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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SKA-04-71: Kantonsgericht Graubünden

In dem vorliegenden Fall ging es um eine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich. Der Beschwerdeführer hatte Strafanzeige gegen die Beschwerdegegnerin wegen versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis erstattet. Die Staatsanwaltschaft hatte die Nichtanhandnahme verfügt, woraufhin der Beschwerdeführer Beschwerde einreichte. Nach verschiedenen Stellungnahmen und Schriftsätzen entschied das Obergericht des Kantons Zürich, dass die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft nicht zu beanstanden sei. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, und der Beschwerdegegnerin wurde eine Prozessentschädigung zugesprochen.

Urteilsdetails des Kantongerichts SKA-04-71

Kanton:GR
Fallnummer:SKA-04-71
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SKA-04-71 vom 31.01.2005 (GR)
Datum:31.01.2005
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Disziplinarverfahren (Art. 14 Abs. 2 SchKG)
Schlagwörter : Betreibung; Betreibungs; Betreibungsamt; SchKG; Kreis; Aufsicht; Aufsichts; Dienst; Aufsichtsbehörde; Betreibungsbeamte; Recht; Gläubiger; Sanktion; Recht; Kanton; Pfändung; Verhalten; Zahlungsbefehl; Konkurs; Verfahren; Funktion; Kantons
Rechtsnorm:Art. 10 KG ;Art. 114 KG ;Art. 14 KG ;Art. 144 KG ;Art. 17 KG ;Art. 20a KG ;Art. 321a OR ;Art. 36 VVG ;Art. 71 KG ;Art. 76 KG ;Art. 89 KG ;Art. 90 KG ;
Referenz BGE:121 I 379;
Kommentar:
Hans, Peter, Schweizer, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 128 StGB, 2003

Entscheid des Kantongerichts SKA-04-71

Kantonsgericht von Graubünden

Tribunale cantonale dei Grigioni

Dretgira chantunala dal Grischun
_____

Ref.:
Chur, 31. Januar 2005
Schriftlich mitgeteilt am:
SKA 04 71
Entscheid
Kantonsgerichtsausschuss
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Vorsitz Präsident
Brunner
RichterInnen Sutter-Ambühl und Tomaschett-Murer
Aktuar Conrad
——————
In der Schuldbetreibungsund Konkurssache
des X., Betreibungsbeamter des Betreibungskreises A.,

betreffend Disziplinarverfahren (Art. 14 Abs. 2 SchKG),

hat sich ergeben:



2


A.
Seit Juni 2001 sind beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubün-
den als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen insgesamt 14 Rechtsver-
weigerungsund Rechtsverzögerungsbeschwerden (SKA 04 67, SKA 04 40, SKA
04 35, SKA 04 34, SKA 04 33, SKA 04 32, SKA 04 24, SKA 04 15, SKA 04 10,
SKA 03 53, SKA 03 31, SKA 03 25, SKA 02 16, SKA 01 19) gegen das Betrei-
bungsamt A. beziehungsweise dessen Amtsinhaber X. eingegangen, wobei eine
Häufung der Fälle im Jahre 2004 (9 Verfahren: SKA 04 67, SKA 04 40, SKA 04
35, SKA 04 34, SKA 04 33, SKA 04 32, SKA 04 24, SKA 04 15, SKA 04 10) fest-
zustellen ist. In sämtlichen der vorgenannten 14 Verfahren wurde die Beschwerde
zwar durch Entscheid auf dem Korrespondenzweg als gegenstandslos ge-
worden abgeschrieben, dies jedoch ausnahmslos erst nachdem der Amtsinhaber
die unterlassene(n) Amtshandlung(en) nach der Beschwerdeerhebung vorge-
nommen hatte.
B.
Aufgrund von sich häufenden Klagen von Verfahrensbeteiligten über
Rechtsverschleppungen beim Betreibungsamt A. ordnete die Aufsichtsbehörde
am 11. Juni 2003 eine Sonderinspektion dieses Betreibungsamtes an. Gemäss
einem ersten Inspektionsbericht vom 30. Juni 2003 wurden Verzögerungen im
gesetzmässigen Ablauf einzelner Betreibungen festgestellt. Der Betreibungsbeam-
te X. arbeite zu 75% für das Kreisamt A. (Kreisaktuar, Vormundschaft, Betrei-
bungsamt) und zu 25% für die Gemeinde E. (E. Tourismus), wobei lediglich ein
Tag pro Woche für die betreibungsamtlichen Aufgaben investiert werde. Der Be-
amte wurde vom Betreibungsinspektor darauf hingewiesen, dass in Fällen von
verweigerter Annahme von Zahlungsbefehlen und Konkursandrohungen jeweils
eine rasche Übergabe an die Polizei zwecks Zustellung zu erfolgen habe und die
Pfändungsankündigungen rasch zu erlassen seien. Mit Schreiben vom 2. Juli
2003 teilte die Aufsichtsbehörde das Ergebnis der Sonderinspektion dem Betrei-
bungsamt A. mit und ordnete eine Nachkontrolle im Rahmen der alljährlich im
Herbst stattfindenden Hauptinspektion an, sah im Übrigen aber, in der Hoffnung,
dass Besserung eintreten werde, von weiteren Massnahmen ab.
C.
In der Folge gingen bei der Aufsichtsbehörde weitere Beanstandun-
gen über das Betreibungsamt A. ein, welche alle in die gleiche Richtung zielten,
namentlich wurde die Nichtbeantwortung von Gläubigeranfragen, die überwiegen-
de Nichterreichbarkeit des Betreibungsbeamten sowie allgemeine Untätigkeit in
Betreibungsfällen gerügt. Die Vorwürfe wurden vom Betreibungsbeamten X. im
Grundsatz anerkannt. Er wies seinerseits jedoch darauf hin, dass das Betrei-
bungsamt zufolge seiner verschiedenen anderweitigen Tätigkeiten, insbesondere



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für die Gemeinde E., nicht ständig besetzt sei. Die Gemeindeverwaltung E. habe
nun eine 40%-ige Arbeitsstelle ausgeschrieben, welche man auf anfangs 2004 zu
besetzen gedenke, wodurch zu erwarten sei, dass sich die personelle Situation
beim Kreisbeziehungsweise Betreibungsamt A. wesentlich entschärfen werde.
Unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit und Dringlichkeit mahnte die Auf-
sichtsbehörde mit Schreiben vom 7. August 2003 den Betreibungsbeamten an, die
Situation zu verbessern. Es gehe nicht an, dass Betreibungsfälle monatelang ver-
zögert und die Gläubiger nicht über den Grund benachrichtigt werden. Der Erfolg
einer Betreibung hänge wesentlich davon ab, wie rasch die betreibungsamtlichen
Verfügungen erlassen werden. Das Betreibungsamt sei im Übrigen in Absprache
mit dem Kreisrat als Wahlbehörde derart zu organisieren, dass ein beförderlicher
Ablauf der Betreibungen gewährleistet wird. Eine Vernachlässigung der betrei-
bungsamtlichen Funktion aufgrund anderweitiger Tätigkeiten des Betreibungsbe-
amten könne nicht weiter hingenommen werden.
D.
Da anfangs 2004 weitere Beschwerden gegen das Betreibungsamt
A. eingingen, ordnete die Aufsichtsbehörde mit Verfügung vom 25. Mai 2004 an,
die Geschäftsführung dieses Amtes im Rahmen der ordentlichen Jahresinspektion
insbesondere auf Rechtsverzögerungen zu untersuchen.
Am 15. November 2004 ging bei der Aufsichtsbehörde eine weitere Rechts-
verzögerungsbeschwerde gegen das Betreibungsamt A. ein, worin die kantonale
Steuerverwaltung Graubünden insgesamt 42 hängige Betreibungsverfahren auflis-
tete, welche wenig bis gar nicht vorangetrieben würden. Mit Schreiben vom 16.
November 2004 forderte die Aufsichtsbehörde den Kreisrat A. ultimativ auf, unver-
züglich die dringend notwendigen Massnahmen zu ergreifen und unter Einsetzung
von anderem Personal sowie mittels Überwachung durch den Betreibungsinspek-
tor die Pendenzen bis spätestens 15. Dezember 2004 aufzuarbeiten. Anderweitige
Massnahmen wurden vorbehalten.
Das Betreibungsamt A. wurde am 18. November 2004 erneut inspiziert.
Nachdem eine erste Sichtung umfangreiche und gravierende Mängel zu Tage ge-
fördert hatte, entschloss sich der Betreibungsinspektor in Absprache mit dem Prä-
sidenten der Wahlbehörde, sämtliche Geschäftsfälle der Jahre 2003-2004 einer
vollständigen Prüfung zu unterziehen und am 23./24. und 29. November 2004 in
eigener Regie eine Aufräumaktion durchzuführen. Dem anschliessenden Bericht
des Betreibungsinspektors vom 30. November 2004 zur Geschäftsführung beim



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Betreibungsamt A. der letzten beiden Geschäftsjahre ist unter anderem zu ent-
nehmen:
dass die gesamte Überprüfung der Geschäftsfälle von 2003-2004 gravie-
rende Verzögerungen bei der Behandlung der Betreibungsverfahren er-
geben hat;
dass beim Betreibungsamt A. sämtliche Anfragen von Gläubigern zu lau-
fenden Vollstreckungsverfahren nicht bearbeitet beziehungsweise deren
Schreiben weggeworfen wurden;
dass insgesamt 66 von Januar 2004-Oktober 2004 eingegangene Be-
treibungsbegehren erst am 1. November 2004 erfasst wurden;
dass weitere 114 vorgefundene Betreibungsbegehren, 16 aus dem Jahre
2003, 98 aus dem Jahre 2004 stammend, erst zwischen dem 23. und 29.
November 2004 -durch den Betreibungsinspektor und eine von ihm bei-
gezogene Hilfskrafterfasst und bearbeitet wurden;
dass 7 Betreibungsbegehren nicht vorgefunden werden konnten.
E.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2004 gab der Kreispräsident A. sei-
ner Bestürzung über die herrschenden Zustände beim Betreibungsamt Ausdruck
und liess die Aufsichtsbehörde wissen, dass er beziehungsweise der Kreisrat als
Wahlbehörde nie über die mangelhafte Amtsführung beim Betreibungsamt unter-
richtet worden seien. Er argwöhnte, dass die diesbezügliche Post [Schreiben der
Aufsichtsbehörde vom 7. August 2003, 25.Mai 2003 und 13. September 2004]
vom Amtsinhaber, welcher in Personalunion Aktuar des Kreisamtes A. ist, "schub-
ladisiert" worden sei.
X. hat sein Amt als Betreibungsbeamter und alle übrigen Funktionen beim
Kreis A. per 31. März 2005 niedergelegt. Es ist bereits eine Nachfolgerin gewählt,
welche ihr Amt am 1. Februar 2005 antritt und bis Ende März in alle Aufgaben des
Kreisund Betreibungsamtes eingearbeitet wird.
F.
Mit Beschluss vom 14. Dezember 2004, mitgeteilt am 29. Dezember
2004, eröffnete die Aufsichtsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen X. und setzte
ihm Frist, sich bis am 17. Januar 2005 zur Sache vernehmen zu lassen.
In seiner fristgemäss mit Eingabe am 17. Januar 2005 eingelegten Ver-
nehmlassung beantragt X., es seien gegen ihn "keine grösseren beziehungsweise
[nur] geringfügige Disziplinarmassnahmen zu verfügen".



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Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, es seien mittlerweile alle
Pendenzen mit Hilfe des Betreibungsinspektors aufgearbeitet worden, wobei die
Kosten dieser Aufarbeitung vollumfänglich von ihm persönlich übernommen wor-
den seien, so dass dem Kreis A. keine Kosten entstanden seien. Ausserdem
könnten nun alle Betreibungsbegehren innert Frist erledigt werden, so dass des
Betreibungsamt A. à jour an die Amtsnachfolgerin übergeben werden könne. Zur
Erklärung, wie es zur missliebigen Situation beim Betreibungsamt A. gekommen
sei, verweist X. vorab auf seine früheren Stellungnahmen an die Aufsichtsbehör-
de. Weiter führt er aus, er sei während den Ferien und Militärdienst auf sich allein
gestellt gewesen, was indessen nicht als Vorwurf an den Stellvertreter zu verste-
hen sei. Er habe trotz allem das Betreibungsamt A. während 11 Jahren, und die
meiste Zeit davon ohne Beanstandungen, geführt und entsprechende Erfahrung
gesammelt. Nach seiner Auffassung wäre ein "regionales Betreibungsamt" wie
zum Beispiel im B., mit einer nicht nur auf dem Papier bestehenden Stellvertre-
tung, besser und professioneller zu führen.
Der Kantonsgerichtsausschuss zieht in Erwägung :
1.a. Gemäss Art. 14 SchKG hat die Aufsichtsbehörde die Geschäftsfüh-
rung jedes Amtes alljährlich mindestens einmal zu prüfen (Abs. 1). Gegen einen
Beamten Angestellten können folgende Disziplinarmassnahmen getroffen
werden: 1. Rüge; 2. Geldbusse bis zu 1'000 Franken; 3. Amtseinstellung für die
Dauer von höchstens sechs Monaten; 4. Amtsentsetzung (Abs. 2).
b.
Soweit das Bundesrecht selbst keine Verfahrensvorschriften aufstellt,
ist dies Sache der Kantone (vgl. Art. 20a Abs. 5 SchKG). Die entsprechende kan-
tonale Verfahrensvorschrift zum Disziplinarrecht gegenüber Betreibungsund
Konkursbeamten bestimmt (Art. 25 GVVSchKG): Die Aufsichtsbehörde kann auf-
grund einer Anzeige von Amtes wegen ein Disziplinarverfahren eröffnen
(Abs. 1). Sie teilt dies der betroffenen Amtsperson mit und nimmt die nötigen Ab-
klärungen vor (Abs. 2). Nach Abschluss der Untersuchung erhält die betroffene
Person Gelegenheit zur Stellungnahme; nötigenfalls ist eine mündliche Verhand-
lung durchzuführen (Abs. 3). Der Disziplinarentscheid wird unter Angabe des
Sachverhalts und der wesentlichen Erwägungen schriftlich eröffnet (Abs. 4). Im
Übrigen sind die Bestimmungen über das kantonale Verfahren in Verwaltungssa-
chen gemäss Artikel 3 ff. VVG sinngemäss anwendbar (Abs. 5).



6


c.
Unter Bekanntgabe, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren mit den
drohenden Sanktionen gemäss Art. 14 Abs. 2 SchKG eröffnet ist, sowie der Grün-
de, welche hierzu geführt haben, hat der betroffene Betreibungsbeamte Gelegen-
heit zur Stellungnahme erhalten und sie wahrgenommen. Das kritische Verhalten
von X. ist in tatsächlicher Hinsicht durch die Akten in den Beschwerdefällen SKA
04 67, SKA 04 40, SKA 04 35, SKA 04 34, SKA 04 33, SKA 04 32, SKA 04 24,
SKA 04 15, SKA 04 10, SKA 03 53, SKA 03 31, SKA 03 25, SKA 02 16, SKA 01
19, die Berichte des Betreibungsinspektorats vom 30. Juni 2003 und 30. Novem-
ber 2004 sowie durch den weiteren Schriftverkehr zwischen der Aufsichtsbehörde,
dem Kreisrat A., dem Betreibungsinspektorat und dem Betreibungsamt A. hinrei-
chend geklärt. Weitere Untersuchungshandlungen sind nicht erforderlich. X. hat in
seiner Vernehmlassung vom 17. Januar 2005 denn auch keinen Antrag auf weite-
re Sachverhaltsabklärungen gestellt. Einen Antrag auf Durchführung einer mündli-
chen Verhandlung hat er ebenso wenig gestellt, so dass offen bleiben kann, ob
gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK ein voraussetzungsloser Anspruch auf einen per-
sönlichen Vortritt und allenfalls eine öffentliche Verhandlung bestünde (vgl. dazu
Tobias Jaag, Sanktionen im Verwaltungsrecht, in FS für Niklaus Schmid, Zürich
2001, S. 581 f.; BGE 121 I 379: verneinend, mangels strafrechtlicher Natur und
Schwere einer disziplinarischen Busssanktion von Fr. 300.— gegen einen kanto-
nalen Beamten). Die Sache ist mithin spruchreif.
d.
Nach übereinstimmender Sachdarstellung von Kreisrat (Wahlbehör-
de) und Betroffenem, hat X. sein Amt als Betreibungsbeamter per Ende März
2005 niedergelegt. Zu welchem Zeitpunkt seine Demissionserklärung erfolgt ist, ist
unbekannt und kann es auch bleiben. In der Lehre wird weitgehend die Meinung
vertreten, dass ein Disziplinarverfahren durch die Beendigung des Dienstverhält-
nisses grundsätzlich gegenstandslos wird. Da repressive Disziplinarmassnahmen
bezwecken, den Fehlbaren zur Ordnung zu rufen, mit dem primären Ziel, das ein-
wandfreie Funktionieren der Verwaltung und die Vertrauenswürdigkeit in dieselbe
wieder herzustellen, soll die Verhängung von Ordnungsbussen und anderen Dis-
ziplinarmassnahmen -von hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgese-
hengrundsätzlich nur solange zulässig sein, als der Beschuldigte noch im Amt
ist (vgl. Peter Hänny, Das öffentliche Dienstrecht der Schweiz, Zürich 2002, S.
423-427 (SOG 1988 37, EGVSZ 1985 23, ZGGVP 1987-88 175, ZGGVP 1979-80
14), mit zahlreichen Hinweisen auf die Literatur und Rechtsprechung). Zumindest
insoweit dem Sanktionszweck (auch) eine generalpräventive Wirkung auf Dritte,
namentlich auf noch diensttuende und zukünftige Amtsinhaber, zugeschrieben
werden darf, wäre dies zu hinterfragen. Doch selbst wenn man für die disziplinari-



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sche Sanktion an der Voraussetzung eines noch bestehenden Dienstverhältnisses
generell festhalten will, wäre diese Voraussetzung vorliegend gegeben. Denn
massgebender Zeitpunkt für den Eintritt der Gegenstandslosigkeit eines Diszipli-
narverfahrens wäre jedenfalls erst der tatsächliche Austritt aus dem Dienst (hier
der 31. März 2005) und nicht die bereits früher erfolgte Austrittserklärung (Demis-
sion, Kündigung u. dergl.). Letzteres kann schon deshalb nicht massgeblich sein,
weil es ansonsten ein Amtsinhaber jederzeit in der Hand hätte, ein gegen ihn ge-
richtetes Disziplinarverfahren zu vereiteln beziehungsweise es gegenstandslos
werden zu lassen.
2.
Das Disziplinarrecht des SchKG dient dem einwandfreien Funktionie-
ren der ihm unterstellten Vollstreckungsbehörden. Durch das Sanktionensystem
von Art. 14 Abs. 2 SchKG sollen die Integrität und Leistungsfähigkeit der im ent-
sprechenden Sonderstatusbeziehungsweise Dienstverhältnis stehenden Perso-
nen sichergestellt und das Vertrauen des Bürgers in eine nach den Grundsätzen
der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Leistungsfähigkeit zuverlässig ablau-
fende Staatstätigkeit hergestellt werden. Durch die Bedrohung mit Sanktionen will
das Gesetz abschrecken. Mit einer Sanktion soll -primär spezialpräventiverreicht
werden, dass ein konkret fehlbarer Amtsträger sein Verhalten ändert und sich ins-
künftig ordnungsgemäss gebärdet. Indessen ist auch anerkannt, dass Disziplinar-
sanktionen eine gewisse generalpräventive Wirkung zugeschrieben werden soll
und darf. Staatsbedienstete werden eher von der Begehung von Disziplinarfehlern
Abstand nehmen, wenn sie damit rechnen müssen, dass Verfehlungen mit ernst-
haften Sanktionen geahndet werden (zu den Zwecken repressiver Disziplinarsank-
tionen vgl. Marcel Ogg, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechts-
grundlagen, Diss. Zürich 2002, S. 4 f.; Jaag, a.a.O., S. 573; Peter Bellwald, Die
disziplinarische Verantwortlichkeit der Beamten, Diss. Bern 1989, S. 23/147; AG-
VE 1989 103 E. 2a).
3.a. Dass X. als gewählter Betreibungsbeamter des Betreibungskreises
A. unter die Disziplinarordnung von Art. 14 SchKG fällt, ist offensichtlich und un-
bestritten.
b.
Weitere Voraussetzung für eine Disziplinierung ist die Verletzung ei-
ner Dienstpflicht, was Art. 14 Abs. 2 SchKG stillschweigend voraussetzt bezie-
hungsweise aus Sinn und Zweck der Norm und der allgemeinen Aufsicht gemäss
Art. 14 Abs. 1 SchKG abzuleiten ist (Ernst Blumenstein, Handbuch des Schweize-
rischen Schuldbetreibungsrechts, Bern 1911, S. 54). Anders als im gemeinen



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Strafrecht und im Verwaltungsstrafrecht fehlt im SchKG des weiteren -wie übri-
gens in den meisten Disziplinarordnungeneine Umschreibung des objektiven
Strafbeziehungsweise Disziplinartatbestandes, das heisst dessen, was vom dis-
ziplinarischen Gesichtspunkt aus -also vom guten Funktionieren und dem Anse-
hen der Verwaltung herverboten und erlaubt ist, gänzlich. Mit der Umschreibung
der Dienstpflichten bestimmen die entsprechend anwendbaren Gesetze indessen
auch gleichzeitig den Kreis der möglichen Dienstpflichtverletzungen (Bellwald,
a.a.O., S. 51; Walter Hinterberger, Disziplinarfehler und Disziplinarmassnahmen
im Recht des öffentlichen Dienstes, Diss. St. Gallen 1986, S. 145/152 f.). Es sind
somit das SchKG und seine Verordnungen, aus welchen sich die zahlreichen und
vielfältigen Dienstpflichten des Betreibungsbeamten bestimmen. Ein Betreibungs-
beamter, der die in der Vollstreckungsordnung des SchKG vorgesehenen Betrei-
bungshandlungen gegenüber den Betreibungsparteien und/oder anderen dienstli-
chen Verrichtungen Verhaltensweisen -sei es bloss in einzelnen Anwen-
dungsfällen, sei es durchwegsgar nicht, nicht richtig nicht fristgemäss vor-
nimmt beziehungsweise Untätigkeit an den Tag legt, begeht objektiv eine Dienst-
pflichtverletzung. Als weitere allgemeine Pflichten im öffentlichen Dienst werden
angesehen: persönliches Erbringen der Dienstleistung, Gehorsamspflicht gegen-
über den Aufsichtsträgern, innerdienstliche Treueund Interessenwahrungspflicht,
Ausstandspflicht (vgl. Art. 10 SchKG), Verbot des Selbstkontrahierens (vgl. Art. 11
SchKG), Schweigepflicht, Streikverbot, Geschenkannahmeverbot, ausserdienstli-
ches Wohlverhalten (vgl. dazu Hinterberger, a.a.O., S. 162 ff.; Bellwald, a.a.O., S.
52 ff.).
aa.
Die Pflicht zur Erfüllung der Arbeitsbeziehungsweise Dienstleistung
ist die Hauptpflicht des Amtsinhabers (Hinterberger, a.a.O., S. 146). Aus den ein-
gangs erwähnten 14 Beschwerdefällen gehen im Wesentlichen folgende Sachver-
halte hervor:
SKA 01 19 (act. 02.14): Verzögerungen zwischen 6 und 13 Monaten bei
der Bearbeitung von Fortsetzungsbegehren in 10 Betreibungsfällen.
SKA 02 16 (act. 02.13): Untätigkeit nach Eingang des Betreibungsbegeh-
rens. Unterlassen Zustellversuch des Zahlungsbefehls. Nichtbeantwor-
tung einer Gläubigeranfrage.
SKA 03 25 (act. 02.12): 8-monatige Untätigkeit nach Eingang Fortset-
zungsbegehren. Nichtbeantwortung von Gläubigeranfragen.
SKA 03 31 (act. 02.11): 10-monatige Untätigkeit nach Eingang Fortset-
zungsbegehren.



9


SKA 03 53 (act. 02.10): 6-monatige Verzögerung bei der Zustellung der
Abschrift der Pfändungsurkunde, trotz 8 Gläubigeranfragen und -
abmahnungen. 2 Jahre (!) Verzögerung bei der Zustellung des Verlust-
scheins, trotz 8 Abmahnungsschreiben durch den Gläubiger.
SKA 04 10 (act. 02.9): Nichtbeantwortung von Gläubigeranfragen.
SKA 04 15 (act. 02.8): Nichtanhandnahme von Betreibungsbegehren.
Nichtbeantwortung von Gläubigeranfragen.
SKA 04 24 (act. 02.7): 13-monatige beziehungsweise 9-monatige Untä-
tigkeit nach 2 Betreibungsbegehren; Nichtbeantwortung von zahlreichen
schriftlichen und telefonischen Gläubigeranfragen. 9-monatige Verzöge-
rung bei der Zustellung eines Verlustscheins und bei der Überweisung
des Pfändungserlöses; Nichtbeantwortung von zahlreichen schriftlichen
und telefonischen Gläubigeranfragen.
SKA 04 32, 33, 34 und 35 (act. 02.3-02.6): Nichtbehandlung von 27 Be-
treibungsbeziehungsweise Fortsetzungsbegehren. Nichtbeantwortung
zahlreicher entsprechender Gläubigeranfragen.
SKA 04 40 (act. 02.2): 9-monatige Verzögerung bei der Zustellung des
Zahlungsbefehls. Nichtbeantwortung zahlreicher entsprechender Gläubi-
geranfragen.
SKA 04 67 (act. 02.1): Zeitliche Verzögerungen von mehreren Monaten
bis zu einem Jahr bei der Ausstellung und der Zustellung von Zahlungs-
befehlen an die Schuldner, bei der Zustellung der Abschriften der Zah-
lungsbefehle an den Gläubiger, beim Pfändungsvollzug und der Zustel-
lung der Abschriften der Pfändungsurkunden an den Gläubiger sowie bei
der Ausstellung der Verlustscheine in insgesamt 42 Betreibungsfällen.
Anlässlich der ersten Sonderinspektion vom 25. Juni 2003 musste im Sinne
eines allgemein vorherrschenden Missstandes festgestellt werden, dass in Fällen
von verweigerter Annahme von Zahlungsbefehlen und Konkursandrohungen keine
ungesäumte Übergabe an die Polizei erfolgte und die Pfändungsankündigun-
gen/Pfändungsvollzüge nur mit zeitlichen Verzögerungen erfolgten (act. 01.2.2).
Als Quintessenz der zweiten Inspektion kann dem Bericht des Betreibungs-
inspektors vom 30. November 2004 zur Geschäftsführung beim Betreibungsamt A.
(act. 01.2.9) unter anderem entnommen werden, dass die vollständige Überprü-
fung der Geschäftsfälle der Jahre 2003-2004 in Quantität und Qualität gravierende



10


zeitliche Verschleppungen bei der Behandlung der Betreibungsverfahren ergeben
hat. Der Betreibungsinspektor sah sich veranlasst, X. eine ganze Reihe von -an
sich banalen, im besonderen Fall des Betreibungsamtes A. gleichwohl notwendi-
genEmpfehlungen und Vorschlägen für eine korrekte Amtsführung zu erteilen:
tägliche Öffnung der Post;
tägliche Bearbeitung erhaltene Betreibungsund Fortsetzungsbegehren;
unverzügliche Veranlassung des polizeilichen Zustellversuchs im Falle
betreibungsamtlich unzustellbarer Zahlungsbefehle;
zurückzuweisende Betreibungsbegehren dennoch zu erfassen und dem
Gläubiger briefliche Mitteilung zu machen;
sofortige Beantwortung von Gläubigeranfragen;
Zustellung des Zahlungsbefehlsdoppels an den Gläubiger nach Ablauf
der Rechtsvorschlagsfrist;
sofortige Anzeige der Fortsetzungsbegehren durch Pfändungsankündi-
gung an den Schuldner;
vom Schuldner ignorierte Pfändungsankündigungen durch eine 2. und 3.
Vorladung innert nützlicher Frist zu wiederholen;
bei Nichtfolgeleistung einer 2. und 3. Vorladung, den Schuldner polizei-
lich vorführen zu lassen;
sämtliche Akten in der entsprechenden Betreibungsmappe aufzubewah-
ren;
Für die Vornahme bestimmter Amtshandlungen (vgl. die Aufstellung bei
Robert Joos, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, Wädenswil
1964, S. 27) sind Fristen vorgeschrieben, die der Betreibungsbeamte einzuhalten
hat. So gibt beispielsweise eine verspätete Zustellung von Zahlungsbefehlen An-
lass zu Disziplinarmassnahmen (Joos, a.a.O., S. 76; Pra 78 (1989) Nr. 140 E. 7a).
Durch sein nachlässiges, als solches nicht in Abrede gestelltes Verhalten hat X. in
zahlreichen Geschäftsfällen seit dem Jahr 2000 verschiedene Fristund andere
Vorschriften des SchKG objektiv verletzt, nämlich:
Art. 1 f. VABK (Verordnung des Bundesgerichts über die Aufbewahrung
der Betreibungsund Konkursakten vom 5. Juni 1996), wonach die Ak-
ten jeder Betreibung und jedes Konkurses übersichtlich zu ordnen und
beisammen zu halten sind und die Akten erledigter Betreibungen nach



11


Ablauf von zehn Jahren, vom Tage der Erledigung an gerechnet, ver-
nichtet werden dürfen;
Art. 71 Abs. 1 SchKG, wonach der Zahlungsbefehl dem Schuldner nach
Eingang des Betreibungsbegehrens zugestellt wird. Darunter ist die Zu-
stellung ohne unnötigen Verzug, also innert kurzer Frist zu verstehen,
was auch das System der Bildung von Pfändungsgruppen nahe legt,
haftet doch der Staat, falls dem Gläubiger hierbei durch eine ungebühr-
liche Verzögerung bei der Zustellung des Zahlungsbefehls ein Schaden
erwächst (Wüthrich/Schoch, Basler Kommentar zum SchKG, N 4 f. zu
Art. 71);
Art. 76 Abs. 2 SchKG, wonach diese Ausfertigung des Zahlungsbefehls
dem Betreibenden unmittelbar nach dem Rechtsvorschlag, und wenn
ein solcher nicht erfolgt ist, sofort nach Ablauf der Bestreitungsfrist zu-
gestellt wird;
Art. 89 SchKG, wonach das Betreibungsamt nach Empfang des Fort-
setzungsbegehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen
durch das Betreibungsamt des Ortes, wo die zu pfändenden Vermö-
gensstücke liegen, vollziehen zu lassen hat, wobei Zeit für die gesetzli-
che Pfändungsankündigung bleiben muss (Art. 90 SchKG). Säumnis
des Betreibungsbeamten mit dem Pfändungsvollzug gibt Anlass zu dis-
ziplinarischer Ahndung und führt gegebenenfalls zur Staatshaftung
(Lebrecht, Basler Kommentar zum SchKG, N 30/35 zu Art. 89);
Art. 114 SchKG, wonach das Betreibungsamt den Gläubigern und dem
Schuldner nach Ablauf der 30-tägigen Teilnahmefrist unverzüglich eine
Abschrift der Pfändungsurkunde zu stellt;
Art. 144 Abs. 1 SchKG, wonach die Verteilung stattfindet, sobald alle in
einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind. Die Ver-
teilung des Verwertungserlöses hat das Betreibungsamt ohne besonde-
re Aufforderung des Gläubigers und ungesäumt vorzunehmen. Unan-
gemessen lange Zeitspanne zwischen Verwertung und Auszahlung
kann zur Staatshaftung führen (Schöniger, Basler Kommentar zum
SchKG, N 6/9 zu Art. 144);
Art. 149 Abs. 1bis, wonach das Betreibungsamt den Verlustschein aus-
stellt, sobald die Höhe des Verlustes feststeht. Das Betreibungsamt hat
den Verlustschein von Amtes wegen und ohne unnötigen Verzug aus-
zustellen.



12


Zwar handelt es sich bei den meisten der genannten Vorschriften um Frist-
bestimmungen, welche lediglich so genannte ausführende Ordnungsfristen festle-
gen. Es sind nicht Fristen, welche die Betreibungsparteien zum Handeln veranlas-
sen und deren Nichteinhaltung mit Rechtsnachteilen für dieselben verbunden sind
oder die Gültigkeit der betreffenden Amtshandlung in Frage stellen, sondern Aus-
führungsfristen, die sich an die Vollstreckungsorgane richten. Gerade aus der
Qualität als Ordnungsfristen folgt, dass der Betreibungsamte ihr primärer Adressat
ist. Sie sind Ausdruck eines immer wieder auftauchenden allgemeinen Ordnungs-
prinzips des Vollstreckungsrechts, dass Vollstreckungsverfahren beschleunigt ab-
zuwickeln sind. Ihre Einhaltung ist weder freiwillig noch stellen sie Selbstzweck
dar. Sie halten die Vollstreckungsorgane im Befehlssinne zu einer speditiven Erle-
digung des von einer Betreibungspartei eingeleiteten Schrittes an und sind inso-
weit zum Schutz der am Verfahren beteiligten Parteien aufgestellt (Blumenstein,
a.a.O., S. 194 f.; Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkurs-
rechts, 7. A. Bern 2003, § 11 N 3-5; Hans Ulrich Walder, Die Fristen im Schuldbe-
treibungsund Konkursrecht, Zürich 1987, S. 1-5). Die Nichteinhaltungen dieser
Ausführungsfristen, wie sie der Betroffene erwiesenermassen in unzähligen Be-
treibungsfällen und über längere Zeit hinweg standardmässig praktiziert hat, stel-
len mithin betreibungsamtliche Dienstpflichtverletzungen in optima forma dar.
bb. Der Betreibungsbeamte hat aus eigener Initiative und in dem vom
SchKG und seinen Verordnungen gesetzten Rahmen seine Aufgaben zwar weit-
gehend selbständig zu erfüllen, indessen ergibt sich aus der gesetzlichen Aufsicht
auch eine Gehorsamsund Befolgungspflicht gegenüber seiner Aufsichtsbehörde.
Er ist verpflichtet, individuell konkrete Anordnungen im einzelnen Rechtsanwen-
dungsfall, wie sie sich als Resultat eines Beschwerdeverfahrens nach Art. 17
SchKG einstellen können, zu befolgen und generelle, die eigentliche Arbeitstätig-
keit (Leistungsanweisungen, technische Weisungen, wie z.B. die Richtlinien zur
Berechnung des Notbedarfs) sowie die Organisation und das allgemeine Verhal-
ten betreffende Weisungen (z.B. der Besuch von Weiterbildungskursen) seiner
Aufsichtsbehörde gewissenhaft und vernünftig zu vollziehen (vgl. dazu Bellwald,
a.a.O., S. 58 ff.; Hinterberger, a.a.O., S. 164 ff.; Hänni, a.a.O., S. 343-355).
Abgesehen davon, dass mit der Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG für die
Betreibungsparteien der rechtmässige Zustand in einem Einzelfall verbindlich her-
gestellt wird, hat ein solches Erkenntnis, namentlich wenn es generell zu beach-
tende Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung enthält, gegebenenfalls für
das betroffene Betreibungsamt weitergehende Bedeutung. Es ist der Dienst nach



13


bestem Wissen und Gewissen zu leisten. Jeder Betreibungsbeamte, der seine
Arbeit in einer Art und Weise ernst nimmt, wie es ohne weiteres erwartet werden
darf, muss die aus einem Beschwerdeentscheid hervorgehende, einzelfallbezoge-
ne Kritik der Rechtsmittelinstanz aufnehmen und in der Zukunft dementsprechend
handeln. X. hätte jedes einzelne der erwähnten Beschwerdeverfahren sachlich
somit bereits als nachhaltige Mahnung auffassen müssen, inskünftig gewissenhaf-
ter zu arbeiten. Dies umso mehr, als ihm nicht entging, dass die (berechtigten)
Rügen der Beschwerdeführer stets die Untätigkeit beziehungsweise die Nichter-
reichbarkeit des Amtsträgers betrafen. Dabei musste X. die unüberhörbare Kritik
von Anfang an und durchs Band als persönlichen Vorwurf auffassen, waren doch
in den meisten Fällen nicht ansatzweise persönliche Entschuldigungsgründe
verfahrensbedingte Ursachen ersichtlich. Namentlich handelte es sich in keinem
dieser Fälle um tatsächlich und/oder rechtlich komplexe Problemstellungen der
Vollstreckung, in denen sich in guten Treuen die eine andere Vorgehenswei-
se vertreten liess. Das Ungenügen lag wesentlich tiefer, indem der Betroffene völ-
lig untätig blieb beziehungsweise erst und viel zu spät unter dem Druck einer Be-
schwerde handelte. Bei den Unterlassungen handelte es sich um standardmässi-
ge Betreibungshandlungen und andere Amtsverrichtungen (Ausstellung/Zustellung
Zahlungsbefehl, Pfändungsankündigung und -vollzug, Verteilung von Verwer-
tungserlösen und Ausstellung von Verlustscheinen), von denen der Betroffene
wusste, dass, wann und wie sie vorzunehmen waren.
Hinzu tritt, dass sich X. weder durch zwei an ihn persönlich gerichtete, be-
schwerdeunabhängige Warnungen noch durch zwei aufsichtsbehördlich angeord-
nete Sonderinspektionen beeindrucken liess. Er verharrte in seiner Gleichgültigkeit
gegenüber dem Amt. Wenn er alle Abmahnungen und Weisungen in den Wind
schlug, war er -insistierendungehorsam und beging dadurch eine Verletzung
seiner allgemeinen Gehorsamspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde und dem
Gesetz.
cc.
Vergleichbar dem auf den privatrechtlichen Arbeitnehmer anwendba-
ren Art. 321a Abs. 1 OR trifft auch den Dienstnehmer der öffentlichen Hand eine
allgemeine Treueund Interessenwahrungspflicht. Als deren Ausfluss können eine
Wohlverhaltenspflicht (Bellwald, a.a.O., S. 56 f.) und innerdienstliche Treuepflicht
(Hinterberger S. 185-198) abgeleitet werden. Der Amtsträger hat gegenüber sei-
nen Vorgesetzten, Mitarbeitern und Untergebenen ein höfliches, korrektes und
taktvolles Benehmen an den Tag zu legen. Der sachliche Schutzbereich dieser
organisationsinternen Verhaltensregel ist das Arbeitsklima und damit das gute



14


Funktionieren der Verwaltung. Das gleiche Benehmen muss vom Beamten aber
auch im dienstlichen Verkehr nach aussen, mit dem Publikum verlangt werden.
Was für andere Mitbürger bloss ausserhalb des Rechts liegende Sitten und Kon-
ventionen von Höflichkeit und Anstand sind, wird für den Beamten im öffentlichen
Bereich zur Rechtspflicht. Der sachliche Schutzbereich dieser Pflicht ist das evi-
dente Interesse des Staates, dass die Bürgerinnen und Bürger ihm als Institution
und den für ihn handelnden Personen vertrauen. Auch dieses zielt letztlich auf das
gute Funktionieren der Verwaltung, mithin auf den rechtmässigen und zuverlässi-
gen Vollzug der Gesetze ab. Denn in der Vollstreckung von auf Geldleistung lau-
tenden Ansprüchen gibt es keine Selbsthilfe andere Alternative. Das Gesetz
verlangt vom Bürger, dass er sich dafür ausschliesslich an die staatlichen Vollstre-
ckungsbehörden wendet. Systemnotwendig darf der Bürger erwarten, dass der
Staat diese zwangsläufig in Anspruch zu nehmende Dienstleistung sachgerecht,
effizient und korrekt erbringt. Höflichkeit und Anstand sind erfahrungsgemäss
Elemente der Vertrauenserweckung und insofern in den vorgenannten Leistungs-
attributen notwendigerweise mit enthalten.
Durch den Sachverhalt ist hinreichend erstellt, dass X. in etlichen Fällen
Personen, welche vom Betreibungsamt A. eine einschlägige Dienstleistung erwar-
ten durften, vollkommen ignoriert hat, indem er ihre Betreibungsbegehren und
schriftlichen Anfragen zu eingeleiteten Betreibungsverfahren systematisch unbe-
arbeitet beziehungsweise unbeantwortet liess und teilweise sogar wegwarf (act.
01.2.10, 02.2, 02.3, 02.8, 02.10, 02.12, 02.13). Ferner war er telefonisch sehr oft
unerreichbar und kam den auf den Telefonanrufbeantworter hinterlassenen Ersu-
chen um Rückruf nicht nach (act. 01.2.5, 02.7, 02.12, 02.13). Die völlige und wie-
derholte Nichtbeachtung von Rechtssuchenden hat etwas Herabwürdigendes und
Schikanöses an sich. Solches Gebaren rückt die Institution des Betreibungsamtes
in ein schiefes Licht. In den genannten Verhaltensweisen liegt eine grobe und
überdies den Anstand verletzende Missachtung der Rechtssuchenden, welche -
über die persönliche Geringschätzung des Amtsträgers durch das Publikum hin-
ausgehendgeeignet ist, das Vertrauen des Volkes in eine funktionierende Be-
hördenorganisation des Betreibungskreises A. zu erschüttern und daher den vom
Disziplinarrecht definierten Schutzbereich tangieren.
dd. Die Aufsichtsbehörde hat bereits mit Schreiben vom 7. August 2003,
25. Mai 2004 und vom 13. September 2004 den Kreisrat A. als Wahlbehörde des
Betreibungsbeamten auf die unhaltbaren Missstände bei seinem Betreibungsamt
aufmerksam gemacht (act. 01.2.3, 01.2.6, 01.2.7). Diese Korrespondenz ist nach



15


glaubwürdiger Darstellung des Kreispräsidenten nie bis zu ihm gelangt (act.
01.2.11). Der nahe liegenden Vermutung des Kreispräsidenten, sein Aktuar habe
die Post "schlicht und einfach schubladisiert", hat X. zum einen nicht widerspro-
chen. Zum anderen passt es in seine Geschäftsführungspraxis, Betreibungsbe-
gehren und schriftliche Gläubigeranfragen zu laufenden Verfahren zu ignorieren
oder gar im Papierkorb zu entsorgen. Mit der Nichtweiterleitung der Post hat X. in
der offenbaren Absicht gehandelt, sein persönliches Ungenügen nicht zu Tage
treten zu lassen. Er hat somit nicht nur mit einer krass nachlässigen Amtsführung
das berechtigte Vertrauen der Rechtssuchenden in seine Amtsstellung enttäuscht
und das Betreibungsamt als Institution bei ihnen in Misskredit gebracht. Mit seinen
Vertuschungsaktionen hat er darüberhinaus seine Wahlbehörde, seinen administ-
rativen Vorgesetzten sowie den Kantonsgerichtsausschuss als SchKG-
Aufsichtsbehörde hintergangen und versucht, eine wirksame Aufsichtsund Kon-
trolltätigkeit zu verhindern. Dies ist zweifelsohne als Verletzung der allgemeinen
Treuepflicht und namentlich ihres Aspekts der Pflicht zur Interessenwahrung zu
qualifizieren. Der Betreibungsbeamte hat alles zu tun, was die Interessen des Am-
tes fördert und alles zu unterlassen, was sie beeinträchtigt. Den öffentlich Be-
diensteten trifft eine Aufklärungsund Mitteilungspflicht; er hat Störungen, Unre-
gelmässigkeiten, Unzulänglichkeiten und Gefahren aus eigenem Antrieb seinen
Vorgesetzten zu melden (Hinterberger, a.a.O., S. 191). Umso selbstverständlicher
ist, dass der Bedienstete Meldungen Dritter über solche Zustände Mitteilun-
gen der Aufsichtsbehörde, welche auf die Behebung von Unzulänglichkeiten aus-
gerichtet sind, keinesfalls unterdrücken darf. Dabei kann offen bleiben, ob X. be-
sagte Post in seiner Funktion als Betreibungsbeamter Kreisaktuar nicht wei-
terleitete. Auch wenn er dies als Kreisaktuar getan hat, stellt es die Vertrauens-
würdigkeit, welche einem Betreibungsbeamter notwendigerweise zukommen
muss, erheblich in Frage.
c.
Die Verhängung einer Disziplinarmassnahme setzt weiter voraus,
dass die dem Disziplinarrecht unterworfene Person die ihr obliegende Pflicht
schuldhaft -vorsätzlich fahrlässigverletzt hat. Schuldhaft handelt sie, wenn
sie die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens erkennt erkennen muss und anders
zu handeln in der Lage wäre (Bellwald, a.a.O., S. 98 f.; Emmel, a.a.O., N 8 zu Art.
14; Hänni, a.a.O., S. 417; Jaag, a.a.O., S. 577).
aa. Dass X. aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten und seiner Be-
rufserfahrungen dem Amt nicht gewachsen wäre, und so zu sagen nur ein (Amts-
)Übernahmeverschulden vorliegt, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil seine



16


vor 11 Jahren aufgenommene Amtsführung anfänglich keinen Anlass zu Be-
schwerden von der nachfolgend ab dem Jahre 2000 eingetretenen Häufigkeit und
Schwere gegeben hat. Seine Amtsführung muss als bewusste Schlamperei be-
zeichnet werden, die ihre Ursachen in fehlendem persönlichem Einsatzwillen und
mangelndem Verantwortungsgefühl hat. X. hat wenigstens in einem Teil der er-
wähnten Beschwerdefälle seine persönliche Verantwortung denn auch eingestan-
den, indem er sich für die Versäumnisse entschuldigt hat (act. 02.11-02.14). In
den nachfolgenden Beschwerdefällen liess er es bleiben, da es ihm mit zuneh-
menden Wiederholungen augenscheinlich peinlich wurde. Ein teilweises Schuld-
eingeständnis ist ferner darin zu erblicken, dass er die Kosten für die Aufarbeitung
der Pendenzen durch den Betreibungsinspektor und das Betreibungsamt B. selbst
berappt hat.
bb. X. arbeitete zu 75% für das Kreisamt A. (Kreisaktuar, Vormund-
schaft, Betreibungsamt) und zu 25% für die Gemeinde E. (E. Tourismus). Er hat in
seiner Vernehmlassung zum Disziplinarverfahren ausgeführt, er sei während den
Ferien und Militärdienst auf sich allein gestellt gewesen. Nach seiner Einschät-
zung wäre ein "regionales Betreibungsamt" wie zum Beispiel im B., mit einer nicht
nur auf dem Papier bestehenden Stellvertretung, besser und professioneller zu
führen. Nachdem ihn die Aufsichtsbehörde im August 2003 ein erstes Mal mit
Nachdruck abgemahnt hatte, machte X. sinngemäss geltend, sein Nebenamt bei
der Gemeinde E. verlange von ihm immer mehr und er sei deshalb zeitlich über-
beansprucht. Die Gemeinde E. habe deshalb eine 40 %-ige Arbeitsstelle neu aus-
geschrieben. Ab deren Besetzung anfangs 2004 könne mit einer wesentlichen
Erleichterung und Verbesserung beim Betreibungsamt gerechnet werden (act.
01.2.3/01.2.4).
Die Versuche von X., die unhaltbaren Verschleppungen bei der Geschäfts-
führung am Betreibungsamt A. teilweise als organisationsbedingt erscheinen zu
lassen, verfangen nicht. Es handelt sich um unglaubwürdige Ablenkungsmanöver,
die allenfalls geeignet sind, ihm teilweise Uneinsichtigkeit entgegenzuhalten.
Dass es entweder mit einer zeitlichen Überbelastung durch "anderweitige
Tätigkeiten im Kreisamt A. und/oder in der Gemeinde E." und einer unangemes-
senen Stellvertreterregelung nicht weit her sein kann, der Betroffene rück-
sichtslos auf seinen persönlichen Vorteil bedacht ist, ergibt sich zunächst aus dem
Umstand, dass sich X. am 7. Juli 2004 ein weiteres Amt zulegte und sich zum
Kreisnotar wählen liess (Publikation Amtsblatt, act. 01.2.7). Entweder hatte X. zeit-



17


lich noch Kapazitäten, um ein weiteres, einer strengen Aufsicht unterliegendes
und gewissenhaftes Arbeiten erheischendes Nebenamt gesetzmässig auszufüllen.
Dannzumal führt kein Weg an der Feststellung vorbei, dass es sich beim hiesigen
Einwand der zeitlichen Überbeanspruchung bloss um eine faule Ausrede handelt.
Die andere Möglichkeit besteht darin, dass jene Ämter, die er vor der Wahl zum
Kreisnotar inne hatte, bereits seine volle Arbeitszeit beanspruchten und er mit der
Übernahme eines weiteren Nebenamts, bloss auf seinen persönlichen Vorteil be-
dacht, in Kauf nahm, dass die ohnehin vernachlässigte Geschäftsführung als Voll-
streckungsbeamter noch mehr leiden würde. Im einen wie im andern Fall ist die
berufliche Einstellung von X. als höchst bedenklich zu bezeichnen.
Dass organisatorische Unzulänglichkeiten bestanden hätten, kann ferner
auf Grund des eigenen Verhaltens des Betroffenen verneint werden. Denn X. hat
es wohlweislich unterlassen, seinen Dienstherrn über die Weisungen der Auf-
sichtsbehörde in Kenntnis zu setzen, sondern durch Zurückbehaltung der entspre-
chenden Korrespondenz und Orientierungskopien gegenteils dafür gesorgt, dass
dieser davon keinen Wind bekam. Wären die Rechtsverschleppungen tatsächlich
auf ein Manko in der Organisation zurückzuführen gewesen, hätte es offensichtlich
im eigenen Interesse des Betroffenen gelegen, zu seiner Entlastung die Wahlbe-
hörde ungesäumt darüber zu informieren. Die Tatsache, dass er es nicht tat,
spricht gegen das Bestehen des von ihm behaupteten Organisationsdefizits. Be-
zeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass in späteren Vernehmlassun-
gen und Korrespondenzen mit der Aufsichtsbehörde keine Rede mehr von einer
zeitlichen Unverträglichkeit der Ämter im Kreis A. mit jenem bei der Gemeinde E.
ist. Jedenfalls wird nicht behauptet, die Teilzeitstelle bei der Gemeinde E. habe
nicht wie vorgesehen auf anfangs 2004 durch eine andere Person besetzt werden
können.
cc.
Der weitere Exkulpationsversuch, das Betreibungsamt A. müsse wie
jenes im B. "regional" geführt werden, wo die Stellvertretung nicht nur auf dem
Papier bestehe, scheitert ebenso. X. ist zunächst darüber zu belehren, dass das
Betreibungsamt B. weder "regional" noch auf Bezirksstufe, sondern -gleich wie
das Betreibungsamt A.auf Kreisstufe geführt wird (Art. 1 Abs. 1 GVVSchKG);
eine genehmigungspflichtige Zusammenlegung von mehreren politischen Kreisen
zu einem Betreibungskreis (Art. 1 Abs. 2 GVVSchKG) hat auch im B. nicht stattge-
funden. Sodann ist die Tatsache, dass das Betreibungsamt B. mit rund 4 Vollzeit-
stellen (4,6 inklusive Konkursamt F.) besetzt ist, darauf zurückzuführen, dass dort
die Arbeitslast im Jahresdurchschnitt der letzten 10 Geschäftsjahre rund 14 mal so



18


hoch ist (Zahlungsbefehle: 3226, Fortsetzungen: 3898, Verwertungen: 468; Eigen-
tumsvorbehalte (Neueintragungen und Löschungen): 69), wie im Kreis A. (Zah-
lungsbefehle: 253, Fortsetzungen: 289, Verwertungen: 27; Eigentumsvorbehalte
(Neueintragungen und Löschungen): 5; vgl. dazu die Statistiktabellen 24/25/27
[Tabellen 15/16/18 ab 1997; Tabellen 18-20 ab 2000] der Jahresberichte des Kan-
tonsgerichts 1995-2004). Bei einer linearen Interpolation ergibt sich, dass für die
Funktion des Betreibungsbeamten im Kreis A. eine Teilzeitstelle im Umfang von
rund 28 % ausreicht, um die geringe Geschäftslast dieses Amtes zu bewältigen.
Dies bestätigt im Übrigen auch ein Vergleich mit den statistischen Zahlen in Be-
treibungskreisen mit ähnlich tiefen Geschäftsfallzahlen und analogen Organisati-
onsstrukturen wie im Kreis A. (Anstellung als Kreisaktuar und Betreibungsbeamter
im Vollbeziehungsweise Teilzeitamt mit Fixbesoldung), wie zum Beispiel in den
Betreibungskreisen C. mit einer 80%-Stelle als Kreisaktuar und Betreibungsbeam-
ter (Zahlungsbefehle: 345, Fortsetzungen: 371, Verwertungen: 20, Eigentumsvor-
behalte (Neueintragungen und Löschungen): 14) und D. mit einer 100%-Stelle als
Kreisaktuar, Betreibungsbeamter und Regionalsekretär (Zahlungsbefehle: 294,
Fortsetzungen: 254, Verwertungen: 7, Eigentumsvorbehalte (Neueintragungen
und Löschungen): 10). Zusammenfassend ergibt sich, dass die Behauptung von
X., es habe ihm für die betreibungsamtlichen Verrichtungen nicht die notwendige
Arbeitszeit zur Verfügung gestanden, ihrer tatsächlichen Grundlage entbehrt.
Insoweit geltend gemacht wurde, es sei beim Betreibungsamt ein Engpass
zufolge Ausdehnung beziehungsweise einer faktischen Überbeanspruchung der
25%-igen Stelle bei der Gemeinde E. entstanden, hätte es im Übrigen die allge-
meine Treuepflicht gegenüber dem Kreis geboten, der Gemeinde E. eine Absage
zu erteilen, das heisst auf der ungeschmälerten Erhaltung der Arbeitskraft für den
Kreis in dem mit diesem vereinbarten Umfang von 75 % zu bestehen.
dd. Selbst wenn organisatorische Unzulänglichkeiten im Betreibungs-
kreis A. bestanden hätten, X. hat -obwohl Kreisaktuar und Betreibungsbeamter in
Personalunionnie entsprechende Schritte beim Kreis A. unternommen, und dies
obwohl es ihm die Aufsichtsbehörde, für den Fall, dass es daran liegen sollte,
ausdrücklich und mehrfach nahe gelegt hat (act. 01.2.3, 01.2.6, 01.2.7). Was vor-
liegend Not tut, ist mitnichten eine organisatorische Umstellung Aufstockung
der Stelle, sondern ganz einfach eine bessere persönliche Einstellung zu den Auf-
gaben eines Betreibungsbeamten und ihre gewissenhafte Umsetzung.



19


Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass X. schuldhaft gegen mehrere
seiner Amtspflichten verstossen hat und deshalb mit einer disziplinarischen Sank-
tion zu belegen ist.
4.
Für die Bestimmung der Disziplinarmassnahmen, auch jene repres-
siver Natur, gilt vorab der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Nach dem Prinzip
der Zweckangemessenheit muss jede Massnahme geeignet sein, ihr Ziel zu errei-
chen, und sie darf nicht weiter gehen, als es für die Erreichung des Ziels erforder-
lich ist (vgl. mit jeweils weiteren Hinweisen: Jaag, a.a.O., S. 579; Bellwald, a.a.O.,
S. 168 f.; Hinterberger, a.a.O., S. 366). Massgebend für die Auswahl einer Sankti-
on aus dem vom Gesetz zur Verfügung gestellten und insoweit bindenden Sankti-
onenkatalog einerseits sowie für die Bemessung innerhalb der ausgewählten
Sanktion andererseits ist daher primär die Schwere der Dienstpflichtverletzung,
welche objektiv durch die Bedeutung der verletzten administrativen Interessen und
subjektiv durch das Mass des Verschuldens bestimmt ist (Hänni, a.a.O., S. 437
(BLVGE 1995 50)). Von Bedeutung ist ferner die dienstliche Stellung des Fehlba-
ren, indem die Verantwortlichkeit umso schwerer wiegt, je höher dessen Stellung
ist. An einen hohen Beamten mit grossem Selbständigkeitsbereich, welcher der
Kritik der Öffentlichkeit in besonderem Mass ausgesetzt ist, müssen hinsichtlich
der Erfüllung der Dienstpflichten strengere Anforderungen gestellt werden als an
einen subalternen Bediensteten. Das bisherige Verhalten des Fehlbaren stellt
ebenfalls ein Zumessungskriterium dar, wobei insbesondere erschwerend ins Ge-
wicht fällt, wenn der Bedienstete bereits früher diszipliniert worden war (Hinterber-
ger, a.a.O., S. 382 f.). Die in Betracht zu ziehende Massnahme ist sodann bezüg-
lich ihrer Eingriffswirkung beim Betroffenen zu würdigen und soll im Ergebnis aus-
gewogen zum Eingriffszweck sein. Unter Berücksichtigung der berechtigten finan-
ziellen und beruflichen Interessen des Betroffenen ist die am wenigsten strenge
Massnahme zu wählen, die aber trotzdem erlaubt, gleichzeitig den Interessen der
Verwaltung gerecht zu werden (Bellwald, a.a.O., S. 169). Im Gegensatz zu Ver-
weis und Busse, welche noch als leichte Disziplinarmassnahmen gelten, stellt der
Besoldungsentzug nach überzeugender Typologisierung eine Massnahme mittle-
rer Schwere dar; als schwer gelten Entlassung Versetzung ins provisorische
Dienstverhältnis (vgl. Hinterberger, a.a.O., S. 264 f., mit Hinweisen; Hänni, a.a.O.,
S. 431).
a. Disziplinarentscheidungen
zu
Dienstpflichtverletzungen von Betrei-
bungsbeamten sind rar, solche zu objektiv schweren Dienstpflichtverletzungen
noch seltener (in der seit 1943 erscheinenden Praxis des Kantonsgerichts (PKG)



20


sind keine publiziert). Der Kantonsgerichtsausschuss als SchKG-Aufsichtsbehörde
hat es im Fall eines Betreibungsbeamten, der 11 Jahre im Amt war und innert 3
Jahren 6 überwiegend begründete Rechtsverzögerungsbeschwerden persönlich
verschuldete, indem es zu sachlich unbegründeten zeitlichen Verzögerungen von
4-6 Monaten bei der Vornahme von Betreibungshandlungen kam, bei einer förmli-
chen Rüge bewenden lassen (nicht publizierter Entscheid des Kantonsgerichts-
ausschusses als Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen vom
30. August 1994 i.S. J.F., SchKG 40/94) und damit das entsprechende Fehlverhal-
ten noch als minderen Grades qualifiziert. Eine Rüge als Sanktionsart der nied-
rigsten Stufe kommt für X. indessen schon aus Gründen seiner objektiv wesentlich
schwereren, weil zahlenmässig weit ausgedehnteren und auch ihrer Qualität nach
gravierenderen Pflichtverletzungen nicht in Betracht. Eine blosse Rüge erscheint
im seinem Fall von vorneherein als unangemessen, weil absehbar ist, dass sie
ihre Zwecke als Sanktion (individuelle Besserung; Schutz der Funktionalität und
der Vertrauenswürdigkeit des Betreibungsamtes als Institution) nicht zu erfüllen
vermöchte. Der Betreibungsinspektor hat in seinem Bericht vom 30. November
2004 unwidersprochen festgestellt, dass insgesamt 66 von Januar 2004-Oktober
2004 eingegangene Betreibungsbegehren erst am 1. November 2004 erfasst
wurden, weitere 114 vorgefundene Betreibungsbegehren (16 aus dem Jahre
2003, 98 aus dem Jahre 2004) erst zwischen dem 23. und 29. November 2004 -
durch den Betreibungsinspektor und eine von ihm beigezogene Hilfskrafterfasst
und bearbeitet wurden und 7 weitere Betreibungsbegehren gar nicht vorgefunden
werden konnten. Damit hat X. in des jährlich beim Betreibungsamt A. anfallen-
den Geschäftsvolumens fehlerhaft beziehungsweise gar nicht gehandelt (vgl. Ta-
belle 18 a/b Jahresbericht des Kantonsgerichts 2003: 281 Zahlungsbefehle, 166
Fortsetzungsbegehren). Dass die totale Inaktivität über Monate, teilweise über
Jahre hinweg und Aktenvernichtungen verheerende Auswirkungen auf das gute
Funktionieren eines Betreibungsamtes und insbesondere auf dessen Ansehen
beim Publikum haben, liegt auf der Hand. Keine Voraussetzung für die Qualifikati-
on von Handlungen/Unterlassungen als objektiv schwere Disziplinarfehler ist, dass
die reihenweise begangenen Dienstpflichtverletzungen nachweislich zu einem ma-
teriellen Schaden bei einer Betreibungspartei geführt haben.
b.
Der Grad des individuellen Verschuldens ist hoch. Von gelegentli-
chen Verfehlungen einem sporadisch fahrlässigen Umgang mit den dienstli-
chen Sorgfaltspflichten kann vorliegend nicht die Rede sein. X. hat gewusst, dass
seine Unterlassungen rechtswidrig waren und zu einer Pflichtverletzung führten,
und im Wissen darum trotzdem willentlich und damit vorsätzlich gehandelt. Zu-



21


mindest materiell-rechtlich hat X. ab dem Jahr 2000 eine ganze Reihe von auf-
sichtsbehördlichen Zurechtweisungen erhalten, welche jeweils das vorliegend zu
beurteilende Fehlverhalten betreffen. Mit seiner Renitenz hat er klar zu verstehen
gegeben, dass ihn das nicht kümmert. Die über eine längere Zeit von 4 Jahren
weitgehend und hartnäckig, das heisst trotz zahlreichen fallbezogenen und per-
sönlichen Abmahnungen und Vorstössen seitens der Aufsichtsbehörde an den
Tag gelegte vorsätzliche Liederlichkeit und Gleichgültigkeit von X. gegenüber den
ihm bestens bekannten Amtspflichten eines Betreibungsbeamten weist zweifellos
eine Dimension auf, welche wenigstens eine repressive Sanktion in Form einer
Geldstrafe erfordert. Stünde nicht fest, dass das Amtsverhältnis in Kürze ohnehin
sein Ende findet, müsste die nächst höhere Sanktionsstufe der befristeten Amts-
einstellung (Art. 14 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG) in Erwägung gezogen werden. Von einer
vorübergehenden Einstellung im Amt ist nur deshalb Abstand zu nehmen, weil sie
insoweit zweckunangemessen wäre, als die Wiederaufnahme mit dem tatsächli-
chen Ende der Dienstzeit zusammenfallen allenfalls länger dauern würde.
Eine persönliche Besserung/Erziehung für die Zeit nach dem Dienst ist aus der
Sicht des primären Sanktionszwecks des guten Funktionierens der Verwaltung
nicht mehr erforderlich und daher nicht zulässig. Es ist daher eine Geldbusse zu
verhängen.
Ergibt sich -wie vorstehend dargelegtbereits aus der Wichtigkeit der ver-
letzten gefährdeten Dienstinteressen und dem Ausmass der begangenen
Beeinträchtigungen, dass eine relativ schwere Disziplinarmassnahme angemes-
sen ist, so bedarf es nach zweckangemessener Wahl der Sanktionsart, keines
besonders schweren Verschuldens mehr, um das höchstmögliche Mass dieser
Sanktionsart auszusprechen (vgl. dazu Hinterberger, a.a.O., S. 376), im Sanktio-
nensystem des SchKG daher eine Busse von 1'000 Franken.
c.
Bei der Sanktionszumessung sind weiter die dienstliche Stellung, die
Funktion und die Verantwortung des Betroffenen zu berücksichtigen. Es sind um
so strengere Anforderungen an pflichtgemässes Handeln und die Geschäftsfüh-
rung zu stellen, je verantwortungsvoller das Amt ist. Der gleiche Disziplinarfehler
ist in objektiver und subjektiver Hinsicht schwerer zu gewichten, wenn er von ei-
nem öffentlich Bediensteten mit grossem Aufgabenund Verantwortungsbereich
als von einem solchen in untergeordneter Stellung, welcher unter steter Aufsicht
arbeitet, begangen wird (Hinterberger, a.a.O., S. 381 f.; Bellwald, a.a.O., S. 172-
174). X. ist als alleiniger Betreibungsbeamter des Kreises A. im Innenund Aus-
senverhältnis vollkommen selbständig und im täglichen Geschäftsablauf weitge-



22


hend unbeaufsichtigt tätig; in der Einteilung seiner Arbeitszeit ist er frei. Sind ihm
die verletzten Interessen eines gut funktionierenden Betreibungsamtes besonders
anvertraut, kommt seiner Position eine erhöhte Vertrauensstellung zu. Entspre-
chend höher ist der Unrechtsgehalt seiner vielfältigen Trölereien einzustufen.
d.
Das Vertuschen seiner Verfehlungen durch die Nichtweiterleitung der
aufsichtsbehördlichen Korrespondenz mit der Wahlbehörde ist als erschwerend zu
qualifizieren (Bellwald, a.a.O., S. 176). Schuldmehrend wirken sich auch die hart-
näckige Renitenz von X. sowie der aus seinen Vernehmlassungen herauszule-
sende Umstand aus, dass er teilweise eine ernsthafte Einsicht in die Unrechtmäs-
sigkeit seines Tuns vermissen lässt.
e.
Bei der Zumessung von Disziplinarmassnahmen ist sodann das bis-
herige dienstliche Verhalten zu würdigen. Eine Dienstpflichtverletzung ist milder zu
beurteilen, wenn sich der Beamte zuvor durch eine gute Dienstauffassung, Zuver-
lässigkeit und Tüchtigkeit ausgezeichnet hat; umgekehrt wird eine Verfehlung
nach strengeren Massstäben zu beurteilen sein, wenn das bisherige Verhalten
nicht zufrieden stellend war (Bellwald, a.a.O., S. 174; Hinterberger, a.a.O., S. 382-
384). Ein bisher einwandfreies Verhalten und eine stets gewissenhafte Diensterfül-
lung sind ein starkes Indiz dafür, dass das erstmalige pflichtwidrige Verhalten ei-
nes Beamten eine einmalige persönlichkeitsfremde Entgleisung darstellt (Hinter-
berger, a.a.O., S. 382 unten). Es fällt schwer, zu Gunsten von X. eine "erstund
einmalige persönlichkeitsfremde Entgleisung" anzunehmen. Es handelt sich in
seinem Fall nicht um ein in Tat und Zeit singuläres Ereignis, sondern um hunderte
von Versäumnissen, welche sich, in Zahl und Schwere zunehmend, über die er-
kleckliche Zeitspanne von 4 Jahren hinzogen. Dagegen können 7 "klaglose Jahre"
kaum ernsthaft als Sanktionsminderungsgrund in Betracht gezogen werden. Da-
gegen spricht auch, dass der Betroffene -zwar nicht durch förmliche Disziplinie-
rung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 SchKG, aber doch in der Sachevielfach abge-
mahnt wurde, und Wiederholungen eines pflichtwidrigen Verhaltens ein wesentli-
ches Indiz für die dienstliche Unzuverlässigkeit eines Beamten darstellen (Hinter-
berger, a.a.O., S. 383). Angesichts dieser Überlegungen ist für die Aufsichtsbe-
hörde kein Anlass gegeben, den Aspekt des früheren dienstlichen Verhaltens als
sanktionsmindernd sanktionsschärfend zu berücksichtigen.
f.
Die Maximalbusse von 1'000 Franken dürfte kaum einen Fünftel ei-
nes Monatsgehalts von X. ausmachen, so dass sich auch aus dem Blickwinkel der



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finanziellen Sanktionsempfindlichkeit keine Bedenken gegen die Ausschöpfung
des Bussenrahmens von Art. 14 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG ergeben.
Angesichts der gesamten Umstände ist deshalb, nicht zuletzt auch aus ge-
neralpräventiven Überlegungen, gerechtfertigt, das -als bescheiden zu bezeich-
nendegesetzliche Höchstmass der Busse von 1'000 Franken zu verhängen.
5.a. Die Busse geht an die Kasse jener öffentlichen Hand, welcher die
verfügende Aufsichtsbehörde angehört (Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, N 12 zu
Art. 14), im Kanton Graubünden daher an jene des Kantons.
b.
Die Amtsinhaber und Angestellte der Betreibungsund Konkursämter
sind Teil der kantonalen Verwaltungsorganisation. Die Disziplinarbefugnis steht
daher den Kantonen beziehungsweise aufgrund von Art. 14 Abs. 2 SchKG deren
Aufsichtsbehörden zu. Im Übrigen bestimmen die Kantone im bundesrechtlich
vorgegebenen Rahmen über die weitere Zuständigkeit und das Verfahren. Letzte-
res umfasst auch die Verfahrenskosten. Im Sinne eines Umkehrschlusses aus Art.
61 Abs. 2 GebVSchKG ist auch aufgrund der bundesrechtlichen Gebührenord-
nung selbst davon auszugehen, dass die grundsätzliche Unentgeltlichkeit auf Dis-
ziplinarverfahren nach Art. 14 SchKG keine Anwendung findet. Die Kostenlosigkeit
des Verfahrens bei einem verurteilenden Disziplinarerkenntnis vertrüge sich ferner
schlecht mit der Ausnahmebestimmung von Art. 20a Abs. 1 SchKG, wonach bei
böswilliger mutwilliger Beschwerdeführung einer Partei des Betreibungsver-
fahrens ihrem Vertreter nicht nur Bussen bis zu 1'500 Franken sondern auch
Gebühren und Auslagen auferlegt werden können. Bei mutwillig trölerischer Amts-
führung durch einen Betreibungsbeamten kann für diesen hinsichtlich der Gebüh-
ren und Auslagen nicht etwas anderes gelten.
Die Verfahrenskosten, bestehend aus einer nach dem Umfang und der
Schwierigkeit der Sache sowie nach dem Interesse und der wirtschaftlichen Leis-
tungsfähigkeit des Gebührenpflichtigen angemessenen Staatsgebühr und den
Kanzleigebühren (Art. 1 f. der Verordnung über Verfahrenskosten in Verwaltungs-
und Verfassungssachen, BR 370.600) sind somit in Anwendung der Verweisungs-
normen von Art. 36 und 40 VVG (Art. 23 Abs. 5 GVVSchKG) X. zu überbinden.



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Demnach erkennt der Kantonsgerichtsausschuss :
1.
X. wird in Anwendung von Art. 14 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG mit einer an den
Kanton Graubünden zu bezahlenden Geldbusse von 1'000 Franken belegt.
2.
Die Kosten des Disziplinarverfahrens von Fr. 875.— (Staatsgebühr Fr.
500. —; Schreibgebühr Fr. 375.—) gehen zu Lasten von X..
3.
Gegen diesen Entscheid kann innert zehn Tagen seit seiner schriftlichen
Mitteilung beim Schweizerischen Bundesgericht Beschwerde geführt wer-
den, sofern Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden will. Die
Beschwerde ist schriftlich im Doppel beim Kantonsgerichtsausschuss einzu-
reichen.
4. Mitteilung
an:
__
Für den Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Der Präsident:
Der Aktuar:


Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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