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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Zusammenfassung des Urteils SK1-10-32: Kantonsgericht Graubünden

Die Jugendanwaltschaft Limmattal/Albis hat ein Strafverfahren gegen A. wegen versuchter schwerer Körperverletzung eröffnet. Der amtliche Verteidiger beantragt die Entfernung eines polizeilichen Einvernahmeprotokolls aus den Akten, was die Beschwerdegegnerin ablehnt. Es wird diskutiert, ob die Einvernahme unverwertbar ist und ob die notwendige Verteidigung auch für neue Delikte gilt. Letztendlich wird die Beschwerde abgewiesen, die Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt und die Gerichtsgebühr auf 400 CHF festgesetzt.

Urteilsdetails des Kantongerichts SK1-10-32

Kanton:GR
Fallnummer:SK1-10-32
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid SK1-10-32 vom 19.08.2010 (GR)
Datum:19.08.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss
Schlagwörter : Konkurs; Beruf; Berufung; Urteil; Beamte; Geldstrafe; Recht; Kantons; Täter; Busse; Davos; Sinne; Recht; Gewalt; Drohung; Kantonsgericht; Berufungskläger; Liegenschaft; /Davos; Gericht; Beschlag; Schuld; Tatbestand; Graubünden; Verbindung; ührt
Rechtsnorm:Art. 106 StGB ;Art. 107 StPO ;Art. 110 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 142 StPO ;Art. 144 StPO ;Art. 146 StPO ;Art. 160 StPO ;Art. 169 StGB ;Art. 181 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 285 StGB ;Art. 289 StGB ;Art. 34 StGB ;Art. 42 StGB ;Art. 47 StGB ;
Referenz BGE:117 IV 104; 119 Ia 316; 134 IV 1; 134 IV 60; 135 IV 180; 135 IV 188;
Kommentar:
Brunner, Strafrecht II, Art. 289 StGB, 2007
Schweizer, Heim, Trechsel, Basler Kommentar Strafrecht II, Art. 285 StGB, 2007
Donatsch, Schweizer, Flachsmann, Riesen-Kupper, Hug, Maurer, Weder, 18. Aufla- ge, Zürich, Art. 22 StGB, 2010
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017

Entscheid des Kantongerichts SK1-10-32

Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
_____

Ref.:
Chur, 19. August 2010
Schriftlich mitgeteilt am:
SK1 10 32
[nicht mündlich eröffnet]
Urteil
I. Strafkammer
Vorsitz
Schlenker
RichterInnen
Brunner und Michael Dürst
Redaktion
Aktuarin ad hoc Ambühl

In der strafrechtlichen Berufung
des X., Angeklagter und Berufungskläger,

gegen

das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos vom 8. April 2010,
mitgeteilt am 7. Juni 2010, in Sachen der Staatsanwaltschaft Graubünden, Senn-
hofstrasse 17, 7001 Chur, Anklägerin und Berufungsbeklagte gegen den Ange-
klagten und Berufungskläger,
betreffend versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss
Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB sowie Bruchs amtlicher
Beschlagnahme gemäss Art. 289 StGB,
hat sich ergeben:



I. Sachverhalt
A.
X. ist am 4. Juli 1960 in _, geboren. In seinem Heimatland liess er sich zum
Hotelfachmann ausbilden. Seit 1987 wohnt der Berufungskläger in der Schweiz
und arbeitet seither auf seinem erlernten Beruf als Hotelier. Ein Jahr nach seiner
Einreise heiratete er Z., von welcher er zwischenzeitlich wieder geschieden ist.
Dieser Ehe entsprangen zwei Kinder, geboren 1994 und 1995. Beide Kinder
wachsen bei der Mutter auf. 1993 eröffnete X. einen eigenen Gastwirtschaftsbe-
trieb. Seit dem Juni 2007 bewirtschaftet er ein Hotel in B.. An den Unterhalt seiner
Familie hat X. monatlich Fr. 3'300.zu bezahlen, wobei sein monatliches Nettoein-
kommen ungefähr Fr. 5'000.beträgt. Der Berufungskläger verfügt über kein Ver-
mögen und weist Schulden in der Höhe von rund Fr. 1'000'000.auf. Gemäss dem
Leumundsbericht der Kantonspolizei Thurgau ist an seinem aktuellen Wohnort
nichts Nachteiliges über X. bekannt. Im Schweizerischen Strafregister ist X. einmal
verzeichnet. Am 24. Februar 2005 verurteilte ihn der Bezirksgerichtsausschuss
Prättigau/Davos wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln zu einer Gefäng-
nisstrafe von 20 Tagen, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren und zu einer
Busse von Fr. 500.-.
B.a) Mit Konkursdekret vom 6. Oktober 2006, mitgeteilt am 6. Oktober 2006,
verfügte das Bezirksgerichtspräsidium Prättigau/Davos, dass über X. der Konkurs
eröffnet werde. Zu diesem Zeitpunkt war X. Eigentümer des C. an der D. in I.. Am
8. Juli 2008 kam es zur konkursamtlichen, öffentlichen Liegenschaftssteigerung,
bei welcher die Liegenschaft von E. und F. zu je ½ Miteigentum ersteigert werden
konnte.
b)
Am 9. Juli 2008 reichte X. bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde ein und rügte insbesondere, dass an-
lässlich der Steigerung der Liegenschaft C. auch das Inventar mitversteigert wor-
den sei, obwohl dies im Eigentum des G. stehe. Das Kantonsgerichtspräsidium
stellte mit Verfügung vom 21. Juli 2008, mitgeteilt am 24. Juli 2008, diesbezüglich
fest, dass gemäss dem Grundbuchauszug über die genannte Liegenschaft die
gesamte Betriebseinrichtung inklusive Mobiliar und Inventar als Zugehör im
Grundbuch angemerkt sei und im Konkursinventar darauf hingewiesen worden
sei, dass das Inventar mitverpfändet sei. Die G. habe keine Klage um das Eigen-
tum daran geführt, was in einem Lastenbereinigungsverfahren hätte erfolgen müs-
sen. Die Beschwerde erweise sich somit als offensichtlich unbegründet, weshalb
sie abzuweisen sei. Dagegen erhob X. Beschwerde beim Bundesgericht, welches
auf die Beschwerde mit Urteil vom 15. August 2008 nicht eingetreten ist.
Seite 2 — 20


c)
In der Folge weigerte sich der Berufungskläger weiter, das Hotel zu verlas-
sen. Mit Schreiben vom 19. September 2008 verfügte das Konkursamt Prätti-
gau/Davos ein Hausverbot, gemäss welchem X. jeglicher Zutritt zum C. an der D.
in I. verboten wurde. Nach weiteren Schriftwechseln zwischen X. und Y., Konkurs-
beamter des Konkursamtes Prättigau/Davos, in Bezug auf die öffentliche Liegen-
schaftssteigerung des C. vom 8. Juli 2008 und insbesondere auch hinsichtlich des
Inventars des C., welches angeblich der G. gehöre, gelangte X. schliesslich mit
Schreiben vom 25. November 2008 an Y.. Dabei führte er aus, er wende sich ein
letztes Mal an ihn und zwar um ihn zu verwarnen. Y. habe absolut töricht gehan-
delt und das C. zum halben Preis seines Wertes verkauft. Darüber hinaus habe Y.
E. dahingehend informiert, dass er die gesamte Ware der G. behalten dürfe. Das
Kleininventar und der Warenvorrat stelle jedoch Eigentum der G. dar. X. legte im
Weiteren dar, dass er Y. eine Frist von drei Tagen gebe, damit dieser die ganze
Angelegenheit in Ordnung bringen könne, vor allem weil er (gemeint ist Y.) selber
wisse, dass auch er (gemeint ist X.) seine Wahrheit kenne. Falls Y. nicht von sei-
ner Bitterkeit und Bosheit zurück trete, sei er bereit, seine ganze Wahrheit an das
oberste Gericht zu bringen. Er ermahne ihn mit diesem Schreiben ein letztes Mal,
die heutigen so genannten Besitzer aus dem Haus zu verweisen. Ansonsten wer-
de er dies sein Leben lang bereuen.
d)
Aufgrund dieses Schreibens erstattete Y. am 10. Dezember 2008 gegen X.
bei der Kantonspolizei Anzeige wegen Drohung gegen Beamte und stellte einen
Strafantrag wegen Drohung.
e)
Mit Schreiben vom 27. März 2009 gelangte das Konkursamt Prätti-
gau/Davos an die Staatsanwaltschaft Graubünden. Es wurde dargelegt, dass X.
Miteigentümer der Eigentumswohnung Nr. 18 im A. an der H. in I. sei. Zum Zeit-
punkt der Konkurseröffnung sei diese Wohnung leer gestanden. Ohne das Kon-
kursamt zu begrüssen, habe der Konkursit X. diese Wohnung per 1. Juli 2008 für
Fr. 900.00 pro Monat heimlich vermietet. Wegen dieser Vermietung sei den Gläu-
bigern ihr Vorrecht der Hypothekarguthaben entgangen. Dafür sei X. nach Art. 164
StGB und Art. 169 StGB zu bestrafen. In der Folge wurden die Mieter angehalten,
fortan, das heisst ab dem 1. April 2009, den Mietzins der Wohnung an die Kon-
kursverwaltung zu überweisen. Der Konkursmasse entstanden durch die Vermie-
tung zusätzliche Stromkosten von mindestens Fr. 129.70. Im Gegenzug hatte X.
seit der Konkurseröffnung für seinen in der Konkursmasse befindlichen erwähnten
Wohnungsanteil mindestens Fr. 6'500.00 wohnungsbedingte Kosten auf eigene
Rechnung bezahlt. Es handelte sich dabei insbesondere um Amortisationszahlun-
gen, Versicherungsprämien und Heizkosten.
Seite 3 — 20


C.
Mit Strafmandat bei Vergehen und Verbrechen vom 18. Mai 2009, mitgeteilt
am 5. Juni 2009, sprach der Kreispräsident Davos X. der versuchten Gewalt und
Drohung gegen Behörden und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 des Schweizeri-
schen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB
schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je Fr. 10.00
bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren und mit einer Busse von Fr. 100.00,
ersatzweise mit einer Freiheitsstrafe von zehn Tagen. Dagegen erhob X. mit
Schreiben vom 10. Juni 2009 beim Kreispräsidenten Davos Einsprache, worauf
das ordentliche Verfahren bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde. In seiner
Einsprache machte er insbesondere geltend, dass er nie versucht habe, Y. unter
Druck zu setzen gar zu bedrohen. Y. habe im Zusammenhang mit dem ge-
samten Konkurs des C. viele Fehler gemacht und dadurch habe er viel Unrecht
erfahren. Dies stehe in einem direkten Zusammenhang mit dem Alkoholproblem
von Y.. Aufgrund dessen habe dieser auch absolut keine Kontrolle mehr über sei-
ne Arbeit, was ihm dieser selber bestätigt habe.
D.
Am 8. Oktober 2009, mitgeteilt am 14. Oktober 2009, erliess der Kreispräsi-
dent Davos ein weiteres Strafmandat bei Vergehen und Verbrechen. Dabei sprach
er X. des Bruchs amtlicher Beschlagnahme gemäss Art. 289 StGB schuldig und
verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je Fr. 10.00 bedingt bei
einer Probezeit von zwei Jahren und mit einer Busse von Fr. 150.00, ersatzweise
mit einer Freiheitsstrafe von 15 Tagen. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2009 erhob
X. auch gegen dieses Strafmandat Einsprache. Dabei machte er im Wesentlichen
geltend, dass er die Wohnung, welche zur Hälfte seiner Ex-Frau gehöre, verwalte
und für alle Zahlungen dieser Wohnung hafte. Das Konkursamt habe nie etwas
von ihm verlangt in ermahnt.
E.
Mit Anklageverfügung vom 9. Dezember 2009 versetzte die Staatsanwalt-
schaft Graubünden X. wegen versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden
und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB
sowie wegen Bruchs amtlicher Beschlagnahme gemäss Art. 289 StGB in Ankla-
gezustand und überwies den Fall dem Bezirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos
zur Beurteilung.
F.
Mit Urteil vom 8. April 2010, mitgeteilt am 7. Juni 2010, erkannte der Be-
zirksgerichtsausschuss Prättigau/Davos was folgt:
„1. X. ist schuldig der versuchten Gewalt und Drohung gegen Behörden und
Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB
sowie des Bruchs amtlicher Beschlagnahme gemäss Art. 289 StGB.

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2. Dafür wird X. verurteilt und bestraft mit:
a) einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je Fr. 10.00, bedingt bei einer
Probezeit von zwei Jahren, und
b) einer Busse von Fr. 250.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 15
Tagen.
3. Die Kosten des Verfahrens, bestehend aus:
- der Untersuchungsgebühr der Staatsanwaltschaft von
Fr. 3'000.00
- den Barauslagen der Staatsanwaltschaft von
Fr. 330.00
- den Kosten der Strafmandatsverfahren von
Fr. 400.00
- der Gerichtsgebühr von
Fr. 2'500.00
total somit von
Fr. 6'230.00
gehen zulasten von X.. Sie sind innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses
Urteils zusammen mit der Busse, total also Fr. 6'480.00 (Fr. 6'230.00 + Fr.
250.00), der Bezirksgerichtskasse, PC 70-3922-1, zu überweisen.

4. (Rechtsmittelbelehrung).
5. (Mitteilung).“

Begründet wurde dieser Entscheid insbesondere damit, das Schreiben vom
25. November 2008, gemäss welchem X. Y. aufforderte, die ganze Angelegenheit
in Ordnung zu bringen, womit der Angeklagte die Rückgängigmachung der Ver-
steigerung beziehungsweise des Konkurses meinte, unter gleichzeitigem Hinweis
darauf, dass er dessen Wahrheit kenne und diese bei Nichtbefolgung der Frist an
das oberste Gericht bringe, könne von Y. nur dahingehend verstanden werden,
dass der Angeklagte bei Nichteinhaltung der Frist etwas aus seinem (Privat-) Le-
ben publik machen werde, was als Nötigung im Sinne der erwähnten Bestimmung
einzustufen sei. Sodann habe er den Konkursbeamten im genannten Schreiben
darauf hingewiesen, dass dieser es das Leben lang bereuen werde, wenn er die
aktuellen Besitzer nicht aus dem Haus weise. Auch diese Formulierung könne
vom Empfänger nur als drohendes beziehungsweise nötigendes Verhalten wahr-
genommen werden. Darüber hinaus sei Y. gemäss seinen eigenen Aussagen
durch den Brief des Angeklagten auch tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt
worden. Y. habe sich, obwohl durch das genannte Schreiben erheblich verunsi-
chert, nicht zu einem Amtsmissbrauch bewegen lassen, so dass der zur Vollen-
dung des Delikts gehörende Erfolg nicht eingetreten sei. In Bezug auf die Anklage
wegen Bruchs amtlicher Beschlagnahme führte der Bezirksgerichtsausschuss
Prättigau/Davos aus, indem der Angeklagte den zur Konkursmasse gehörenden
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und auch ins Konkursinventar aufgenommenen Anteil an der vorliegend zur Dis-
kussion stehenden Wohnung ohne Zustimmung der Konkursverwaltung vermietet
und damit eigenmächtig über den Vermögenswert verfügt habe, habe er diesen
der amtlichen Gewalt entzogen und erfülle damit den objektiven Tatbestand von
Art. 289 StGB. In Bezug auf den subjektiven Tatbestand hätte der Angeklagte
mehr als nur starke Zweifel an der Rechtmässigkeit seines Tuns haben müssen,
so dass er zumindest eventualvorsätzlich gehandelt habe. Bei der Strafzumes-
sung falle das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie die Vor-
strafe aus dem Jahre 2005 wegen grober Verkehrsregelverletzung erschwerend
ins Gewicht. Für X. spreche hingegen der ansonsten gute Leumund sowie die
Einsicht und Reue betreffend der Drohung gegen Y., für welche er sich denn auch
mehrfach entschuldigt habe. Überdies sei zugunsten des Angeklagten festzuhal-
ten, dass einige Äusserungen des Konkursbeamten im Vorfeld des strafrechtlich
relevanten Schreibens vom 25. November 2008 wohl etwas provokativ abgefasst
gewesen seien, was das Verhalten des Angeklagten zwar nicht zu entschuldigen,
aber doch teilweise zu erklären vermöge.
G.
Gegen dieses Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos hat
X. mit Eingabe vom 21. Juni 2010 beim Kantonsgericht Graubünden Berufung
eingereicht. Aufgrund der ungenügenden Begründung setzte ihm das Kantonsge-
richt Graubünden mit Schreiben vom 28. Juni 2010 eine Nachfrist, um diesen
Mangel zu beheben. In seiner Eingabe vom 3. Juli 2010 machte X. schliesslich
geltend, er habe seine Fehler, welche er gegenüber Y. gemacht habe, eingesehen
und habe sich dafür auch bei ihm entschuldigt. Er betone hiermit noch einmal,
dass er Y. weder bedroht noch an seiner Arbeit gehindert habe. In Bezug auf die
Verwaltung des A. habe ihn niemand gestoppt davon abgehalten. Zudem
habe er absolut keine Informationen verschwiegen und alles deklariert. Er bean-
tragte, die gesamte Angelegenheit nach zu prüfen und die ausgesprochene Strafe
aus dem Strafregister zu entfernen.
H.
Mit Eingabe vom 7. Juli 2010 verzichtete das Bezirksgericht Prätti-
gau/Davos unter Hinweis auf die Erwägungen im Urteil auf die Einreichung einer
Stellungnahme. Ebenso verzichtete die Staatsanwaltschaft Graubünden mit
Schreiben vom 12. Juli 2010 auf eine Vernehmlassung.

Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil und in den Rechts-
schriften wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegan-
gen.
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II. Erwägungen
1.a) Gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte und ihrer Ausschüsse
sowie gegen Verfügungen der Bezirksgerichtsund Kreispräsidenten (ausgenom-
men Untersuchungshandlungen, prozessleitende Verfügungen und Strafmandate)
können der Verurteilte und der Staatsanwalt beim Kantonsgericht Berufung einrei-
chen. Die Formalitäten richten sich dabei nach den allgemeinen Bestimmungen
über das Berufungsverfahren gemäss Art. 141 ff. des Gesetzes über die Straf-
rechtspflege (StPO; BR 350.000). Die Berufung ist innert 20 Tagen seit der schrift-
lichen Eröffnung des angefochtenen Entscheides einzureichen. Sie ist zu begrün-
den und hat darzutun, welche Mängel des erstinstanzlichen Entscheides Ge-
richtsverfahrens gerügt werden und ob das ganze Urteil lediglich Teile davon
angefochten werden. Genügt eine fristgerecht eingereichte Berufung diesen An-
forderungen nicht, so setzt der Vorsitzende eine kurze Frist zur Behebung des
Mangels mit der Androhung, dass sonst auf die Berufung nicht eingetreten werden
könne (vgl. Art. 142 Abs. 2 StPO).
b)
Nachdem der Berufungskläger mit Eingabe vom 21. Juni 2010 gegen das
Urteil des Bezirksgerichtsausschusses Prättigau/Davos beim Kantonsgericht
Graubünden Berufung eingelegt hatte, teilte ihm das Kantonsgericht Graubünden
mit, dass seine Berufung nicht den in Art. 142 Abs. 1 StPO genannten Anforde-
rungen entspreche, gemäss welchen die Berufung zu begründen sei und darzutun
habe, welche Mängel des erstinstanzlichen Entscheides Gerichtsverfahrens
gerügt werden und ob das ganze Urteil angefochten werde lediglich teile da-
von. Das Kantonsgericht Graubünden setzte X. mit Schreiben vom 28. Juni 2010
eine Nachfrist im Sinne von Art. 142 Abs. 2 StPO, um diesen Mangel zu beheben.
Die am 3. Juli 2010 formund fristgerecht eingereichte Berufung vermag diesen
Anforderungen nun zu genügen, weshalb darauf einzutreten ist.
2.
Die I. Strafkammer des Kantonsgerichts überprüft das erstinstanzliche Urteil
in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Rahmen der gestellten Anträge frei
(Art. 146 Abs. 1 StPO). Sie besitzt eine umfassende, uneingeschränkte Kogniti-
onsbefugnis. Wenn die Aktenlage die Beurteilung zulässt und keine Verletzung
des rechtlichen Gehörs vorliegt der Mangel geheilt ist, entscheidet die I.
Strafkammer in der Sache selber (Art. 146 Abs. 2 StPO e contrario; Padrutt,
Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2. Auflage, Chur
1996, S. 376).
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3.a) Der Vorsitzende kann eine mündliche Verhandlung von sich aus auf
Antrag der Parteien anordnen, wenn die persönliche Befragung des Angeklagten
für die Beurteilung der Streitsache wesentlich ist (Art. 144 Abs. 1 StPO). Findet
keine mündliche Verhandlung statt, so trifft die I. Strafkammer ihren Entscheid oh-
ne Parteivortritt auf Grund der Akten (Art. 144 Abs. 3 StPO). Der Angeschuldigte
in einem Strafverfahren hat aber unabhängig von der kantonalen Verfahrensord-
nung gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger
Weise öffentlich gehört wird. Das Gebot der Verfahrensöffentlichkeit unter dem
Vorbehalt von Art. 107 StPO gilt dem Grundsatz nach nicht nur für das erstin-
stanzliche Strafverfahren, sondern erstreckt sich auf die Gesamtheit eines Straf-
verfahrens inklusive des gesamten Rechtsmittelweges, somit auch auf das Beru-
fungsverfahren gemäss Art. 141 ff. StPO. Der Betroffene kann auf die Durchfüh-
rung einer mündlichen Berufungsverhandlung von sich aus verzichten. Vorausset-
zung eines wirksamen Verzichts ist, dass er ausdrücklich erklärt wird sich
aus dem Stillschweigen des Betroffenen eindeutig ergibt.
b)
Der Berufungskläger hat im vorliegenden Fall nicht die Durchführung einer
mündlichen Berufungsverhandlung verlangt. Daraus kann auf einen wirksamen
Verzicht geschlossen werden. Es besteht aber auch kein Grund, dass das urtei-
lende Gericht von sich aus (vgl. hierzu Art. 144 Abs. 1 StPO) eine mündliche Beru-
fungsverhandlung anordnet, nachdem die Vorinstanz öffentlich verhandelt hat,
bezüglich des strittigen Sachverhalts keine zusätzlichen Aufschlüsse von einer
mündlichen Verhandlung zu erwarten sind, eine reformatio in peius ausgeschlos-
sen ist und sich ferner im vorliegenden Fall keine Fragen zur Person und zum
Charakter des Berufungsklägers stellen, welche sich nicht mit genügender Hin-
länglichkeit aufgrund der Akten beantworten lassen. Zudem steht einem nichtöf-
fentlichen Verfahren kein öffentliches Interesse entgegen (vgl. BGE 119 Ia 316 E.
2b S. 318 f.; Art. 107 StPO; ZGRG 2/99, S. 46; ZR 99/2000 Nr. 36). Die streitige
Strafsache kann somit gestützt auf die vorliegenden Akten sachgerecht entschie-
den werden. Ein persönliches Vortreten des Berufungsklägers erscheint nicht als
notwendig.
4.a) Für das Berufungsverfahren ist zu beachten, dass dem Kantonsgericht als
Berufungsinstanz zwar eine umfassende, uneingeschränkte Kognition zukommt
(Art. 146 Abs. 1 StPO), es jedoch das vorinstanzliche Urteil grundsätzlich nur im
Rahmen der in der Berufung gestellten Anträge überprüft. Es gilt dabei aber zu
berücksichtigen, dass das Kantonsgericht auch weitere Urteilspunkte abändern
oder ergänzen kann und muss, wenn sonst der Würdigung aller Umstände unzu-
reichend Rechnung getragen würde beziehungsweise einzelne Fragen aus dem
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Sachzusammenhang gerissen würden und damit Bundesrecht verletzt würde (vgl.
BGE 117 IV 104 ff.).
b)
Vorliegend bestritten ist gemäss der Berufungsschrift insbesondere die
rechtliche Würdigung des Sachverhaltes. Nachfolgend ist daher zu prüfen, ob der
Berufungskläger zu Recht wegen versuchter Gewalt und Drohung gegen Behör-
den und Beamte gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1
StGB sowie des Bruchs amtlicher Beschlagnahme gemäss Art. 289 StGB schuldig
gesprochen wurde.
5.a) Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde einen Beamten durch
Gewalt Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt,
hindert, zu einer Amtshandlung nötigt während einer Amtshandlung tätlich
angreift, wird gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder Geldstrafe bestraft. Eine Amtshandlung im genannten Sinne ist jede Hand-
lung innerhalb der Amtsbefugnisse des Beamten beziehungsweise der Behörde.
Dazu gehören nicht nur Rechtshandlungen und weitere Handlungen in Ausübung
staatlicher Macht, sondern auch Handlungen zur Erfüllung staatlicher Aufgaben
und Teilakte derselben sowie Vorbereitungsund Begleithandlungen (vgl. Heim-
gartner in: Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl., Basel
2007, N 9 zu vor Art. 285 StGB; Trechsel et al., Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Praxiskommentar, Zürich 2008, N 8 zu vor Art. 285 StGB). Innerhalb der Amtsbe-
fugnis liegt eine Handlung, wenn der Beamte dafür zuständig ist (vgl. Trechsel et
al., a.a.O., N 10 zu vor Art. 285 StGB). Angriffsobjekt sind Amtshandlungen von
Behörden und deren Mitgliedern, Beamten staatlicher Gemeinwesen und deren
Körperschaften und Anstalten. Zur Bestimmung der Personen, die als Beamte gel-
ten, ist die strafrechtliche Legaldefinition von Art. 110 Abs. 3 StGB massgebend.
Demgemäss gelten als Beamte die Beamten und Angestellten einer öffentlichen
Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt
bekleiden provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung der Rechtspfle-
ge angestellt sind vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. Unter den
Begriff der Beamten fallen vor allem Beamte im öffentlich-rechtlichen Sinne, aber
auch auf unbestimmte Zeit gewählte Angestellte im öffentlichen Dienst. Entschei-
dend ist die Ausübung von amtlichen Funktionen kraft staatlicher Ernennung un-
abhängig von der Art der Tätigkeit (vgl. Trechsel et al., a.a.O., N 6 zu vor Art. 285
StGB).
b)
Ziffer 1 von Art. 285 StGB unterscheidet drei Tatbestandsvarianten: Hinde-
rung einer Amtshandlung mit Gewalt Drohung, Nötigung zu einer Amtshand-
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lung mit Gewalt Drohung und tätlicher Angriff während einer Amtshandlung.
Bei der Tatbestandsvariante der Nötigung zu einer Amtshandlung, der sogenann-
ten Beamtennötigung, zwingt der Täter die Amtsperson zur Vornahme einer
Amtshandlung, das heisst, er bewirkt diese durch den Amtsträger gegen seinen
Willen. Als Nötigungsmittel kommen nur Gewalt und Drohung in Frage (vgl. Heim-
gartner, a.a.O., N 12 zu Art. 285 StGB). Die heutige Lehre und Praxis fordern auch
bei der Drohung im Sinne von Art. 285 StGB, dass ein ernstlicher Nachteil ange-
droht wird (vgl. Trechsel et. al., a.a.O., N 6 zu Art. 285). Eine Androhung ernstli-
cher Nachteile liegt vor, wenn nach der Darstellung des Täters der Eintritt des
Nachteils von seinem Willen abhängig erscheint und wenn die Androhung geeig-
net ist, den Betroffenen in seiner Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Die an-
gedrohten Nachteile müssen ein künftiges, von der Täterschaft in irgendeiner
Weise abhängiges Ereignis beschlagen. Das Opfer muss die Verwirklichung des
angedrohten Übels befürchten und der angedrohte Nachteil muss von solcher
Schwere erscheinen, dass das Opfer seinen entgegenstehenden Willen demjeni-
gen der Täterschaft beugt (vgl. Delnin/Rüdy in: Niggli/Wiprächtiger, Basler Kom-
mentar, Strafrecht II, 2. Aufl., Basel 2007, N 25 ff. zu vor Art. 181 StGB).
c)
Y. war im Konkurs von X. als Konkursverwalter tätig. Eine Konkursverwal-
tung hat alle zur Erhaltung und Verwertung der Masse gehörenden Geschäfte zu
besorgen. Der Konkursverwalter übt eine öffentlich-rechtliche Funktion aus und gilt
daher als Beamter im Sinne der genannten Bestimmung (vgl. auch PKG 1969 Nr.
19). In dieser Funktion führte Y. auch die Liegenschaftssteigerung des C. durch.
Mit Schreiben vom 25. November 2008 gelangte X. an Y. und setzte diesem eine
Frist von drei Tagen, damit dieser die ganze Angelegenheit in Ordnung bringen
könne. Damit meinte X. offensichtlich die Rückgängigmachung der Liegenschafts-
steigerung. X. rügte in diesem Schreiben einerseits, dass Y. das C. nur zum hal-
ben Preis des Wertes verkauft habe und andererseits wisse er (gemeint ist Y.)
genau, dass das Kleininventar und der Warenvorrat Eigentum der G. darstelle. In
diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass X. bereits mit Eingabe vom
9. Juli 2008 beim Kantonsgericht, der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuld-
betreibung und Konkurs, Beschwerde gegen die Versteigerung des C. einreichte.
Der Präsident des Kantonsgerichts wies die Beschwerde jedoch ab und der Wei-
terzug an das Bundesgericht endete mit einem Nichteintretensentscheid. Mit der
im Schreiben vom 25. November 2008 beschriebenen Aufforderung zur Rückgän-
gigmachung der Liegenschaftssteigerung wollte X. Y. zu einer konkreten Amts-
handlung zwingen, welche seine Betätigung in öffentlich-rechtlicher Funktion be-
traf. Im genannten Schreiben vom 25. November 2008 führte X. im Weiteren aus,
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dass er die Wahrheit von Y. kenne und falls dieser seinem Anliegen nicht entspre-
che, er die ganze Wahrheit an das oberste Gericht bringe. Aufgrund dessen muss-
te Y. davon ausgehen, dass insofern als er die Liegenschaftssteigerung nicht
rückgängig mache, X. etwas aus dem Privatleben von Y. an die Öffentlichkeit
bringen werde, wodurch ihm ernstliche Nachteile entstehen würden. Sami Debbai
führte in seinem Schreiben vom 25. November 2008 zudem aus, er ermahne ihn
mit diesem Schreiben ein letztes Mal, die heutigen so genannten Besitzer aus
dem Haus zu verweisen. Ansonsten werde er dies sein Leben lang bereuen. Auf-
grund dieser Androhung konnte Y. durchaus davon ausgehen, dass ihm ein
schwerwiegender Eingriff in seine Privatsphäre drohte, sollte er dem Anliegen von
X. nicht entsprechen. Der Eintritt des Nachteils schien dabei ohne Weiteres vom
Willen von X. abhängig. Mit dieser Androhung ernstlicher Nachteile wollte X. be-
wirken, dass Y. die Liegenschaftssteigerung rückgängig mache. Beim Tatbestand
der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285
StGB handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, wobei die Nötigung zu einer Amtshand-
lung erst dann vollendet ist, wenn sich das Opfer gemäss dem Willen des Täters
verhält (vgl. Delnin/Rüdy, a.a.O., N 46f. zu Art. 181 StGB). Da sich Y. nicht ge-
mäss dem Willen von X. verhalten beziehungsweise die von X. geforderte Amts-
handlung nicht vorgenommen hat, ist auch der tatbestandsmässige Erfolg im Sin-
ne von Art. 285 Ziff. 1 StGB nicht eingetreten. Nachfolgend ist demnach zu prüfen,
ob ein strafbarer Versuch vorliegt.
6.a) Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens
Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende tritt der zur
Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein kann dieser nicht eintreten, so
kann das Gericht die Strafe mildern (vgl. Art. 22 Abs. 1 StGB). Versuch liegt vor,
wenn der Täter alle subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt, ohne alle objektiven
Tatbestandsmerkmale zu verwirklichen (vgl. Donatsch/ Flachsmann/ Hug/ Maurer/
Riesen-Kupper/Weder, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kommentar, 18. Aufla-
ge, Zürich 2010, N 2 zu Art. 22). Vorliegend hat X. in seinem Schreiben vom 25.
November 2008 durch Androhung ernstlicher Nachteile Y. angewiesen, die Lie-
genschaftssteigerung rückgängig zu machen. Allerdings hat Y. die von ihm ver-
langte Amtshandlung nicht vorgenommen, womit auch der tatbestandsmässige
Erfolg nicht eingetreten ist. Aufgrund des Gesagten gilt es nun zu prüfen, ob X. die
subjektiven Tatbestandsmerkmale von Art. 285 Ziffer 1 StGB erfüllt.
b)
Für das Vorsatzdelikt von Art. 285 Ziff. 1 StGB ist erforderlich, dass der Tä-
ter die amtliche Eigenschaft und den öffentlichrechtlichen Charakter der Tätigkeit
kennt und davon ausgeht, seine Handlungsweise richte sich gegen eine nicht of-
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fensichtlich rechtswidrige Handlung eines zuständigen Amtsträgers. Sodann muss
der Täter die mit seiner Handlungsweise verbundenen Folgen (Hinderung, Nöti-
gung) wollen (vgl. Donatsch / Wohlers: Strafrecht IV: Delikte gegen die Allgemein-
heit, 3. Auflage, Zürich 2004, Seite 314). Die Handlung muss folglich vorsätzlich
erfolgen, wobei Eventualvorsatz genügt (vgl. Heimgartner, a.a.O., N 23 zu Art. 285
StGB). X. wusste, dass Y. als Konkursverwalter für das Konkursamt Prätti-
gau/Davos tätig war und die Liegenschaftssteigerung in dieser Funktion ausübte.
Im Weiteren wollte der Berufungskläger mit seinem Schreiben vom 25. November
2008 und der darin enthaltenen Androhung Y. eindeutig dazu bringen, dass dieser
seine Funktion als Betreibungsbeamter ausnutzt, um die Liegenschaftssteigerung
rückgängig zu machen. X. handelte in Bezug auf seine Ausführungen im Schrei-
ben vom 25. November 2008, er kenne die ganze Wahrheit von Y. und er werde
diese an das oberste Gericht bringen und insbesondere hinsichtlich der Andro-
hung, er werde es ein Leben lang bereuen, wenn er die sogenannten Besitzer
nicht aus dem Haus verweise, vorsätzlich. Im Weiteren musste er sich dabei ins-
besondere bewusst gewesen sein, dass diese Äusserungen auf Y. drohend wirken
würden. Zumindest hat er diesbezüglich eventualvorsätzlich gehandelt. Y. bestä-
tigte in der polizeilichen Einvernahme vom 10. Dezember 2008 denn auch, X. ha-
be ihn damit tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt. Schliesslich kann auch
der Vorsatz bezüglich des tatbestandsmässigen Erfolges bejaht werden. X. han-
delte in Bezug auf die von ihm angestrebte Rückgängigmachung der Liegen-
schaftssteigerung mit Wissen und Willen. Nicht zu hören ist diesbezüglich das
Vorbringen von X., dass das Wort „ermahnen“ keine Bedrohung darstelle. Zu-
sammenfassend ist festzustellen, dass X. sämtliche subjektiven Tatbestands-
merkmale von Art. 285 Ziff. 1 StGB erfüllt. X. hat zudem alles getan, was zur Erfül-
lung des objektiven Tatbestandes erforderlich war, dennoch hat er sein angestreb-
tes Ziel, dass Y. die Liegenschaftssteigerung rückgängig macht, nicht erreicht.
Aufgrund dessen hat sich X. - dem vorinstanzlichen Urteil entsprechend - der ver-
suchten Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285
Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
7.a) Gemäss Art. 289 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
Geldstrafe bestraft, wer eine Sache der amtlichen Gewalt entzieht, die amtlich mit
Beschlag belegt ist. Mit der Verletzung von Art. 289 StGB greift der Täter in den
rechtsförmlichen Ablauf eines Sicherungsund Vollstreckungsverfahrens ein. Im
Hauptanwendungsfall des Vollstreckungsrechts (SchKG) gehört insbesondere der
Schuldner zum möglichen Täterkreis. Denn vor der Verfügungsbeschränkung und
der Begründung der amtlichen Gewalt bestand in der Regel zumindest Besitz und
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damit tatsächliche Gewalt über die Sache beim Schuldner, was eine Missachtung
des Beschlags eher ermöglicht. Der objektive Tatbestand besteht allgemein in der
Anmassung der Verfügungsgewalt über Sachen, über die der Täter nicht
nicht mehr verfügungsberechtigt ist (vgl. Brunner in: Niggli/Wiprächtiger, Basler
Kommentar, Strafrecht II, 2. Aufl., Basel 2007, N 6 ff. zu Art. 289 StGB). Mit der
Konkurseröffnung verliert der Schuldner das Recht, über sein Vermögen zu verfü-
gen. Es steht von diesem Zeitpunkt an unter Konkursbeschlag. Als Konkursit kann
und darf der Schuldner seine Herrschaftsrechte nicht mehr im vollen Umfang aus-
üben. Frei verfügen kann er nur noch über das, was nicht zur Konkursmasse ge-
hört: über die nach Art. 92 des Schuldbetreibungsund Konkursgesetzes (SchKG;
SR 281.1) unpfändbaren Vermögenswerte sowie über das Erwerbseinkommen
und dessen Surrogate. Im Übrigen gehen die Verwaltungsund Verfügungsbefug-
nisse auf die Konkursmasse über, die sie durch die Konkursverwaltung ausübt.
Die Konkurseröffnung bewirkt somit eine Beschränkung des Verfügungsrechts des
Schuldners, wobei das Verfügungsverbot strafrechtlich geschützt ist (vgl.
Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungsund Konkursrechts, 7. Auflage,
Bern 2003, §41 N 6ff.). Dabei bewirkt nicht erst die Aufnahme der Vermögenswer-
te in das Inventar den Konkursbeschlag über sie, sondern unmittelbar bereits die
Konkurseröffnung (Amonn/Walther, a.a.O., §44 N 17).
b)
X. ist Miteigentümer der Stockwerkeinheit Nr. 18 im A. an der H. in I.. Indem
er, nachdem über ihn gemäss dem Konkursdekret vom 6. Oktober 2006, mitgeteilt
am 6. Oktober 2006, der Konkurs eröffnet worden ist, die genannte Liegenschaft
mit Mietvertrag vom 3. Juli 2008 ohne Zustimmung der Konkursverwaltung vermie-
tete, hat er sich die Verfügungsgewalt über die Liegenschaft angemasst, obwohl
er nicht mehr verfügungsberechtigt war. X. erfüllt damit offensichtlich den objekti-
ven Tatbestand von Art. 289 StGB.
c)
In subjektiver Hinsicht wird der Bruch der amtlichen Beschlagnahme in der
Regel mit Vorsatz verübt. Denn Vollstreckungssowie Betreibungsund Konkurs-
beamte richten sich bei ihren staatlichen Aufgaben nach strikten formellen Regeln,
die gewährleisten, dass mit Beschlag belegte Sachen als solche für Dritte ohne
weiteres erkennbar sind (Brunner, a.a.O., N 10 zu Art. 289 StGB). Gemäss Art. 12
Abs. 2 StGB begeht derjenige ein Verbrechen Vergehen vorsätzlich, wer die
Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirkli-
chung der Tat für möglich hält. Das Wissen bezieht sich auf die Tatumstände,
welche sich unter die objektiven Merkmale des Deliktstatbestandes subsumieren
lassen sowie auf den Geschehensverlauf, der zum Eintritt des Erfolges führt. Vom
Wissen wird nicht nur bei aktueller Kenntnis der Tatumstände ausgegangen, son-
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dern auch im Falle des sog. Begleitwissens. Nicht zum Wissen als Bestandteil des
Vorsatzes gehört das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gar dasjenige der
Strafbarkeit (vgl. Donatsch/ Flachsmann/ Hug/ Maurer/ Riesen-Kupper/Weder,
a.a.O., N 4 ff. zu Art. 12 StGB). Der Wille muss als Verwirklichungswille auf die
Realisierung aller tatbestandsrelevanten Umstände gerichtet sein. Auf das Motiv
kommt es grundsätzlich nicht an (Trechsel et al., a.a.O., N 12 zu Art. 12 StGB).
d)
X. führt in seiner Berufung an das Kantonsgericht Graubünden vom 3. Juli
2010 aus, er habe nichts Falsches getan und auch nichts Verbotenes. Niemand
habe ihn von der Verwaltung des A. abgehalten gestoppt. Damit legt er sinn-
gemäss dar, dass er nicht gewusst habe, dass er über den genannten Vermö-
genswert nicht verfügen dürfe. Vorliegend steht fest, dass X. zumindest wusste,
dass über ihn mit Konkursdekret vom 6. Oktober 2006 der Konkurs eröffnet wor-
den ist. Damit ist auch klar, dass das gesamte verwertbare Vermögen des
Schuldners die Konkursmasse bildete, und dazu gehörte auch der hälftige Mitei-
gentumsanteil am genannten Grundstück. Dieses ist zudem auch im Inventar der
vorhandenen Aktiven aufgeführt (vgl. act. 3/14). Aufgrund der Akten ist im Weite-
ren ersichtlich, dass X. telefonisch zur Inventarunterzeichnung aufgeboten worden
ist. Dennoch fehlt die Unterschrift von X. auf dem Inventar. Die Auflage des Kollo-
kationsplans und des Inventars wurde zudem am 6. März 2008 amtlich publiziert.
Aufgrund dessen kann gesagt werden, dass X. gewusst haben muss, dass seine
Vermögenswerte unter Konkursbeschlag stehen. Zumindest in Beachtung der nö-
tigen Sorgfalt hätte er über ein minimales Wissen hinsichtlich der Folgen einer
Konkurseröffnung beziehungsweise des Konkursbeschlags verfügen müssen. Wie
oben dargelegt, bewirkt nicht erst die Aufnahme der Vermögenswerte in das In-
ventar den Konkursbeschlag, sondern unmittelbar bereits die Konkurseröffnung.
Nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass es bereits am 8. Juli 2008 zur öffentlichen
Versteigerung des C. gekommen ist und X. vor, während und nach der konkurs-
amtlichen Liegenschaftssteigerung in ständigem Kontakt mit der Konkursverwal-
tung stand, verfügte er bereits über ein bestimmtes Wissen im Zusammenhang mit
einem Konkursverfahren. Im Übrigen gehört das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit
oder gar dasjenige der Strafbarkeit nicht zum Wissen als Bestandteil des Vorsat-
zes, weshalb sein Vorbringen, er habe nicht gewusst, dass er über seine Woh-
nung nicht mehr verfügen dürfe, nicht gehört werden kann. Schliesslich geht auch
der Einwand von X., man habe ihn von der Verwaltung des A. weder abgehalten
noch gestoppt, an der Sache vorbei. Das Konkursamt Prättigau/Davos hat die
Vermietung der Wohnung im A. erst bemerkt, als die bis anhin von der Konkurs-
verwaltung bezahlten Stromrechnungen plötzlich höher wurden. Erst aufgrund
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dessen hat das Konkursamt von der Vermietung der Liegenschaft überhaupt
Kenntnis erlangt. X. hat daher in Bezug auf die Vermietung der Wohnung im A.
und damit hinsichtlich des Bruchs amtlicher Beschlagnahme im Sinne von Art. 289
StGB zumindest eventualvorsätzlich gehandelt. Im Übrigen kann diesbezüglich auf
die umfangreichen und durchaus zutreffenden Ausführungen des vorinstanzlichen
Urteils verwiesen werden. X. hat damit auch den subjektiven Tatbestand von Art.
289 StGB erfüllt und wurde demzufolge von der Vorinstanz zu Recht wegen
Bruchs amtlicher Beschlagnahme im Sinne von Art. 289 StGB schuldig gespro-
chen.
8.
Zusammenfassend ist die Vorinstanz damit in korrekter rechtlicher Würdi-
gung des Sachverhaltes zum Schluss gekommen, dass X. sowohl in objektiver als
auch in subjektiver Hinsicht wegen versuchter Gewalt und Drohung gegen Behör-
den und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB in Verbindung mit Art. 22 Abs.
1 StGB sowie wegen Bruchs amtlicher Beschlagnahme im Sinne von Art. 289
StGB schuldig zu sprechen ist.
9.a) Der Bezirksgerichtsauschuss Prättigau/Davos verurteilte X. zu einer Geld-
strafe von 35 Tagsätzen zu je Fr. 10.00, bedingt auf zwei Jahre sowie zu einer
Busse von Fr. 250.00, ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 15 Tagen. Der Be-
rufungskläger hat in der Berufungsschrift vom 3. Juli 2010 beantragt, die ausge-
sprochene Strafe aus dem Strafregister zu entfernen zu mildern. Bei der
Überprüfung der Strafzumessung ist zu beachten, dass die I. Strafkammer des
Kantonsgerichts ihr Ermessen zwar an die Stelle desjenigen der Vorinstanz setzt
und die Regeln über die Strafzumessung selbständig anwendet. Jedoch steht der
Vorinstanz bei der Gewichtung der einzelnen Strafzumessungsfaktoren innerhalb
des jeweiligen Strafrahmens ein erheblicher Ermessensspielraum zu. In diesen
greift die I. Strafkammer des Kantonsgerichts nur mit grosser Zurückhaltung ein. In
Ergänzung zu den nachfolgenden Ausführungen sei deshalb auf die zutreffenden
Erwägungen der Vorinstanz verwiesen.
b)
Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Ver-
schulden des Täters zu und berücksichtigt dabei das Vorleben und die persönli-
chen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Das
Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung Gefährdung des betrof-
fenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und
Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren
und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung Verletzung zu
vermeiden (Art. 47 Abs. 2 StGB). Je leichter es für ihn gewesen wäre, die von ihm
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übertretene Norm zu respektieren, desto schwerer wiegt die Entscheidung gegen
sie und damit seine Schuld (vgl. Trechsel et al., a.a.O., N 21 zu Art. 47 StGB;
Wiprächtiger, in Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl., Ba-
sel 2007, N 65 zu Art. 47 StGB). Daraus geht hervor, dass sich die Strafe grund-
sätzlich auf die Schuld bezieht. Wie nach altem soll auch nach geltendem Recht
das Verschulden die Strafe begründen und nach oben begrenzen, wobei Ver-
schulden im Sinne dieser Bestimmung das Mass der Vorwerfbarkeit des Rechts-
bruchs ist (vgl. Wiprächtiger, a.a.O., N 10 ff. zu Art. 47 StGB). Folglich ist die
Strafzumessung innerhalb des zulässigen Strafrahmens und unter Berücksichti-
gung allfälliger Straferhöhungsund Strafschärfungsgründen sowie Strafminde-
rungsund Strafmilderungsgründe im Wesentlichen eine Frage des Ermessens,
bei dessen Überprüfung sich das angerufene Gericht als Rechtsmittelinstanz Zu-
rückhaltung aufzuerlegen hat und nicht ohne Not in das Ermessen der Vorinstanz
eingreift.
c)
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285
Ziff. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft. Als
Sanktionsandrohung des Bruchs amtlicher Beschlagnahme im Sinne von Art. 289
StGB wird Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe aufgeführt. Gemäss
Art. 34 Abs. 1 StGB beträgt die Geldstrafe höchstens 360 Tagessätze, wobei das
Gericht deren Zahl nach dem Verschulden des Täters bestimmt. Ein Tagessatz
beträgt höchstens Fr. 3'000.00. Das Gericht bestimmt die Höhe des Tagessatzes
nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt
des Urteils, namentlich nach Einkommen und Vermögen, Lebensaufwand, allfälli-
gen Familienund Unterstützungspflichten sowie nach dem Existenzminimum (vgl.
Art. 34 Abs. 2 StGB). Dem Gericht verbleibt dabei ein erheblicher Ermessensspiel-
raum. In Bezug auf die Bemessung der Geldstrafe kann vollumfänglich auf die
korrekten Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil verwiesen werden. Die Vorin-
stanz hat die Strafzumessung nach pflichtgemässem Ermessen vorgenommen.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Geldstrafe von 35 Tagessätzen als mild zu
bezeichnen ist und die Tagessatzhöhe von Fr. 10.00 das absolut noch zulässige
Minimum darstellt (vgl. BGE 135 IV 180).
d)
Eine Geldstrafe ist in der Regel aufzuschieben, wenn vom Fehlen einer un-
günstigen Prognose ausgegangen werden kann (vgl. Art. 42 Abs. 1 StGB). Im vor-
liegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr. X.
ist zwar bereits mit einem Eintrag im Strafregister verzeichnet, allerdings betrifft
dieser Eintrag einen anderen Lebensbereich. Eine unbedingte Strafe erscheint
nicht notwendig, um den Berufungskläger von der Begehung weiterer Verbrechen
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Vergehen abzuhalten. Dies nicht zuletzt auch in Anbetracht dessen, dass
sich X. für sein Verhalten mehrmals bei Y. entschuldigt hat und damit auch zeigt,
dass er sein Verhalten bereut. Eine bedingte Strafe kann jedoch mit einer unbe-
dingten Geldstrafe mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden
(vgl. Art. 42 Abs. 4 StGB). Das Bundesgericht hat sich in zwei Grundsatzentschei-
den zu den Verbindungsstrafen geäussert (vgl. BGE 134 IV 1; BGE 134 IV 60).
Diese kommen insbesondere in Betracht, wenn man dem Täter den bedingten
Vollzug einer Geldoder Freiheitsstrafe gewähren möchte, ihm aber dennoch in
gewissen Fällen mit der Auferlegung einer zu bezahlenden Geldstrafe Busse
einen Denkzettel verabreichen möchte. Die Strafenkombination dient hier spezial-
präventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der bedingten Freiheitsoder
Geldstrafe, während der unbedingten Verbindungsstrafe beziehungsweise Busse
nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. BGE 135 IV 188). Somit ist die
Kombination der Geldstrafe mit einer Busse aufgrund der neuen Rechtssprechung
korrekt vorgenommen worden. Das Gericht bemisst die Busse je nach den Ver-
hältnissen des Täters so, dass dieser die Strafe erleidet, die seinem Verschulden
angemessen ist (vgl. Art. 106 Abs. 3 StGB). Bei der Bemessung der Busse ist
auch der finanziellen Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Für die Verhältnisse
des Täters relevant sind die gleichen Kriterien wie bei der Geldstrafe, somit Ein-
kommen, Vermögen, Lebensaufwand, Unterstützungspflichten und Existenzmini-
mum. In BGE 135 IV 188 hat das Bundesgericht entschieden, dass es als sachge-
recht erscheine, die Obergrenze der Verbindungsstrafe grundsätzlich auf einen
Fünftel beziehungsweise 20% festzulegen. Abweichungen von dieser Regel sind
im Bereich tiefer Strafen denkbar, um sicherzustellen, dass der Verbindungsstrafe
nicht eine lediglich symbolische Bedeutung zukommt. Gemäss Art. 106 Abs. 2
StGB spricht der Richter für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht bezahlt wird,
eine Ersatzfreiheitsstrafe von mindestens einem Tag und höchstens drei Monaten
aus. Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe bemisst sich nach Auffassung des Bun-
desgerichts unabhängig von den finanziellen Verhältnissen nach dem Verschul-
den. Bei der Festlegung der Ersatzfreiheitsstrafe muss das Gericht also die wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit von der Schuld abstrahieren und hernach eine täter-
und tatangemessene Ersatzfreiheitsstrafe bilden. Finanziell starken und finanziell
schwachen Verurteilten soll für die gleiche Tat die Freiheit für eine gleich lange
Dauer entzogen werden. Im Unterscheid zum Tagessatzsystem besteht hier ein
grösseres Ermessen und der Zusammenhang zwischen Verschulden und den fi-
nanziellen Verhältnissen sowie der Bussenhöhe und der Ersatzfreiheitsstrafe
muss nicht wie bei der Berechnung der Geldstrafe gleichsam mathematisch auf-
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gezeigt werden (vgl. BGE 134 IV 60; , a.a.O., N 10 ff. zu Art. 106; Donatsch/
Flachsmann/ Hug/ Maurer/ Riesen-Kupper/Weder, a.a.O., N 5 zu Art. 106).
e)
Die von der Vorinstanz ausgesprochene Geldstrafe kann als tief bezeichnet
werden. Eine bedingte Geldstrafe von 35 Tagsätzen zu Fr. 10.00 sowie eine Bus-
se von Fr. 250.00 scheinen unter den gegebenen Umständen somit als mild. Ins-
besondere in Anbetracht der tiefen Strafe und dem der Vorinstanz bei der Straf-
zumessung zukommenden Ermessensspielraum, hat das Kantonsgericht keine
Veranlassung, die von der Vorinstanz ausgesprochene Strafe noch tiefer anzuset-
zen. Auch in Bezug auf die ausgesprochene Busse von Fr. 250.00 hat die Vorin-
stanz im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entschieden. In BGE 135
IV 188 hält das Bundesgericht zwar fest, dass es als sachgerecht erscheine, die
Obergrenze der Verbindungsstrafe grundsätzlich auf einen Fünftel beziehungs-
weise 20% festzulegen, was vorliegend einer Busse von Fr. 70.00 entsprechen
würde. Allerdings wird im genannten Entscheid eine Abweichung von dieser Regel
im Bereich tiefer Strafen als denkbar erachtet, um sicherzustellen, dass der Ver-
bindungsstrafe nicht eine lediglich symbolische Bedeutung zukommt. Würde man
der bundesgerichtlichen Empfehlung nachkommen und die Busse auf Fr. 70.00
festlegen, so würde dieser tatsächlich nur symbolische Bedeutung zukommen.
Dies nicht zuletzt in Anbetracht der tiefen Geldstrafe von 35 Tagessätzen à Fr.
10.00, welche unter den gegebenen Umständen beziehungsweise der Tatsache,
dass X. mehrere Straftatbestände erfüllt, durchaus im Sinne des genannten Bun-
desgerichtsentscheides in den Bereich der tiefen Strafen fällt. Schliesslich ist der
vorinstanzliche Entscheid auch hinsichtlich der angeordneten Ersatzfreiheitsstra-
fen von 15 Tagen im Sinne von Art. 106 StGB in korrekter Art und Weise ergan-
gen.
10.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass sich der Berufungskläger ent-
sprechend Ziffer 1 des angefochtenen Urteils schuldig gemacht hat. Hierfür ist er
gemäss Ziffer 2 des vorinstanzlichen Urteils mit einer bedingten Geldstrafe von 35
Tagessätzen zu je Fr. 10.00 zu bestrafen. Zusätzlich wird eine Busse von Fr.
250.00, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 15 Tagen, ausgesprochen. Die Beru-
fung ist folglich vollumfänglich abzuweisen.
11.a) Bei diesem Ausgang des Verfahrens rechtfertigt sich keine Änderung der
vorinstanzlichen Kostenverteilung. Bezüglich des Berufungsverfahrens gilt es zu
berücksichtigen, dass der Berufungskläger mit seinem Begehren um Freispruch
nicht durchgedrungen ist und hinsichtlich der erfüllten Tatbestände vollumfänglich
am vorinstanzlichen Urteil festgehalten wird.
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b)
Gemäss Art. 160 Abs. 1 StPO trägt derjenige die Kosten des Rechtsmittel-
verfahrens, der ohne Erfolg ein Rechtsmittel eingelegt hat dieses zurückzieht.
Vorliegend erweist sich das vorinstanzliche Urteil als rechtmässig und die Beru-
fung von X. ist abzuweisen, so dass die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr.
2’000.- dem Berufungskläger aufzuerlegen sind.
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens von Fr. 2’000.gehen zu Lasten des
Berufungsklägers.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 78 des Bundesgerichtsgeset-
zes (BGG) Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesge-
richt, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist dem Bundes-
gericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollständigen Ausferti-
gung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorgeschriebenen
Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegitimation, die
weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde gelten die
Art. 29 ff., 78 ff. und 90 ff. BGG.
4.
Mitteilung an:
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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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