Art. 9 und 457 ZGB; Art. 18 und 27 Abs. 1 IPRG. Keine Erbenstellung eines Kindes, dessen Eintragung im Schweizer Familienregister auf einer nicht den Tatsachen entsprechenden brasilianischen Geburtsurkunde basiert, welche das (Findel)-Kind als leibliches Kind des Erblassers und dessen Ehefrau ausweist. Die sog. sozio-affektuöse Adoption nach brasilianischem Recht verletzt den ordre public jedenfalls dann, wenn die leibliche Mutter des Kindes unbekannt ist.
In einem Erbteilungsprozess war umstritten, ob dem Kläger Erbenstellung zukommt. Die Frage wurde sowohl vom Bezirksgericht als auch vom Obergericht verneint.
Aus den Erwägungen:
3. - Bei einem in der Schweiz abzuwickelnden Nachlass eines Schweizer Bürgers können sich präjudizielle Vorfragen der Erbberechtigung stellen, die (wie vorliegend) einen internationalen Bezug haben (vgl. Art. 92 IPRG; Heini, Zürcher Komm. zum IPRG, 2. Aufl., Art. 92 IPRG N 14). Die vom Kläger behauptete Erbberechtigung beruht auf Vorgängen und Dokumenten, die ihren Ursprung in Brasilien haben.
4. - Ausgangspunkt des vorliegenden Streits ist die Feststellung der Teilungsbehörde, wonach der Kläger Sohn des Erblassers aus zweiter Ehe ist. Diese Feststellung fusst erklärtermassen auf den Eintragungen im Familienregister Luzern. Damit ist Art. 9 ZGB zu beachten, wonach öffentliche Register für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis erbringen, solange nicht die Unrichtigkeit des Inhalts nachgewiesen ist. Dieser Nachweis ist an keine besondere Form gebunden (Art. 9 Abs. 2 ZGB).
5. - Grundlage für die vorgenannte Eintragung im Luzerner Familienregister war in der Sache selber offenbar die brasilianische Geburtsurkunde des Klägers aus dem Jahre 1993, die in der amtlichen Bestätigung des Zivilstandsregisters Saõ Paulo/Brasilien vom 7. April 2009 wiedergegeben ist. In dieser Urkunde hat der Erblasser den brasilianischen Zivilstandsbehörden gegenüber erklärt, er und seine (damalige) Ehefrau seien die biologischen Eltern des Klägers.
6. - Nachdem der Kläger im vorliegenden Prozessverfahren selber ausführt, er sei von seinen bis heute unbekannt gebliebenen Eltern ausgesetzt und vom Erblasser und dessen (damaliger) Ehefrau als Findelkind aufgenommen worden, ist davon auszugehen, dass die genannte Geburtsurkunde inhaltlich falsch ist. Die darin enthaltenen Erklärungen des Erblassers sind insofern unzutreffend, als der Kläger weder der biologische Sohn des Erblassers noch dessen (damaliger) Ehefrau ist. Damit ist der Eintrag im Luzerner Familienregister widerlegt.
6.1. Art. 9 Abs. 2 ZGB, der die Widerlegung eines Registereintrages unbeschränkt zulässt, findet auch dann Anwendung, wenn der Eintrag aufgrund einer ausländischen Urkunde erfolgte (so bereits vor dem Inkrafttreten des IPRG: Kummer, Berner Komm., Art. 9 ZGB N 74 und 77; Schmid/Lardelli, Berner Komm., 4. Aufl., Art. 9 ZGB N 35). Zudem wäre es unzulässig, Rechte abzuleiten aus dem Inhalt einer amtlichen Urkunde, die man selber gleichzeitig als unzutreffend bezeichnet; das Verbot des offenbaren Rechtsmissbrauchs im Sinn von Art. 2 Abs. 2 ZGB (gleichzeitige Geltendmachung sich diametral widersprechender Standpunkte) gehört zu jenen Normen, die das Schweizer Gericht als IPR-zwingendes Recht in jedem Fall anzuwenden hat (Art. 18 IPRG; vgl. Vischer, Zürcher Komm. zum IPRG, Art. 18 IPRG N 12 mit Verweis auf BGE 128 III 201 E. 1c S. 206).
6.2. Eine Erbenstellung gegenüber dem Erblasser aufgrund biologischer Abstammung ist demnach zu verneinen.
7. - Dem Kläger steht es frei, eine Erbenstellung aus anderen Gründen nachzuweisen. Eine amtlich registrierte Adoption ist weder geltend gemacht noch ergibt sie sich aus den Akten. Damit entfällt von vornherein eine Überprüfung gemäss Art. 25—32 IPRG.
7.1. Hingegen macht der Kläger eine sogenannte sozio-affektuöse Adoption geltend, die gemäss seinen Ausführungen (die von der Beklagten bestritten werden) nach brasilianischem Recht Bestand habe. Darunter versteht er offenbar eine Adoption ohne Mitwirkung der für die Adoption zuständigen staatlichen Behörden. Implizit leitet der Kläger aus der behaupteten faktischen Adoption eine Erbenstellung gegenüber dem Erblasser her. Zu entscheiden ist demnach, ob eine vom Schweizer Recht zu beachtende Adoption vorliegt, die eine Erbenstellung des Klägers zur Folge hat.
7.2. Gemäss Art. 78 Abs. 1 IPRG wird eine ausländische Adoption in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes im Heimatstaat der adoptierenden Person der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden ist. Vorliegend liegt weder eine amtliche noch eine vertragliche Grundlage der behaupteten Adoption vor (vgl. Siehr, Zürcher Komm. zum IPRG, 2. Aufl., Art. 78 IPRG N 5). Die Anerkennung setzt nach BGE 134 III 472f. E. 4.3 zudem voraus, dass die Adoption von den zuständigen Behörden ausgesprochen wurde, die geeignet waren, die wesentlichen Umstände der Adoption abzuklären (Abklärung der Verhältnisse der Adoptionsgesuchsteller durch die Behörden vor Ort). Ein Widerspruch zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes bzw. den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption liege nicht vor.
Eine bloss faktisch gelebte Adoption (allenfalls aufgrund einer von den Adoptierenden initiierten Geburtsurkunde, die inhaltlich falsch ist, weil sie zu Unrecht eine biologische Abstammung bezeugt) kann in der Schweiz rechtlich nicht anerkannt werden, zumal sie vorliegend einer Rechtsordnung (Brasilien) untersteht, welche nach übereinstimmender Meinung der Parteien (vgl. die eingelegten Rechtsgutachten zum brasilianischen Recht) die amtlich registrierte Adoption kennt (vgl. Siehr a.a.O., Art. 78 IPRG N 6, wonach eine blosse Pflegekindschaft selbst in einem Staat, der die Adoption überhaupt nicht kennt [so die Staaten mit muslimischer Rechtsordnung], in der Schweiz nicht anerkannt wird [wie beispielsweise eine algerische kafala]). Die vom Kläger behauptete Adoption ist demnach für den Erbgang unter Schweizer Recht mit Bezug auf die Frage der Erbenstellung des Klägers ohne Bedeutung. Es fehlen ihr von vornherein die notwendigen Voraussetzungen, nachdem eine Mitwirkung der zuständigen brasilianischen Adoptionsbehörden nicht einmal behauptet ist und sie demnach allein auf einer inhaltlich falschen Zivilstandsurkunde gründet.
7.3. Auch wenn entgegen dem vorstehend Ausgeführten die behauptete sozio-affektuöse Adoption in der Schweiz grundsätzlich zu beachten wäre, hätte der Kläger den tatsächlichen Bestand einer solchen Beziehung nachzuweisen; andernfalls wäre kein Unterschied zur behördlich ausgesprochenen Adoption zu erkennen und diese wäre schlicht überflüssig (was dem brasilianischen Recht nicht zu unterstellen ist). Dieser Nachweis gelingt ihm hingegen nicht. Selbst wenn alle diesbezüglichen Behauptungen des Klägers zuträfen, wäre der Beklagten zumindest der Gegenbeweis gelungen: Die belegten Äusserungen des Erblassers zu seinem (Nicht-)Verhältnis zum Kläger sprechen eindeutig gegen eine faktische und über längere Zeit gelebte Gemeinschaft zwischen dem Kläger und dem Erblasser in der Meinung, ein Vater-Sohn-Verhältnis zu begründen, vgl. insbesondere die zutreffenden vorinstanzlichen Ausführungen auf Seiten 12 bis 14 des angefochtenen Urteils, denen der Kläger vor Obergericht nichts Neues entgegenhält.
7.4. Unter diesen Umständen kann die Frage offen gelassen werden, ob das brasilianische Recht die vom Kläger behauptete sozio-affektuöse Adoption überhaupt anerkennt bzw. 1993 bereits anerkannt hatte. Somit sind auch die vom Kläger eingereichten, neuen Urkunden zum Nachweis des brasilianischen Rechts unbeachtlich, weswegen sich eine Übersetzung erübrigt.
7.5. Ferner würde sich in jedem Fall die Frage nach dem ordre public stellen. Nach Schweizer Recht kann von der Zustimmung der biologischen Eltern zu einer Adoption nur unter gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen abgesehen werden, wobei dies aber auf amtlichem Weg zu geschehen hat (Art. 265d ZGB). Vorliegend ist aber nicht erstellt, dass die bis heute unbekannt gebliebenen biologischen Eltern des Klägers eine Zustimmung gegeben hätten dass auf amtlichem Weg von einer solchen Zustimmung abgesehen (oder ausgegangen) wurde. Die faktische Umgehung dieser Voraussetzungen durch Initiierung einer inhaltlich falschen Geburtsurkunde kann unter Schweizer Recht nicht weiterhelfen. Unter solchen Umständen verstösst eine Adoption gegen den Schweizer ordre public (BGE 120 II 87 E. 3 S. 89; Urteil des Bundesgerichts 2A.655/2004 vom 11.4.2004 E. 2.3.4; vgl. auch BGE 137 I 154 E. 3.3.1 S. 156).
7.6. Zum selben Resultat führt eine Prüfung der vom Erblasser gegenüber den brasilianischen Behörden abgegebenen Erklärung unter dem Gesichtspunkt der Kindesanerkennung. Eine solche ist nach Schweizer Recht nur möglich, wenn die Mutter des anerkannten Kindes bekannt ist (Hegnauer, Berner Komm., Art. 260 ZGB N 47f.; Schwenzer, Basler Komm., Art. 260 ZGB N 2), was hier nicht der Fall ist. Die leiblichen Eltern des Klägers sind unbekannt und in den Akten findet sich kein Hinweis darauf, dass der Erblasser der leiblichen Mutter beigewohnt hat. Die strengen Voraussetzungen der Adoption dürfen nicht durch eine Gefälligkeitsanerkennung «kurzgeschlossen» werden (Hegnauer, a.a.O., Art. 260 ZGB N 62).
1. Abteilung, 22. Oktober 2012 (1B 12 5)