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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:PZ-06-206
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid PZ-06-206 vom 20.12.2006 (GR)
Datum:20.12.2006
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:-
Schlagwörter : Verfahren; Schaft; Gericht; Verfahren; Partei; Rekurs; Kanton; Scheid; Handelsregister; Auflösung; Sident; GestG; Bezirk; Kantons; Bezirksgericht; EGzOR; Verfahrens; Aktiengesellschaft; Gesuch; Gegnerin; Ständigkeit; Richtsbarkeit; Partei; SchlBest; Richter; Bezirksgerichtspräsident; Bünden; Entscheid; Stimmung; Zuständigkeit
Rechtsnorm: Art. 122 ZPO ; Art. 137 ZPO ; Art. 19 ZPO ; Art. 233 ZPO ; Art. 37 ZPO ; Art. 78 ZGB ;
Referenz BGE:123 III 346; 98 II 168;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
___________________________________________________________________________________________________

Ref.:
Chur, 20. Dezember 2006
Schriftlich mitgeteilt am:
PZ 06 206

Urteil
Kantonsgerichtspräsidium
Vorsitz Präsident
Brunner
Aktuar Conrad
——————
Im Rekurs
des K a n t o n s G r a u b ü n d e n , Gesuchsteller und Rekurrent, vertreten durch
das Grundbuchinspektorat und Handelsregister des Kantons Graubünden, Ro-
hanstrasse 5, 7000 Chur,

gegen

die Verfügung des Bezirksgerichtspräsidenten Moesa vom 30. Oktober 2006, mit-
geteilt am 30. Oktober 2006, in Sachen des Gesuchstellers und Rekurrenten ge-
gen die Q X . S A , Gesuchsgegnerin und Rekursgegnerin,
betreffend Auflösung einer Aktiengesellschaft (Art. 2 Abs. 2 SchlBest OR; Kosten-
zuteilung/Kostenbezug),
hat sich ergeben:


2
A.
Gemäss Art. 2 der Schlussbestimmungen zum 26. Titel des OR (Re-
vision des Aktienrechts, eingefügt durch Ziff. III des Bundesgesetzes vom 4. Okto-
ber 1991, in Kraft seit 1. Juli 1992 (AS 1992 733, 786; BBl 1983 II 745)) müssen
Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften, die im Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieses Gesetzes im Handelsregister eingetragen sind, jedoch den
neuen gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen, innert fünf Jahren ihre Statu-
ten den neuen Bestimmungen anpassen (Abs. 1). Gesellschaften die ihre Statuten
trotz öffentlicher Aufforderung durch mehrfache Publikation im Schweizerischen
Handelsamtsblatt und in den kantonalen Amtsblättern nicht innert fünf Jahren den
Bestimmungen über das Mindestkapital, die Mindesteinlage und die Partizipations-
und Genussscheine anpassen, werden auf Antrag des Handelsregisterführers
vom Richter aufgelöst. Der Richter kann eine Nachfrist von höchstens sechs Mo-
naten ansetzen. Gesellschaften, die vor dem 1. Januar 1985 gegründet wurden,
sind von der Anpassung ihrer Statutenbestimmung über das Mindestkapital aus-
genommen. Gesellschaften, deren Partizipationskapital am 1. Januar 1985 das
Doppelte des Aktienkapitals überstieg, sind von dessen Anpassung an die gesetz-
liche Begrenzung ausgenommen (Abs. 2).
B.
Da die am 20. Juli 1988 gegründete QX. SA, mit Sitz in Lg., ihr Ak-
tienkapital von Fr. 50'000.— trotz mehrmaliger Aufforderung und Publikation im
Schweizerischen Handelsamtsblatt und im kantonalen Amtsblatt nicht auf das
neue Mindestaktienkapital von Fr. 100'000.— erhöhte, stellte das Grundbuchin-
spektorat und Handelsregister des Kantons Graubünden in eigenem Namen am
05. Oktober 2006 beim Bezirksgerichtspräsidenten Moesa im summarischen Ver-
fahren ein Gesuch gegen die QX. SA, mit den Anträgen auf richterliche Auflösung
der Aktiengesellschaft unter gleichzeitiger Ernennung der Liquidatoren und Kos-
tenauflage zu Lasten der Gesuchsgegnerin.
C.
Mit Entscheidung vom 30. Oktober 2006 gab der Bezirksgerichtsprä-
sident Moesa dem Gesuch wie folgt statt:
"1. L'istanza
è
accolta.

La QX. SA, Lg., è sciolta. Quali liquidatori sono nominati i signori OS.,
Lg., e GS., Lg..

2.
La tassa di giustizia di CHF 400.— da anticiparsi dall'istante, è posta a
carico della convenuta, la quale verserà all'istante CHF 100.— per tito-
lo di ripetibili.

".


3
D.1. Dagegen führte das Grundbuchinspektorat und Handelsregister des
Kantons Graubünden am 17. November 2006 Rekurs an den Kantonsgerichtsprä-
sidenten, mit den Anträgen, die Dispositivziffer 2 der angefochtenen Entscheidung
sei unter gesetzlicher Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Rekurs-
gegnerin aufzuheben, und es seien die Verfahrenskosten nicht vorschussweise
beim Grundbuchinspektorat und Handelsregister sondern direkt bei der QX. SA zu
erheben. Zur Begründung machte das Amt im Wesentlichen geltend, beim Lö-
schungsverfahren nach Art. 2 Abs. 2 SchlBest OR handle es sich um ein vor dem
Richter im summarischen Verfahren nach Art. 137 ff. ZPO durchzuführendes
Zweiparteienverfahren. Gemäss den verweisenden Bestimmungen von Art.
138/136 Abs. 2 ZPO richte sich die Kostenzuteilung nach den Vorschriften des
ordentlichen Verfahrens, so dass die unterliegende Partei in Anwendung der Re-
gel von Art. 122 Abs. 1 ZPO zur Übernahme sämtlicher Gerichtskosten zu ver-
pflichten sei. Nach konstanter Praxis sei sodann unzulässig, die Kosten bei der
obsiegenden Partei zu erheben und ihr ein Regressrecht gegenüber der unterlie-
genden Partei einzuräumen.
2.
Der Bezirksgerichtspräsident Moesa verzichtete auf eine Vernehm-
lassung.
3.
Eine Rekursantwort der QX. SA ging innert angesetzter Frist nicht
ein.
Das Kantonsgerichtspräsidium zieht in Erwägung :
1.a. Gegen
Einzelrichterentscheidungen
der Bezirksgerichtspräsidenten
im summarischen Verfahren (Art. 8, Art. 10 EGzZGB, Art. 1 f. EGzOR, Art. 137
ZPO) steht innert 20 Tagen der Rekurs an den Kantonsgerichtspräsidenten offen
(Art. 12 Abs. 1 EGzZGB, Art. 3 EGzOR). Der Rekurs vom 17. November 2006 ge-
gen das am 30. Oktober 2006 mitgeteilte Anfechtungsobjekt ist innert der gesetzli-
chen Rekursfrist von 20 Tagen erhoben worden. Er wurde sodann formgerecht,
das heisst die begründeten Abänderungsanträge enthaltend (Art. 3 EGzOR i.V.m.
Art. 12 Abs. 3 EGzZGB und Art. 233 Abs. 2 ZPO) und unter Beilage der angefoch-
tenen Entscheidung bei der zuständigen Instanz eingereicht. Auf den Rekurs ist
einzutreten.
b.
Das Grundbuchinspektorat und Handelsregister des Kantons Grau-
bünden hat die Klage in eigenem Namen erhoben und führt auch den Rekurs in


4
eigenem Namen. Das Amt ist kein selbständiger Rechtsträger, sondern unselb-
ständiger Teil der kantonalen Verwaltung. Es handelt für und verpflichtet den Kan-
ton. Als Kläger/Gesuchsteller und Rekurrent hat daher richtigerweise der Staat,
mithin der Kanton Graubünden aufzutreten (vgl. dazu auch den Sachverhalt in ZR
97 (1998) Nr. 101). Praxisgemäss sind offensichtlich falsche Parteibezeichnungen
von Amtes wegen zu berichtigen, so etwa bei einer einfachen Gesellschaft im
Rechtsöffnungsverfahren, wenn anstelle der einzelnen Gesellschafter eine Fir-
menbezeichnung als Partei angeführt wird. Es wäre überspitzter Formalismus,
einen Entscheid aufzuheben oder auf ein Rechtsmittel nicht einzutreten, nur weil
eine Parteibezeichnung unvollständig oder ungenau ist, über die Identität der am
Streit Beteiligten jedoch kein Zweifel besteht (vgl. PKG 1981 Nr. 9, 1980 Nr. 1,
1977 Nr. 32). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Rekursgegnerin aus einer
nachträglichen Berichtigung der Parteibezeichnung des Rekurrenten Nachteile
entstehen.
2.
Der Bezirksgerichtspräsident Moesa - als erstinstanzlicher Einzel-
richter am Sitz der aufzulösenden Aktiengesellschaft - ist stillschweigend davon
ausgegangen, dass die Beurteilung des Streits in seine sachliche und örtliche Zu-
ständigkeit fällt und im summarischen Verfahren durchzuführen ist. Das ist - wie
zu zeigen sein wird - richtig, bindet andererseits die Rechtsmittelinstanz jedoch
nicht. Sodann ist festzustellen, dass die Anwendung der besagten Übergangsbe-
stimmung der Aktienrechtsrevision das Kantonsgericht bislang noch nicht beschäf-
tigt hat, so dass auch aus diesem Grund angezeigt erscheint, zu den (zwischen
den Parteien unstreitigen) Fragen der Zuständigkeit und der Verfahrensart Fol-
gendes zu erwägen:
2.1. Nachdem es der Bundesgesetzgeber entgegen seiner Ankündigung
unterlassen hat, das Verfahren zu Art. 2 SchlBest OR in einer Verordnung zu re-
geln (Botschaft über die Revision des Aktienrechts vom 23. Februar 1983, BBl
1983 II 940, sowie Art. 2 Abs. 4 des Entwurfs zu den SchlBest, BBl 1983 II 996)
richtet sich die sachliche Zuständigkeit ausschliesslich nach kantonalem Prozess-
recht. Gemäss Art. 1 des kantonalen Einführungsgesetzes zum Schweizerischen
Obligationenrecht vom 20. Oktober 2004 (EGzOR, BR 210.200) entscheidet der
Einzelrichter im summarischen Verfahren eine Vielzahl von Geschäften der so
genannten freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Grund des Obligationenrechts, so ins-
besondere auch auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts (Art. 1 Ziff. 23-35 EG-
zOR). Das vorliegende Auflösungsverfahren wird in der zitierten Bestimmung al-
lerdings nicht erwähnt. Das kantonale Einführungsgesetz zum Schweizerischen


5
Zivilgesetzbuch vom 12. Juni 1994 (EGzZGB, BR 210.100) scheidet als ersatz-
weise/analoge Zuständigkeitsgrundlage bereits aus formalen Gründen aus, da es
zweifellos nur die aus dem ZGB sich ergebenden Zuständigkeitsfragen regeln will.
Nach seinem Wortlaut ist ferner zu schliessen, dass die Aufzählung der Anwen-
dungsfälle in Art. 1 EGzOR nicht beispielhaft sondern abschliessend gedacht war.
Folglich wäre für das gegenständliche Geschäft grundsätzlich das Bezirksgericht
im ordentlichen Verfahren zuständig (Art. 19 ZPO). Indessen scheint auf der Hand
zu liegen, dass die Nichtaufnahme in den Anwendungskatalog von Art. 1 EGzOR,
letztmals revidiert und auf Gesetzesstufe gehoben am 20. Oktober 2004, auf ein
Versehen zurückzuführen ist. Der bündnerische Gesetzgeber hat hier eine echte
Lücke produziert. Dem zürcherischen Gesetzgeber erging es in diesem Fall aller-
dings nicht besser. Immerhin hat dort die Justiz die Lücke bereits im Jahre 1998
gefüllt (vgl. ZR 97 (1998) Nr. 101) und der Gesetzgeber das Gesetz im Jahre 2001
angepasst, so dass nunmehr die sachliche Zuständigkeit für den Auflösungsent-
scheid gemäss Art. 2 SchlBest OR beim Einzelrichter am Bezirksgericht im sum-
marischen Verfahren liegt (vgl. § 219 lit. c Ziff. 20 ZPO ZH).
Die bundesrechtliche Vorgabe der Revision, dass der Auflösungsentscheid
neu von einem Richter zu fällen ist, ist mit der Übertragung an den Einzelrichter im
summarischen Verfahren hinreichend erfüllt Das ordentliche Klageverfahren
scheint angesichts des Charakters der Sache, namentlich auch mit Blick auf ein
durchzuführendes Sühneverfahren und unbeschränkte Beweismittelzulassung,
dagegen nicht zweckangemessen oder, wie in ZR 97 (1998) Nr. 101 E. 1b gesagt
wird, wenig sinnvoll. Das Handelsregister hat keinerlei Vergleichsspielraum, so
dass ein Sühnverfahren nutzlos ist. Da das Verfahren vom Handelsregister, wel-
ches keine subjektiven Privat- sondern objektive öffentliche Interessen verfolgt, in
Gang gesetzt wird, dürfte sodann in der Regel davon auszugehen sein, dass die
Verhältnisse liquid sind. Für die Qualifikation als Summarsache spricht sodann der
Umstand, dass nach den Schluss- und Übergangsbestimmungen von 1936 noch
der Handelsregisterführer selber und nicht der Richter für die Auflösung von Akti-
engesellschaften, die es versäumten, ihre Statuten den damals neuen Bestim-
mungen anzupassen, zuständig war (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 940). Dafür, dass
bei Säumigkeit mit der Anpassung an die neuen Bestimmungen von 1992 nun
gleich das Kollegialgericht im ordentlichen Klageverfahren zuständig sein soll, las-
sen sich kaum überzeugende Gründe finden. Konnte 1936 noch der Handelsregis-
terführer in eigener Kompetenz die Auflösung verfügen, so erscheint hierzu ein
summarisches Verfahren vor dem Einzelrichter für die heutige Auflösungsregel als


6
genügend. Mangels eines Handelsgerichts kann die sachliche Zuständigkeit erst-
instanzlich nur beim Bezirksgerichtspräsidenten liegen.
2.2. Gemäss Art. 34 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 2000
über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG) prüft das
Gericht die örtliche Zuständigkeit von Amtes wegen. Unter dem 2. Kapitel, Allge-
meine Gerichtsstandsvorschriften, bestimmt das GestG einerseits, dass für Klagen
gegen eine juristische Person das Gericht an deren Sitz zuständig ist, falls das
Gesetz nichts anderes vorsieht (Art. 3 Abs. lit. b GestG). In Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit ist andererseits das Gericht am Wohnsitz oder am Sitz
der gesuchstellenden Partei zuständig, sofern das Gesetz nichts anderes be-
stimmt (Art. 11 GestG). Eine besondere örtliche Zuständigkeit besteht weder nach
dem GestG (Art. 12-32), noch nach den Schlussbestimmungen zum OR.
a.
Das Verfahren ist aufgrund der Verweisung von Art. 2 EGzOR auf
Art. 137 ff. ZPO summarisch. Der weiter in Marginale und Ingress von Art. 1 EG-
zOR aufscheinende Begriff der "freiwilligen Gerichtsbarkeit" (im Sinne von nicht-
streitig) bedeutet nicht, dass ein solches Verfahren in jedem Fall bloss gestützt auf
einen einseitigen Antrag, das heisst nicht kontradiktorisch durchgeführt wird. Der
ganze Anwendungsbereich von Art. 1 EGzOR und Art. 6 ff. EGzZGB ist höchst
heterogen. Das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird etwa als Verwal-
tungstätigkeit in zivilrechtlichen Angelegenheiten bezeichnet und dient der
Rechtsverwirklichung im Zivilrecht. Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung ist je
nach Konstellation und Gegenstand verschiedenartig. Sie kann von einem weitge-
hend verwaltungsähnlichen Einparteienverfahren bis zu einem im klassischen
Sinne streitigen Mehrparteienverfahren gehen - mit jeweils unterschiedlichen Ver-
fahrensregeln. Vorliegend wäre es nicht angebracht, der aufzulösenden Gesell-
schaft keine Parteistellung einzuräumen, geht es doch schliesslich um deren pri-
vatrechtliche Existenz. Gegenständlich fällt nicht in Betracht, dass keine weitere
Person als der das Gesuch stellende Kanton betroffen ist, oder dass ungewiss
wäre, ob es eine Person gibt, deren Rechtssphäre betroffen ist (vgl. in diesem
Sinne Claudia Spühler, Basler Kommentar, N 2 zu Art. 11 GestG). Unter einer Zi-
vilrechtsstreitigkeit ist ein kontradiktorisches Verfahren zu verstehen, welches sich
zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Ei-
genschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen einer solchen Person
und einer nach Bundesrecht die Stellung einer Partei besitzenden Behörde vor
dem Richter oder einer andern Spruchbehörde abspielt und auf die endgültige,
dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid


7
abzielt (BGE 123 III 346 E. 1, 98 II 168 E. 1). Der Anspruch der Aktiengesellschaft,
eine Rechtsperson zu sein (und zu bleiben), ist ein solcher des Bundesprivat-
rechts und dieser ist hier objektiv streitig (BGE 123 III 346 E. 1a, 120 II 11 E. 2a).
Bereits die Verweisungsnorm von Art. 2 EGzOR gibt denn auch vor, dass der
Richter eine Hauptverhandlung und das persönliche Erscheinen der Parteien an-
ordnen kann. Sie ist damit letztlich auch auf kontradiktorische Mehrparteienverfah-
ren ausgelegt. Das ist bei Art. 137 f. ZPO nicht anders - auch wenn es unter den in
Art. 137 ZPO aufgezählten Anwendungsfällen Ausnahmen gibt.
b.
Es ist nicht angebracht auf das (wahrscheinliche) Ergebnis zu schie-
len und das Verfahren danach zu richten, als ob es die betroffene Gesellschaft
bereits nicht mehr gäbe, indem man ihr den ordentlichen Gerichtsstand entzieht.
Es geht hier nicht um eine, sich im Wesentlichen auf einen Verwaltungsakt redu-
zierende Registerbereinigung, sondern um die endgültige, materielle Rechtskraft
erlangende Entscheidung über den Bestand einer juristischen Person (Bestand
von Rechtspersönlichkeit). Gegenstand von Art. 2 Abs. 2 SchlBest OR ist nicht die
Löschung im Register, sondern der rechtsgestaltende Auflösungsentscheid. Die
spätere Löschung im Register als zwangsläufige Folge des Auflösungsentscheids
mag man als Verwaltungsmassnahme von untergeordneter Bedeutung bezeich-
nen. Zivilrechtlich höchst einschneidend ist dagegen der vorausgehende Auflö-
sungsentscheid, der das Liquidationsprozedere in Gang setzt. Es ist davon aus-
zugehen, dass darin auch der Grund liegt, dass dieser bedeutsame Entscheid neu
dem Richter vorbehalten wird. Die Aktiengesellschaft ist dabei zumindest Ge-
suchsgegnerin. Sie hat Verfahrensrechte, namentlich volles Gehör. Sie kann be-
haupten, die entsprechenden materiellen (vor dem 1.1.1985 gegründet; Aktienka-
pital bereits erhöht) und/oder formellen (Abmahnungen, Auskündungen) Voraus-
setzungen für ihre Auflösung seien nicht gegeben. Sie kann ferner auch eine
Nachfrist verlangen (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 SchlBest OR). Man hätte deshalb auch
wenig Mühe, sie als eigentliche Beklagte zu bezeichnen, wie beispielsweise die
juristische Person im Falle der Anwendung von Art. 78 ZGB.
c.
Partei auf der Aktivseite ist, wie bereits dargelegt, nicht das Handels-
registeramt sondern der Kanton Graubünden (ZR 97 (1998) Nr. 101). Dieser hat
nach materiellem Bundesrecht die Stellung einer Partei. Es handelt sich um Bun-
desprivatrecht, was bereits impliziert, seine Stellung eben als quasi-
privatrechtliche zu sehen. Was die Behörde will, ist denn auch primär die Gestal-
tung eines Privatrechts; die registerrechtliche Folge (Löschung) kommt erst nach-
her. Abgesehen von der Rechtsnatur des Amtes als Behörde, herrscht die gleiche


8
Situation wie im herkömmlichen Zivilprozess zwischen zwei Privatrechtssubjekten.
Bereits mit Blick auf die weit reichende Konsequenz, nämlich die endgültige Ge-
staltung materieller Privatrechte, erscheint nahe liegend, diese Konstellation ana-
log zu behandeln. Das Handelsregister kann sich auch nicht darauf beschränken,
eine unspezifizierte "Anzeige" zu machen, und der Richter dann alles Weitere von
Amtes wegen anzuordnen hat. Das Handelsregister muss Rechtsbegehren und
Beweisanträge stellen und zu verfahrensleitenden Anordnungen und Zwischen-
entscheiden Stellung nehmen, so beispielsweise, falls die Aktiengesellschaft zeitli-
chen Aufschub zwecks Aktienkapitalerhöhung beantragt. Anders als die Vormund-
schaftsbehörde im Fall der Aufhebung oder Abänderung ihrer Entscheidung durch
den Bezirksgerichtsausschuss (vgl. PKG 1996 Nr. 6), ist das Handelsregister so-
dann nicht Vorinstanz. Wie figura zeigt, ist dem Handelsregister beziehungsweise
dem Kanton nicht verwehrt, gegen ein im Hauptpunkt abschlägiges oder sonst wie
missliebiges Erkenntnis des Bezirksgerichtspräsidenten ein Rechtsmittel zu ergrei-
fen. Das Amt ist aus einem objektivierten, öffentlichen Interesse heraus dazu beru-
fen, dem geänderten Aktienrecht Nachachtung zu verschaffen. Dass dieses Inte-
resse angesichts der Natur der Aktivpartei mehr als nur privatrechtlicher Natur und
sicher nicht ihr ureigenes Privatinteresse ist, ist ebenso klar wie irrelevant für die
Zuordnung zum Verfahrenstyp.
d.
Der rein formale Schluss vom Begriff "freiwillig" im Titel vor Art. 1
EGzOR zum Gerichtsstand gemäss Art. 11 GestG überzeugt nicht. Auch im
GestG ist der dort unbestimmte, nicht näher definierte Rechtsbegriff der freiwilli-
gen Gerichtsbarkeit auslegungsbedürftig. Zur komplexen, im Wesentlichen aus
Art. 44 OG e contrario zu definierenden Abgrenzung freiwillig/streitig kann auf die
Kommentare zu Art. 11 GestG verwiesen werden: Claudia Spühler, a.a.O., N 1-3;
Nicolas von Werdt, GestG-Kommentar, 2. A. Bern 2005, N 1-10; Markus Wirth,
Komm. GestG, Zürich 2001, N 7 ff. Gemäss Wirth (ebenda, N 12 mit Hinweis auf
BGE 98 II 168) liegt in der Regel nicht eine Angelegenheit der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit sondern eine streitige Sache vor, wenn nicht eine Privatperson als
Gegenpartei involviert ist, dafür jedoch einer Behörde zur Wahrung öffentlicher
Interessen eine formelle Parteistellung eingeräumt wird. Das ist bei Art. 2 SchlBest
OR fraglos der Fall. Folgerichtig spricht denn auch die Botschaft ausdrücklich von
einem Zweiparteienverfahren (BBl 1983 II 940). Es handelt sich beim Auflösungs-
verfahren demnach um ein streitiges, nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sin-
ne von Art. 11 GestG zuzuordnendes Zivilverfahren. Als Folge gelangt nicht Art.
11 GestG zur Anwendung, sondern der allgemeine Gerichtsstand von Art. 3 Abs.


9
1 lit. b GestG am Sitz der aufzulösenden Aktiengesellschaft in Lg., womit vorlie-
gend die örtliche Zuständigkeit im Bezirk Moesa gegeben ist.
3.
Aus der vorstehend dargelegten Rechtsnatur des Auflösungsverfah-
rens gemäss Art. 2 Abs. 2 SchlBest OR beantwortet sich die gegenständlich einzig
umstrittene Frage nach der Kostentragung. Ist das Verfahren streitig und die be-
klagte Aktiengesellschaft Partei, gehen die Verfahrenskosten in Anwendung von
Art. 122 Abs. 1 ZPO direkt zu Lasten der Aktiengesellschaft in Liquidation. Das
erscheint sach-, weil verursachergerecht. Auch wenn ein Verfahren formal der
"freiwilligen Gerichtsbarkeit" zuzuordnen ist, bedeutet dies nicht ohne weiteres,
dass der unterliegende Gesuchsgegner kostenfrei ausgeht. Im Eheschutzverfah-
ren, welches gemäss Art. 6/8 EGzZGB formal ebenso der so genannt freiwilligen
Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist, wird der unterliegende Gesuchsgegner grundsätz-
lich ebenfalls kostenpflichtig. Es handelt sich - hier wie dort - eben nicht um ein
echtes Einparteienverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Zutreffend ist sodann die Auffassung des Rekurrenten, dass Prozesspartei-
en nur mit den sie betreffenden Kosten belastet werden dürfen und es insbeson-
dere unzulässig ist, die Kosten stattdessen von der anderen Partei unter gleichzei-
tiger Erteilung des Regressrechts zu erheben (PKG 1947 Nr. 27, 1963 Nr. 8 E. 4).
Zusammenfassend ist der Rekurs daher gutzuheissen und der Kostenent-
scheid, soweit angefochten, aufzuheben. Die QX. SA trägt die amtlichen Kosten
des Auflösungsverfahrens vor dem Bezirksgerichtspräsidenten Moesa in der wei-
ter nicht beanstandeten Höhe von Fr. 400.—.
4.a. Der unterliegende Teil wird in der Regel zur Übernahme sämtlicher
Kosten des Verfahrens verpflichtet. Hat keine Partei vollständig obsiegt, können
die Kosten verhältnismässig verteilt werden. Von diesen Regeln kann insbesonde-
re dann abgewichen werden, wenn die unterliegende Partei sich in guten Treuen
zur Prozessführung veranlasst sah oder der genaue Umfang des Anspruchs für
den Kläger aus objektiven Gründen nicht überblickbar war (Art. 122 Abs. 1 ZPO).
Diese Bestimmung handelt von der Verteilung der gerichtsseits aufgelaufenen
Kosten auf die Parteien, wobei sie sich stillschweigend auf jenen Teil der Ge-
richtskosten beschränkt, welcher überhaupt überwälzbar ist. Die allgemeine Regel
von Art. 37 Abs. 2 ZPO schreibt nämlich vor, dass Gerichtskosten, welche keine
Partei veranlasst hat, in der Regel auf die Gerichtskasse zu nehmen sind. Diese
Vorschrift kann hier auf die gesamten Gerichtskosten des Rekursverfahrens zur


10
Anwendung gebracht werden. Denn wie bereits vor erster Instanz hat sich die Re-
kursgegnerin auch am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt. Sie hat insbesondere
keine gegenteiligen Rekursanträge gestellt und daher zumindest im Rechtsmittel-
verfahren keinen direkten Aufwand verursacht. Es kann dahin gestellt bleiben, ob
ein offenkundiger Rechtsanwendungsfehler des Erstrichters vorliegt. Allein der
Umstand, dass die Rekursgegnerin unbestreitbarermassen das erstinstanzliche
Verfahren verursacht hat, stellt nach Schadenersatzgesichtspunkten jedenfalls
keine genügende Kausalität für das Rekursverfahren respektive für die dadurch
entstandenen Gerichtskosten dar. Im Licht des in Art. 37 Abs. 2 ZPO verankerten
Veranlassungsprinzips erscheint jedenfalls unbillig die Rekursgegnerin mit (weite-
ren) Verfahrenskosten zu belasten. Eine Belastung der Vorinstanz mit Kosten fällt
andererseits ebenso wenig in Betracht. Die amtlichen Kosten für das Rechtsmit-
telverfahren sind bei dieser Sach- und Rechtslage praxisgemäss auf die Gerichts-
kasse zu nehmen (vgl. PKG 1988 Nr. 31 E. 2).
b.
Der Kanton verlangt eine Entscheidung "unter gesetzlicher Kosten-
und Entschädigungsfolge". Als vollständig obsiegender Rekurrent hätte er grund-
sätzlich Anspruch auf eine Verfahrensentschädigung (Art. 3 EGzOR i.V.m. Art. 12
Abs. 3 EGzZGB, Art. 232 ff. ZPO, Art. 122 Abs. 2 ZPO). Da der Rekursgegnerin,
wie bereits vorstehend dargelegt, eine adäquat kausale Verursachung der
Rechtsmittelkosten nicht anzulasten ist, kann sie auch nicht mit einer Prozessent-
schädigung an die Gegenpartei belastet werden. Mangels eines anderen Haft-
pflichtigen bleibt der Kanton auf seinem Verfahrensschaden sitzen (PKG 1988 Nr.
31 E. 2). Dies scheint für den Staat im Speziellen auch deshalb verkraftbar, weil
er, seinem vergleichsweise bescheidenen Aufwand entsprechend, nicht mit we-
sentlich mehr als 100 Franken rechnen könnte.


11
Demnach erkennt das Kantonsgerichtspräsidium :
1.
Der Rekurs des Kantons Graubünden wird gutgeheissen und die Disposi-
tivziffer 2 der angefochtenen Verfügung des Bezirksgerichtspräsidenten
Moesa vom 30. Oktober 2006 (Proz. Nr. 130-2006-42) wird teilweise aufge-
hoben.
2.
Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 400.— gehen zu
Lasten der QX. SA in Liquidation.
3.
Für das Rekursverfahren werden keine Kosten erhoben und keine Pro-
zessentschädigungen zugesprochen.
4. Mitteilung
an:
__________
Für das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar:


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