Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, hat am 27. November 2015 ein Urteil in einem Fall von mehrfacher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz gefällt. Der Beschuldigte wurde teilweise schuldig gesprochen und zu 4 ½ Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, wovon bereits 976 Tage durch Haft und vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Beschuldigten zu ¾ auferlegt. Der Richter war Dr. Bussmann, der Betrag der Gerichtskosten betrug CHF 3'260.-. Der Beschuldigte war männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZF-07-5
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZF-07-5 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 19.03.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Forderung aus Arbeitsvertrag |
Schlagwörter : | Arbeit; Gesamtarbeitsvertrag; Arbeitnehmer; Bezirk; Berufung; Bezirksgericht; Recht; Arbeitgeber; Surselva; Urteil; Gesamtarbeitsvertrages; Maler; Klage; Arbeitsvertrag; Kanton; Parteien; Kantons; Betrag; Stunden; Beklagten; Verfahren; Vorinstanz; Allgemeinverbindlichkeit; Kantonsgericht; Zivilkammer; Zeitpunkt |
Rechtsnorm: | Art. 19 ZPO ;Art. 218 ZPO ;Art. 319 OR ;Art. 324a OR ;Art. 343 OR ;Art. 356b OR ;Art. 356c OR ;Art. 361 OR ;Art. 365c OR ; |
Referenz BGE: | 115 II 30; 130 III 19; |
Kommentar: | Dieter Freiburghaus, Sutter, Hasenböhler, Leuenberger, Schweizer, Kommentar zur Schweizerischen Zivil- prozessordnung [ZPO], Art. 321 ZPO, 2016 |
Entscheid des Kantongerichts ZF-07-5
Kantonsgericht von Graubünden
Dretgira chantunala dal Grischun
Tribunale cantonale dei Grigioni
_____
Ref.:
Chur, 19. März 2007
Schriftlich mitgeteilt am:
ZF 07 5
Urteil
Zivilkammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen Rehli,
Riesen-Bienz, Tomaschett-Murer und Giger
Aktuar Engler
——————
In der zivilrechtlichen Berufung
des Z., Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Mauro
Lardi, Advokatur und Notariat Lardi & Partner, Reichsgasse 65, Postfach 474,
7002 Chur,
gegen
das Urteil des Bezirksgerichtes S u r s e l v a vom 21. November 2006, mitgeteilt
am 19. Dezember 2006, in Sachen des Klägers und Berufungsklägers gegen Y.,
Beklagter und Berufungsbeklagter, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Josef
Brunner, Poststrasse 3, Postfach 156, 7130 W.,
betreffend Forderung aus Arbeitsvertrag,
hat sich ergeben:
2
A.
In den vergangenen Jahren war Z. während der Wintersaison stets
bei der X. AG angestellt, die in W. und an weiteren Orten Sportgeschäfte be-
treibt. Für die Sommermonate suchte er sich jeweils anderweitig Arbeit.
Ab dem 05. Mai 2004 wurde Z. im Malergeschäft des Y. in V. beschäftigt.
Weil er sich einer Knieoperation unterziehen musste, war er jedoch gemäss ärzt-
lichem Zeugnis vom 11. Mai 2004 bis zum 28. Juni 2004 zu 100 % arbeitsunfä-
hig. Anschliessend nahm er seine Tätigkeit bei Y. wieder auf. Wegen zuneh-
mender Rückenschmerzen wurde beim Arbeitnehmer indessen schon bald eine
neue Operation notwendig, so dass er gemäss ärztlichem Zeugnis vom 23. Juli
2004 bis zum 30. September 2004 zu 100 % arbeitsunfähig war. Danach kam es
zu keinem Arbeitseinsatz mehr für Y.. Ab Oktober 2004 war Z. vielmehr wieder -
vorerst allerdings nur zu 50 % für die X. AG tätig.
Z. erhielt von Y. einen Lohn von insgesamt Fr. 5000.00 ausbezahlt (200
Stunden à Fr. 25.00). Der Arbeitnehmer ist demgegenüber der Meinung, dass
ihm nach dem allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag 2002-2004
für das Malerund Gipsergewerbe ein Nettostundenlohn von Fr. 26.81 zuge-
standen habe. Ausserdem macht er geltend, dass er gemäss dem gleichen Ver-
tragswerk bei Abschluss der dort vorgesehenen Versicherung unter Berücksich-
tigung von zwei Karenztagen für 78 Tage, an welchen er am Arbeitseinsatz ver-
hindert gewesen sei, einen Anspruch besessen hätte auf ein Krankentaggeld in
der Höhe von 80 %, berechnet auf dem genannten Nettostundenlohn und einer
durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von acht Stunden pro Tag.
Eine Einigung darüber, ob der Arbeitnehmer bei dieser Ausgangslage
vom Arbeitgeber noch finanzielle Leistungen zugut habe, gelang nicht. Es kam
deshalb zum Prozess.
B.
Am 20. Januar 2006 machte Z. beim Kreispräsidenten Lumnezi-
a/Lugnez als Vermittler eine gegen Y. gerichtete Forderungsklage anhängig.
Laut dem Leitschein vom 22. Februar 2006 hatte der Kläger an der Sühnever-
handlung vom 21. Februar 2006 die folgenden Anträge gestellt:
„1. Der Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Fr. 13'492.33 zzgl. Zins
von 5 % ab dem 19.01.2006 zu bezahlen.
3
2. Unter voller vermittleramtlicher, gerichtlicher und ausseramtlicher
Kostenund Entschädigungsfolge zzgl. Mehrwertsteuer zu Lasten
des Beklagten.“
C.
Mit Prozesseingabe vom 14. März 2006 unterbreitete Z. die Streit-
sache dem Bezirksgericht Surselva, wobei er an seinen Rechtsbegehren ge-
mäss Leitschein festhielt, mit der geringfügigen Änderung, dass er den Forde-
rungsbetrag nunmehr mit Fr. 13'492.30 bezifferte.
In seiner Prozessantwort vom 05. Mai 2006 liess Y. demgegenüber bean-
tragen, es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen, unter Kostenund Entschä-
digungsfolge plus 7,6 % Mehrwertsteuer.
Ein weiterer Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
D.
Mit Urteil vom 21. November 2006, mitgeteilt am 19. Dezember
2006, erkannte das Bezirksgericht Surselva:
„1. Die Klage wird teilweise gutgeheissen und der Beklagte verpflichtet,
dem Kläger Fr. 2987.00 nebst Zins von 5 % seit 20. Januar 2006 zu
bezahlen.
2. Die Kosten des Bezirksgerichts Surselva, bestehend aus:
der Gerichtsgebühr von
Fr. 4000.00
der Schreibgebühr von
Fr. 260.00
den Barauslagen von
Fr. 40.00
total somit
Fr. 4300.00
gehen zulasten der Gerichtskasse.
Der Kläger hat den Beklagten ausseramtlich mit Fr. 1525.80 zu ent-
schädigen.
3. Mitteilung an: .“
E. Hiergegen
liess
Z.
am 08. Januar 2007 Berufung an die Zivilkam-
mer des Kantonsgerichtes erklären mit dem Begehren:
„1. Das Urteil des Bezirksgerichtes Surselva vom 21.11.2006, mitgeteilt
am 19.12.2006, sei aufzuheben, und die Klage vom 20.01.2006 sei
vollumfänglich gutzuheissen.
2. Der Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger für das erstinstanzliche
Verfahren eine ausseramtliche Entschädigung von Fr. 6889.50 zu
bezahlen.
4
3. Unter voller Kostenund Entschädigungsfolge im Berufungsverfahren
zu Lasten des Beklagten.“
F.
An der mündlichen Berufungsverhandlung vom 19. März 2007 be-
stätigte der Rechtsvertreter von Z. die schriftlichen Berufungsbegehren. Y. liess
demgegenüber beantragen, es sei die Berufung abzuweisen und das angefoch-
tene Urteil zu bestätigen, unter Kostenund Entschädigungsfolge zulasten der
Gegenpartei.
Auf die weiteren Ausführungen der Parteivertreter zur Begründung ihrer
Rechtsbegehren wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Die
beiden Rechtsanwälte gaben überdies schriftliche Ausfertigungen ihrer Vorträge
zu den Akten.
Die Zivilkammer zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 24 Abs. 1 GestG können arbeitsrechtliche Streitigkei-
ten, wie hier eine gegeben ist, am Wohnsitz bzw. Sitz der beklagten Partei
aber am gewöhnlichen Arbeitsort der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers
anhängig gemacht werden. Beschäftigt wurde der Kläger im Malergeschäft, wel-
ches Y. in V. betreibt. Der Mittelpunkt der Berufstätigkeit von Z. lag also in einer
zum Bezirk Surselva gehörenden Gemeinde, in welcher sich im Übrigen auch
der Wohnsitz des Beklagten befindet. Damit durfte die vom Kläger angerufene
Vorinstanz ihre örtliche Zuständigkeit bejahen.
Z. belangte Y. auf Bezahlung eines Betrages von Fr. 13'492.33 samt Zins.
Eine solche Klage fällt gemäss Art. 19 Ziff. 1 ZPO in die sachliche Zuständigkeit
des jeweiligen Bezirksgerichtes, hier also jenes von Surselva, so dass auch in-
soweit einem Eintreten auf die Streitangelegenheit durch die Vorinstanz nichts
entgegenstand.
Bezirksgerichtliche Urteile im Sinne von Art. 19 ZPO, seien sie in vermö-
gensrechtlichen (Ziff. 1) nicht vermögensrechtlichen Streitsachen (Ziff. 2)
ergangen, können gemäss Art. 218 Abs. 1 ZPO mit Berufung bei der Zivilkam-
mer des Kantonsgerichtes angefochten werden, wobei bei Ersteren der ur-
5
sprünglich erforderliche Streitwert (höher als Fr. 8000.00) im Zeitpunkt der Aus-
fällung des erstinstanzlichen Urteils noch vorhanden sein muss (vgl. PKG 1994-
15-54). Dem war hier offensichtlich so, ist es doch vor Bezirksgericht Surselva
weder zu einem Rückzug in entsprechendem Umfang noch zu einer teilweisen
Anerkennung der Klage gekommen. Da das Rechtsmittel überdies innert Frist
ergriffen wurde (Art. 219 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und da die Weiterzugserklärung
ausserdem den gesetzlichen Formerfordernissen entspricht (Art. 219 Abs. 1 Satz
2 ZPO), ist darauf grundsätzlich einzutreten.
2.
Zu Recht blieb bereits im Verfahren vor Bezirksgericht Surselva
unbestritten, dass Z. nicht etwa als Selbständigerwerbender ein Vertragsverhält-
nis mit Y. eingegangen ist, wie es wohl anzunehmen wäre, wenn er eigenver-
antwortlich und auf eigenes wirtschaftliches Risiko mit eigenen Produktionsmit-
teln für ihn Malerarbeiten ausgeführt hätte. Vielmehr stellte er ihm in dessen Ma-
lerbetrieb gegen Lohn seine Arbeitskraft weisungsgebunden zur Verfügung. Eine
solche Beziehung durfte die Vorinstanz als Arbeitsvertrag einstufen (vgl. ULLIN
STREIFF / ADRIAN VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362
OR, 6. Aufl., Zürich 2006, Art. 319 OR N. 2 ff.).
Ebenso wenig in Frage gestellt wird, dass sich die Parteien nur für eine
beschränkte Dauer im Sommer 2004 binden wollten, da Z. ab dem Herbst 2004,
wie bereits in den Wintersaisons zuvor, wiederum für einen anderen Arbeitgeber
(die X. AG) tätig sein würde. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist dabei
mangels genügender gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die
vertragliche Bindung zu Y. ab dem 05. Mai 2004 bestanden hat, ab jenem Tag
also, an welchem Z. seine Arbeit bei ihm aufgenommen hat. Verpflichtet worden
ist der Arbeitnehmer, wie der Arbeitgeber in einem Schreiben vom 01. Dezember
2004 an die Gewerkschaft SYNA selber einräumte, bis Ende September 2004,
was auch damit im Einklang steht, dass Z. laut den Aussagen des Zeugen U. im
Oktober 2004 wieder für die X. AG im Einsatz stand. In Bezug auf den weiteren
Inhalt des zwischen Y. und Z. bestandenen Vertragsverhältnisses kann entgegen
der Meinung der Vorinstanz und des Beklagten nicht von eigentlicher Arbeit auf
Abruf gesprochen werden (vgl. hierzu STREIFF/VON KAENEL, a. a. O., Art. 319 OR
N. 18 S. 92 ff.). Hierzu fehlen die notwendigen Absprachen zur zeitlichen Ausge-
staltung und zur finanziellen Abgeltung der Rufbereitschaft sowie zur Einsatz-
pflicht des Arbeitnehmers nach den Weisungen des Arbeitgebers. Hinzu kommt,
6
dass Z. nach den bei den Akten liegenden, unbeanstandet gebliebenen Auf-
zeichnungen in der Zeit, in welcher sein Gesundheitszustand einen Arbeitsein-
satz zuliess, im Durchschnitt während mindestens acht Stunden pro Tag für Y.
gearbeitet hat. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Betriebs riefen also kei-
neswegs nach einem Arbeitsmodell mit Rufbereitschaft und ebenso fehlen An-
haltspunkte, dass der Arbeitnehmer aus persönlichem Interesse eine solche Re-
gelung bevorzugt haben könnte. All dies erlaubt den Schluss, dass die Parteien
grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung anstrebten, wobei allfälligen Schwan-
kungen beim Arbeitsanfall dadurch Rechnung getragen wurde, dass der Arbeit-
nehmer nicht einen festen Monatslohn bezog, sondern dass seine Leistungen
nach Stunden abgegolten wurden.
3.
Am 14. März 2002 schlossen der Schweizerische Malerund Gip-
serunternehmerverband, die Gewerkschaft Bau und Industrie sowie die Gewerk-
schaft SYNA einen Gesamtarbeitsvertrag ab, der unter anderem für das Maler-
und Gipsergewerbe des Kantons Graubünden gelten sollte, und zwar von hier
nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgesehen für sämtliche Arbeitgeber
und Arbeitnehmer all jener Betriebe und Betriebsteile, welche Malerund Gips-
erarbeiten ausführen ausführen lassen und zum Berufbild des Malers
Gipsers gehören. Die Vereinbarung trat auf den 01. April 2002 in Kraft und wurde
(vorerst) auf zwei Jahre abgeschlossen, wobei vorgesehen wurde, dass sie sich
jeweils um ein Jahr verlängere, falls keine Kündigung erfolge. Es ist anerkannt,
dass der Vertrag auf den 31. März 2004 gekündigt wurde.
Durch Bundesratsbeschluss vom 10. September 2002 (BBl 2002 S. 6049
ff.) wurden die hier in erster Linie interessierenden so genannten normativen
Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 14. März 2002 (Art. 7 ff.), die
für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar gelten, für allgemein
verbindlich erklärt (vgl. hierzu EDWIN SCHWEINGRUBER / WALTER F. BIGLER, Kom-
mentar zum Gesamtarbeitsvertrag mit Einschluss der Allgemeinverbindlicherklä-
rung, 2. Aufl., Bern 1972, S. 88 f.), und zwar für die Zeit vom 01. Oktober 2002
bis zum 30. September 2005. Ihnen unterworfen wurden damit im aufgezeigten
Geltungsbereich auch jene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welche keiner der am
Gesamtarbeitsvertrag beteiligten Parteien angehörten, die so genannten Aus-
senseiter also (vgl. SCHWEINGRUBER/BIGLER, a. a. O., S. 87 f.). - Nach der Kün-
digung des Gesamtarbeitsvertrages wurde dessen Allgemeinverbindlichkeit auf
7
den 10. Juni 2004 wieder aufgehoben, durch Bundesratsbeschluss vom 02. Juni
2004 (BBl 2004 S. 2803).
Bei dieser Sachlage ist für den Ausgang des vorliegenden Forderungs-
prozesses von Belang, ob die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages über
die gegenseitigen Leistungspflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf
welcher rechtlichen Grundlage auch immer auf das hier interessierende, von Y.
und Z. für die Zeit vom 05. Mai 2004 bis 30. September 2004 eingegangene Ver-
tragsverhältnis anwendbar sind. Während der Arbeitgeber und die Vorinstanz
dies verneinen, gelangt die Zivilkammer in Übereinstimmung mit dem Arbeit-
nehmer zum gegenteiligen Schluss. Im einen Fall bliebe es bei der auf das OR
abgestützten Lohnfortzahlungsregelung gemäss angefochtenem Urteil, im ande-
ren erfährt Z., wie sich den Ausführungen in E. 5 entnehmen lässt, eine wesentli-
che finanzielle Besserstellung.
4. Nach
der
bundesgerichtlichen
Rechtsprechung und der von einem
Teil der Lehre vertretenen Meinung haben die durch die Parteien unverändert
gelassenen, ihre Leistungspflichten betreffenden Bestimmungen eines Gesamt-
arbeitsvertrages auch über dessen Beendigung hinaus Bestand, soweit zu seiner
Nachwirkung nichts anderes abgemacht wurde. Sie gelten fortan allerdings nicht
mehr normativ, sondern nur noch aber immerhin als dem tatsächlichen beid-
seitigen Parteiwillen entsprechender Inhalt des Einzelarbeitsvertrages, und dies
für so lange, bis ihn die Parteien abändern gänzlich aufheben (vgl. BGE
130 III 19 E. 3.1.2 S. 22 ff.; FRANK VISCHER / ANDREAS C. ALBRECHT, Zürcher
Kommentar, Teilband V2c, Der Arbeitsvertrag, Art. 356-360f OR, 4. Aufl., Zürich
2006, Art. 356c OR N. 46; FRANK VISCHER, Schweizerisches Privatrecht Band
VII/4, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., Basel 2005, S. 369). Ob das Gleiche auch
dann gilt, wenn ein Arbeitsvertrag erst nach dem Wegfall eines einschlägigen
Gesamtarbeitsvertrages abgeschlossen wird, ist ungewiss (vgl. BGE 130 III 19
E. 3.1.2.2 S. 24 unten).
Aus dem Umstand, dass der Gesamtarbeitsvertrag vom 14. März 2002 für
das Malerund Gipsergewerbe am 05. Mai 2004, als Z. seine Tätigkeit bei Y.
aufnahm, bereits seit dem 31. März 2004 durch Kündigung aufgelöst war, darf
nun aber nicht einfach gestützt auf das zuletzt Gesagte abgeleitet werden, dass
dessen normativen Bestimmungen (zum Lohn etwa zu den Ferien etc.) für
das hier interessierende Arbeitsverhältnis keinerlei rechtliche Wirkung mehr ge-
8
habt hätten. Zu beachten ist nämlich, dass der vorliegend relevante Bereich die-
ses Gesamtarbeitsvertrages seinerzeit allgemein verbindlich erklärt worden ist,
mit Wirkung ab dem 01. Oktober 2002 bis und mit dem 30. September 2005. Da
der Gesamtarbeitsvertrag wie gesehen zum 31. März 2004 gekündigt und somit
vor Ablauf der Geltungsdauer der Allgemeinverbindlichkeit beendet wurde, hätte
sie an sich nach dem in Art. 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Allgemein-
verbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28. September 1956
(AVEG) enthaltenen Grundsatz auf den gleichen Zeitpunkt ausser Kraft gesetzt
werden sollen. Es besteht nun aber keine Gewissheit, dass die zuständige Be-
hörde vom Wegfall eines Gesamtarbeitsvertrages stets rechtzeitig erfährt und so
überhaupt erst zum Vorgehen nach Art. 17 Abs. 1 AVEG in die Lage kommt. Im
vorliegenden Fall ist denn auch die Allgemeinverbindlichkeit nicht bereits auf den
Kündigungstermin hin aufgehoben worden, sondern auf einen späteren Zeit-
punkt, den 10. Juni 2004. Solchen Begebenheiten Rechnung tragend sieht des-
halb Art. 17 Abs. 2 AVEG vor, dass die allgemein verbindlich erklärten Bestim-
mungen eines Gesamtarbeitsvertrages auch nach dessen Auflösung ihre Gel-
tung für alle betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so lange behalten, bis die
Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft gesetzt wird, hier also bis zum 10. Juni
2004. Andernfalls könnten sich daraus nicht erwünschte widersprüchliche Rege-
lungen ergeben, dann nämlich, wenn die zuständige Behörde und die Aussen-
seiter erst mit Verspätung vom Dahinfallen eines Gesamtarbeitsvertrages Kennt-
nis erhalten, während die daran beteiligten Verbände ihre Mitglieder möglicher-
weise längst unterrichtet haben. Dies würde den Grundsatz der Gleichbehand-
lung aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer verletzen und die Rechtssicherheit ge-
fährden (vgl. SCHWEINGRUBER/BIGLER, a. a. O., S. 144; STREIFF/VON KAENEL, a. a.
O., Art. 365c OR N. 5 S. 1053; JEAN-FRITZ STÖCKLI, Berner Kommentar, Band
VI.2.2.3, Gesamtarbeitsvertrag und Normalarbeitsvertrag, Art. 356-360 OR, Bern
1999, Art. 356b OR N. 112).
Als Z. und Y. spätestens am 05. Mai 2004 ihren Arbeitsvertrag abschlos-
sen, war die Gültigkeitsdauer des einschlägigen Gesamtarbeitsvertrages zwar
bereits seit dem 30. März 2004 abgelaufen. Dennoch blieben dessen Bestim-
mungen über die gegenseitigen Leistungspflichten auch für neu einzugehende
vertragliche Bindungen anwendbar, und dies, ohne dass der Grundsatz ihrer
Nachwirkung auf bestehende Arbeitsverträge analog herbeigezogen werden
müsste, sondern deshalb, weil sie mit Wirkung ab 01. Oktober 2002 allgemein
verbindlich erklärt worden waren und sich hieran bislang nichts geändert hatte,
9
am 05. Mai 2004 also noch keine Ausser-Kraft-Setzung erfolgt war. Die gegen-
teilige, die Allgemeinverbindlichkeit ohne sachlichen Grund ignorierende Mei-
nung würde wie gesehen gegen das Gleichbehandlungsgebot verstossen und
das Bedürfnis nach Rechtssicherheit vernachlässigen. Der allgemein verbindlich
erklärte normative Bereich des Gesamtarbeitsvertrages blieb also auf den von
den Parteien des vorliegenden Prozesses abgeschlossenen Arbeitsvertrag an-
wendbar, ist doch nicht erstellt und wird auch nicht behauptet, dass sie in den
hier interessierenden Punkten zulässigerweise von ihm Abweichendes vereinbart
haben. Ebenso wenig wurde auch nur andeutungsweise geltend gemacht, ge-
schweige denn bewiesen, dass sie ihr Vertragsverhältnis wenigstens in der Fol-
ge im Hinblick auf die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit mit Wirkung ab
10. Juni 2004 allenfalls nach diesem Zeitpunkt auf eine andere Grundlage
stellen wollten, und es finden sich hierzu in den Akten denn auch sonst wie kei-
nerlei Anhaltspunkte. Der Inhalt des von Y. und Z. eingegangenen Arbeitsvertra-
ges richtete sich damit weiterhin nach den bei dessen Abschluss geltenden all-
gemein verbindlichen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vom 14. März
2002.
5.
Z. erkennt an, von Y. für 200 Arbeitsstunden zum vereinbarten An-
satz von Fr. 25.00 entlöhnt worden zu sein. Auf der anderen Seite behauptet der
Arbeitgeber selber nicht, seinem Arbeitnehmer einen höheren Betrag als diese
Fr. 5000.00 bezahlt zu haben, dass er ihm insbesondere über den Grundlohn
hinaus den 13. Monatslohn und das Ferienguthaben anteilmässig abgegolten
habe. Auf beides aber besitzt Z. einen Anspruch, fehlt doch jeder Anhaltspunkt,
dass er während der Zeit seiner Anstellung Ferien bezogen hat, und sieht der
Gesamtarbeitsvertrag ausdrücklich vor, dass bei Arbeitsverhältnissen, die wie
hier mindestens einen Monat gedauert haben, ein 13. Monatslohn (allenfalls an-
teilmässig) geschuldet ist. Berücksichtigt man diese beiden Zuschläge von je
8,33 % sowie die Abzüge von 8,09 % für Sozialversicherungsbeiträge, die auf
dem auf diese Weise ermittelten Bruttostundenlohn vorzunehmen sind, ergibt
sich der vom Kläger geltend gemachte Nettostundenlohn von Fr. 26.81, dessen
Berechnung denn auch für den Fall, dass der Gesamtarbeitsvertrag anwendbar
sein sollte, nicht konkret beanstandet wurde. Bezogen auf die genannten 200
Stunden bedeutet dies, dass sich der Lohnanspruch des Arbeitnehmers auf Fr.
5362.00 netto belief und nicht bloss auf die Fr. 5000.00, welche ihm bislang aus-
10
gerichtet wurden. Da Z. somit Fr. 362.00 zu wenig Lohn erhalten hat, ist Y. zu
verpflichten, ihm diesen Betrag noch nachzuzahlen.
Laut dem Gesamtarbeitsvertrag wäre Y. gehalten gewesen, zu Gunsten
von Z. eine die Lohnfortzahlungsregelung des Art. 324a OR ablösende, eine kla-
re Besserstellung bedeutende Krankentaggeldversicherung abzuschliessen,
welche für die Dauer von 720 Tagen 80 % des massgeblichen Lohnes decken
sollte, wobei Arbeitnehmer wie der Kläger mit einer Beschäftigungsdauer von
weniger als vier Jahren im gleichen Betrieb pro Krankheitsfall eine Karenzzeit
von einem Tag in Kauf zu nehmen haben. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte
ohne entschuldbaren Grund nicht nachgekommen. Es wird nicht einmal konkret
geltend gemacht geschweige denn bewiesen, dass ernsthaft versucht wurde, für
den geforderten Versicherungsschutz zu sorgen. Ebenso wenig steht mit hin-
länglicher Gewissheit fest, dass Z. damals ohnehin nicht in eine Taggeldversi-
cherung aufgenommen worden wäre dass die Versichererin jedenfalls jene
Leiden, die schliesslich zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führen sollten, von
der Deckung ausgenommen hätte, wobei anzumerken ist, dass zumindest der
Rücken im Zeitpunkt der Aufnahme der Arbeitstätigkeit offenbar noch kein ge-
sundheitliches Problem darstellte. Y. vermag sich also nicht einfach mit dem
Einwand zu entlasten, dass seine Untätigkeit in Sachen Versicherung für das
Ausbleiben von Taggeldleistungen gar nicht relevant gewesen sei; vielmehr hat
er hierfür einzustehen. Berücksichtigt man, dass Z. während der Dauer seiner
Anstellung wegen zweier Krankheitsfälle an insgesamt 80 Tagen keine Arbeit
verrichten konnte, dass er für zwei Tage die sich daraus ergebenden finanziellen
Folgen selber zu tragen hat, dass auch bei pflichtgemässem Vorgehen des Ar-
beitgebers lediglich 80 % des erzielbaren Lohnes durch die Versicherung ge-
deckt gewesen wären, dass der Arbeitnehmer nach den genannten, verwertba-
ren Aufzeichnungen in der Zeit, in der er nicht krank geschrieben war, durch-
schnittlich mindestens acht Stunden pro Tag für Y. im Einsatz stand und dass ein
Nettostundenlohn von Fr. 26.81 geschuldet war, ergibt sich für die verbleibenden
78 Tage ein Verlust an Lohnersatz in der Höhe von Fr. 13'383.55. Hierfür hat Y.
den Arbeitnehmer schadlos zu halten.
Die oben dargestellte Differenz von Fr. 362.00 zwischen dem für die ge-
leistete Arbeit geschuldeten und dem tatsächlich bezahlten Lohn sowie die eben
erwähnten Fr. 13'383.55 Abgeltung der dem Arbeitnehmer durch das Versäum-
nis von Y. entgangenen Taggelder ergeben ein Guthaben zu Gunsten von Z. in
11
der Höhe von Fr. 13'745.55. Hieran muss er sich allerdings noch einen Betrag
von Fr. 250.00 anrechnen lassen, nämlich die fünf mal fünfzig Franken, welche
er während seiner fünfmonatigen Anstellungszeit gemäss dem Gesamtarbeits-
vertrag an die für die Krankentaggeldversicherung zu entrichtenden Prämien hät-
te beitragen müssen.
Insgesamt ergibt sich damit ein ab dem Zeitpunkt der Anhängigmachung
der Klage zum üblichen Satz zu verzinsendes Guthaben des Arbeitnehmers in
der Höhe von Fr. 13'495.55. Hiervon kann ihm freilich nicht mehr zugesprochen
werden, als er in seiner Prozesseingabe selber verlangt hatte. All dies führt zur
Gutheissung der Berufung und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. In
Gutheissung der Klage wird Y. verpflichtet, Z. einen Betrag von Fr. 13'492.30
zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 20. Januar 2006 zu bezahlen.
6.
Gemäss der Vorschrift von Art. 343 Abs. 2 und 3 OR, von der we-
der durch Abrede, Normalarbeitsvertrag Gesamtarbeitsvertrag abgewichen
werden darf (vgl. MANFRED REHBINDER / WOLFGANG PORTMANN, Basler Kommen-
tar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 3. Aufl., Basel 2003, Art. 361 OR N. 2),
dürfen auf die Parteien in zivilprozessualen Auseinandersetzungen um behaup-
tete Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert von Fr.
30'000.00 von hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgesehen keine
Gerichtskosten abgewälzt werden; sie sind vielmehr auf die jeweilige Gerichts-
kasse zu nehmen. Dem Rechnung tragend belasteten der Kreispräsident Lum-
nezia/Lugnez im Leitschein und das Bezirksgericht Surselva im angefochtenen
Urteil die bei ihnen aufgelaufenen Verfahrenskosten von Fr. 200.00 und Fr.
4300.00 der Kreisbzw. der Bezirksgerichtskasse.
Nach der eben dargestellten Regelung, die auch in Zusammenhang mit
der Anrufung einer Rechtsmittelbehörde verbindlich bleibt, sind die bei der Zivil-
kammer des Kantonsgerichtes aufgelaufenen Verfahrenskosten vom Kanton
Graubünden zu übernehmen.
7.
Kostenbefreiung im Sinne von Art. 343 Abs. 3 OR ändert nichts da-
ran, dass die obsiegende Partei grundsätzlich einen Anspruch besitzt, zu Lasten
der unterliegenden Gegnerin die ihr erwachsenen Umtriebe angemessen abge-
golten zu erhalten (vgl. BGE 115 II 30 E. 5c S. 42).
12
Nachdem Z. vor Bezirksgericht Surselva mit seiner Forderung lediglich ei-
nen Teilerfolg erzielt hatte, erwirkte er nunmehr im Berufungsverfahren gegen
den Widerstand des Beklagten die vollumfängliche Gutheissung seiner Klage. Y.
wird ihm gegenüber somit entschädigungspflichtig. Der vom Kläger in diesem
Zusammenhang geltend gemachte Betrag von Fr. 9416.35 (Fr. 6889.50 für das
erstinstanzliche Verfahren und Fr. 2526.85 für das Weiterzugsverfahren) beruht
auf einem vertretbaren, der Bedeutung der Streitsache und der Verantwortung
des Anwalts gerecht werdenden Aufwand. Er kann deshalb ungekürzt zugespro-
chen werden.
13
Demnach erkennt die Zivilkammer:
1.
Die Berufung wird gutgeheissen und es wird das angefochtene Urteil auf-
gehoben.
2.
In Gutheissung der Klage wird Y. verpflichtet, Z. einen Betrag von Fr.
13'492.30 zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 20. Januar 2006 zu bezahlen.
3.
Die Kosten des Bezirksgerichtes Surselva von Fr. 4300.00 (Gerichtsge-
bühr Fr. 4000.00, Schreibgebühr Fr. 260.00, Barauslagen Fr. 40.00) ge-
hen zu Lasten der Bezirksgerichtskasse Surselva.
4.
Die Kosten des Berufungsverfahrens gehen zu Lasten des Kantons Grau-
bünden.
5.
Y. wird überdies verpflichtet, Z. für die Verfahren vor beiden Instanzen
eine Umtriebsentschädigung von insgesamt Fr. 9416.35 zu bezahlen.
6.
Gegen diese einen Streitwert von weniger als 15'000 Franken betreffende
Entscheidung kann gemäss Art. 72 und Art. 74 Abs. 2 lit. a des Bundesge-
richtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht geführt werden, falls sich eine Rechtsfrage von grundsätz-
licher Bedeutung stellt. Andernfalls ist die subsidiäre Verfassungsbe-
schwerde gemäss Art. 113 ff. BGG gegeben. In beiden Fällen ist das
Rechtsmittel dem Bundesgericht innert 30 Tagen seit Eröffnung der voll-
ständigen Ausfertigung der Entscheidung schriftlich in der gemäss Art. 42
f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die
Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfah-
ren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und 90 ff. BGG.
7. Mitteilung
an:
__
Für die Zivilkammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Der Aktuar
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