Art. 249 Ziff. 1 und 2 OR. Widerruf einer Schenkung. Nachweis der Einhaltung der Widerrufsfrist von einem Jahr nicht erbracht. Widerrufsgrund einer schweren Straftat und einer schweren familienrechtlichen Pflichtverletzung verneint.
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Die Zweitbeklagte erhob im Erwachsenenalter gegenüber ihren Eltern (Kläger) den Vorwurf, sie sei von ihrem Vater im Kindesalter sexuell missbraucht worden und die Mutter habe nichts dagegen unternommen. Die Erstbeklagte äusserte sich in der Folge dahingehend, dass sie den Aussagen ihrer Schwester glaube. Die Kläger bestreiten die Vorwürfe und reichten beim Amtsgericht eine Klage auf Rückgabe verschiedener Geschenke ein. Das Amtsgericht wies die Klage ab, ebenso das Obergericht.
Aus den Erwägungen:
3.- Nach Art. 249 Ziff. 1 und 2 OR kann der Schenker bei der Schenkung von Hand zu Hand die Schenkung widerrufen und das Geschenkte, soweit der Beschenkte noch bereichert ist, zurückfordern, wenn der Beschenkte gegen den Schenker gegen eine diesem nahe verbundene Person eine schwere Straftat begangen hat wenn er gegenüber dem Schenker einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat. Der Widerruf kann während eines Jahres erfolgen, von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo der Schenker von dem Widerrufsgrund Kenntnis erhalten hat (Art. 251 Abs. 1 OR). Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist, die zu laufen beginnt, sobald der Schenker sichere Kenntnis vom Widerrufsgrund hat. Der Widerruf der Schenkung muss dem Beschenkten vor Ablauf der Frist zukommen, wobei es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt (Vogt, Basler Komm., 4. Aufl., N 1 f. zu Art. 251 OR).
3.1. Streitig ist zunächst, ob die Widerrufsfrist eingehalten ist. Die Kläger halten daran fest, dass die Schenkungen mit Schreiben vom 19. und 20. August 2005 an die Beklagten widerrufen worden seien. Die Beklagten bestreiten, dass die Schreiben bei ihnen eingetroffen seien. Aus den Akten ergibt sich zwar, dass der Kläger die beiden Schreiben eingeschrieben im Ausland aufgegeben hat. Damit allein kann aber der Nachweis für den Empfang bzw. Zugang der Schreiben bei den Beklagten nicht erbracht werden. Der Hinweis der Kläger auf die Lebenserfahrung und die eigene Erfahrung mit Zustellungen von Postsendungen aus dem Ausland hilft nicht weiter. Die Situation hätte allenfalls mit einem Nachforschungsbegehren bei der Post geklärt werden können, was die Kläger jedoch unterlassen haben.
3.1.1. Unbestritten hat die Zweitbeklagte die Vorwürfe an ihre Eltern erstmals im April 2003 ausgesprochen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, machen die Kläger nicht geltend, es seien später neue, weitere Vorwürfe hinzugekommen, so dass sie die ihnen gegenüber erhobenen Vorwürfe spätestens seit Ende 2003 endgültig und in ihrer vollen Tragweite kannten. Spätere Gespräche über diese Angelegenheit bzw. spätere Versuche, den schweren Familienkonflikt dennoch zu bereinigen, sei es direkt über ins Vertrauen gezogene Anwälte, führten nicht zu einem neuen Fristenbeginn. Mit diesen Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil setzen sich die Kläger nicht auseinander, sondern wiederholen ihre Vorbringen in der Klage, wonach die Beklagten ihre Anschuldigungen auch gegenüber Dritten, nämlich gegenüber den Rechtsanwälten Dr. A. und Dr. D. geäussert hätten. Damit sind jedoch die Anforderungen an eine Appellationsbegründung nicht erfüllt, weshalb nicht näher darauf einzugehen ist. Insbesondere erübrigt sich unter diesen Umständen die Einvernahme der beiden Rechtsanwälte Dr. A. und Dr. D. als Zeugen. Beigefügt sei, dass die Äusserung gegenüber Dritten objektives Tatbestandsmerkmal sowohl der üblen Nachrede nach Art. 173 StGB wie auch der Verleumdung gemäss Art. 174 StGB ist und insofern auch keinen neuen Vorwurf zu begründen vermöchte (Donatsch, Strafrecht III, 9. Aufl., Zürich 2008, S. 360).
Schliesslich kann auch mit dem Sühnebegehren der Kläger vom 19. Oktober 2005 die Einhaltung der einjährigen Verwirkungsfrist nicht nachgewiesen werden. Dieses sagt nichts darüber aus, in welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis vom Widerrufsgrund hatten, was massgebend für den Beginn des Fristenlaufs ist.
3.1.2. Die Kläger haben demnach nicht nachgewiesen, dass die Jahresfrist zum Widerruf der behaupteten Schenkungen im Sinne von Art. 251 OR eingehalten ist. Es ist daher mit der Vorinstanz von der Verwirkung des Widerrufsrechts auszugehen, weshalb die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen ist.
3.2. Die Vorinstanz hat zudem ausgeführt, dass die Klage auch mit Blick auf die vorgebrachten Widerrufsgründe hätte abgewiesen werden müssen.
3.2.1. Die Kläger halten am Widerrufsgrund der schweren Straftat fest. Im Rahmen der Revision des Scheidungsrechts wurde dieser Begriff in Anpassung an die strafrechtliche Terminologie neu übernommen. Entscheidend ist die konkrete Schwere der Straftat, nicht die abstrakte juristische Einordnung als Verbrechen Vergehen, die sich am maximalen Strafmass orientiert (BBl 1996 I S. 172 und S. 167 betreffend die gleichlautende Formulierung bei der Strafenterbung nach Art. 477 Ziff. 1 ZGB und der Kürzung Verweigerung des nachehelichen Unterhalts gemäss Art. 125 Abs. 3 ZGB; Bessenich, Basler Komm., 3. Aufl., N 4 zu Art. 477 ZGB). Nach wie vor können unter Art. 249 Abs. 1 OR Verbrechen und Vergehen fallen, nicht aber Übertretungen. Der Begriff der schweren Straftat ist zivilrechtlich selbstständig auszulegen. Voraussetzung ist aber, dass ein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt wurde (Vogt, a.a.O., N 9 zu Art. 249 OR; Sandra Maissen, Der Schenkungsvertrag im schweizerischen Recht, Diss. Freiburg 1996, N 393). Die Handlung des Beschenkten muss als eine schwere Straftat gewertet werden können, wobei aber die Frage, ob eine solche vorliegt und diese einen Widerruf der Schenkung zu begründen vermag, nach rein privatrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (vgl. zur Strafenterbung Bessenich, a.a.O., N 11 zu Art. 477 ZGB; BGE 76 II 269 f. E. 3, 73 II 214). Dem Richter kommt somit die Aufgabe zu, nach strafrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, wann ein Verbrechen Vergehen vorliegt. Ob eine solche Straftat aber genügend schwer ist, um die Beziehung zwischen dem Schenker und dem Beschenkten zu beeinträchtigen, hat er unter zivilrechtlichen Aspekten zu würdigen (Walter Heinrich Meier, Der Widerruf von Schenkungen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1958, S. 62 ff.). Nicht von Bedeutung ist, ob eine Strafe ausgesprochen, ein Strafantrag gestellt eine Strafverfolgung eingeleitet wurde (Vogt, a.a.O., N 9 zu Art. 249 OR, Bessenich, a.a.O., N 11 zu Art. 477 ZGB; Piotet, SPR IV/1, Erbrecht, S. 418). Die Kritik der Kläger am Vorgehen der Vorinstanz, die geprüft hat, ob ein strafbares Verhalten der Beklagten im Sinne von Art. 173 ff. StGB vorliegt, ist daher unbegründet.
3.2.2. Wie bereits die Vorinstanz festgehalten hat, berufen sich die Kläger nicht auf einen konkreten Straftatbestand, sondern machen geltend, die Vorwürfe der Zweitbeklagten seien zu den gravierendsten zu zählen, die man gegenüber den eigenen Eltern erheben könne. Zudem hätten die Beklagten die Vorwürfe auch gegenüber Dritten kundgetan. Seien diese Vorwürfe unwahr, seien sie zweifelsfrei als schwere Straftat im Sinne von Art. 249 Ziff. 1 OR zu qualifizieren. Es kann als unbestritten gelten, dass der Vorwurf, seine eigene Tochter sexuell missbraucht zu haben bzw. ein solches Delikt gebilligt gedeckt zu haben, die Ehre betrifft und grundsätzlich als ehrverletzend zu qualifizieren ist. Damit liegt jedoch noch nicht zwingend ein strafbares Verhalten vor, vorbehalten bleiben Rechtfertigungs-, Schuldausschliessungsund andere Strafhinderungsgründe. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang sind die Entlastungsbeweise (Wahrheitsbeweis, Gutglaubensbeweis; Riklin, Basler Komm., N 38 Vor Art. 173 StGB; N 9 ff. zu Art. 173 StGB). Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass die Frage nach der Wahrheit der hier streitigen Vorhaltungen nicht objektiv schlüssig beantwortet werden könne. Aufgrund der Ausführungen der Psychotherapeutin der Zweitbeklagten sei jedenfalls ausgewiesen, dass sie ernsthafte Gründe gehabt habe und habe, ihre Vorhalte gegenüber den Klägern für wahr zu halten. Was Art. 174 StGB anbelange, mangle es am tatbestandsmässigen Vorsatz. Hinsichtlich Art. 177 StGB Art. 173 StGB greife der Gutglaubensbeweis. Im Ergebnis dasselbe gelte für die Erstbeklagte.
3.2.3. Die Kläger verlangen die Einvernahme von Dr.med. C. zum Nachweis dafür, dass sie als Kinderärztin keine Anzeichen irgendwelchen Missbrauchs festgestellt habe. Die Vorinstanz hat im Zusammenhang mit der Frage der Wahrheit Unwahrheit der Vorwürfe ausgeführt, sexuelle Ausbeutung könne stattfinden, ohne dass Spuren am Körper des Kindes zurückbleiben, welche für den Arzt erkennbar seien. Wenn der Hausoder Kinderarzt keine Feststellungen mache, die auf einen sexuellen Missbrauch hindeuteten, heisse dies nicht, dass kein solcher stattgefunden habe. Ungeachtet der Beweislast sei die von den Klägern beantragte Einvernahme der damaligen Kinderärztin zum Nachweis, dass kein sexueller Missbrauch stattgefunden habe, ein untauglicher Beweis. Diesen Ausführungen im vor-instanzlichen Urteil kann vollumfänglich zugestimmt werden. Die Kläger setzen sich denn auch inhaltlich mit diesen Feststellungen nicht auseinander. Sie machen lediglich geltend, da die Beklagten selbst ihre Vorwürfe u.a. auch auf die Angaben der damaligen Kinderärztin stützten, sei diese förmlich dazu einzuvernehmen. Entscheidend ist indessen, dass mit der Einvernahme von Dr.med. C. nicht bewiesen werden könnte, dass kein sexueller Missbrauch stattgefunden hat, weshalb ihre Aussagen im Strafverfahren nicht relevant sind und eine Zeugeneinvernahme im Zivilprozess unterbleiben könnte.
3.2.4. Dasselbe gilt für den Einwand der Kläger, weder die Zweitklägerin noch die Erstbeklagte hätten Wahrnehmungen gemacht, die auch nur ansatzweise auf sexuellen Missbrauch hingedeutet hätten. Abgesehen davon lässt sich den Aussagen der Erstbeklagten anlässlich der untersuchungsrichterlichen Einvernahmen diesbezüglich auch nichts entnehmen. Ihre Aussage vor dem Bezirksgericht X., dass sie gar nichts wisse, steht in einem anderen Zusammenhang und spricht im Übrigen nicht für den Standpunkt der Kläger. Entgegen ihrer Auffassung kann auf die eidesstattliche Erklärung der Zweitklägerin vom 13. April 2005 nicht abgestellt werden, wie bereits das Amtsgericht mit zutreffender Begründung festgehalten hat. Im Übrigen wäre in diesem Zusammenhang zu beachten, dass es verschiedenen Untersuchungen zufolge keine spezifischen verhaltensmässigen Hinweise auf sexuellen Missbrauch bei Kindern gibt (Klaus M. Beier, Hartmut A. G. Bosinski, Kurt Loewit, Sexualmedizin, 2. Aufl., München 2005, S. 558 f.; vgl. auch Stefania Suter-Zürcher, Die Strafbarkeit der sexuellen Handlungen mit Kindern nach Art. 187 StGB, Zürich 2003, S. 201 f.; Reinhart Lempp, Gerichtliche Kinderund Jugendpsychiatrie, Bern 1983, S. 329). Schon aus diesem Grund greift die Argumentation der Kläger, das Umfeld hätte entsprechende Wahrnehmungen machen müssen, zu kurz.
Schliesslich kann aus den von den Klägern aufgelegten Einvernahmeprotokollen des Bezirksgerichts Zürich nicht abgeleitet werden, dass die beiden Beklagten unterschiedliche Angaben über die Dauer der behaupteten Übergriffe machten. So liegen diesbezüglich nicht direkte Aussagen der Erstbeklagten, sondern diejenigen ihres Psychotherapeuten Dr. E. vor, die mit denjenigen der Zweitbeklagten hinsichtlich des Beginns jedenfalls übereinstimmen.
Zum Vornherein unbeachtlich wären sodann die verschiedenen Bestätigungsschreiben von Familienhilfen langjährigen Freunden, auf die sich die Kläger zum Nachweis ihres intakten Familienlebens stützen. Weiterungen dazu erübrigten sich somit.
3.2.5. Die Vorbringen der Kläger in der Appellationsschrift und an der Appellationsverhandlung vermöchten demnach an der Feststellung im vorinstanzlichen Urteil, wonach den Beklagten kein strafbares Verhalten zur Last gelegt werden kann, nichts zu ändern. Die Vorinstanz ist insbesondere gestützt auf die Ausführungen der Psychotherapeutin der Zweitbeklagten davon ausgegangen, dass diese ernsthafte Gründe gehabt habe, ihre Vorhalte gegenüber den Klägern für wahr zu halten. Mit diesen Erwägungen im angefochtenen Urteil haben sich die Kläger mit keinem Wort auseinandergesetzt, weshalb sie als unbestritten gelten.
3.3. Die Vorinstanz hat auch den Widerrufsgrund der schweren Verletzung familienrechtlicher Pflichten verneint. Die gegenüber den Klägern erhobenen Vorwürfe seien nach dem Gesagten nicht haltlos. Zumindest lägen ernsthafte Gründe vor, die von den Klägern bestrittenen Behauptungen in guten Treuen für wahr zu halten. Es könne den Beklagten nicht verwehrt sein, die gravierenden Erinnerungen den Klägern vorzuhalten bzw. die Vorhalte zu stützen.
3.3.1. Eine schwere Verletzung der familienrechtlichen Pflichten im Sinne von Art. 249 Ziff. 2 OR liegt vor, wenn der Beschenkte schuldhaft (vorsätzlich fahrlässig) und widerrechtlich in gesinnungsund wirkungsmässig schwerer Weise gegen seine familienrechtlichen Pflichten verstossen hat (Vogt, a.a.O., N 10 zu Art. 249 OR; BGE 113 II 256 = Pra 77 Nr. 39 E. 4 S. 159; 76 II 271 f.; Walter Heinrich Meier, a.a.O., S. 65 ff.; Sandra Maissen, a.a.O., N 396 ff.). Nach Auffassung der Kläger sind die Anschuldigungen der Zweitbeklagten, übernommen und gestützt durch die Erstbeklagte, Ausgangspunkt des dramatischen familiären Zerwürfnisses. Sie werfen der Vorinstanz vor, wie beim Widerrufsgrund der schweren Straftat auch hier in unzulässiger Weise strafrechtliche Überlegungen anzustellen. Dieser Vorwurf ist unbegründet, hat der Zivilrichter nach dem oben Gesagten (E. 3.2.1) doch zu prüfen, ob ein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt ist und rechtswidriges Verhalten des Beschenkten vorliegt (Vogt, a.a.O., N 9 zu Art. 249 OR). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse durfte die Vorinstanz bei der Beurteilung dieses Widerrufsgrundes mitberücksichtigen, gilt doch auch hier der Grundsatz, dass die Verletzung der familienrechtlichen Pflichten durch die Beschenkten widerrechtlich und schuldhaft sein muss (Walter Heinrich Meier, a.a.O., S. 68).
3.3.2. Die Kläger machen geltend, die beiden Beklagten verweigerten schon seit Jahren jeglichen Kontakt mit ihnen und hätten die zahllosen Versuche zu einer Beilegung der Auseinandersetzung abgelehnt. Darin könnte indessen zum Vornherein keine derart schwere Verletzung familienrechtlicher Pflichten erblickt werden, die zum Widerruf einer Schenkung berechtigen würde. Im Übrigen verweisen die Kläger auf die Ausführungen in der Klageschrift, was unzulässig ist.
3.3.3. Die Vorinstanz hat daher auch den Widerrufsgrund der schweren Verletzung familienrechtlicher Pflichten zu Recht verneint.
I. Kammer, 22. September 2008 (11 07 155)
(Das Bundesgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde in Zivilsachen am 10. Februar 2009 abgewiesen [4A_546/2008].)