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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils VB-04-7: Kantonsgericht Graubünden

Die Beschwerdeführerin reichte Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ein, nachdem sie bei einer nicht bewilligten Veranstaltung von der Polizei verletzt worden war. Das Obergericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab, da der Einsatz von Gummischrot als verhältnismässig und zulässig angesehen wurde. Die Einsatzleitung der Polizei und die beteiligten Polizeibeamten wurden von jeglicher Schuld freigesprochen, da ein Rechtfertigungsgrund gegeben war. Die Beschwerdeführerin wurde angewiesen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, während ihr Anwalt für seine Arbeit entschädigt wurde. Die Entscheidung kann beim Bundesgericht angefochten werden.

Urteilsdetails des Kantongerichts VB-04-7

Kanton:GR
Fallnummer:VB-04-7
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid VB-04-7 vom 06.07.2004 (GR)
Datum:06.07.2004
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:bedingte Strafentlassung
Schlagwörter : Berufung; Berufungskläger; Entlassung; Recht; Vorinstanz; Kanton; Vollzug; Berufungsklägers; Freiheit; Kantons; Verhalten; Prognose; Kantonsgericht; Graubünden; Drogen; Kantonsgerichtsausschuss; Urteil; Verfügung; Verfahren; Vorleben; Delikt; üsse
Rechtsnorm:Art. 144 StPO ;Art. 155 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 183a StPO ;Art. 38 StGB ;Art. 5 EMRK ;
Referenz BGE:119 IV 5; 124 IV 193;
Kommentar:
Meyer, Hand,, Art. 5 EMRK, 2003
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts VB-04-7

Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 06. Juli 2004
Schriftlich mitgeteilt am:
VB 04 7
(nicht mündlich eröffnet)

Urteil
Kantonsgerichtsausschuss
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen
Heinz-Bommer und Rehli
Aktuar Blöchlinger
——————
In der verwaltungs(straf)rechtlichen Berufung
des X., Gesuchsteller und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt lic.
iur. Dieter Marty, Postfach 528, Alexanderstrasse 8, 7002 Chur,

gegen

die Verfügung des Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartements Graubünden
vom 12. Mai 2004, mitgeteilt am 13. Mai 2004, in Sachen des Berufungsklä-
gers,
betreffend bedingte Strafentlassung,
hat sich ergeben:
A.
Mit Urteil vom 2. April 2004 sprach der Bezirksgerichtsausschuss
Albula X. schuldig des mehrfachen Diebstahls, des unvollendeten versuchten


2
Diebstahls, der mehrfachen Sachbeschädigung, des mehrfachen Haus-
friedensbruchs, der groben Verletzung von Verkehrsregeln, der Entwendung
zum Gebrauch, des Fahrens ohne Führerausweis, der mehrfachen Wi-
derhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz etc. und bestrafte ihn dafür
mit 12 Monaten Gefängnis, abzüglich 198 Tage Polizeiund Untersuchungs-
haft. Bereits am 2. Juli 2003 verurteilte das Kreispräsidium Chur X. wegen
Hausfriedensbruchs zu 10 Tagen Gefängnis. Diese Freiheitsstrafen verbüsst
er seit dem 3. April 2004 in der Anstalt Sennhof. Das ordentliche Strafende fällt
auf den 27. September 2004.
B.1.
Mit Eingabe vom 16. April 2004 ersucht X. um bedingte
Entlassung aus dem Strafvollzug.
2.
Anstaltsleitung und Schutzaufsicht führten in ihren Berichten vom
19. April 2004 bzw. 11. Mai 2004 aus, dass das Verhalten von X. im Vollzug
wohl eine vorzeitige Entlassung zuliesse. Aufgrund der ungünstigen
Bewährungsaussichten werden jedoch die Entlassungsvoraussetzungen als
nicht erfüllt betrachtet.
3.
Anlässlich seiner Anhörung vom 11. Mai 2004 erklärte X., dass er
sich künftig, auch mit Hilfe der Betreuungsorgane, bewähren werde. Er sei nun
zur Einsicht gelangt und möchte nach der Entlassung ein rechtschaffenes
Leben führen.
C.
Mit Verfügung vom 12. Mai 2004, mitgeteilt am 13. Mai 2004,
wies das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement Graubünden das Gesuch
von X. um bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug ab.
D. 1. Gegen diese Verfügung liess X. am 2. Juni 2004 Berufung an
den Kantonsgerichtsausschuss Graubünden erheben, wobei folgende Anträge
gestellt wurden:
1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben.
2. Herrn X. sei die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug zu
gewähren.
3. Der Unterzeichnete sei als amtlicher Verteidiger einzusetzen.
4.
Es sei eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
2.
Das Justiz-, Polizeiund Sanitätsdepartement schloss in seiner
Stellungnahme vom 21. Juni 2004 auf Abweisung der Berufung.


3
Auf die Begründung der Anträge und die Ausführungen in der ange-
fochtenen Verfügung wird soweit erforderlich in den nachstehenden Erwä-
gungen eingegangen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung:
1.
Der Berufungskläger hat ohne allerdings das Begehren näher
zu begründen - Antrag auf Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung
gestellt.
a)
Gemäss Art. 183a StPO in Verbindung mit Art. 144 StPO kann
der Kantonsgerichtspräsident von Amtes wegen auf Antrag eine mündli-
che Berufungsverhandlung durchführen. Demgemäss besteht kein vorbehaltlo-
ser Anspruch auf eine Anhörung im Rechtsmittelverfahren. Gemäss Art. 144
StPO ist eine mündliche Verhandlung dann angezeigt, wenn die Befragung
des Betroffenen für die Beurteilung wesentlich ist. Beim vorliegenden Ent-
scheid über die vorzeitige Entlassung hat das Gericht das Sicherheitsinteresse
der Öffentlichkeit und das Freiheitsinteresse des Eingewiesenen gegeneinan-
der abzuwägen. Wohl kommt hierbei der Persönlichkeit des Verwahrten eine
grundlegende Bedeutung zu. Eine mündliche Verhandlung vermag jedoch le-
diglich einen kurzen und summarischen Eindruck von der Persönlichkeit des
Berufungsklägers zu geben und würde bestenfalls die bereits bekannten Aus-
führungen und Argumente bestätigen, welche schon in der Berufungsschrift
und den Stellungnahmen zur Persönlichkeit des Täters vorgebracht wurden.
Eine Prognose in Bezug auf das zukünftige Wohlverhalten, namentlich eine
Aussage über das Mass eines weiteren deliktischen Verhaltens lässt sich
allein durch eine solche Anhörung jedoch nicht machen.
b)
Schliesslich ist auch nach den Bestimmungen der EMRK und der
BV vorliegend kein mündliches Verfahren angezeigt. Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit.
a EMRK darf einem Menschen die Freiheit entzogen werden, wenn er recht-
mässig nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht in Haft gehalten wird.
Jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme Haft entzogen wurde,
hat das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht über
die Rechtmässigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrecht-
lichkeit seine Entlassung angeordnet wird (Art. 5 Abs. 4 EMRK). Gestützt auf
Art. 5 Abs. 4 EMRK hat der Verwahrte demgemäss auch das Recht, eine re-
gelmässige Kontrolle zu verlangen, ob die Voraussetzungen für eine Un-


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terbringung noch gegeben sind (Frowein / Peukert, a.a.O., N. 133 ff. zu Art. 5
EMRK). Wird ein Antrag betreffend vorzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug
zunächst von einer Verwaltungsbehörde negativ entschieden, muss dem Be-
troffenen im anschliessenden gerichtlichen Rechtsmittelverfahren zur Wahrung
des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens Gelegenheit gegeben wer-
den, sich zur Sache vernehmen zu lassen. Dies verlangt jedoch nicht, dass im
Rechtsmittelverfahren zwingend eine mündliche Anhörung zu erfolgten hat.
Sie ist grundsätzlich nicht erforderlich (A. Haefliger, Die Europäische Men-
schenrechtskonvention und die Schweiz, 1999, S. 122), namentlich dann nicht,
wenn der Betroffene im vorinstanzlichen Verfahren angehört wurde und sich
die nach Ansicht des Inhaftierten relevanten Freilassungsgründe wie dies
vorliegend der Fall ist aus den vorgelegten Dokumenten ergeben und der
Betroffene über eine anwaltliche Vertretung verfügt (Frowein / Peukert, a.a.O.,
N. 143; Jens Meyer-Ladewig, EMRK-Handkommentar, 2003, N. 45 zu Art. 5
EMRK; Urteil des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 11.
Februar 2004, VB 03 1; ZR 69 (1998) 319). Der Antrag ist demnach ab-
zuweisen.
2.a) Hat der zu Zuchthaus Gefängnis Verurteilte zwei Drittel der
Strafe verbüsst, so kann ihn die zuständige Behörde bedingt entlassen, wenn
sein Verhalten während des Strafvollzuges nicht dagegen spricht und anzu-
nehmen ist, er werde sich in der Freiheit bewähren (Art. 38 Ziff. 1 Abs. 1
StGB). Wie bei der Zubilligung des bedingten Strafvollzuges ist auch bei der
bedingten Entlassung für die Beurteilung des künftigen Wohlverhaltens eine
Gesamtwürdigung durchzuführen, um eine möglichst zuverlässige Grundlage
für die Prognose zu erhalten. Es sind somit das gesamte Vorleben, die Täter-
persönlichkeit, das deliktische und sonstige Verhalten des Täters zu untersu-
chen. In diesem Rahmen ist auch das im Gesetz ausdrücklich aufgeführte
Kriterium des Verhaltens während des Vollzuges zu würdigen (BGE 119 IV 5
E. 1a/aa mit Hinweisen). Diesbezüglich genügt, dass das Verhalten des Ver-
urteilten während des Strafvollzuges nicht gegen die vorzeitige Entlassung
spricht.
b)
Welche Art von Delikt zur Freiheitsstrafe geführt hat, ist an sich
für die Prognose nicht entscheidend. Die Entlassung darf nicht für gewisse
Tatkategorien erschwert werden. Die Umstände der Straftat sind jedoch in-
soweit von Relevanz, als sie Rückschlüsse auf die Täterpersönlichkeit und
damit auf das künftige Verhalten erlauben. Ob die mit einer bedingten Entlas-


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sung in gewissem Masse stets verbundene Gefahr neuer Delikte zu verant-
worten ist, hängt dabei nicht nur davon ab, wie wahrscheinlich ein neuer
Fehltritt ist, sondern auch von der Bedeutung des eventuell bedrohten Rechts-
gutes. Je hochwertiger dieses ist und je weiter ein Eingriff möglicherweise
gehen kann, desto geringer darf das Risiko sein, das mit der bedingten Ent-
lassung verbunden ist. Denn die mit der bedingten Entlassung verfolgte Wie-
dereingliederung des Rechtsbrechers ist nicht Selbstzweck, sondern auch ein
Mittel, um die Allgemeinheit vor neuen Straftaten zu schützen. Im Rahmen der
Gesamtwürdigung sind neben dem Vorleben und der Persönlichkeit vor allem
die neuere Einstellung, der Grad der Reife einer allfälligen Besserung und die
nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse des Täters zu prüfen.
Bei Würdigung der Bewährungsaussichten ist freilich allgemein ein
vernünftiges Mittelmass zu halten in dem Sinne, dass nicht jede noch so ent-
fernte Gefahr neuer Straftaten eine Verweigerung der bedingten Entlassung zu
begründen vermag, ansonsten dieses Institut seines Sinnes beraubt würde.
Anderseits darf aber auch nicht aufgrund einzelner günstiger Faktoren die be-
dingte Entlassung bewilligt werden, obwohl gewichtigere Anhaltspunkte für die
Gefahr neuer Rechtsbrüche sprechen (vgl. zum Ganzen Urteil des Kantonsge-
richts Graubünden vom 2. Oktober 2003, VB 03 10, bestätigt mit Urteil des
Bundesgerichts vom 17. Februar 2004, 6A.88/2003; BGE 124 IV 193 mit Hin-
weisen; A. Baechtold, Basler Kommentar zum StGB, Band I, 2003, N. 8 ff. zu
Art. 38 StGB).
3.a) In der angefochtenen Verfügung gelangte die Vorinstanz zur
Feststellung, dass das Verhalten von X. im Vollzug zu keinen Klagen Anlass
gegeben habe. In Bezug auf die Bewährungsaussichten müsse ihm aber
aufgrund seines strafrechtliches Vorlebens zumindest eine zweifelhafte
Prognose gestellt werden. X. habe jeweils kurz nach seinen Strafentlassungen
erneut delinquiert, was den Eindruck vermittle, dass er weder einsichtig noch
gewillt sei, ein rechtschaffenes Leben zu führen. Schliesslich seien auch in
Bezug auf die bei ihm zu erwartenden Lebensverhältnisse im sozialen und
persönlichen Bereich keine aussergewöhnlichen positiven Veränderungen,
welche eine erfolgreiche Resozialisierung versprechen würden, erkennbar.
Diese Schlussfolgerungen vermöchten auch die im rechtlichen Gehör von X.
geäusserten Beteuerungen, sich einer Schutzaufsicht unterziehen zu wollen
und mit deren Unterstützung gute Bewährungsaussichten zu haben, nicht zu
entlasten.


6
b)

Der Rechtsvertreter des Berufungsklägers wendet ein, eine
zweifelhafte Prognose sei nicht ausreichend, um einem Verurteilten die be-
dingte Entlassung vorzuenthalten. Anderenfalls könnte die bedingte Entlas-
sung nur bei einer sicheren Prognose, das heisst lediglich bei der Überzeu-
gung, dass sich der Verurteilte in Freiheit wohl verhalte, gewährt werden.
Diese Haltung widerspreche der Praxis. Es sei sodann zwar nachvollziehbar,
dass es der Vorinstanz schwer falle, eine günstige Kirminalprognose zu stel-
len. Nicht ersichtlich sei jedoch, weshalb die Vorinstanz sich bei ihren Zweifeln
zuungunsten seines Mandanten entscheide. Unhaltbar sei auch, dass die
Vorinstanz für die bedingte Entlassung aussergewöhnliche, positive Verände-
rungen verlange. Damit werde die Schwelle praktisch unüberwindbar hoch
angesetzt, was dem Grundsatz, dass die bedingte Entlassung die Regel sei,
widerspreche. Die Feststellung der Vorinstanz, seinem Mandanten fehle es an
der Fähigkeit zu einer erfolgreichen Resozialisierung, werde durch dessen
Vergangenheit widerlegt. Eine Freiheitsstrafe habe nicht den Zweck, einen
Drogensüchtigen dazu zu bewegen, von seiner Sucht abzulassen. So sei denn
auch die Genesung des Verurteilten keine Voraussetzung für eine bedingte
Entlassung. Schliesslich habe sich die Vorinstanz auch nicht im erforderlichen
Mass mit der Schwere der von seinem Mandanten verübten Delikte auseinan-
dergesetzt. Die Bedeutung des eventuell bedrohten Rechtsgutes sei nicht ge-
würdigt worden. Dabei habe sich X. in all den Jahren nur wegen un-
bedeutenden Eigentumsdelikten und Drogenkonsum strafbar gemacht. Die
zum Schluss der Polizei gelieferte Verfolgungsjagd dürfe als einzigartig und
unwiederholbar bezeichnet werden. Bei X. handle es sich nicht um einen
Gewaltverbrecher, der sich in schwerer Weise gegen hochwertige Rechtsgüter
vergangen habe, sondern um einem Drogenkonsumenten, der sich mit
kleineren Delikten über Wasser halte.
4. a) Zutreffend ist, dass die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid
wörtlich festhält, es müsse X. rückblickend auf sein strafrechtliches Vorleben
"zumindest eine zweifelhafte Prognose" gestellt werden. Dass die Vorinstanz -
wie der Rechtsvertreter des Berufungsklägers behauptet, ihren ablehnenden
Entscheid lediglich mit dieser zweifelhaften Prognose zur Frage der
Rückfallgefahr begründet, ist hingegen unzutreffend. Wie sich bereits aus den
verschiedenen, vom Berufungskläger gerügten Punkten ergibt, beruht ihr
Entscheid letztlich auf der nach Gesetz geforderten Gesamtprognose. Das
strafrechtliche Vorleben bildete nur ein Element, das die Vorinstanz im Übrigen
zutreffend wertete. Tatsache ist, dass der Berufungskläger in den letzten 11


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Jahren 16 Verurteilungen zu verzeichnen hatte. Wurde X. aus dem
Strafvollzug entlassen, delinquierte er kurze Zeit später erneut. Damit ist ein
wesentlicher Lebenszeitraum des Berufungsklägers sein ganzes Er-
wachsenenalter von häufigen Straftaten in kurzen Zeitabständen geprägt.
Dieser Umstand spricht klar gegen eine Bewährung. Wenn die Vorinstanz in
diesem Zusammenhang von einer zumindest zweifelhaften Prognose spricht,
hat sie diesem Element also sicherlich keine zu grosse Bedeutung beigemes-
sen.
b)
Sodann hat die Vorinstanz auch nicht übersehen, dass das straf-
rechtliche Verhalten des Berufungsklägers im Zusammenhang mit seiner
Drogensucht steht. Gerade aus diesem Grund ist auch relevant, welche allfäl-
ligen Entwicklungen im Suchtverhalten der Berufungsklägers in der jüngeren
Vergangenheit gemacht hat und welches Verhalten von ihm zukünftig zu er-
warten ist. Diesbezüglich gilt festzustellen, dass X. trotz professioneller
Betreuung durch Fachpersonen wie Psychotherapeuten, Hausärzte und die
Betreuung durch die Schutzaufsicht sein Suchtverhalten nicht geändert hat.
Auch die Abgabe von Methadon vermochte letztlich nicht zu verhindern, dass
der Berufungskläger weiter Drogen konsumierte und straffällig wurde. Wenn X.
erklärt, zukünftig werde es sich anders verhalten, so müssen zumindest
Anhaltspunkte dafür bestehen, welche diese Aussage glaubhaft machen. In
diesem Konnex ist auch die Feststellung der Vorinstanz zu sehen, es fehlten
"aussergewöhnliche positive Veränderungen". Aussergewöhnlich heisst in
diesem Zusammenhang nicht, dass vom Berufungskläger mehr verlangt wird,
als von einer anderen Person, die um die vorzeitige Entlassung ersucht.
Namentlich wird entgegen der Behauptung von X. - nicht verlangt, dass er
mit Sicherheit nicht mehr delinquiert drogenfrei lebt. Vielmehr bringt die
Vorinstanz damit zutreffend zum Ausdruck, dass es aufgrund des Vorlebens
des Berufungsklägers und seiner Nichtbewährung trotz professioneller Hilfe in
Bezug auf sein zukünftiges Leben besondere Anhaltspunkte braucht, welche
auf eine günstige Entwicklung schliessen lassen.
ba) Solche Umstände sind jedoch nicht in ausreichendem Mass ge-
geben. Wohl ist positiv zu vermerken, dass X. sich im Vollzug korrekt verhalten
hat und ihm die Verfehlungen der Vergangenheit nach eigenem Bekunden leid
tun. Hinweise dafür, dass er sein Leben neu ausrichtet und er sich somit in
Freiheit ebenfalls zu bewähren vermag, fehlen indes. Eine Persönlich-
keitsentwicklung, die sich auch gegen aussen manifestiert hat, ist nicht ersicht-


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lich. Das soziale Umfeld, in das sich der Berufungskläger bei einer allfälligen
vorzeitigen Entlassung begeben würde, ist dasselbe. Wesentliche Grundlagen
für ein geregeltes Leben fehlen. So gibt der Berufungskläger zwar vor, er wolle
einer geregelten Arbeit nachgehen, um so einer Rückfallgefahr entgegenzu-
wirken. Er erwähnt Institutionen, die ihm zusagen würden. Irgendwelche
eigene Bemühungen in dieser Hinsicht hat er jedoch nicht unternommen. Eine
Aussicht auf eine Anstellung besteht nicht. So ist es wie der Berufungskläger
betont - denn auch durchaus sein Recht, auf eine Arbeit im Strafvollzug zu
verzichten. Allerdings kann in diesem Zusammenhang dann auch kein Indiz für
den Willen zu einer neuen Lebensgestaltung gesehen werden.
bb)
Desgleichen möchte der Berufungskläger nach eigenen Angaben
zwar von den Drogen loskommen. Dies wie sich aus seinem Gesuch um be-
dingte Entlassung ergibt im gewohnten Umfeld und derselben Lebensführung
wie bis anhin. Nachdem es ihm nachweislich unter diesen Umständen nicht
gelungen ist, seiner Drogensucht entgegenzuwirken und sich zu bewähren,
kann - nachdem eben keine weitergehenden Veränderungen, namentlich auch
keine nach aussen hin erkennbare, gesteigerte Bereitschaft, auf ein sucht-
freies Leben hinzuarbeiten, dazugetreten sind, schwerlich davon ausgegangen
werden, es werde sich zukünftig anders verhalten und er werde trotz seiner
Drogenprobleme nicht straffällig.
bc) Schliesslich trifft es wohl zu, dass X. lediglich einmal im Jahre
1992 vorzeitig aus dem Strafvollzug entlassen wurde. Wenn der Beru-
fungskläger allerdings geltend gemacht, man habe ihm damit auch nur einmal
die Chance zur Bewährung gegeben, so lässt dies wohl kaum auf eine tiefer-
gehende Auseinandersetzung mit seinen zahlreichen Verurteilungen und Auf-
enthalten in Strafanstalten schliessen. Im Grunde genommen hätte nämlich
jede einzelne Verurteilung und jede Entlassung aus dem Strafvollzug für den
Berufungskläger Grund dafür gewesen sein müssen, sein Leben zu überden-
ken und die Wiedererlangung der Freiheit als Chance zu nutzen. Diese feh-
lende Einsicht und der Umstand, dass es nur um den Erlass von wenigen Mo-
naten Strafvollzug geht, sprechen denn auch nicht dafür, dass die Aussicht,
bei Nichtbewährung Verstoss gegen allfällige Weisungen den erlassenen
Strafteil doch noch absitzen zu müssen, beim Berufungskläger in nennens-
wertem Mass abschreckend wirkt. Dies wird im Übrigen auch nicht geltend
gemacht. Insgesamt muss deshalb von einer hohen Rückfallgefahr ausgegan-
gen werden. Dabei handelt es sich bei den zu erwartenden Delikten keines-


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wegs wie der Rechtsvertreter des Berufungsklägers geltend macht - nur um
kleinere Rechtsverstösse. Nebst den Delikten wie Diebstahl, Hausfriedens-
bruch, Sachbeschädigung und Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz
hat sich der Berufungsklägers in der Vergangenheit auch mehrfach des
Betrugs schuldig gemacht. In ihrer Gesamtheit haben diese strafbaren Hand-
lungen gegen das Vermögen durchaus ein ernstzunehmendes Mass erreicht.
Ins Gewicht fallen auch die auffallend zahlreichen, zum Teil schwer wiegenden
Verstösse gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung mit der damit verbunde-
nen Gefährdung Dritter. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz gilt demnach
festzustellen, dass die dargelegten Rückfälle, die persönlichen Verhältnissen,
die fehlenden Perspektiven und die Art und das Ausmass der bedrohten
Rechtsgüter gesamthaft auch unter Berücksichtigung der für den Berufungs-
kläger sprechenden Faktoren keine günstige Prognose zulassen. Auf den
Zeitpunkt der Entlassung hin werden sich in Bezug auf die vorerwähnten Ele-
mente zwar kaum wesentliche Veränderungen ergeben. Bei dem vom Beru-
fungskläger ausgehenden Gefährdungsrisiko ist indes die öffentliche Sicher-
heit gegenüber seinem Freiheitsinteresse stärker zu gewichten. Hinzu kommt,
dass mit der Verweigerung der vorzeitigen Entlassung eine deutlich grössere
Warnwirkung verbunden ist, da dem Berufungskläger mit der vollumfänglichen
Durchsetzung der laufenden Strafe gleichzeitig auch klar zu verstehen gege-
ben wird, dass er bei einem allfälligen Rückfall und erneutem Strafvollzug nicht
von vornherein mit einer bedingten Entlassung rechnen kann. Auch nach
Massgabe der im Rahmen einer Differenzialprognose zu machenden Überle-
gungen erweist sich der vorinstanzliche Entscheid demnach im Ergebnis als
richtig. Die Berufung ist somit vollumfänglich abzuweisen.
5.
Bei diesem Ausgang gehen die Kosten des Verfahrens in Höhe
von Fr. 400.-zu Lasten des Berufungsklägers (Art. 160 StPO).
6.
Der Rechtsvertreter des Berufungsklägers hat im Berufungsver-
fahren um seine Einsetzung als amtlicher Verteidigung ersucht.
a)
Gestützt auf Art. 144 Abs. 2 StPO in Verbindung mit Art. 102
Abs. 1 StPO ist dem Betroffenen, der keinen privaten Verteidiger beizieht, un-
ter anderem dann ein amtlicher Verteidiger zu bestellen, wenn die tatsächliche
rechtliche Schwierigkeit des Falles es rechtfertigt. Der beurteilende Rich-
ter hat dabei die Schwierigkeit aus der Sicht des Angeschuldigten zu beurtei-
len. Er darf nicht den Massstab eines Rechtskundigen ansetzen.


10
b)
Der Berufungskläger wäre schwerlich in der Lage gewesen, sich
ohne rechtlichen Beistand gegen den Entscheid der Vorinstanz zur Wehr zu
setzen. Die Voraussetzungen für die Bestellung einer amtlichen Verteidigung
sind demnach zu bejahen. Entsprechend ist ihm für das Berufungsverfahren
sein Rechtsvertreter als amtliche Verteidiger zu bestellen. Eine Honorarnote
wurde nicht eingereicht. Unter Berücksichtigung des in der Sache erforderli-
chen Aufwands erscheint eine Entschädigung von Fr. 400.-inklusive Mehr-
wertsteuer angemessen.
c)
Bei erfolgloser Berufung sind die Kosten der amtlichen Verteidi-
gung wie im Übrigen auch die bereits erwähnten Verfahrenskosten ungeachtet
einer allfälligen Mittellosigkeit dem Rechtsmitteleinleger zu überbinden (Art.
160 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 155 StPO Abs. 1 StPO sind die Kosten jedoch
vorschussweise durch den Kanton zu übernehmen (Art. 155 StPO). Der Be-
troffene hat womit seine Rechte bei einer allfälligen Mittellosigkeit gewahrt
bleiben alsdann die Möglichkeit, die Stundung den Erlass der Kosten zu
beantragen. Der Entscheid hierüber obliegt jedoch nicht dem im konkreten Fall
zuständigen Gericht, sondern dem Kanton (vgl. PKG 1987 Nr. 35; Willy
Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2.
Auflage, 1996, S. 392). Die vorerwähnten Kosten des Berufungsverfahrens
von Fr. 400.-wie auch die Kosten der amtlichen Verteidigung von Fr. 400.--
sind demnach dem Berufungskläger zu überbinden und vom Kanton Grau-
bünden vorschussweise zu übernehmen.


11
Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Rechtsanwalt lic. iur. Dieter Marty wird für das Berufungsverfahren vor
dem Kantonsgerichtsausschuss Graubünden als amtlicher Verteidiger
von X. eingesetzt.
3.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 400.-gehen zu Lasten des
Berufungsklägers, der überdies die Kosten der amtlichen Verteidigung
von Fr. 400.-zu bezahlen hat.
4.
Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit erhaltener schriftlicher
Mitteilung beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 97 ff. OG eingereicht werden.
5. Mitteilung
an:
——————

Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
Der Vizepräsident

Der Aktuar


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