Gesetzgebung im Widerspruch steht (BGE 139 V 82 E. 3.1.2, 135 V 237 E. 3.6, 122 I 328 E. 4e).

5.4.2.

Falls die Gemeinde im Vertrag auf die Erhebung von Anschlussgebühren im Voraus verzichtet hätte, so hätte es sich um eine Leistung gehandelt, die der Höhe der Abgabe aus damaliger Sicht entsprach. Konkrete Überbauungspläne der damaligen Grundeigentümerin bestanden seinerzeit nicht. Somit war davon auszugehen, dass die Höhe der künftigen Abgabe sich aufgrund des Gebäudewerts bei der damals bekannten maximal zulässigen Nutzung bemessen würde, zumal bei einem Verzicht auf ein Recht im Voraus gänzlich klar sein muss, was preisgegeben wird (vgl. u.a. Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 298).

Die Beschwerdegegnerin geht davon aus, dass der Wert der entsprechenden Abgabe bzw. des Verzichts auf sie bei knapp Fr. 300'000.-- gelegen hätte. Dieser Betrag erscheint nachvollziehbar, mit Blick auf die ursprünglich vorgesehenen Baukosten für die nun realisierte Überbauung (Fr. 40'000'000.--), die Erhöhung der Ausnützungsziffer von 0,5 auf 0,7 (vgl. auch Art. 8 des Bauund Zonenreglements der Gemeinde Y sowie § 34 Abs. 2 des früheren BZR) sowie die Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise in der Zwischenzeit (Erhöhung um rund 102 % bzw. um den Faktor 2,02 von 166,0 Punkten im Jahr 1976 auf 335,3 Punkte im Jahr 2014 [jeweils Jahresdurchschnitt, berechnet auf Indexbasis vom September 1966], gemäss Teuerungsrechner des Bundesamts für Statistik).

5.4.3.

Als Leistung der damaligen Grundeigentümerin zu Gunsten der Gemeinde gilt auf jeden Fall die von ihr eingeräumte Durchleitungsdienstbarkeit.

Der Wert einer Dienstbarkeit kann dadurch gemessen werden, welche Entschädigung die Gemeinde im Fall der zwangsweisen Begründung durch formelle Teilenteignung hätte leisten müssen (vgl. Rey, Berner Komm., Art. 730 und 731 ZGB Systematischer Teil N 300 ff.). Die Enteignung eines Durchleitungsrechts im Sinn von Art. 676 Abs. 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) für den Bau einer Abwasserleitung als Anlage, die im Interesse des Gewässerschutzes geboten ist, wäre grundsätzlich zulässig gewesen (vgl. Art. 9 Abs. 1 des früheren Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8.10.1971 [AS 1972 950; aGSchG] i.V.m. § 30 aEGGSchG i.V.m. §§ 3, 6 lit. a und 22 des kantonalen Enteignungsgesetzes [kEntG; SRL Nr. 730]; vgl. BGE 104 Ib 199; vgl. auch LGVE 1996 II Nr. 19 E. 2c, 1981 III Nr. 1).

Eine Enteignung darf nur gegen volle Entschädigung erfolgen (Art. 26 Abs. 2 BV; § 16 kEntG, vgl. auch § 22 Abs. 1 kEntG). Der Enteignete soll keinen Verlust erleiden, aber auch keinen Gewinn erzielen; d.h. nach der Enteignung soll er wirtschaftlich gleichgestellt sein wie ohne diese (statt vieler: BGE 122 I 177 E. 4b/aa). Die von der Praxis für das Bundesgesetz über die Enteignung (EntG; SR 711) erarbeiteten Entschädigungsgrundsätze sind dabei als Auslegungsregeln für das kantonale Recht anerkannt, da sich beide an Art. 26 Abs. 2 BV orientieren (Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 15 183 vom 6.6.2016 E. 5.2; Hess/Weibel, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bern 1986, Bd. I, Art. 16 EntG N 2).

Bei der Festsetzung der Entschädigung sind gemäss § 18 kEntG alle Nachteile zu berücksichtigen, die dem Enteigneten ohne sein Verschulden aus der Entziehung oder Beschränkung seiner Rechte erwachsen, namentlich der Minderwert, der entsteht, wenn von einem Grundstück oder von mehreren wirtschaftlich zusammenhängenden Grundstücken nur ein Teil in Anspruch genommen wird (lit. b), und alle weiteren dem Enteigneten verursachten Nachteile, die sich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als Folge der Enteignung voraussehen lassen (lit. c).

5.4.4.

Werden Dienstbarkeiten auf einem Grundstück auf dem Enteignungsweg errichtet (rechtliche Teilenteignung), so gelangen mangels eigentlichen Verkehrswerts für die Bemessung der Entschädigung die Regeln über die Teilenteignung (vgl. § 18 lit. b und § 21 kEntG) zur Anwendung. Nach der sogenannten Differenzmethode hat der Enteignete Anspruch auf Ersatz der Wertdifferenz, die sich zwischen dem Verkehrswert des unbelasteten und jenem des belasteten Grundstücks ergibt. Neben diesem Minderwert sind allenfalls auch weitere Nachteile zu ersetzen (zum Ganzen vgl. BGE 141 I 113 E. 6.5.1, 129 II 420 E. 3.1 = Pra 2005 Nr. 38, 122 II 246 E. 4, 114 Ib 321 E. 3, je mit Hinweisen; Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 15 183 vom 6.6.2016 E. 5.4; Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 173).

Gemäss § 21 Abs. 1 kEntG ist bei einer Teilenteignung für den Minderwert des verbleibenden Teils und die weiteren Nachteile insoweit kein Ersatz zu leisten, als diese durch besondere Vorteile aufgewogen werden, die dem Enteigneten aus dem Werk des Enteigners entstehen (Satz 1). Die Anrechnung besonderer Vorteile hat zu unterbleiben, soweit diese durch Grundeigentümerbeiträge abgegolten werden (Satz 2). Dagegen ist auch der Schaden zu berücksichtigen, der aus dem Entzug oder der Beeinträchtigung solcher den Verkehrswert beeinflussender Eigenschaften entsteht, die ohne die Enteignung aller Voraussicht nach dem verbleibenden Teil erhalten geblieben wären (§ 21 Abs. 2 kEntG).

Vorauszusetzen ist für alle Entschädigungskomponenten jedenfalls ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Enteignung und dem zu entschädigenden Schaden (vgl. BGE 131 II 458 E. 4, 114 Ib 321 E. 3, 106 Ib 381 E. 3a, je mit weiteren Hinweisen; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern V 09 256 vom 2.5.2011 E. 6a; Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 17 f., 25 f., 33, 185 und 197, Art. 22 EntG N 9).

Das Ausmass der Minderwertsentschädigung ergibt sich in diesem Sinn aus der Gegenüberstellung und Aufrechnung sämtlicher enteignungsbedingter Vorund Nachteile, die dem verbleibenden Grundstück erwachsen. Ein Grundstück mag im Vergleich zum Zustand vor der Enteignung ungünstiger überbaubar sein; hat es jedoch überhaupt erst dem Werk des Enteigners seine Erschliessung oder seine wertsteigernde Lage zu verdanken, so erfährt es im Ergebnis keine oder nur eine geringe Werteinbusse, wenn nicht gar eine Wertvermehrung (vgl. Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 192, Art. 22 EntG N 2).

Bei der Bemessung des Verkehrswerts sind die Möglichkeiten einer besseren Verwendung des Grundstücks (vgl. § 19 Abs. 2 kEntG), namentlich für bauliche Nutzungen, angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGE 114 Ib 321 E. 3, 97 I 602). Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch nur diejenigen Nutzungsänderungen von Belang, die in naher Zukunft feststehen oder sehr wahrscheinlich sind (z.B. bei bevorstehender Einoder Umzonung), also nicht bloss auf theoretischen und spekulativen Plänen beruhen (vgl. BGE 114 Ib 321 E. 3, 113 Ib 39 E. 4b, 112 Ib 531 E. 3, 97 I 602; Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 58). Auch für weitere Schäden (vgl. § 18 lit. c kEntG) bedarf es eines bestimmten Masses an Gewissheit bzw. eines erhöhten Grads an Wahrscheinlichkeit. Ein erst in Zukunft möglicher, noch ungewisser Minderwert bzw. die blosse Befürchtung, dass einmal ein Schaden eintreten könnte, begründet noch keinen Entschädigungsanspruch (Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 185 und 197).

Den Enteigneten trifft zudem eine Pflicht, alle zumutbaren Vorkehren zu treffen, um den enteignungsrechtlichen Schaden zu vermindern oder gar zu vermeiden; in diesem Umfang ist der Enteigner nicht ersatzpflichtig (BGE 134 II 172 E. 6.2, 110 Ib 43 E. 4). So darf vom Enteigneten namentlich verlangt werden, dass er die Überbauung des mit einer Durchleitungsdienstbarkeit belasteten Grundstücks den neuen Gegebenheiten anpasst (Hess/Weibel, a.a.O., Art. 19 EntG N 185, mit Hinweis auf BGer-Urteil vom 16.12.1964 i.S. Rickenbacher).

5.4.5.

Als möglicher wertmindernder Faktor wäre insbesondere zu berücksichtigen, dass die Sammelleitung quer durch das Grundstück z geplant wurde. Die Überbauung der Leitungen wurde erlaubt, doch wurde zugleich vereinbart, dass die entsprechenden Sicherheitsmassnahmen zulasten des Bauherrn fallen (Ziff. 7.2 des Vertrags vom 4.10.1976).

Aufgrund der grossen Fläche des Grundstücks von rund 30'000 m2, wovon rund fünf Sechstel in der Bauzone, und der damals tieferen Ausnützungsziffer (0,5) war nicht ohne Weiteres zu erwarten, dass die damalige Grundeigentümerin mit hoher Wahrscheinlichkeit beabsichtigt hätte, auch den unmittelbar über der Leitung liegenden Boden zu überbauen. Vielmehr war davon auszugehen, dass eine Überbauung sich auf die nicht von der Leitung betroffenen Flächen von immer noch erheblicher Grösse beschränken würde, zumal nicht ersichtlich ist, dass damals eine baldige Erhöhung der Ausnützungsziffer zu erwarten gewesen wäre. Schliesslich durfte von der Grundeigentümerin bei einer Enteignung im Rahmen ihrer Pflicht zur Schadensminderung auch verlangt werden, dass sie die Überbauung des Grundstücks der Durchleitungsdienstbarkeit anpasst.

Wenn der Wert einer zwangsweise erhobenen Durchleitungsdienstbarkeit zugrunde gelegt wird, ist demnach kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dieser und dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten (im Übrigen von der Beschwerdegegnerin bestrittenen) Schaden aus entgangenem Gewinn ersichtlich. Gleiches hat auch für eine vertraglich vereinbarte Dienstbarkeit zu gelten.

Ein entsprechender Minderwert des Grundstücks oder weitere zu entschädigende Nachteile aufgrund einer Mindernutzung sind, zumindest in der vom Beschwerdeführer behaupteten Höhe, nicht erkennbar. Selbst wenn sich durch die Dienstbarkeit ein gewisser Minderwert ergäbe - trotz den möglicherweise die Überbaubarkeit bereits beschränkenden vorbestehenden Leitungen für Wasserversorgung und Strom in einigen Metern Abstand parallel zur Sammelleitung - so wäre zu beachten, dass für einen solchen Minderwert und allfällige weitere Nachteile bei einer Teilenteignung gemäss § 21 Abs. 1 Satz 1 kEntG insoweit kein Ersatz zu leisten wäre, als sie durch besondere Vorteile aufgewogen würden, die dem Enteigneten aus dem Werk des Enteigners entstehen.

Das streitbetroffene Grundstück erfuhr durch die Erstellung der Abwasserleitung insofern einen erheblichen Vorteil, als es zuvor in geringerem Mass durch private Abwasserleitungen erschlossen war. Die erforderlichen Erschliessungsanlagen werden gemäss Art. 19 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG; SR 700) durch die jeweilige Nutzung der konkreten Zone bestimmt (vgl. BGE 117 Ib 308 E. 4a). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die vorbestehende private Sammelleitung (mit Durchmesser von 45 cm) kaum als hinreichende Groberschliessung für eine gesamthafte Überbauung zu betrachten. Da die Gemeinde auf die Erhebung von Perimeterbeiträgen verzichtete, wurden diese besonderen Vorteile nicht durch Grundeigentümerbeiträge abgegolten, womit sie weiterhin anzurechnen sind (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 kEntG).

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Durchleitungsdienstbarkeit zwar die Überbaubarkeit des Grundstücks in gewissem Mass beschränkte, aber der mögliche dadurch bedingte, für sich genommen entschädigungsfähige Minderwert des Grundstücks der Mehrwert zumindest teilweise durch dessen verbesserte Erschliessung ausgeglichen wurde. Selbst wenn der Minderwert gegenüber dem Mehrwert leicht überwogen hätte, so ist davon auszugehen, dass ein allfälliger gesamthafter Minderwert jedenfalls weitaus geringer war als die streitbetroffene Anschlussgebühr. Weitere Beweismassnahmen hierzu erübrigen sich daher.

5.4.6.

5.4.6.1.

Es fragt sich, ob das Gesagte noch zuträfe, wenn ein Verlegungsanspruch der Grundeigentümerin ausgeschlossen worden wäre, wie der Beschwerdeführer behauptet.

5.4.6.2.

Gemäss Art. 693 ZGB kann der durch eine nachbarrechtlich begründete (Not-)Durchleitungsdienstbarkeit belastete Grundeigentümer eine seinen Interessen entsprechende Verlegung der Leitung verlangen, wenn sich die Verhältnisse ändern (Abs. 1). Die Kosten der Verlegung hat in der Regel der Berechtigte zu tragen (Abs. 2). Wo besondere Umstände es rechtfertigen, kann jedoch ein angemessener Teil der Kosten dem Belasteten auferlegt werden (Abs. 3).

Das mit Vertrag vom 4. Oktober 1976 vereinbarte Durchleitungsrecht beruht nicht auf den besonderen nachbarrechtlichen Bestimmungen von Art. 691 ff. ZGB. Vielmehr handelt es sich um eine Personaldienstbarkeit zu Gunsten der damaligen Gemeinde Y im Sinn von Art. 781 ZGB. Personaldienstbarkeiten stehen, abgesehen von Art. 781 Abs. 2 ZGB, unter den Bestimmungen über die Grunddienstbarkeiten (Art. 781 Abs. 3 ZGB).

Gestützt auf die per 1. Januar 2012 aufgehobene (vgl. AS 2011 4637) Verweisnorm in Art. 742 aAbs. 3 ZGB waren allerdings bis dahin gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch auf Durchleitungsdienstbarkeiten, die nicht aufgrund eines nachbarrechtlichen Anspruchs nach Art. 691 Abs. 1 ZGB begründet wurden, hinsichtlich der Verlegung von Leitungen in allen Punkten die nachbarrechtlichen Vorschriften gemäss Art. 693 ZGB anwendbar (vgl. BGE 97 II 371 E. 5). Mit der Aufhebung von Art. 742 aAbs. 3 ZGB kommt nunmehr für alle Durchleitungsdienstbarkeiten ausser nachbarrechtlichen Notleitungen im Sinn von Art. 691 Abs. 1 ZGB bei Leitungsverlegungen die Kostenregelung nach Art. 742 Abs. 1 ZGB zur Anwendung, gemäss welcher der Grundeigentümer selber die Kosten für die Verlegung zu übernehmen hat (vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht] vom 27.6.2007, BBl 2007 5312).

Dies bedeutet, dass die Grundeigentümerin unabhängig davon, auf welcher Grundlage die streitbetroffene Durchleitungsdienstbarkeit entstand, ob durch freie Vereinbarung oder durch Zwang, grundsätzlich einen Verlegungsanspruch nach Art. 693 ZGB hatte (bis zum Verkauf des Grundstücks im Jahr 2007), vorbehältlich eines vertraglichen Ausschlusses dieses Rechts.

5.4.6.3.

Hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs des Verlegungsanspruchs ist festzuhalten, dass eine Änderung der Verhältnisse im Sinn von Art. 693 Abs. 1 ZGB nur dann vorliegt, wenn Umstände eingetreten sind, die, wenn sie schon zur Zeit der Erstellung der Leitung vorhanden gewesen wären, eine andere Führung der Leitung bedingt hätten. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Leitung durch einen Grundstücksteil geführt wird, der nunmehr für eine bauliche Nutzung bestimmt ist. Dabei können nebst wirtschaftlichen Interessen auch schützenswerte ästhetische und andere immaterielle Gründe zur Verlegung einer Leitung Anlass geben (Meyer-Hayoz, a.a.O., Art. 693 ZGB N 2 f., Rey/Strebel, Basler Komm., 5. Aufl. 2015, Art. 693 ZGB N 4).

Das Grundstück z war bereits im Jahr 1976 zum grössten Teil der Bauzone (Wohnund Gewerbezone, heute: Wohnund Arbeitszone [vgl. Art. 6 des Bauund Zonenreglements der Gemeinde Y]) zugewiesen und insofern für eine bauliche Nutzung bestimmt. Ob die spätere Erhöhung der Ausnützungsziffer von 0,5 auf 0,7 eine Änderung der Verhältnisse im Sinn von Art. 693 Abs. 1 ZGB bewirkte, ist fraglich. Inwiefern dies anderweitig eingetreten sein könnte, ist auch nicht ersichtlich.

Ausserdem ist zu beachten, dass der Verlegungsanspruch auf eine den Interessen des Belasteten entsprechende Verlegung geht. Dies bedeutet, dass auch gegenläufige Interessen zu berücksichtigen sind und zu prüfen ist, ob die veränderten Verhältnisse von solchem Gewicht sind, dass sie die dem Berechtigten zu verursachenden Kosten überwiegen (Göksu, Handkomm. zum Schweizer Privatrecht, 3. Aufl. 2016, Art. 693 ZGB N 3; vgl. Liver, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, Basel 1977, S. 264 f.). Somit wäre jeweils zu fragen, ob allfällige veränderte Verhältnisse eine Verlegung der Leitung in der vom Grundeigentümer verlangten Art überhaupt hätten rechtfertigen können. Im konkreten Fall wären die Vorteile einer Verlegung an die Grundstücksgrenze gegenüber den entsprechenden baugrundbedingten erheblichen Mehrkosten abzuwägen gewesen.

Schliesslich konnte gemäss Art. 693 Abs. 3 ZGB (i.V.m. Art. 742 aAbs. 3 und Art. 781 Abs. 3 ZGB) auch in der Rechtslage vor dem Jahr 2012 ein angemessener Teil der Kosten dem Belasteten auferlegt werden, wo dies besondere Umstände rechtfertigten. Dies konnte insbesondere der Fall sein, wenn ursprünglich im Rahmen der Festsetzung der Entschädigung des Grundeigentümers berücksichtigte Nachteile infolge der Verlegung später wegfielen, namentlich wenn die Verlegung mit einem grossen Kostenaufwand und geringem Nutzen für den Durchleitungsberechtigten verbunden war (vgl. BGE 97 II 371 E. 9; Meyer-Hayoz, a.a.O., Art. 693 ZGB N 11 f.; Rey/Strebel, a.a.O., Art. 693 ZGB N 9; Brücker, Das nachbarrechtliche Durchleitungsrecht, Diss. Zürich 1991, S. 184 f. und 187 f., je mit Hinweisen).

5.4.6.4.

Der Beschwerdeführer macht mit Verweis auf die Lehre geltend, die frühere Grundeigentümerin habe auf den Verlegungsanspruch gemäss Art. 693 Abs. 1 ZGB (i.V.m. Art. 742 aAbs. 3 ZGB) implizit verzichtet, indem sie der Überbindung der Kostentragung für Sicherheitsmassnahmen im Fall der Überbauung zugestimmt habe.

Wenn ein Grundeigentümer sich bereit erklärt, die Kosten für Schutzvorkehren bei Überbauung einer Leitung selber zu tragen, so kommt dies einem Verzicht auf den Verlegungsanspruch nach Art. 693 ZGB nicht ohne Weiteres gleich. Zwar bejahte das Bundesgericht in dem von der Lehre zitierten Urteil (BGE 71 II 27; vgl. Rey/Strebel, a.a.O., Art. 693 ZGB N 11) die Möglichkeit, dass die Interessen des belasteten Grundeigentümers anstatt durch eine Verlegung der Durchleitung auch durch bauliche Schutzvorkehren (gegen Bruch und Einsturz) wahrgenommen werden können, selbst wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird (E. 1). Dabei erachtete es das Bundesgericht allerdings als gerechtfertigt, dass im konkreten Fall die Kosten für die Vorkehren nicht ganz dem Berechtigten, sondern zu einem Drittel auch dem belasteten Grundeigentümer auferlegt wurden (E. 2).

Der in BGE 71 II 27 beurteilte Sachverhalt kann nicht mit dem vorliegenden gleichgesetzt werden. Das genannte Urteil bestätigt immerhin, dass bei der Verlegung der Kosten im Sinn von Art. 693 Abs. 2 ZGB jeweils das Interesse des Durchleitungsberechtigten gegenüber dem Interesse des belasteten Grundeigentümers an der Benützung seines Grundstücks abzuwägen ist. Indem die frühere Grundeigentümerin sich bereit erklärte, die Kosten für Schutzvorkehren selber zu übernehmen, deutet dies darauf hin, dass sie dies aufgrund der konkreten Interessenlage als gerechtfertigt erachtete. Da die Kosten solcher Schutzvorkehren aber in der Regel geringer sind als jene einer Verlegung der Leitung - weitaus geringer im vorliegenden Fall, gemäss den Kostenaufstellungen der Parteien - kann aus einer solchen Übernahme nicht darauf geschlossen werden, dass sie von Vornherein auch auf ihren grundsätzlichen Verlegungsanspruch nach Art. 693 Abs. 1 ZGB verzichtet hätte. Der Umstand, dass die Verlegung einer Interessenabwägung bedarf und allenfalls auch eine Kostenpflicht des Grundeigentümers mit sich bringt, ändert nichts hieran. Beiden Vertragsparteien musste auch klar gewesen sein, dass eine Verlegung hohe Kosten verursachen würde. Dies weist darauf hin, dass sie die Kostentragung für den Fall einer Verlegung ausdrücklich im Vertrag geregelt hätten, wenn sie eine vom Gesetz abweichende Lösung beabsichtigt hätten.

Auch der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin (unabhängig von der per 1.1.2012 geänderten Rechtslage) in den Gesprächen betreffend die Leitungsverlegung im Jahr 2012 einen entsprechenden Verzicht nicht geltend machte, zeigt auf, dass weder sie noch deren Rechtsvorgängerin, die Gemeinde Y, von einem solchen wussten. Wäre mit dem Vertrag vom 4. Oktober 1976 ein solcher Verzicht beabsichtigt worden, so hätte die Gemeinde Y dies mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vertrag oder in ihren eigenen Akten vermerkt, gerade um sich später gegebenenfalls darauf berufen zu können.

Es ist ferner auch nicht erkennbar, aus welchem Grund die damalige Grundeigentümerin freiwillig auf einen solchen Verlegungsanspruch hätte verzichten wollen. Auf jeden Fall geht ein entsprechender Verzicht weder aus dem Wortlaut des streitbetroffenen Vertrags noch aus den Umständen der Vertragsentstehung oder der späteren Praxis hinreichend klar hervor.

5.4.6.5.

Den damaligen Vertragsparteien musste auch bewusst gewesen sein, dass anstelle einer vertraglichen grundsätzlich auch die zwangsweise Begründung eines Durchleitungsrechts mittels eines Enteignungsverfahrens möglich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts war und ist es auch zulässig, den Verlegungsanspruch des belasteten Grundeigentümers durch Enteignung auszuschliessen, dies aufgrund des öffentlichen Interesses an der Errichtung eines rechtlich gesicherten, leicht zugänglichen und nicht von Verlegungsbegehren bedrohten Netzes von öffentlichen Abwasserleitungen (vgl. BGE 104 Ib 199 E. 3b).

Auch wenn das angeführte Urteil des Bundesgerichts erst im Jahr 1978 erging, also nach Vertragsschluss, ist davon auszugehen, dass die damalige Gemeinde Y bestrebt gewesen wäre, den Verlegungsanspruch klar auszuschliessen, ob vertraglich oder auf dem Weg der Enteignung, falls sie erwartet hätte, dass die Grundeigentümerin je eine Verlegung der Leitung verlangen würde. Der Vertragsinhalt - nebst der damals tieferen Ausnützungsziffer - deutet darauf hin, dass eher mit einer Überbauung der Leitung gerechnet wurde, zumal bei einer Verlegung der Leitung, soweit überhaupt aufgrund der Interessen der Beteiligten gerechtfertigt, möglicherweise auch die Grundeigentümerin teilweise kostenpflichtig geworden wäre.

5.4.6.6.

Weiter gilt es zu beachten, dass die Begründung einer Durchleitungsdienstbarkeit auf dem Weg der Enteignung nicht ohne Weiteres dazu geführt hätte, dass die Leitung der Ostoder Westgrenze des Grundstücks z entlang verlaufen wäre.

Die Enteignung ist nur zulässig, wenn sie zur Erfüllung von Aufgaben erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegen (§ 3 kEntG), wobei das Enteignungsrecht nur beansprucht werden kann, soweit es zur Erreichung des Zwecks notwendig ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 kEntG; im gleichen Sinn: Art. 1 EntG).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fordert das öffentliche Interesse an einem Werk unter anderem, dass dieses auf möglichst zweckmässige Weise erstellt wird. Der Erwerb einer Sache oder eines Rechts muss unumgänglich sein, um das im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen. Das ist freilich nicht nur dann anzunehmen, wenn das Werk ohne die Sache bzw. das Recht überhaupt nicht durchführbar wäre, sondern schon dann, wenn es ohne sie nicht zweckmässig oder nur mit einem unverhältnismässigen Mehraufwand ausgeführt werden könnte. Der Grundsatz der Notwendigkeit des Eingriffs bedeutet somit nicht, dass nur gerade derjenige Eingriff ins Eigentum zulässig sei, der zur Verwirklichung des öffentlichen Werks unbedingt notwendig ist, sondern es ist der zur angemessenen Realisierung des Werks erforderliche Eingriff zulässig, was sich auf alles erstrecken kann, was in technischer und rechtlicher Hinsicht dafür notwendig ist. Das Prinzip der Verhältnismässigkeit (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV) erschöpft sich nicht in dem Erfordernis, dass der Eingriff in die Eigentumsrechte zur Erreichung des verfolgten Zwecks notwendig sein muss, sondern verlangt auch eine Abwägung der im konkreten Fall einander entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen (BGE 105 Ib 187 E. 6a, 99 Ia 473 E. 4b, 90 I 328 E. 3). Das Gebot der Verhältnismässigkeit verlangt, dass die von der Behörde gewählten Massnahmen für das Erreichen des gesetzten Ziels geeignet, notwendig und für den Betroffenen zumutbar sind. Der angestrebte Zweck muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln bzw. zu den zu seiner Verfolgung notwendigen Beschränkungen und Eingriffen in die Grundrechte stehen (vgl. BGE 126 I 112 E. 5b, mit Hinweisen; vgl. zum Ganzen auch: Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 295 vom 4.3.2016 E. 9.5.1; Hess/Weibel, a.a.O., Art. 1 EntG N 25 ff.; Hänni, Planungs-, Bauund besonderes Umweltschutzrecht, 6. Aufl. 2016, S. 588 f.).

Ob eine Enteignung das dem Eigentümer zumutbare Mass überschreitet, wäre letztlich einzelfallweise aufgrund der gesamten Umstände zu beurteilen (vgl. u.a. BGer-Urteil 1P.329/2003 vom 29.9.2003 E. 5; Urteil des Kantonsgerichts Luzern 7H 14 295 vom 4.3.2016 E. 9.5.1).

5.4.6.7.

Sofern bei einer zwangsweisen Begründung einer Durchleitungsdienstbarkeit auf Grundstück z eine alternative Leitungsführung entlang der Grundstücksgrenze in Betracht gezogen worden wäre, so hätte demnach abgewogen werden müssen, inwiefern der dadurch verursachte Mehraufwand gegenüber dem privaten Interesse an einer grösstmöglichen Schonung des Grundstücks gerechtfertigt gewesen wäre. Wegen der erheblichen Probleme bedingt durch den Baugrund kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass das private Interesse, durch eine alternative Leitungsführung die Beanspruchung des Grundstücks soweit als möglich zu vermindern, demgegenüber überwogen hätte. Somit könnte auch dem Verlegungsanspruch, auf welchen die damalige Grundeigentümerin nach beschwerdeführerischer Auffassung verzichtet hat, nicht ohne Weiteres ein Wert in Höhe der Kosten zugemessen werden, welche eine Verlegung an die Grundstücksgrenze verursacht hätte.

5.4.7.

Nach dem Gesagten ist nicht erwiesen, dass es auf dem Weg der Enteignung unmöglich gewesen wäre, eine Durchleitungsdienstbarkeit zu begründen, die ebenso wie die streitbetroffene vorgesehen hätte, dass die Leitung das Grundstück z in dessen Mitte durchquert. Selbst wenn die damalige Grundeigentümerin auf den Verlegungsanspruch nach Art. 693 i.V.m. Art. 742 aAbs. 3 ZGB verzichtet hätte - was nicht erwiesen ist -, wäre der Wert dieses grundsätzlich enteignungsfähigen Anspruchs daher erheblich geringer gewesen, als es der Beschwerdeführer geltend macht. Namentlich aufgrund der Schadenminderungspflicht des Enteigneten fehlte es sodann an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Enteignung und einem entsprechenden erheblichen Minderwert des Grundstücks aufgrund verminderter Überbaubarkeit, welcher nicht zumindest teilweise durch die verbesserte Erschliessung aufgewogen würde. Daher ist auch nicht erwiesen, dass eine solche zwangsweise begründete Dienstbarkeit durch eine finanzielle Entschädigung oder andere Gegenleistung hätte entgolten werden müssen, die ein Hundertfaches des Werts der vorliegend vertraglich vereinbarten Entschädigung von Fr. 2'750.-- betragen hätte (zur Praxis von derartigen Entschädigungsansätzen pro Laufmeter Leitung, auch bei nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken, vgl. Brücker, a.a.O., S. 156, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; vgl. auch Meyer-Hayoz, a.a.O., Art. 691 ZGB N 48).

Entsprechendes gilt auch für den Wert der durch den Vertrag vom 4. Oktober 1976 eingeräumten Dienstbarkeit. Es sind auch keine weiteren vertraglich zugesicherten Leistungen der Grundeigentümerin in solcher Höhe erkennbar, zumal die von ihr ("dem Bauherrn") zu übernehmenden Kosten der Sicherheitsmassnahmen im Fall der Überbauung als weitaus tiefer einzuschätzen sind als diejenigen einer nachträglichen Verlegung der Leitung.

Zusammenfassend ist nicht ersichtlich, dass einem mutmasslichen Verzicht auf eine Abgabeerhebung in Höhe von rund Fr. 300'000.-- (nach damaligem Stand der allgemeinen Preisentwicklung) eine Gegenleistung oder ein zu entschädigender Vermögensverlust der damaligen Grundeigentümerin in vergleichbarer Höhe gegenübergestanden hätte.

5.5.

Nach dem Gesagten fehlt es an einer dem Abgabebetrag entsprechenden Sachoder Dienstleistung der damaligen Grundeigentümerin als (grundsätzlich) pflichtiger Person (in Form einer Gegenleistung oder allenfalls einer zu entschädigenden Vermögenseinbusse mit vergleichbarem Wert), welche es gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BGE 103 Ia 31 E. 2b; vgl. auch vorstehende E. 5.2) hätte rechtfertigen können, auf die Erhebung einer Abgabe zu verzichten. Mangels gleichwertiger Gegenleistung wäre der damaligen Grundeigentümerin demnach eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Sonderbehandlung gewährt worden, welche ihr wirtschaftliche Vorteile gebracht hätte. Damit hätte ein entsprechender Vertrag eine unzulässige Abgabevergünstigung bedeutet.

6.

6.1.

Selbst wenn im Rahmen des streitbetroffenen Vertrags eine Befreiung von künftigen Anschlussgebühren ("Baukostenbeitrag") formell gültig zustande gekommen wäre, so gälte die darin enthaltene Abgabevergünstigung materiell als Verstoss gegen eine zwingende Rechtsnorm, nämlich den Grundsatz der Gleichbehandlung im Abgaberecht (vgl. Art. 8 Abs. 1 BV).

Das Bundesgericht wendet in diesem Fall die Regeln über den Widerruf von Verfügungen sinngemäss an. Demnach kann der Vertrag aufgehoben werden, wenn das Interesse an der Verwirklichung des objektiven Rechts das Vertrauen in die Beständigkeit des Vertrags überwiegt, wobei verletzte Vertrauensschutzansprüche zu entschädigen sind (BGE 138 V 147 E. 2.3 f., 105 Ia 207 E. 2b, 103 Ia 505 E. 4; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 35 N 9).

6.2.

Überdies focht der damalige Gemeinderat Y, anwaltlich vertreten, mit jeweiligem Schreiben vom 7. Mai 2008 an den Beschwerdeführer und die frühere Grundeigentümerin, den streitbetroffenen Vertrag infolge Willensmängel für den Eventualfall an, dass ein Gericht die betreffende vertragliche Bestimmung (Ziff. 6) als Befreiung von Anschlussgebühren auslegen sollte.

Ein Begehren, wonach der Vertrag aufgrund von Willensmängeln gerichtlich für ungültig zu erklären sei, wäre - soweit jener öffentlich-rechtlichen Inhalts ist - gemäss § 162 lit. a VRG durch verwaltungsrechtliche Klage einzureichen (vgl. BGE 105 Ia 207 E. 2b f.; Klein, a.a.O., S. 188 ff., 192; Tschannen/Zimmerli/Müller, a.a.O., § 35 N 10). Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist hierüber nicht zu entscheiden. Festzuhalten ist immerhin, dass gemäss der Lehre ein Willensmangel seitens der Behörde beim Abschluss von verwaltungsrechtlichen Verträgen zumindest dann beachtlich ist, wenn er einer Gesetzesverletzung gleichkommt (vgl. Klein, a.a.O., S. 191, mit weiteren Hinweisen).

6.3.

Wenn zwischen der Verwaltung und einem Privaten ein eigentlicher, widerrechtlicher Abgabevergünstigungsvertrag geschlossen wurde, vermag eine Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht durchzudringen. Soweit solche Verträge nicht schlechthin nichtig sind, kommt bei einer Güterabwägung dem Interesse an der Verwirklichung des objektiven Rechts, nämlich an der rechtsgleichen Anwendung des Abgaberechts, insbesondere bei der Durchsetzung der gesetzmässig erhobenen Abgaben, und an der Vermeidung einer unzulässigen Abgabevergünstigung, der Vorrang vor der Beständigkeit einer solchen Vereinbarung und der Beibehaltung der dadurch geschaffenen Rechtslage zu (vgl. BGE 103 Ia 505 E. 4c und 94 I 446 E. 3, mit Hinweisen). Daher wäre der Vertrag diesbezüglich ohnehin aufzuheben, soweit er nicht als (teilweise) nichtig zu beurteilen wäre.

6.4

(Ausführungen zum Vertrauensschutz)
Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
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