Ein Bauhandwerker stürzt in eine Bodenöffnung und verletzt sich schwer. Die Staatsanwaltschaft stellt das Strafverfahren ein, da sie grobes Selbstverschulden des Verletzten annimmt. Der Bauhandwerker beschwert sich und fordert eine Fortführung der Untersuchung, da die Bodenöffnung nicht ausreichend gesichert war. Das Obergericht des Kantons Zürich gibt der Beschwerde statt und weist die Sache zur weiteren Untersuchung an die Staatsanwaltschaft zurück. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten, und die Kaution des Beschwerdeführers wird zurückerstattet.
Urteilsdetails des Kantongerichts ZB-04-53
Kanton: | GR |
Fallnummer: | ZB-04-53 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 01.02.2005 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | unentgeltliche Rechtspflege |
Schlagwörter : | Gemeinde; Betrieb; Recht; Entscheid; Rechtspflege; Verein; Verfahren; Kanton; Gesuch; Kantonsgericht; Betriebsgenossenschaft; Genossenschaft; Passivlegitimation; Kantonsgerichtsausschuss; Stellung; Hinterrhein; Handelsregister; Hotel; Akten; Gesuchs; Voraussetzung; Bezirksgerichtspräsidium; „F“; Mietvertrag |
Rechtsnorm: | Art. 232 ZPO ;Art. 235 ZPO ;Art. 333 OR ;Art. 42 ZPO ;Art. 43 ZPO ;Art. 47a ZPO ;Art. 838 OR ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Roth, Basler Kommentar zum StGB, Art. 123; Art. 126 StGB, 2003 |
Entscheid des Kantongerichts ZB-04-53
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 01. Februar 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
ZB 04 53
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen
Vital und Riesen-Bienz
Aktuar ad hoc
Elvedi
——————
In der zivilrechtlichen Beschwerde
des A. X., Gesuchsteller und Beschwerdeführer, der B. X., Gesuchstellerin und
Beschwerdeführerin, der C. X., Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin, der D.
X., Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
iur. Dominik Infanger, Postfach 421, Hinterm Bach 40, 7002 Chur,
gegen
den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Hinterrhein vom 24. November
2004, mitgeteilt am 25. November 2004, in Sachen Gesuchsteller und Beschwer-
deführer,
betreffend unentgeltliche Rechtspflege,
hat sich ergeben:
A.
Mit Schreiben vom 06. Mai 2004 ersuchten die Beschwerdeführer
das Bezirksgerichtspräsidium Hinterrhein um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege zulasten der Gemeinde E. im Prozess gegen die Gemeinde E.. Sie
führten im Wesentlichen aus, dass sie beim Verein „F.“ angestellt gewesen seien.
2
Dieser Verein sei gemäss Vergleich und Abschreibungsbeschluss des Bezirksge-
richts Hinterrhein zu verschiedenen Lohnzahlungen verpflichtet worden. Der Ver-
ein sei bisher seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen, weshalb ge-
stützt auf Art. 333 Abs. 3 OR die Betriebsnachfolgerin des Vereins, die Gemeinde
E., belangt werde.
B.
Am 1. Juni 2004 nahm die Gemeinde dazu Stellung. Sie teilte mit,
dass sie seit 1996 zwar Eigentümerin des Hotels G. sei, dieses aber zu keinem
Zeitpunkt selber geführt habe. Von 1998 bis 2001 sei der Betrieb von der Familie
X. und vom Juli 2001 bis 31. Januar 2003 vom Verein „F.“ geführt worden. Nun sei
auf Initiative des Gemeindevorstandes eine selbständige, im Handelsregister ein-
getragene Betriebsgenossenschaft (als Nachfolgerin der „F.“) gegründet worden.
Diese Genossenschaft habe ab 01. Februar 2003 den Betrieb gepachtet und führe
ihn auch heute noch. Die Gemeinde habe den Betrieb nie selber geführt und kön-
ne deshalb für Arbeitsverträge, die von F. abgeschlossen worden seien, nicht zur
Rechenschaft gezogen werden. Aus diesem Grund beantragte sie die Ablehnung
der Gesuche.
C.
Die Beschwerdeführerschaft wurde alsdann vom Vorrichter aufgefor-
dert, sich zur Frage der Passivlegitimation der Gemeinde E. vernehmen zu lassen.
Die Vernehmlassung erfolgte am 30. Juni 2004. Die Beschwerdeführer brachten
vor, die Kündigung des Pachtverhältnisses mit F. sei per 30. November 2002 er-
folgt. Aus dem Mietvertrag, den die Gemeinde mit der Betriebsgenossenschaft
Hotel Restaurant G. am 22. Februar 2003 abgeschlossen habe, gehe hervor, dass
die Betriebsgenossenschaft per 01. Februar 2003 die Betriebslokalitäten gemietet
habe. Wer zwischen dem 01. Dezember 2002 und der Gründung der Genossen-
schaft den Betrieb als Nachfolger von F. führte, gehe aus dem Mietvertrag nicht
hervor. In diesem Zusammenhang sei näher abzuklären, wie die Betriebsgenos-
senschaft am 22. Februar 2003 einen Mietvertrag unterzeichnen konnte, nachdem
diese gemäss Handelsregisterauszug erst am 16. April 2003 gegründet worden
sei. Aus dem Gesamtzusammenhang müsse entnommen werden, dass die Ge-
meinde den Betrieb seit 01. Dezember 2002 geführt habe (vermutlich bis zur
Gründung der Betriebsgenossenschaft). Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, sei
die Gemeinde als Mitbegründerin der Betriebsgenossenschaft gestützt auf Art.
838 Abs. 2 OR dennoch haftbar.
D.
Am 12. Oktober 2004 nahm die Gemeinde zu dieser Vernehmlas-
sung Stellung. Am 28. Oktober 2002 sei die Kündigung des Mietbzw. Pachtver-
3
hältnisses ordnungsgemäss auf den 30. November 2002 erfolgt. Bezüglich des
rückständigen Mietbzw. Pachtzinses seien Verhandlungen geführt worden. Bei
ordnungsgemässer Zahlung wäre die Gemeinde bereit gewesen, das Pachtver-
hältnis weiterzuführen. Da die vom Verein gemachten Zusicherungen nicht einge-
halten worden seien, habe der Verein schliesslich per 01. Februar 2003 die Be-
triebsführung aufgegeben. Das Vertragsverhältnis sei somit per 31. Januar 2003
definitiv aufgelöst worden. Dieses Datum sei im Übrigen zwischen Gemeinde und
Verein nicht strittig. Eine Betriebsübergabe von Seiten des Vereins auf die Ge-
meinde E. habe nie stattgefunden. Die Betriebsgenossenschaft sei schliesslich am
12. Februar 2003 gegründet worden. Mit den erforderlichen Angestellten habe die
Genossenschaft neue Arbeitsverträge abgeschlossen. Ferner ergebe sich aus
keinerlei Akten, dass die Gemeinde im Rahmen der noch zu gründenden Genos-
senschaft mit dem Verein Rechtshandlungen tätigte und damit im Sinne von Art.
838 Abs. 2 OR für Verbindlichkeiten haften würde. Die unentgeltliche Rechtspflege
könne somit wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Prozesses den Ge-
suchstellern nicht bewilligt werden.
E.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 teilten die Beschwerdeführer
mit, die Gemeinde sei in der vorliegenden Angelegenheit befangen, da sich die
Klage gegen sie richte. Die Passivlegitimation, welche die Gemeinde für den Pro-
zess bestreite, könne nur im ordentlichen Verfahren bestimmt werden. Mit den
eingereichten Unterlagen (insbesondere das Schreiben der Gemeinde Wergen-
stein vom 04. Februar 2003) werde zumindest glaubhaft gemacht, dass die Ge-
meinde E. den Betrieb übernommen habe. Zudem könne nachgewiesen werden,
dass die Gemeinde Verpflichtungen eingegangen sei, welche alsdann von der viel
später gegründeten Genossenschaft übernommen worden seien.
F.
Mit Entscheid vom 24. November 2004, mitgeteilt am 25. November
2004, erkannte das Bezirksgerichtspräsidium Hinterrhein:
„1.
Die Gesuche von A. X., C. X., B. X. und D. X. vom 6.5. / 10.5.2004 um unentgeltli-
che Rechtspflege werden abgewiesen.
2.
Die Kosten des Verfahrens werden auf die Gerichtskasse genommen. Die ausser-
gerichtlichen Kosten werden wettgeschlagen.
3.
Rechtsmittelbelehrung
4.
Mitteilung an “
4
G.
Gegen diesen Entscheid erhoben die Beschwerdeführer am 16. De-
zember 2004 Beschwerde beim Kantonsgerichtsauschuss mit dem Rechtsbegeh-
ren:
„1.
Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
2.
Den Beschwerdeführerinnnen und dem Beschwerdeführer sei für das von ihnen
beim Kreispräsidenten Schams anhängig gemachte Verfahren betreffend Forde-
rung aus Arbeitsrecht die Befugnis zur unentgeltlichen Prozessführung zu erteilen.
3.
Der unterzeichnete Rechtsanwalt sei zum Rechtsvertreter der Beschwerdeführe-
rinnen und des Beschwerdeführers zu ernennen.
4.
Den Beschwerdeführerinnen und dem Beschwerdeführer sei für das vorliegende
Verfahren ebenfalls die Befugnis zur unentgeltlichen Prozessführung zu erteilen
unter Rechtsverbeiständung durch den unterzeichneten Rechtsanwalt.
5.
Alles unter gesetzlicher Kostenund Entschädigungsfolge.“
H.
Die Gemeinde E. beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 19. Januar
2005 die vollumfängliche Abweisung der Beschwerde. Die Vorinstanz ver-
zichtete auf eine weitere Stellungnahme und verwies auf ihren Entscheid
vom 24. November 2004. Auf die Begründung der Beschwerde sowie die
Stellungnahme der Gemeinde wird, soweit erforderlich, in den nachfolgen-
den Ausführungen eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gemäss Art. 47a ZPO in Verbindung mit Art. 232 Ziff. 8 ZPO, können
Entscheide über die unentgeltliche Rechtspflege mit zivilrechtlicher Beschwerde
an den Kantonsgerichtsausschuss angefochten werden. Die Beschwerde ist
schriftlich innert der peremptorischen Frist von 20 Tagen seit der Mitteilung des
angefochtenen Entscheides beim Kantonsgerichtspräsidenten einzureichen, wobei
in der Beschwerde mit kurzer Begründung anzugeben ist, welche Punkte des Ent-
scheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden (Art. 233
ZPO). Mit dem Entscheid des Bezirksgerichtspräsidiums Hinterrhein vom 24. No-
vember 2004, welcher den Beschwerdeführern die Erteilung der unentgeltlichen
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Prozesses verweigert, liegt ein gülti-
ges Anfechtungsobjekt vor. Auf die zudem fristund formgerecht eingereichte Be-
schwerde ist einzutreten.
5
2. Der
Kantonsgerichtsausschuss
prüft nur im Rahmen der Beschwer-
deanträge, ob der angefochtene Entscheid das diesem vorangegangene Ver-
fahren Gesetzesbestimmungen verletzt, welche für die Beurteilung der Streitfrage
wesentlich sind (Art. 235 Abs. 1 ZPO). Bei Ermessensentscheiden gelten dabei
nur Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung als Rechtsverletzun-
gen. Daneben umfasst die Kognition des Kantonsgerichtsausschusses wie bei
allen zivilrechtlichen Beschwerden gemäss Art. 232 ZPO einzig willkürliche Tat-
sachenfeststellungen (Art. 235 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerde ist unter dieser be-
schränkten Kognition zu überprüfen.
3.
Unentgeltliche Rechtspflege können Rechtssuchende unter den ku-
mulativen Voraussetzungen beanspruchen, dass Prozessarmut vorliegt und sich
das angestrebte Verfahren nicht als offensichtlich mutwillig aussichtslos er-
weist (Art. 42 ZPO). Die finanziellen Voraussetzungen für die Gewährung der un-
entgeltlichen Rechtspflege sind vorliegend gegeben. In Frage steht einzig die of-
fensichtliche Aussichtslosigkeit des Verfahrens. Als aussichtslos gelten Prozess-
begehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Ver-
lustgefahren und deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen
hat ein Begehren nicht als aussichtslos zu gelten, wenn die Gewinnaussichten und
die Verlustgefahren sich ungefähr die Waage halten jene nur wenig geringer
sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt,
sich bei vernünftiger Überlegung auch als Selbstzahler zu einem Prozess ent-
schliessen davon absehen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf
eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht allein deshalb anstrengen
können, weil er sie nichts kostet. Subjektive Überlegungen des Gesuchstellers
sind in diesem Zusammenhang irrelevant. Die Prozessaussichten sind zum Zeit-
punkt der Gesuchstellung zu prüfen. In aller Regel klären sich diese im Verlaufe
des Prozesses immer weiter auf. Deshalb kann eine allfällige Bewilligung jederzeit
widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen im Laufe des Verfahrens wegge-
fallen sind (Art. 43 Abs. 5 ZPO). Da Entscheide betreffend unentgeltlicher Rechts-
pflege nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, ist ein Widerruf ebenso wie eine
Wiedereinreichung eines Gesuchs jederzeit möglich.
4.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Gemeinde E. im Hauptverfahren die
Passivlegitimation zukommt. Die Beschwerdeführer leiten die Passivlegitimation
der Gemeinde aus Art. 333 Abs. 3 OR ab, wonach die Gemeinde als Erwerberin
des Betriebes solidarisch für die Forderungen des Arbeitnehmers hafte, die vor
dem Übergang fällig geworden sind. Im Verfahren betreffend unentgeltliche
6
Rechtspflege gilt grundsätzlich die Untersuchungsmaxime. Der Richter hat dem-
nach im Rahmen seiner Prüfungspflicht selber die rechtserheblichen Tatsachen
festzustellen. Allerdings wird dieser Grundsatz stark gemildert, indem dem Ge-
suchsteller eine erhebliche Mitwirkungspflicht zukommt. Die Beweislast für das
Vorhandensein der formellen und materiellen Voraussetzungen trägt der Gesuch-
steller. Hingegen ist die Beweisstrenge im summarischen Verfahren grundsätzlich
auf die Glaubhaftmachung beschränkt (Norbert Brunner, Die unentgeltliche
Rechtspflege nach bündnerischer Zivilprozessordnung - unter besonderer Be-
rücksichtigung der neueren Praxis des Kantonsgerichtsausschusses von Grau-
bünden, ZGRG 04/03, S. 159f.).
Aufgrund des Gesagten ist die Passivlegitimation der Gemeinde aus Art.
333 Abs. 3 OR dann gegeben, wenn es aufgrund der aktuellen Aktenlage bei
summarischer Prüfung glaubhaft erscheint, dass diese zwischenzeitlich das Hotel
G. geführt hat. Aus den Akten geht hervor, dass am 28. Oktober 2002 der Miet-
bzw. Pachtvertrag mit dem Verein „F.“ auf den 30. November 2002 gekündigt wur-
de. Die Gemeinde war mit der Weiterführung indessen noch einverstanden unter
der Voraussetzung, dass die Mieterin ihre finanziellen Verpflichtungen erfüllt. Dies
wurde in den Protokollen der Vorstandssitzung vom 12. November 2002 und der
Gemeindeversammlung vom 09. Dezember 2002 festgehalten. Da die finanziellen
Vereinbarungen aber nicht eingehalten wurden, löste die Gemeinde gemäss dem
Schreiben vom 13. Januar 2003 das Pachtverhältnis mit dem Verein endgültig auf
den 31. Januar 2003 auf. Hinweise darauf, dass die Aufgabe des Betriebs durch
die Naturfreunde erst am 31. Januar 2003 erfolgte, liefern auch das Schreiben des
Vereins „F.“ vom 31. Januar 2003 und das Schreiben der Gemeinde E. vom 04.
Februar 2003. Fraglich ist also nur noch, wer den Betrieb ab dem 01. Februar
2003 geleitet hat. Ab dem 01. Februar 2003 wurden die Betriebslokalitäten von der
Betriebsgenossenschaft Hotel Restaurant G. gemietet. Dies geht aus dem Miet-
vertrag vom 22. Februar 2003 hervor. Hinweise dafür, dass die Betriebsgenossen-
schaft den Betrieb ab 01. Februar 2003 nicht nur gemietet, sondern auch geführt
hat, sind in den Arbeitszeugnissen von H. und I. vom August und September 2003
zu finden. Danach haben die besagten Personen seit dem 01. Februar 2003 für
die neu gegründete Betriebsgenossenschaft Hotel Restaurant G. gearbeitet. Von
einer zwischenzeitlichen Betriebsführung durch die Gemeinde ist nicht die Rede.
Die Betriebsgenossenschaft Hotel Restaurant G. führt den Betrieb auch heute
noch. Aufgrund der aktuellen Aktenlage erscheint eine temporäre Betriebsüber-
nahme durch die Gemeinde E. nicht glaubhaft. Damit kann die Passivlegitimation
der Gemeinde nicht aus Art. 333 Abs. 3 OR abgeleitet werden.
7
5.
Die Beschwerdeführerschaft wirft die Frage auf, wie die Betriebsge-
nossenschaft per 01. Februar 2003 eine Lokalität mieten könne, wenn sie erst am
16. April 2003 durch den Eintrag ins Handelsregister gegründet worden sei. Rich-
tig ist, dass die Genossenschaft ihre Rechtspersönlichkeit erst mit dem Handels-
registereintrag vom 16. April 2003 erlangte (Art. 838 Abs. 1 OR). Gegründet wurde
sie aber am 12. Februar 2003 durch die Gründungsversammlung. Der Mietvertrag
wurde am 22. Februar 2003 unterschrieben. Es stellt sich nun die Frage, ob im
Namen der Genossenschaft schon vor dessen Eintragung ins Handelsregister ge-
handelt werden konnte. Diesbezüglich ist auf Art. 838 Abs. 2 OR zu verweisen,
wonach für Handlungen vor der Eintragung im Namen der Genossenschaft die
Handelnden persönlich und solidarisch haften. Diese explizite Haftungsregelung
lässt keinen anderen Schluss zu, als dass im Namen der Genossenschaft schon
vor dem Handelsregistereintrag Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden können.
Der Mietvertrag vom 22. Februar 2003 ist somit rechtsgültig zustande gekommen.
Die Beschwerdeführer machen in diesem Zusammenhang dann auch gel-
tend, die Passivlegitimation der Gemeinde könne auch aus Art. 838 Abs. 2 OR
abgeleitet werden. Dieser rechtliche Standpunkt sei vom Vorrichter mit keinem
Wort in Erwägung gezogen worden, weshalb der Entscheid bereits zufolge Verlet-
zung des rechtlichen Gehörs aufgehoben werden müsse. Entgegen den Ausfüh-
rungen der Bescherdeführerschaft ist Voraussetzung für eine Haftung nach Art.
838 Abs. 2 OR, dass die Gemeinde im Namen der Genossenschaft Handlungen
getätigt hat (Peter Forstmoser, Das Obligationenrecht, Band VII, 1972; Franz
Schenker, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht II, 2002). Aus den Akten geht
jedoch nirgends hervor, dass die Gemeinde rechtsgeschäftlich für die Genossen-
schaft gehandelt hätte. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, würde die Ge-
meinde nur für die vorgenommenen Handlungen und nicht für frühere Lohnforde-
rungen haften, und das auch nur soweit sie innerhalb einer Frist von drei Monaten
nach der Eintragung in das Handelsregister von der Genossenschaft nicht über-
nommen worden wären (vgl. Art. 838 Abs. 3 OR). Folglich kann auch aus Art. 838
OR keine Passivlegitimation der Gemeinde abgeleitet werden. Eine eventuelle
Verletzung des rechtlichen Gehörs ist mit dieser Beurteilung behoben. Ob über-
haupt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt, kann indessen offen gelas-
sen werden, zumal der Richter nur auf wesentliche Einwände einzugehen hat und
er seine Begründungspflicht nicht verletzt, wenn er keine Stellung zu Vorbringen
nimmt, die in den Akten keine Stütze finden.
8
6.
Die Beschwerdeführer rügen, das Vorverfahren mangle auch daran,
dass die Gemeinde E. als Gegenpartei des Hauptverfahrens überhaupt zur Stel-
lungnahme zugelassen worden sei. Die Gegenseite sei in vorliegendem Verfahren
grundsätzlich nicht anzuhören. Die Unabhängigkeit sei in keiner Art und Weise
mehr gewährleistet, wenn die Kostenstelle zugleich auch Gegenpartei im Haupt-
verfahren sei. Im Rahmen der Gerichtsreform 2000 (in Kraft seit 01. Januar 2001)
wechselte die Zuständigkeit zur Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege von
den Gemeinden beziehungsweise vom Kanton auf die Gerichtsinstanzen. Träger
der dafür anfallenden Kosten blieben aber die Gemeinwesen. Sie wollten deshalb
zumindest ein Anhörungsrecht vor dem Entscheid im Gesetz verankert wissen
(Art. 43 Abs. 3 ZPO). Die Stellungnahmen der Gemeinden sollen dem Richter als
Entscheidhilfe dienen, da insbesondere den Gemeinden vielfach gewisse Um-
stände - namentlich finanzieller Natur - über die Gesuchsteller bekannt sind, die
im Gesuch nicht zum Ausdruck kommen. Als Kostenträgerin hat die Gemeinde E.
also ein gesetzliches Recht auf Anhörung. Dabei kann sie sich auch zu den Pro-
zessaussichten äussern. Dieses Anhörungsrecht soll es der Gemeinde ja gerade
ermöglichen, sich nicht zuletzt auch mit Blick auf ihre eigene Kasse gegen unge-
rechtfertigte Gesuche zur Wehr zu setzen. Das Gemeinwesen wird im Verfahren
betreffend unentgeltliche Rechtspflege somit lediglich als möglicher Kostenträger
angehört und nicht als Partei. Dass das Gemeinwesen in diesem Zusammenhang
eigene finanzielle Interessen vertritt, liegt in der Natur der Sache und sein Mitspra-
cherecht kann ihm nicht mit dem Einwand der Befangenheit verwehrt werden.
7.
Fehlt es vorliegend somit offensichtlich an der Passivlegitimation der
Beklagten, so scheitert die Klage bereits daran. Unter diesen Umständen müssen
die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege wegen offensichtlicher Aussichtslo-
sigkeit des Verfahrens abgewiesen bzw. das Urteil des Bezirksgerichtspräsidiums
Hinterrhein bestätigt werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens gehen die Ver-
fahrenskosten zu Lasten der Beschwerdeführer. Es werden keine aussergerichtli-
chen Entschädigungen zugesprochen, da die Gemeinde nur als eventuelle Kos-
tenträgerin und nicht als Partei zur Stellungnahme eingeladen wurde.
9
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1. Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 300.gehen zu Lasten der
Beschwerdeführer.
3. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar ad hoc:
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