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Urteil Kantonsgericht (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK2 2023 31: Kantonsgericht

Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau verurteilte den Beschwerdeführer wegen verschiedener Straftaten zu einer Freiheitsstrafe, die zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben wurde. Die Vorinstanz verlängerte die stationäre Massnahme um drei Jahre, woraufhin der Beschwerdeführer Beschwerde einreichte. Es wurde diskutiert, wann die Höchstfrist für den Freiheitsentzug beginnt und ob die Verlängerung der Massnahme rechtzeitig war. Die Beschwerdekammer des Obergerichts entschied, dass die Verlängerung der Massnahme zu spät erfolgte und hob den Entscheid der Vorinstanz auf. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kanton Bern.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK2 2023 31

Kanton:GR
Fallnummer:SK2 2023 31
Instanz:Kantonsgericht
Abteilung:
Kantonsgericht Entscheid SK2 2023 31 vom 23.05.2023 (GR)
Datum:23.05.2023
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Verletzung der Verkehrsregeln
Schlagwörter : Zustellung; Abschreibung; Staatsanwaltschaft; Abschreibungsverfügung; Akten; Verfahren; Verfahrens; Frist; Eingabe; Einschreiben; Rechtsmittel; Kanton; Sendung; Vermutung; Entscheid; Befehl; Einsprache; A-Post; Kantonsgericht; Schweizerische; Postfach; Abholung; Fehler; Kammer; Parteien; Graubünden; Mitteilung
Rechtsnorm:Art. 10 KG ;Art. 104 StPO ;Art. 27 SVG ;Art. 355 StPO ;Art. 382 StPO ;Art. 396 StPO ;Art. 428 StPO ;Art. 85 StPO ;Art. 90 SVG ;Art. 90 StPO ;Art. 91 StPO ;Art. 94 StPO ;
Referenz BGE:142 IV 201;
Kommentar:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SK2 2023 31

Verfügung vom 23. Mai 2023
Referenz SK2 23 31
Instanz II. Strafkammer
Besetzung Nydegger, Vorsitzender
Mosele, Aktuarin
Parteien A.___, Beschwerdeführerin
Gegenstand Verletzung der Verkehrsregeln
Anfechtungsobj. Abschreibungsverfügung Staatsanwaltschaft Graubünden vom 13.01.2023, mitgeteilt am 20.01.2023 (Proz. Nr. ÜB.2021.10556)
Mitteilung 23. Mai 2023


Sachverhalt
A. Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Graubünden (nachfolgend Staatsanwaltschaft) vom 3. Januar 2022 wurde A.___ der Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 27 Abs. 1 SVG in Verbindung mit Art. 90 Abs. 1 SVG mit einer Busse von CHF 160.00, bei schuldhafter Nichtbezahlung ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von 2 Tagen, bestraft.
B. Gegen diesen Strafbefehl erhob A.___ mit Eingabe vom 18. Januar 2022 (Poststempel) Einsprache.
C. A.___ leistete am 26. Januar 2022 eine Zahlung in der Höhe von CHF 50.00 sowie am 9. September 2022 und am 4. Januar 2023 je eine Zahlung in der Höhe von CHF 55.00, insgesamt damit CHF 160.00.
D. Mit Abschreibungsverfügung vom 13. Januar 2023 schrieb die Staatsanwaltschaft das gemäss Art. 355 StPO geführte Untersuchungsverfahren infolge Rückzugs der Einsprache ab. Kosten wurden keine erhoben. Das Einschreiben wurde der Staatsanwaltschaft mit dem Vermerk 'nicht abgeholt' retourniert, worauf am 6. Februar 2023 eine zweite Zustellung der Abschreibungsverfügung per A-Post erfolgte, in welcher die Staatsanwaltschaft festhielt, dass die Rechtsmittelfrist mit der Zustellung per A-Post nicht von neuem beginne.
E. Mit Eingabe vom 5. Mai 2023 (Poststempel) erhob A.___ (nachfolgend Beschwerdeführerin) Beschwerde und beantragt, was folgt:
1. beweisen sie uns dass das einschreiben via post nicht abgeholt wurde weil alle einschreiben werden immer abgeholt!
2. erneut zum 1 miox ich verlange schmerzensgeld und schadenersatz infolge frecher aktenverfälschung mit beleidigung von sfr. 5000.--, zahlbar sofort cash via postanweisung nach brügg da ich seit bald 20 jahren keinen existierenden bürgerort falera gr mehr führe was ich leid bin, erneut 1miox zu wiederholen!
3. es existiert auch kein einspracherückzug weil ich an allem vollumfänglich festhalte!!!
4. an allen rekursen halte ich nach wie vor vollumfänglich fest
5. die busse wurde mir nie bewiesen, ratenzahlungsbestellung nie behandelt sondern frech amtswidrig ignoriert und spruch und schreibgebühren sind und bleiben dauerbeanstandet!
6. ich bezahlte bloss weil ich mich genötigt, erpresst und bedroht fühlte, ich fordere klar hiermit alles bezahlte vollumfänglich zurückerstattet!
F. Die vorinstanzlichen Akten wurden beigezogen. Auf die Einholung einer Beschwerdeantwort wurde verzichtet. Das Verfahren erweist sich als spruchreif.
Erwägungen
1. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die von der Staatsanwaltschaft erlassene Abschreibungsverfügung vom 13. Januar 2023. Gegen solche Verfügungen steht gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO die Beschwerde als ordentliches Rechtsmittel offen. Im Kanton Graubünden ist die II. Strafkammer des Kantonsgerichts zur Behandlung strafrechtlicher Beschwerden zuständig (vgl. Art. 22 Abs. 1 EGzStPO [BR 350.100] i.V.m. Art. 10 Abs. 1 KGV [BR 173.100]). Das Kantonsgericht amtet grundsätzlich als Kollegialbehörde (Art. 18 Abs. 1 GOG [BR 173.000]). Hat die Beschwerde jedoch wie vorliegend ausschliesslich eine Übertretung zum Gegenstand und ist, wie im Folgenden aufzuzeigen ist, ein Rechtsmittel offensichtlich unzulässig offensichtlich unbegründet, entscheidet der zuständige Vorsitzende in einzelrichterlicher Kompetenz (Art. 395 lit. a StPO; Art. 18 Abs. 3 GOG).
2. Als beschuldigte Person ist die Beschwerdeführerin gemäss Art. 104 StPO Partei und bei Vorliegen eines rechtlich geschützten Interesses zur Ergreifung eines Rechtsmittels legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeführerin verlangt sinngemäss die Aufhebung der Abschreibungsverfügung vom 13. Januar 2023 zwecks Weiterführung des Strafverfahrens. Durch die Abschreibung des Einspracheverfahrens würde der gegen die Beschwerdeführerin erlassene Strafbefehl vom 13. Januar 2023 in Rechtskraft erwachsen. Damit besitzt sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung der fraglichen Abschreibungsverfügung und ist zur Beschwerde legitimiert.
3.1. Die Beschwerde ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Fristen, die durch eine Mitteilung ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen (Art. 90 Abs. 1 StPO). Die Zustellung von Entscheiden erfolgt durch eingeschriebene Postsendung auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung (Art. 85 Abs. 2 StPO). Eine eingeschriebene Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, gilt am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO). Dies ist der Fall, wenn die Adressatin Kenntnis von der Eröffnung eines gegen sie geführten Strafverfahrens hat (Sararard Arquint, in: Niggli/Heer/Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl., Basel 2014, N 9 zu Art. 85 StPO). Die Frist ist eingehalten, wenn die Eingaben spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen konsularischen Vertretung übergeben werden (Art. 91 Abs. 2 StPO).
3.2. Die angefochtene Abschreibungsverfügung datiert vom 13. Januar 2023 (StA act. 38) und wurde per Einschreiben an die von der Beschwerdeführerin mehrmals explizit gewünschte Adresse, c/o Business EU Group, Postfach 116, 2555 Brügg BE, gerichtet (StA act. 24, act. 26 S. 2, act. 28 und act. 33), was sie auch nicht beanstandet. Gemäss Track&Trace der Schweizerischen Post wurde die Sendung der Beschwerdeführerin am 23. Januar 2023 mit einer Frist bis zum 30. Januar 2023 zur Abholung gemeldet und am 31. Januar 2023 an die Staatsanwaltschaft zurückgesandt, zumal die Sendung nicht abgeholt wurde (act. E.2).
3.3. Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, es sei zu beweisen, dass das Einschreiben nicht abgeholt worden sei, weil alle Einschreiben immer abgeholt würden (vgl. act. A.1 Ziff. 1), ist ihr entgegen zu halten, dass mit dem Track&Trace ein Beleg für die versäumte Abholung vorliegt. Zudem gilt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bei eingeschriebenen Postsendungen eine widerlegbare Vermutung, dass der die Postangestellte den Avis ordnungsgemäss in den Briefkasten in das Postfach der Empfängerin gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt registriert worden ist. Es findet in diesem Fall eine Umkehr der Beweislast in dem Sinne statt, als bei Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten des Empfängers ausfällt, der den Erhalt der Abholungseinladung bestreitet. Diese Vermutung kann durch den Gegenbeweis umgestossen werden. Sie gilt so lange, als der Empfänger nicht den Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit von Fehlern bei der Zustellung erbringt. Da der Nichtzugang einer Abholungseinladung eine negative Tatsache ist, kann dafür naturgemäss kaum je der volle Beweis erbracht werden. Die immer bestehende Möglichkeit von Fehlern bei der Poststelle genügt nicht, um die Vermutung zu widerlegen. Vielmehr müssen konkrete Anzeichen für einen Fehler vorhanden sein (BGE 142 IV 201 E. 2.3 m.w.H.). Dass alle Einschreiben immer abgeholt würden, wie die Beschwerdeführerin ausführt (act. A.1 Ziff. 1), vermag für sich allein noch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Fehlers bei der Zustellung zu begründen. Aus den Akten ergeben sich keine (weiteren) Hinweise, die geeignet wären, die Vermutung der ordnungsgemässen Hinterlegung des Avis in das Postfach der Beschwerdeführerin und der korrekten Registrierung des Zustellungsdatums – wie in der Sendungsverfolgung (act. E.2) vermerkt – zu widerlegen. Damit scheidet eine Zusprechung von 'Schmerzensgeld und Schadenersatz infolge frecher Aktenverfälschung', wie die Beschwerdeführerin verlangt (vgl. act. A.1 Ziff. 2), von vornherein aus.
3.4. Aus den Akten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin Kenntnis vom gegen sie geführten Untersuchungsverfahren hatte, erhob sie doch Einsprache gegen den Strafbefehl und wandte sich mit diversen Eingaben – zuletzt am 3. Januar 2023 (StA act. 36) – nicht nur an die Verfahrensleitung, sondern im Zusammenhang mit Aufsichtsbeschwerden zudem auch an das Kantonsgericht, den Regierungsrat und das Polizeikommando (vgl. StA act. 12, act. 13, act. 22, act. 24, act. 26, act. 33 und act. 36). Sie musste daher mit Zustellungen der Staatsanwaltschaft rechnen, womit vorliegend die Zustellfiktion gemäss Art. 85 Abs. 2 lit. a StPO greift und die Abschreibungsverfügung vom 13. Januar 2023 als am 30. Januar 2023 zugestellt gilt. Die mit Schreiben vom 5. Mai 2023 (Poststempel) erhobene Beschwerde erging klar nach Ablauf der zehntägigen Beschwerdefrist und ist somit verspätet.
3.5. Selbst wenn es der Beschwerdeführerin gelingen würde, die Vermutung zu widerlegen, dass der die Postangestellte den Avis ordnungsgemäss in das Postfach gelegt hat und das Zustellungsdatum korrekt registriert worden ist, würde dies im Ergebnis nichts ändern. Die Staatsanwaltschaft liess ihr mit Schreiben vom 6. Februar 2023 die Abschreibungsverfügung vom 13. Januar 2023 nochmals per A-Post zukommen, mit dem Hinweis, dass die Rechtsmittelfrist nicht von neuem beginne (StA act. 39). Zumal die Beschwerdeführerin diese Sendung als Beilage zu ihrer Beschwerde an das Kantonsgericht einreichte (act. B.1 und B. 2), ist erstellt, dass sie diese erhalten hat. Wann diese Sendung in den Machtbereich der Beschwerdeführerin gelangte – die Kenntnisnahme ist nicht entscheidend –, führt sie nicht aus. Sie macht nicht geltend und es ergeben sich auch keine Hinweise aus den Akten, dass die am 6. Februar 2023 per A-Post versandte zweite Zustellung erst frühestens am 25. April 2023 – und damit fast drei Monate später – in ihren Machtbereich gelangt ist aber ihr eine frühere Intervention als mit der Eingabe vom 5. Mai 2023 nicht möglich gewesen sein soll. Somit wäre auch ausgehend von der zweiten Zustellung die zehntägige Beschwerdefrist nicht eingehalten und die Beschwerde vom 5. Mai 2023 verspätet.
3.6. Fristwiederherstellungsgründe, d.h. Gründe, weshalb die Beschwerdeführerin kein Verschulden an der Säumnis trifft und darum die verpasste Frist wiederherzustellen wäre (vgl. Art. 94 StPO), hat sie weder geltend gemacht noch sind solche aus den Akten ersichtlich.
4. Im Ergebnis ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Damit bleibt kein Raum, um auf die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen, die sich im Ergebnis gegen die Abschreibung des Untersuchungsverfahrens sowie gegen die Busse richten (vgl. act. A.1 Ziff. 3 bis 6).
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (vgl. Art. 428 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 8 VGS (BR 350.210) ist für Entscheide der Beschwerdekammer eine Gerichtsgebühr zwischen CHF 1'000.00 und CHF 5'000.00 zu erheben. Diese kann in Verfahren nach Art. 18 Abs. 3 GOG nach Ermessen des Gerichts herabgesetzt werden (Art. 10 VGS). In Anwendung dieser Bestimmung rechtfertigt sich vorliegend eine Herabsetzung der Verfahrenskosten auf CHF 300.00. Da keine Stellungnahmen eingeholt wurden, sind keine Parteientschädigungen zu sprechen.


Demnach wird erkannt:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 300.00 gehen zu Lasten von A.___.
3. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4. Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 ff. BGG Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht geführt werden. Die Beschwerde ist dem Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, schriftlich innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
5. Mitteilung an:
Quelle: https://www.findinfo-tc.vd.ch

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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