Das Kantonsgericht von Graubünden hat in einem Verfahren über den Führerausweisentzug eines X. entschieden. X. wurde wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand der Führerausweis für zwei Monate entzogen. Nach einem erneuten Vorfall im Mai 2004 wurde ein vorsorglicher Sicherungsentzug angeordnet. Nach einer spezialärztlichen Abklärung wurde eine kontrollierte Alkoholabstinenz auferlegt. X. erhob Beschwerde, die jedoch abgewiesen wurde. Das Gericht entschied, dass der Führerausweis für zwölf Monate entzogen bleibt.
Urteilsdetails des Kantongerichts VB-05-2
Kanton: | GR |
Fallnummer: | VB-05-2 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.07.2005 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Führerausweisentzug |
Schlagwörter : | ührer; Führer; Beruf; Berufung; Führerausweis; Entzug; Graubünden; Entzugs; Berufungskläger; Kategorie; Kantons; Fahrzeug; Verkehr; Kantonsgericht; Strassenverkehr; Recht; Kantonsgerichtsausschuss; Bundesgericht; Sicherungsentzug; Entscheid; Verfügung; Warnungsentzug; Führerausweises; Entzugsdauer; Rückfall; Motorfahrzeug; Justiz- |
Rechtsnorm: | Art. 10 SVG ;Art. 14 SVG ;Art. 142 StPO ;Art. 18 VTS ;Art. 89 StGB ; |
Referenz BGE: | 123 II 97; 128 II 187; |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts VB-05-2
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 06. Juli 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
VB 05 2
(nicht mündlich eröffnet)
Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen Rehli und Hubert
Aktuarin Thöny
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In der verwaltungs(straf)rechtlichen Berufung
des X., Berufungskläger, vertreten durch die Protekta Rechtsschutz-Versicherung
AG, Dr. iur. Mikael V. Schmelzer, St.-Leonhard-Strasse 32, 9001 St. Gallen,
gegen
die Verfügung des Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartements vom 19. April 2005,
mitgeteilt am 26. April 2005, in Sachen gegen den Berufungskläger,
betreffend Führerausweisentzug,
hat sich ergeben:
2
A.
Mit Verfügung vom 2. September 1999 entzog das Strassenver-
kehrsamt des Kantons Graubünden X. wegen Fahrens in angetrunkenem Zu-
stand, begangen mit einem Kleinmotorrad, für die Dauer von zwei Monaten den
Führerausweis für alle Motorfahrzeugkategorien. Die Berechtigung zum Führen
eines Motorfahrrades blieb während der Entzugsdauer bestehen.
B.
Am frühen Morgen des 29. Mai 2004 um ca. 04.30 Uhr wurde X. als
Lenker des Personenwagens mit dem Kontrollschild A. auf der B.-Strass ein C.
von der Kantonspolizei Zürich angehalten und kontrolliert. Bei der Kontrolle wur-
den bei X. Alkoholsymptome festgestellt und ein Atemlufttest durchgeführt, wel-
cher einen Wert von über 0.8 Gewichtspromille anzeigte. Die daraufhin angeord-
nete Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von mindestens 1.62 Gewichtspro-
mille. Aufgrund dieses Vorfalles und in Anbetracht des Rückfalls hinsichtlich des
Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand, ordnete das Stras-
senverkehrsamt Graubünden wegen ernsthafter Zweifel an der Fahreignung von
X. einen vorsorglichen Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit mit Wirkung ab
dem 29. Mai 2004 sowie eine spezialärztliche Abklärung der Fahreignung an. Aus
dem spezialärztlichen Gutachten der Psychiatrischen Dienste Graubünden vom
15. November 2004 geht hervor, dass bei X. die Fahreignung bejaht werden kön-
ne, jedoch die Prognose derzeit als ungewiss eingestuft werden müsse, weshalb
bei Wiedererteilung des Fahrausweises eine einjährige kontrollierte Abstinenz mit-
tels Laborkontrollen empfohlen werde.
C.
Am 19. November 2004 hob das Strassenverkehrsamt Graubünden
den vorsorglichen Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit mit sofortiger Wir-
kung auf und ordnete gleichzeitig eine kontrollierte und lückenlose Alkoholabsti-
nenz mit halbjährlichem Verlaufsbericht während mindestens 12 Monaten mit Be-
ginn am 15. Oktober 2004 an.
D.
Mit Datum vom 12. Januar 2005 verfügte das Strassenverkehrsamt
Graubünden ebenfalls aufgrund des Vorfalls vom 29. Mai 2004 gegen X. wegen
Fahrens in angetrunkenem Zustand gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. b, Art. 17 Abs. 1
lit. d und Art. 31 Abs. 2 aSVG einen Warnungsentzug für die Dauer von 12 Mona-
ten.
E.
Dagegen liess X. mit Eingabe vom 16. Januar 2005 Beschwerde an
das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement Graubünden erheben mit dem Be-
gehren, die angefochtene Verfügung vom 12. Januar 2005 sei aufzuheben und
3
der Führerausweis unverzüglich (provisorisch) wieder zurückzugeben. Das Justiz-,
Polizeiund Sanitätsdepartement Graubünden wies diese Beschwerde mit Verfü-
gung vom 19. April 2005, mitgeteilt am 26. April 2005, ab. Gegen diesen Ent-
scheid liess X. mit Eingabe vom 15. Mai 2005 beim Kantonsgerichtsausschuss
von Graubünden Berufung erheben mit folgendem Rechtsbegehren:
„1. Es sei im Sinne einer aufschiebenden Wirkung dieser Berufung - die
vorinstanzlich gesetzte Frist von 20 Tagen zur Abgabe des Führe-
rausweises abzunehmen.
2. Es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben, soweit dem Be-
schwerdeführer der Führerausweis für eine Dauer von 12 Monaten
entzogen werden soll. Der Warnungsentzug soll höchstens auf 8 Mo-
nate festgesetzt werden.
3.
Unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten des Staates.“
F.
Mit Vernehmlassung vom 23. Mai 2005 beantragte das Justiz-, Poli-
zeiund Sanitätsdepartement Graubünden unter Verweis auf den angefochtenen
Entscheid sowie auf die Akten die vollumfängliche Abweisung der Berufung unter
Kostenfolge zulasten des Berufungsklägers.
Auf die Begründung der Anträge und die Ausführungen in der angefochte-
nen Verfügung wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen ein-
gegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.
Gegen Entscheide des Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartements
über Administrativmassnahmen im Strassenverkehr kann der Betroffene beim
Kantonsgerichtsausschuss Berufung gemäss Art. 141 ff. StPO einlegen (Art. 19
Abs. 2 der Ausführungsverordnung zum Bundesgesetz über den Strassenverkehr;
GAV zum SVG). Die Berufung ist innert 20 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung
der Verfügung beim Kantonsgerichtsausschuss einzureichen. Sie ist zu begründen
und hat darzutun, welche Mängel des vorinstanzlichen Entscheides Verfah-
rens gerügt werden (Art. 142 Abs. 1 StPO). Diesen Anforderungen vermag die
vorliegende Berufung zu genügen, weshalb darauf einzutreten ist.
2.
Am 1. Januar 2005 ist die vom Parlament am 14. Dezember 2001
verabschiedete Revision des Strassenverkehrsgesetzes in Kraft getreten. Sie be-
rührt unter anderem die Regelung des Führerausweisentzuges. Nach Abs. 1 der
Schlussbestimmungen zur erwähnten Gesetzesrevision findet das neue Recht
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Anwendung, wenn die fragliche Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvor-
schriften nach ihrem Inkrafttreten, also nach dem 1. Januar 2005, erfolgt ist. Für
die im vorliegenden Fall zu beurteilende Handlung, die sich am 29. Mai 2004 er-
eignete, ist daher noch das alte Recht massgebend.
3.
X. beantragt, es sei der Berufung aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Die gegen Entscheide der Regierung, der kantonalen Departemente und anderer
kantonaler Instanzen auf dem Gebiete des Straf-, Nebenstrafund Verwaltungs-
strafrechts an den Kantonsgerichtsausschuss gerichtete Berufung gemäss Art.
141 ff. hat von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (Art. 142 Abs. 3 StPO).
Zu solchen Entscheiden zählen auch diejenigen des Justiz-, Polizeiund Sanitäts-
departements Graubünden, die verwaltungsrechtliche Massnahmen auf dem Ge-
biete des Strassenverkehrsrechts zum Gegenstand haben, bestimmt doch Art. 19
Abs. 2 GAV zum SVG, dass diese durch Berufung gemäss Art. 141 ff. StPO beim
Kantonsgerichtsausschuss angefochten werden können. Kann somit auch gegen
diese Entscheide Berufung gemäss Art. 141 ff. StPO eingelegt werden, wird durch
diesen ausdrücklichen Verweis Art. 142 Abs. 3 StPO auch für die Berufung gegen
Entscheide betreffend Führerausweisentzüge anwendbar. Kommt der Berufung
somit von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu, bedarf es dazu keiner Prä-
sidialverfügung. Zudem ist X. mit Schreiben des Strassenverkehrsamtes Grau-
bünden vom 21. Januar 2005 die Fahrberechtigung wieder erteilt worden.
4.
Der Berufungskläger macht geltend, es sei ihm mit Datum vom
19. November 2004 eine kontrollierte und lückenlose Alkoholabstinenz für die
Dauer von mindestens 12 Monaten auferlegt worden, was eine tief greifende Mas-
snahme darstelle. Es könne nicht angehen, dass über das Institut der Auflage ge-
mäss Art. 10 Abs. 3 SVG gleichsam über die Hintertüre ein Sicherungsentzug ein-
geführt werde. Dieser sei vorliegend aufgrund des Gutachtens nicht begründbar.
a)
Zunächst ist festzuhalten, dass die fragliche Verfügung des Stras-
senverkehrsamtes Graubünden vom 19. November 2004 unangefochten in
Rechtskraft erwachsen ist und daher nicht mehr Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens bilden kann. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass das Argument des
Berufungsklägers, es werde über die Hintertüre ein Sicherungsentzug eingeführt,
unzutreffend ist. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Strassenverkehrsamt
Graubünden in der genannten Verfügung den vorsorglichen Sicherungsentzug mit
sofortiger Wirkung aufgehoben und die Fahrberechtigung wenn auch unter Auf-
lagen wiedererteilt hat. Der Vergleich mit einem Sicherungsentzug schlägt be-
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reits aus diesem Grund fehl. Auch stehen der vorsorgliche Sicherungsentzug und
die damit verknüpfte Auflage in keinem Zusammenhang mit dem vorliegend zu
beurteilenden Warnungsentzug. Dies ergibt sich bereits aus der Zweckbestim-
mung dieser beiden Entzugsarten. Der Warnungsentzug bezweckt, den Fahrzeug-
lenker, der schuldhaft Verkehrsregeln verletzt hat, zu mehr Sorgfalt und Verant-
wortung zu erziehen und ihn dadurch von weiteren Verkehrsdelikten abzuhalten.
Demgegenüber dient der Sicherungsentzug dazu, den Verkehr von Fahrzeuglen-
kern, die aus medizinischen und charakterlichen Gründen, wegen Trunksucht
anderer Süchte wegen einer anderen Unfähigkeit zum Führen eines Motor-
fahrzeugs nicht geeignet sind, freizuhalten. Entsprechend seiner Funktion wird
beim Sicherungsentzug der Führerausweis auf unbestimmte Zeit entzogen. Die
Wiedererteilung kommt erst in Frage, wenn der Eignungsmangel behoben ist. Be-
stehen Bedenken, kann die Wiedererteilung des Führerausweises an Auflagen wie
beispielsweise die Einhaltung einer befristeten und ärztlich kontrollierten Abstinenz
geknüpft werden. Die Auflage, während einer bestimmten Zeit ganz abstinent zu
leben, steht in diesen Fällen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überwin-
dung Vermeidung einer Suchtkrankheit, welche die Fahreignung des Be-
troffenen beeinträchtigt. Der Warnungsentzug kommt demgegenüber nur in Be-
tracht, wenn die Fahreignung des fehlbaren Lenkers noch zu bejahen ist. Diese
Entzugsart wird im Gegensatz zum Sicherungsentzug für eine bestimmte Dauer
ausgesprochen, die so zu bemessen ist, dass die angestrebte erzieherische Wir-
kung beim Verkehrsdelinquenten eintritt. Nach Ablauf der Entzugsdauer ist der
Ausweis dem Fahrzeuglenker ohne weiteres wieder auszuhändigen (vgl. zum
Ganzen SJZ 100 (2004) Nr. 3 S. 70 mit zahlreichen Hinweisen).
b)
Im vorliegenden Fall wurde die Fahreignung von X. grundsätzlich be-
jaht, seine Prognose wurde jedoch als ungewiss eingestuft, da erfahrungsgemäss
bei wiederholtem Fahren in angetrunkenem Zustand mindestens eine Gefährdung
angenommen werden muss (act. 11 S. 9). Der Gutachter der Psychiatrischen
Dienste Graubünden empfahl denn auch im Falle von X. eine 12-monatige kontrol-
lierte Alkoholabstinenz anzuordnen, um die Gefahr eines weiteren Rückfalls zu
minimieren. Diese Massnahme verfolgt jedoch einen anderen Zweck als der vor-
liegend angefochtene Warnungsentzug. So hat denn auch das Bundesgericht in
einem neueren Entscheid festgehalten, dass die Anordnung einer Abstinenzaufla-
ge auch dann zulässig und verhältnismässig sei, wenn sie sich teilweise auf den
Zeitraum erstrecke, in welchem dem fehlbaren Lenker infolge des Warnungsent-
zugs die Fahrberechtigung entzogen wurde (BGE 6A.51/2004 E. 6.2 f.). Somit
liegt weder eine unzulässige Anordnung einer Auflage noch eine Unverhältnis-
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mässigkeit im Zusammenhang mit dem Warnungsentzug vor, weshalb der Ein-
wand des Berufungsklägers auch in dieser Hinsicht unbegründet ist.
5.
Im vorliegenden Fall wird des Weiteren die Dauer des Führerauswei-
sentzuges respektive die Anwendbarkeit der Rückfallregel gemäss Art. 17 Abs. 1
lit. d aSVG bestritten. Der Berufungskläger bringt vor, dass die erste Widerhand-
lung im Jahre 1999 mit einem Kleinmotorrad der damaligen Kategorie F begangen
worden sei. Diese Kategorie könne nicht mit der heutigen Unterkategorie A1
gleichgestellt werden, da die Kategorie F für Kleinmotorräder mit einer technisch
sicherzustellenden Geschwindigkeitsbegrenzung bis 45km/h gegolten habe, die
heutigen Kleinmotorräder der Unterkategorie A1 diese Beschränkung jedoch nicht
hätten. Da ein Kleinmotorrad der damaligen Kategorie F bezüglich des Gefähr-
dungspotentials nicht mit einem Personenwagen gleichgestellt werden könne und
im Gegensatz zu diesem zur Erlangung des Führerausweises auch lediglich eine
vereinfachte Theorieprüfung zu absolvieren gewesen sei, könne die Rückfallregel
auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Dies gehe auch aus BGE
128 II 187 hervor.
Gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. d aSVG ist die Dauer des Entzugs von Führer-
und Lernfahrausweisen nach den Umständen festzusetzen; sie beträgt jedoch
mindestens ein Jahr, wenn der Führer innert 5 Jahren seit Ablauf eines früheren
Entzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand
gefahren ist. Dem Berufungskläger wurde der Führerausweis bereits vom 16. Ok-
tober 1999 bis zum 15. Dezember 1999 wegen Fahrens in angetrunkenem Zu-
stand entzogen. Wie sich aus der Verfügung vom Strassenverkehrsamt Graubün-
den vom 2. September 1999 ergibt, lenkte X. damals unter Alkoholeinfluss ein
Kleinmotorrad der Kategorie F, weshalb ihm der Führerausweis für alle Motorfahr-
zeugkategorien entzogen wurde; die Berechtigung zum Führen eines Motorfahrra-
des blieb während der Entzugsdauer bestehen. Mit Begehung derselben Ver-
kehrsregelverletzung am 29. Mai 2004 ist er daher im fünften Jahr rückfällig ge-
worden. Es stellt sich nun die Frage, ob auch bei diesem Sachverhalt die Rückfall-
regelung gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. d aSVG zur Anwendung gelangt. Das Bundes-
gericht hat in BGE 128 II 187 entschieden, dass die frühere Anordnung eines Mo-
torfahrradausweisentzugs beziehungsweise eines Fahrverbots für Motorfahrräder
ohne Ausdehnung auf einen ordentlichen Führerausweisentzug nicht zu einem
Rückfall gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c und d aSVG führen könne. Als Begründung
führte es aus, der Gesetzgeber habe einerseits Motorradführer wegen der gerin-
geren Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ganz allgemein weniger streng
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behandeln wollen als Motorfahrzeugführer. Andererseits gelte es zu bedenken,
dass zur Erlangung des Führerausweises für Motorfahrräder lediglich eine verein-
fachte theoretische Führerprüfung abgelegt werden müsse (aArt. 27 Abs. 2 VZV)
und auch kein Kurs in Sachen Verkehrssinnbildung und Gefahrenlehre bzw. Fahr-
dynamik, Blicktechnik und Beherrschung der Fahrzeugbedienung zu absolvieren
sei (aArt. 17a und b VZV). Auch von daher wäre es nicht gerechtfertigt, den Motor-
radführer, der eine weniger umfassende Ausbildung genossen habe, die gleichen
Konsequenzen tragen zu lassen wie den Motorfahrzeugführer, der hinsichtlich Ge-
fahren im Strassenverkehr besonders sensibilisiert worden sei. Im vorliegenden
Fall wurde die erste Verkehrsregelverletzung jedoch im Unterschied zum zitierten
Bundesgerichtsentscheid nicht mit einem Motorfahrrad, sondern mit einem Klein-
motorrad der damaligen Kategorie F begangen wurde. Es bleibt somit zu prüfen,
ob dieses Motorfahrzeug hinsichtlich Gefährdungspotential und erforderlicher
Ausbildung mit einem Motorfahrrad gleichzustellen ist und die zitierte Bundesge-
richtspraxis auch auf den vorliegenden Fall Anwendung findet.
a)
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass seit dem 1. April 2003 in der
Schweiz neue, der Europäischen Union angepasste Führerausweiskategorien gel-
ten. Diese sind in Art. 3 VZV definiert. Im vorliegenden Fall beziehen sich die Be-
zeichnungen der Führerausweiskategorien jedoch noch auf die vormals geltende
Einteilung. Gemäss aArt. 3 VZV gehörten zur damaligen Kategorie F Motorfahr-
zeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 45 km/h, somit Kleinmotorräder im
Sinne von Art. 14 lit. b der Verordnung über die technischen Anforderungen an
Strassenfahrzeuge (VTS; SR 741.41). Für Motorfahrräder existierte nach der alten
Einteilung keine eigene Führerausweiskategorie. Gemäss Art. 18 VTS sind diese
jedoch von Gesetzes wegen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h be-
schränkt. Damit fällt ein Vergleich hinsichtlich des Gefährdungspotentials dieser
beiden Fahrzeugtypen von Vornherein ausser Betracht, zumal die Gefährdung
anderer Verkehrsteilnehmer insbesondere der Fussgänger mit Zunahme der
Geschwindigkeit erfahrungsgemäss exponentiell ansteigt. Von einem Kleinmotor-
rad mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h geht daher ein
wesentlich höheres Gefährdungspotential aus als von einem Motorfahrrad mit ei-
ner bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, weshalb sich bereits aus
diesem Grund eine strengere Behandlung der Führer eines Kleinmotorrades recht-
fertigt. Damit ist auch die Frage, ob die vormalige Kategorie F mit der heutigen
Unterkategorie A1 gleichgestellt werden kann, für den vorliegenden Fall nicht von
Bedeutung.
8
b)
Hinsichtlich der Ausbildung ist festzuhalten, dass der Führerausweis
für Motorfahrräder gemäss aArt. 27 Abs. 2 VZV allein aufgrund einer vereinfachten
theoretischen Führerprüfung erteilt wurde. Es handelte sich hierbei insofern nicht
um einen ordentlichen Führerausweis, da sich dieser nicht auf eine der in aArt. 3
Abs. 1 VZV aufgezählten Führerausweiskategorien bezog. Gemäss aArt. 20 Abs.
5 VZV war auch zur Erlangung des Führerausweises der Kategorie F wiederum
nur eine den Eigenarten der Fahrzeugkategorie angepasste, vereinfachte Prüfung
der allgemein geforderten Kenntnisse zu absolvieren, wobei der Bewerber nach-
zuweisen hatte, dass er die für seine Fahrzeugkategorie relevanten Verkehrsvor-
schriften kennt. Dazu gehört zweifellos auch die Kenntnis aller Faktoren, die die
Fahreignung beeinträchtigen und damit das sichere Führen des Fahrzeuges ge-
fährden. Neben dem theoretischen Teil war für die Erlangung eines Führerauswei-
ses der Kategorie F im Gegensatz zum Führerausweis für Motorradfahrer zusätz-
lich eine praktische Führerprüfung erforderlich, an welcher der Bewerber gemäss
aArt. 21 Abs. 1 VZV nachzuweisen hatte, dass er fähig ist, ein Motorfahrzeug der
entsprechenden Kategorie nach den Verkehrsregeln auch in schwierigen Ver-
kehrslagen verkehrsgerecht und sicher zu führen. Die vom Bundesgericht genann-
ten Bereiche wie Verkehrssinnbildung, Gefahrenlehre, Fahrdynamik und Blick-
technik waren beim Kleinmotorradführer im Gegensatz zum Motorfahrradführer
bereits Bestandteil seiner praktischen Ausbildung und fielen somit auch unter die
Prüfungsanforderungen. Der Führerausweis wurde gemäss Art. 14 Abs. 1 SVG
erst dann erteilt, wenn die Prüfungen ergeben hatten, dass der Bewerber die Ver-
kehrsregeln kennt und Fahrzeuge der Kategorie, für die der Ausweis gilt, sicher zu
führen versteht. Das Führen eines Fahrzeuges der Kategorie F setzte somit eine
weit umfassendere Ausbildung als das Führen eines Motorfahrrades voraus. Dies
zeigt sich auch bereits daran, dass der Inhaber des Führerausweises der Katego-
rie G (landwirtschaftliche Motorfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 30
km/h), der sich um den Führerausweis der Kategorie F bewarb, gemäss aArt. 18
Abs. 3 lit. d VZV ebenfalls noch eine praktische Führerprüfung abzulegen hatte.
Eine Gleichbehandlung der beiden Fahrzeugkategorien ist somit auch aus diesem
Grund nicht gerechtfertigt.
Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass X. im Zeitpunkt
der ersten Widerhandlung abweichend von BGE 128 II 187 im Besitz eines or-
dentlichen Führerausweises der Kategorie F gemäss aArt. 3 Abs. 1 VZV war und
ihm dieser - und nicht etwa die Fahrberechtigung für das Motorfahrrad aufgrund
des Vorfalls vom 26. Juni 1999 entzogen wurde. Aufgrund des erheblich höheren
Gefährdungspotentials und der umfassenderen Ausbildung fällt eine analoge An-
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wendung der vom Bundesgericht aufgestellten Grundsätze über die Rückfallrege-
lung im Zusammenhang mit einem Fahrverbot für Motorfahrräder im vorliegenden
Fall ausser Betracht.
6.
Der Berufungskläger beantragt, die Dauer des Führerausweisentzu-
ges sei auf acht Monate zu beschränken. Damit wäre dem getrübten Verkehrs-
leumund und den Vorfällen hinreichend Rechnung getragen.
a)
Da das Fahren in angetrunkenem Zustand vom 29. Mai 2004 wie
vorstehend ausgeführt als Rückfall im Sinne von aArt. 17 Abs. 1 lit. d SVG quali-
fiziert werden muss, beträgt die Dauer des Führerausweisentzuges mindestens
ein Jahr. Das SVG sieht keine Möglichkeit vor, diese Mindestentzugsdauer zu un-
terschreiten. Das Bundesgericht hat sich in verschiedenen Entscheiden mit der
Zulässigkeit der Unterschreitung der obligatorischen Mindestentzugsdauer be-
fasst, soweit ersichtlich jedoch nicht bezüglich der Sonderregel von aArt. 17 Abs. 1
lit. d SVG. Zu aArt. 17 Abs. 1 lit. c SVG, welcher obligatorisch den Entzug des
Führerausweises für sechs Monate vorsieht, wenn der Führer trotz Ausweisentzug
ein Motorfahrzeug geführt hat wenn ihm der Ausweis wegen einer Wider-
handlung entzogen werden muss, die er innert zwei Jahren seit Ablauf des letzten
Entzugs begangen hat, hat das Bundesgericht jedoch festgehalten, dass ein Füh-
rerausweisentzug dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerecht werden müs-
se. Unter anderem müsse die Anordnung des Entzugs noch erforderlich sein, um
dessen Zweck, die Erziehung und Besserung des Fahrzeuglenkers zu erreichen.
Das Bundesgericht hat eine Verkürzung der Entzugsdauer bzw. einen Verzicht auf
den Entzug in Ausnahmefällen für möglich erklärt, wenn das Verfahren verhält-
nismässig lange gedauert hat, der Betroffene sich während dieser Zeit wohl ver-
halten hat und ihn an der langen Verfahrensdauer keine Schuld trifft (BGE
6A.29/2003 E. 3.6.2 mit Hinweisen). Eine Unterschreitung einer obligatorischen
Mindestentzugsdauer ist somit nur unter restriktiven Bedingungen, das heisst bei
Vorliegen einer Ausnahmesituation möglich. Bei der Beurteilung, ob vorliegend
eine Unterschreitung der gesetzlichen Minimaldauer möglich ist, hat nach dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit neben der Feststellung der Eignung und Er-
forderlichkeit der Massnahme eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interes-
se an der Massnahme und die durch den Eingriff beeinträchtigten privaten Inte-
ressen des Betroffenen zu erfolgen.
b)
Der Berufungskläger bringt zunächst vor, er habe bereits aufgrund
des vorsorglichen Sicherungsentzugs grosse Umtriebe und Kosten gehabt und
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seine Lehren daraus gezogen. Als Kundenmaurer, der hinsichtlich öffentlicher
Verkehrsanbindung in abgelegenem Gebiet wohne und an verschiedenen Baustel-
len unter Termindruck einsatzfähig sein müsse, sei er auf die Fahrerlaubnis ange-
wiesen. Eine Weiterführung des Entzugs würde ihm grösste Schwierigkeiten mit
seinem Arbeitgeber bringen.
Gemäss ständiger Praxis des Bundesgerichts rechtfertigt die berufliche An-
gewiesenheit auf ein Fahrzeug die Unterschreitung der gesetzlichen Mindestent-
zugsdauer nicht. Umso weniger fällt sie vorliegend in Betracht, wo keine derart
grosse Angewiesenheit besteht. Bei einem Berufschauffeur hat der Führerauswei-
sentzug praktisch ein zeitlich befristetes Berufsverbot zur Folge. X. wird in seiner
gewohnten Mobilität zwar erheblich eingeschränkt. Will er seiner Tätigkeit im ge-
wohnten Umfang nachgehen, wird er auf die Unterstützung Dritter angewiesen
sein und es dürften ihm dadurch auch zusätzliche Auslagen entstehen. Die Mög-
lichkeit, seinen Beruf auszuüben, wird ihm mit dem Entzug des Führerausweises
aber nicht genommen. An dieser Praxis des Bundesgerichts ist insbesondere auch
deshalb festzuhalten, weil der Gesetzgeber anlässlich der Revision vom 14. De-
zember 2001 ausdrücklich bestimmt hat, dass die berufliche Angewiesenheit auf
ein Fahrzeug bei der Festsetzung der Entzugsdauer zwar zu berücksichtigen, die
gesetzliche Mindestdauer des Entzugs deswegen aber nicht unterschritten werden
darf (BGE 6A.29/2003 E. 3.6.1 mit Hinweisen). Weder aufgrund der genannten
Praxis noch in Hinsicht auf das auf den 1. Januar 2005 in Kraft getretene Recht
besteht demnach eine besondere Rechtfertigung, die Mindestentzugsdauer wegen
der geltend gemachten beruflichen Angewiesenheit zu unterschreiten.
c)
Des Weiteren macht der Berufungskläger geltend, bei der Bemes-
sung der Entzugsdauer sei Art. 89 StGB zu berücksichtigen, wonach es einen Un-
terschied mache, ob der Täter bei Tatbegehung erst 17 Jahre alt gewesen sei o-
der den 18. Geburtstag bereits hinter sich gehabt habe. Dieser Gesichtspunkt
müsse beim Warnungsentzug, in analoger Anwendung strafrechtlicher Prinzipien,
zur Geltung kommen. Er verweise in diesem Zusammenhang auf den Strafbefehl
der Bezirksanwaltschaft Bülach, in welchem zu Recht berücksichtigt worden sei,
dass die Tat vom 26. Juni 1999 eine Jugenddelinquenz darstelle. Eine administra-
tivrechtliche Sanktion, welche dies nicht berücksichtige, stelle eine unzulässige
Doppelbestrafung dar.
Art. 89 StGB besagt, dass die Bestimmungen des Jugendstrafrechts An-
wendung finden, wenn ein Jugendlicher, der das 15., aber nicht das 18. Altersjahr
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zurückgelegt hat, eine vom Gesetz mit Strafe bedrohte Tat begeht. Im vorliegen-
den Fall geht es jedoch nicht um die Auferlegung einer Strafe, sondern einer Ad-
ministrativmassnahme. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der
Warnungsentzug des Führerausweises zwar eine der strafrechtlichen Sanktion
ähnliche, aber dennoch von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme mit präven-
tivem und erzieherischem Charakter (BGE 123 II 97 E.2c S. 101). Deshalb kann
eine Administrativmassnahme auch neben eine Strafe treten, ohne dass der
Grundsatz ne bis in idem (Verbot der mehrfachen Bestrafung wegen derselben
Tat) verletzt wird (Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenver-
kehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, N 1979). Daraus
ergibt sich aber auch, dass das Jugendstrafrecht sowohl vom Wortlaut als auch
von der Zweckbestimmung her keine Anwendung auf das Administrativverfahren
finden kann. Somit fällt auch eine Reduktion der Entzugsdauer gestützt auf Art. 89
StGB von Vornherein ausser Betracht.
d)
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf die Mindestent-
zugsdauer schliesslich noch dann unterschritten werden, wenn ein besonders
leichter Fall vorliegt. Unter einem besonders leichten Fall ist insbesondere die Be-
gehungsform der einfachen, das heisst leichten Fahrlässigkeit zu verstehen (BGE
124 II 103 E. 2 S. 108). Die Annahme eines solchen ist bei einem Führerausweis-
entzug wegen erneuten Fahrens in angetrunkenem Zustand jedoch bereits zum
Vornherein ausgeschlossen, da die Erfüllung dieses Tatbestandes jeweils auf ei-
ner grobfahrlässigen (eventual)vorsätzlichen Tatbegehung beruht.
Die Vorinstanz hat den Führerausweisentzug auf das gesetzliche Minimum
beschränkt und der Berufungskläger bringt keine Gründe vor, welche ausnahms-
weise die Unterschreitung der Mindestentzugsdauer rechtfertigen würden. Auch
hat das Verfahren noch nicht so lange gedauert, als der Zweck des Führerauswei-
sentzuges nicht mehr erreicht werden könnte. Die Berufung ist daher soweit mit
ihr eine Reduktion der Entzugsdauer beantragt wird abzuweisen.
7.
Der Berufungskläger macht des Weiteren geltend, der ADMAS-
Eintrag sei zu überprüfen beziehungsweise zu korrigieren. Wie aus den Akten
hervorgehe, werde der Entzug vom 7. Juli 2004 wegen Trunksucht im ADMAS-
Register wiedergegeben, was nicht zutreffend sei.
Gemäss Art. 13 Abs. 1 der Verordnung über das automatisierte Administra-
tivmassnahmen-Register (ADMAS-Register-Verordnung; SR 741.55) hat jede
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Person das Recht, bei der Entzugsbehörde ihres Wohnortes Auskunft über ihre
eigenen Daten zu verlangen. Sie kann verlangen, dass Daten, die sie betreffen,
berichtigt, ergänzt aus dem Register entfernt werden. Dafür muss das Be-
gehren schriftlich bei der zuständigen Behörde einreicht werden (Abs. 3). Die Be-
handlung von Auskunftsund Berichtigungsbegehren fällt damit nicht in die Zu-
ständigkeit des Kantonsgerichtsausschusses, weshalb auf diesen Antrag nicht
eingetreten werden kann.
8.
Im Resultat kann somit festgehalten werden, dass das Justiz-, Poli-
zeiund Sanitätsdepartement Graubünden die Beschwerde von X. gegen den vom
Strassenverkehrsamt Graubünden ihm gegenüber verfügten Entzug des Führe-
rausweises für die Dauer von zwölf Monaten zu Recht abgewiesen hat. Die gegen
den Entscheid der Vorinstanz erhobene Berufung ist demnach unbegründet und
daher abzuweisen. Bei diesem Ausgang gegen die Kosten des Berufungsverfah-
rens vor Kantonsgerichtsausschuss zu Lasten des Berufungsklägers (Art. 160
Abs. 1 StPO).
13
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 800.-gehen zu Lasten des
Berufungsklägers.
3.
Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit erhaltener schriftlicher Mittei-
lung beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 97 ff. OG eingereicht werden.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident:
Die Aktuarin:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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