Art. 363 ff. und 398 ff. StPO. Das Obergericht nimmt Rechtsmittel gegen sämtliche nachträglichen gerichtlichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO als Berufung entgegen und unterstellt sie den entsprechenden Regeln nach Art. 398 ff. StPO.
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Aus den Erwägungen:
1.- Die Frage, welches Rechtsmittel gegen sogenannte nachträgliche Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO zu ergreifen ist, fand im Gesetzgebungsverfahren und auch kurz nach Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung keine besondere Beachtung. Die damals vorhandene Literatur folgte einheitlich der in der Botschaft des Bundesrats zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts geäusserten Auffassung, es sei eine Beschwerde nach Art. 393 ff. StPO angezeigt (vgl. BBl 2006 II 1058, S. 1156; statt vieler Schmid, Praxiskomm. Schweizerische Strafprozessordnung, Zürich 2009, Art. 80 StPO N 1). In der Folge wurde diese Haltung in der Literatur indessen zu Recht in Zweifel gezogen. Ein blosses Anknüpfen an der Bezeichnung der getroffenen Entscheidung (Beschluss oder Verfügung), wie dies in der primär durch die Zürcher Praxis und die dort verwendeten Begriffe geprägten Literatur verbreitet ist, dürfte tatsächlich der Sache nicht gerecht werden. Vielmehr ist auf den materiellen Inhalt solcher nachträglichen Entscheide abzustellen. Diese Betrachtungsweise ist mit der Erkenntnis verbunden, dass solche nachträglichen Entscheide besonders im Bereich des Massnahmenrechts gewichtige Rechtsfolgen für die Betroffenen haben (dazu Heer, Basler Komm., Basel 2011, Art. 363 StPO N 1).
Wohl wird nicht verkannt, dass es hier nicht mehr um eine umfassende eigenständige strafrechtliche Beurteilung geht. Die Abänderung oder Verlängerung der Sanktion bzw. von anderen Anordnungen in deren Zusammenhang stellen indessen eine Durchbrechung der Rechtskraft des Sachurteils dar und haben letztlich den Charakter einer Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache. Im Gegensatz dazu fällt auf, dass bei der Beschwerde die unzähligen möglichen Anfechtungsobjekte regelmässig Verfahrensfragen betreffen und Prozessentscheide darstellen. Zwar wurde in der Schweizerischen Strafprozessordnung die Beschwerde den Rechtsmitteln gegen Sachentscheide in verschiedener Hinsicht angeglichen. Auch die Beschwerde ist ein ordentliches Rechtsmittel mit Devolutiveffekt sowie freier und umfassender Kognition. Gewisse Besonderheiten bei der Beschwerde wie kürzere Fristen (Begründung der Beschwerde innert zehn Tagen, blosse Anmeldung der Berufung innert zehn Tagen), Besetzung des Richterkollegiums (die Beschwerdeinstanz kann im Gegensatz zur Berufungsinstanz auch ein Einzelgericht sein, vgl. Art. 395 StPO e contrario und Kipfer, Basler Komm., Basel 2011, Art. 20 StPO N 1) oder die Unterschiede betreffend aufschiebende Wirkung lassen den Eindruck entstehen, dass man mit einer Beschwerde dem inhaltlichen Gewicht der angefochtenen Entscheide nicht gerecht werden kann (dazu Christopher Geth, Rechtsmittel gegen selbstständige nachträgliche Entscheide des Gerichts nach Art. 363 ff. StPO, in: AJP 3/2011 S. 316 f.).
Ob bei sämtlichen Entscheiden nach Art. 363 ff. StPO das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist, oder ob gegen gewisse rein vollzugsrechtliche Entscheide, wie beispielsweise die Anordnung einer bereits im Sachurteil angedrohten Ersatzfreiheitsstrafe nach Art. 36 StGB oder die Umwandlung einer gemeinnützigen Arbeit in eine Geldoder Freiheitsstrafe nach Art. 39 StGB, die bereits zwingend im ursprünglichen Urteil vorgezeichnet sind, eine Beschwerde zu ergreifen ist, kann zur Diskussion gestellt werden (so etwa Christopher Geth, a.a.O., S. 319). Immerhin kann sich aber auch in diesem Bereich die Situation verkomplizieren (vgl. etwa die Geltendmachung einer erheblichen Verschlechterung der Verhältnisse gemäss Art. 36 Abs. 3 StGB), sodass auch hier wiederum strafrichterliche Aufgaben im Vordergrund stehen. Im Interesse der Rechtssicherheit rechtfertigt sich die Postulierung einer einheitlichen Lösung, mithin die Zulassung einer Berufung gegen sämtliche nachträglichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO. Für den speziellen Fall einer nachträglichen Verwahrung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 StGB schliesslich ist auf die gesetzlich vorgesehenen Besonderheiten hinzuweisen. Solche Entscheide unterstehen im Gegensatz zu Abänderungsentscheiden im Sinne von Abs. 1 derselben Bestimmung den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 410 ff. StPO, haben in einem Urteil zu ergehen und unterliegen bereits aus diesem Grund der Berufung nach Art. 398 ff. StPO. Im letztgenannten Zusammenhang lässt sich im Übrigen anführen, dass eine unterschiedliche Behandlung dieser zwei Varianten gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 StGB von der Sache her nicht gerechtfertigt ist, was wiederum für die Zulassung einer Berufung gegen alle solchen nachträglichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO spricht.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Obergericht Rechtsmittel gegen sämtliche nachträglichen gerichtlichen Entscheide im Sinne von Art. 363 ff. StPO als Berufung entgegennimmt und den entsprechenden Regeln nach Art. 398 ff. StPO unterstellt (so auch etwa das Berner Obergericht gemäss Renate Schnell, Entscheide nach Art. 365 StPO - berufungsfähig oder nur der Beschwerde zugänglich, in: forumpoenale 2/2011 S. 111 f.).
4. Abteilung, 4. April 2012 (4M 12 1)
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