A. X. und H. X. heirateten 1990 in Chur und lebten in verschiedenen Ländern. Nach einer Trennung setzte sich A. X. 2001 in die Schweiz ab. H. X. erwirkte in den Niederlanden einen Beschluss zur Herausgabe von Gegenständen und erhielt in einem Scheidungsurteil Unterhaltszahlungen zugesprochen. Das Kantonsgericht Graubünden erklärte den niederländischen Beschluss vollstreckbar. A. X. erhob Beschwerde, die jedoch abgewiesen wurde. Die Kosten des Verfahrens tragen A. X. und die Gerichtskosten belaufen sich auf insgesamt 1'240 CHF. Die unterlegene Partei ist weiblich (d) und die Gewinnerperson männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts PZ-03-25
Kanton: | GR |
Fallnummer: | PZ-03-25 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 28.05.2003 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Vollstreckbarerklärung |
Schlagwörter : | Recht; Beschluss; LugÜ; Scheidung; Urteil; Vollstreckung; Zwangsgeld; Verfahren; Entscheid; Scheidungsurteil; Vollstreckbarkeit; Entscheidung; Gesuch; Übereinkommen; Zustellung; Schweiz; Anerkenn; Niederlande; Gericht; Höhe; Niederlanden; Herausgabe; Anerkennung; Bezug; Parteien; Kanton; Schlosser; Kantonsgericht; Beklagten |
Rechtsnorm: | Art. 10 IPRG ;Art. 122 ZPO ;Art. 263 ZPO ;Art. 50 IPRG ;Art. 81 KG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Entscheid des Kantongerichts PZ-03-25
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
Ref.:
Chur, 28. Mai 2003
Schriftlich mitgeteilt am:
PZ 03 25
(Eine gegen diese Entscheidung erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat
das Bundesgericht mit Urteil vom 18.03.2004 (5P.252/2003) gutgeheissen.)
Urteil
Kantonsgerichtspräsidium
Präsident Brunner, Aktuar Conrad.
——————
In der Beschwerde
der A. X., Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsan-
walt lic. iur. Markus Joos, Marktplatz 4, 9004 St. Gallen,
gegen
den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten Hinterrhein vom 20. Februar 2003,
mitgeteilt am 20. Februar 2003, in Sachen H. X., Gesuchsteller und Beschwerde-
gegner, vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Andrea Bäder Federspiel, Vazerol-
gasse 2, 7002 Chur, gegen die Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin,
betreffend Vollstreckbarerklärung,
2
hat sich ergeben:
A.
A. X. (1945), geborene B., vormals Z., und H. X. (1925) heirateten
1990 in Chur. Sie vereinbarten Gütertrennung. In der Folge lebten sie, teilweise
zusammen, teilweise getrennt in verschiedenen Ländern (Spanien, Schweiz, Nie-
derlande, Vereinigte Arabische Emirate). 1996 zogen sie nach den Niederlanden;
ab Mai 1997 lebten sie zusammen in einer Wohnung in Rotterdam. Während einer
Abwesenheit ihres Ehemannes setzte sich A. X. von dort am 4. Juli 2001 samt der
Wohnungseinrichtung in die Schweiz ab.
B.
Auf Klage von H. X. gegen A. X. erliess der Präsident des Arrondis-
sementgerichts Rotterdam am 16. August 2001 folgenden Beschluss im summari-
schen Verfahren (Übersetzung):
"3. Die
Entscheidung
Der
Präsident
stellt die Versäumnis gegen die nicht erschienene Beklagte fest;
verurteilt die Beklagte zur Herausgabe der unter Ziffern 5 und 6 der
Vorladung(en) aufgelisteten Gegenstände. Eine vom Gericht beglau-
bigte Kopie derselben wird an dieses Urteil angeheftet;
verordnet, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger, im Wege ei-
nes Zwangsgeldes, einen Betrag in Höhe von 500.- NLG für jeden
Tag zu zahlen, an dem sie versäumt, der vorgenannten Verurteilung
Folge zu leisten;
..........(Kosten und Prozessentschädigung);
erklärt dieses Urteil für vorläufig vollstreckbar;
..........(Verkündungsformel)."
C.
Auf Klage von H. X. vom 23. August 2001 sprach die Fünfte Kammer
des Arrondissementgerichts Rotterdam zudem am 14. Januar 2002 die Scheidung
der Ehe X. aus. Das Gericht sprach dem Kläger nachehelichen Unterhalt zu Las-
ten der Beklagten in Höhe von monatlich € 907,56 zu. In güterrechtlicher Hinsicht
wurden die im Beschluss des Einzelrichters vom 16. August 2001 unter Ziffer 6
Anhang aufgelisteten Gegenstände der beklagten Ehefrau gegen eine Aus-
gleichszahlung von € 1'815,12 zugesprochen.
D.1. Auf Gesuch von H. X. erklärte der Bezirksgerichtspräsident Hinter-
rhein mit Entscheid vom 20. Februar 2003 den Beschluss des Präsidenten des
Arrondissementgerichts Rotterdam vom 16. August 2001 gesamthaft für voll-
streckbar.
3
2.
Gegen den gleichentags mitgeteilten Vollstreckbarkeitsentscheid
liess A. X. mit Eingabe vom 3. März 2003 Beschwerde an den Kantonsgerichts-
präsidenten führen, mit den Anträgen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben
und das Gesuch vollumfänglich abzuweisen, unter Kostenund Entschädigungs-
folge zu Lasten des Gesuchstellers und Beschwerdegegners.
Sie macht im wesentlichen geltend, der Beschluss vom 16. August 2001 sei
als Massnahme des einstweiligen Rechtsschutzes in einem Ehescheidungsverfah-
ren zu qualifizieren und als solcher weder nach Übereinkommen über die gerichtli-
che Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund
Handelssachen vom 16. September 1988 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) noch
nach IPRG anerkennund vollstreckbar. Sofern vom Gegenteil auszugehen sei,
fehlten die formellen Erfordernisse für eine Anerkennung, weil der Gesuchsteller
nicht die notwendigen Unterlagen vorgelegt habe, die Beklagte im niederländi-
schen Verfahren nicht rechtzeitig und gehörig vorgeladen worden sei, und weil ihr
der Beschluss in der Schweiz nicht richtig zugestellt worden sei. Inhaltlich sei dem
Beschluss in Bezug auf das Zwangsgeld die Anerkennung zu versagen, weil es
sich um eine Busse im strafrechtlichen Sinn handle, und strafrechtliche Urteile
weder nach IPRG noch nach LugÜ vollstreckbar seien.
Der Bezirksgerichtspräsident Hinterrhein verzichtete auf eine Vernehmlas-
sung.
H. X. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, unter Kostenund Entschä-
digungsfolge zu Lasten der Beschwerdeführerin.
3.
Unter Hinweis darauf, dass das (jüngere) Scheidungsurteil in Bezug
auf die Aufteilung von Hausrat und Möbel dem (älteren) Befehl des Einzelrichters
am Arrondissementgericht Rotterdam vom 16. August 2001, dessen Vollstreck-
barkeit Gegenstand des hiesigen Verfahrens bildet, materiell insoweit widerspricht,
als der Hausrat und die Möbel gemäss Anhang Ziff. 6 des Befehls vom 16. August
2001 der Frau zu Eigentum zugewiesen worden sind, wurden die Parteien mit Ver-
fügung vom 28. April 2003 aufgefordert, Behauptungen aufzustellen und staats-
vertragskonforme Beweise/Unterlagen beizubringen zur Frage, ob das Schei-
dungsurteil vom 14. Januar 2002 rechtskräftig und vollstreckbar ist, und ob und
wie sich dies allenfalls auf die Vollstreckbarkeit des Befehls vom 16. August 2001
auswirke. Die Parteien sollten sich insbesondere dazu äussern, ob es zulässig ist
und Sinn macht, wenn in Vollstreckung des Befehls vom 16. August 2001 der be-
4
sagte Teil des Hausrats und der Möbel nach den Niederlanden herauszugeben ist,
auf die Gefahr hin, dass er später in Vollstreckung des Scheidungsurteils vom 14.
Januar 2002 wieder in die Schweiz zurück geht.
a.
A. X. liess sich dahin vernehmen, dass das Scheidungsurteil vom 14.
Januar 2002 mangels gehöriger Vorladung schlicht unwirksam sei und in der
Schweiz weder anerkannt noch vollstreckt werden könne. Unabhängig von der
Frage seiner Vollstreckbarkeit belege das Scheidungsurteil indessen, dass der
Beschluss vom 16. August 2001 als vorsorgliche Massnahme einstweilige
Verfügung zu einem Scheidungsverfahren zu qualifizieren sei. Der einzige Zweck
des Beschlusses habe darin bestanden, die Einrichtungsgegenstände mit Blick auf
die definitive Zuteilung im Scheidungsverfahren wieder zu beschaffen. Das LugÜ
sei daher nicht anwendbar.
b.
H. X. macht geltend, das Scheidungsurteil sei rechtskräftig und in
Bezug auf Scheidungspunkt, Unterhaltszahlungen und güterrechtlicher Auseinan-
dersetzung nach den einschlägigen internationalen Übereinkommen beziehungs-
weise nach IPRG in der Schweiz anerkennund vollstreckbar. Zum Verhältnis von
Beschluss und Scheidungsurteil wird ausgeführt, unter der Voraussetzung, dass
beide Entscheidungen anerkennund vollstreckbar seien aber nur dann sei da-
von auszugehen, dass das Scheidungsurteil vom 14. Januar 2002 den Beschluss
vom 16. August 2001 hinsichtlich der in Anhang Ziff. 6 des Beschlusses aufgeführ-
ten Gegenstände aufhebe und ersetze. Nachdem jedoch die Beklagte und Be-
schwerdeführerin die Vollstreckbarkeit des Scheidungsurteils bestreite, bestehe
keine Veranlassung auf die Vollstreckbarerklärung auch der in Anhang Ziff. 6 des
Beschlusses aufgeführten Gegenstände zu verzichten.
Auf die weitere Begründung der Beschwerdeanträge und die Akten ist, so-
fern und soweit sachdienlich, in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.
Das Kantonsgerichtspräsidium zieht in Erwägung :
1.
Nebst dem schweizerischen Rechtsöffnungsverfahren mit vorgängi-
ger Betreibung, in welchem die Vollstreckbarkeit von auf Geldoder Sicherheits-
leistung lautender ausländischer Urteile nach dem LugÜ vorfrageweise geprüft
wird, ist einem die Vollstreckung anstrebenden Gläubiger von Staatsvertrags we-
gen nach seiner Wahl ein separates, auf die reine Frage der Vollstreckbarerklä-
rung beschränktes Exequaturverfahren zur Verfügung zu stellen. In Ermangelung
5
eigener innerstaatlicher Ausführungsbestimmungen richtet sich dieses Exequatur-
verfahren direkt nach den Verfahrensnormen des LugÜ, wobei im Kanton Grau-
bünden hilfsweise das summarische Verfahren heranzuziehen ist. Das Gesuch ist
analog Art. 32 Abs. 1 LugÜ beziehungsweise nach dem bündnerischen System
der bestehenden Zuständigkeiten im Vollstreckungsverfahren an den Bezirksge-
richtspräsidenten zu richten. Gegen den die Vollstreckbarkeit bejahenden Ent-
scheid schreibt das Übereinkommen einen Rechtsbehelf an das Kantonsgericht
vor (Art. 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 LugÜ). Es steht analog dem kantonalen Exequa-
turverfahren - die Beschwerde gemäss Art. 263 ZPO an den Kantonsgerichtsprä-
sidenten offen (PKG 2001 Nr. 44 E. 3a-d, 1997 Nr. 21). Entgegen dem Beschwer-
deführer ist in Bezug auf die Beschwerdefrist allerdings nicht Art. 263 ZPO analog
(10 Tage) sondern Art. 36 Abs. 1 LugÜ (ein Monat) massgebend. Die letztgenann-
te Bestimmung ist unmittelbar anwendbar; sie geht vor, was im übrigen auch Art.
263 ZPO selbst klar macht. Die Rechtsbehelfsfrist von 1 Monat ist eingehalten.
Auf die im übrigen formgerecht, einen Antrag und eine Begründung enthaltende
Beschwerde von A. X. ist daher einzutreten.
2.
In der Sache ist vorauszuschicken, dass vorliegend einzig die Frage
zu beantworten ist, ob der Beschluss des Präsidenten des Arrondissementgerichts
Rotterdam vom 16. August 2001 in der Schweiz vollstreckbar ist. Auf die weit-
schweifig vorgebrachten Gründe für das eheliches Zerwürfnis unter den Parteien,
die gegenseitigen Schuldzuweisungen und die näheren Umstände des Wegzugs
der Beschwerdeführerin in die Schweiz ist hier nicht im einzelnen einzugehen.
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist ferner die Vollstreckbarkeit des nie-
derländischen Scheidungsurteils vom 14. Januar 2002 an sich. Allenfalls bleibt zu
prüfen, ob und inwieweit es ein Hindernis für die hier allein umstrittene Vollstreck-
barkeit des Herausgabebeschlusses vom 16. August 2001 bildet.
3.a. Die Vorinstanz und der Beschwerdegegner gehen davon aus, dass
der zum Exequatur gestellte Beschluss gesamthaft in den Anwendungsbereich
des Lugano-Übereinkommens fällt. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies, mit
dem Argument, gemäss Art. 1 Abs. 2 LugÜ sei das Übereinkommen auf die eheli-
chen Güterstände nicht anwendbar. Unter welchem Güterstand die Eheleute X.
leben gelebt haben, wird im besagten Beschluss nicht befunden, ebensowe-
nig darüber, dass nach einem (nicht näher) bestimmten Güterstand gewisse Ge-
genstände dem Kläger der Beklagten zu Eigentum gehören. Rechtsgrundla-
gen für die klägerischen Ansprüche werden im sehr summarisch gehaltenen nie-
6
derländischen Beschluss nicht ausdrücklich genannt. Es ist indes behauptet wor-
den und unbestritten geblieben, dass zwischen den Eheleuten X. der Güterstand
der Gütertrennung gilt. Der Kläger hat u.a. beantragt, "in den Besitz derjenigen
Gegenstände, die sein Eigentum sind, gestellt zu werden" (act. 05.1.2.1a/b). Die-
sem Antrag folgend, befiehlt der Beschluss bloss deren Herausgabe, ohne über
das Eigentum zu befinden. Die niederländische richterliche Anordnung ist ver-
gleichbar einem schweizerischen summarischen Befehlsverfahren zur Handha-
bung klaren Rechts in Sachen Besitzesschutz. Ein solcher Besitzesschutz ist, zu-
mal der Güterstand der Gütertrennung vorliegt, auch zwischen Eheleuten möglich,
und untersteht dem Abkommen, soweit es sich nicht um exklusiv auf Eheleute
anwendbare Sondernormen handelt. Rechtsbeziehungen aus einem allgemeinen
obligationenrechtlichen deliktischen Entstehungsgrund unterstehen auch
dann dem Abkommen, wenn sie unter Ehegatten bestehen. Das Recht des Klä-
gers an den besagten Gegenständen hat sich nicht aus der ehelichen Beziehung
ergeben (Jan Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar zu EuGVÜ
und Lugano-Übereinkommen, Heidelberg 6. A. 1998, N 26 f. zu Art. 1). Zumindest
in Bezug auf die Gegenstände gemäss Beschluss Anhang Ziff. 5 hat der Kläger
einen aus eheunabhängigem Alleineigentum fliessenden Besitzesanspruch gel-
tend gemacht. Will der Beschluss in diesem Umfang schwergewichtig ein Recht
aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht schützen, ist diesbezüglich die Anwend-
barkeit des LugÜ gegeben.
b.
Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, der Beschluss falle hin-
sichtlich jener Sachen, welche die Eheleute gemeinsam während der Ehe ange-
schafft haben (Gegenstände gemäss Beschluss Anhang Ziff. 6), ebenfalls unter
das LugÜ, weil auch diesbezüglich rein sachenrechtliche Fragen solche des
Deliktsrechts zu beurteilen gewesen seien. Das erscheint fraglich, denn im Allge-
meinen unterstehen solche Streitigkeiten unter Eheleuten auch im Falle ursprüng-
lich vereinbarter Gütertrennung Sondernormen, sei es nun was die Frage des Ei-
gentums anbelangt (vgl. z.B. Art. 247 ff. ZGB), sei es jene des Besitzesschutzes,
welche regelmässig eine Frage des besonderen Normenkomplexes Eheschutz ist
(Streitigkeiten unter Eheleuten über die Wohnung, den Hausrat und die Schlüssel-
gewalt, vgl. Peter F. Schlosser, EuGVÜ, München 1996, a.a.O., N 16 zu Art. 1).
Die Frage mag hier offen bleiben, da einer Anerkennung auch nach Art. 25 ff.
IPRG nichts im Wege steht. Es handelt sich zum einen nicht um einen vorsorgli-
chen Massnahmeentscheid (vgl. nachstehende Erw. 3c). Sodann geht der Ein-
wand, der Beschluss sei nicht rechtskräftig, fehl, denn auf Grund der bescheinig-
ten Vollstreckbarkeit ist davon auszugehen, dass damit einem allfälligen Rechts-
7
mittel die Suspensivwirkung entzogen wäre, so dass es sich nicht um ein ordentli-
ches Rechtsmittel handeln könnte, was die Einrede der mangelnden Rechtskraft
nach Art. 25 lit. b IPRG indes voraussetzen würde. Ebensowenig hilft der Be-
schwerdeführerin die Einrede der fehlenden Zuständigkeit in den Niederlanden.
Die Berufung auf Art. 25 lit. a IPRG und die angebliche Tatsache, dass sie sich am
20. Juli 2001 in den Niederlanden abgemeldet und daher im Zeitpunkt des Ent-
scheides keinen Wohnsitz mehr dort gehabt habe, ist schon deshalb zurückzuwei-
sen, weil für die allgemeine Wohnsitzzuständigkeit nicht der Zeitpunkt der Ent-
scheidfällung sondern jener der Verfahrenseinleitung, massgeblich ist. Das Ver-
fahren hat der Kläger am 19. Juli 2001 eingeleitet, womit die niederländische
Wohnsitzzuständigkeit (der Beklagten) für eine güterrechtliche Streitigkeit gege-
ben ist (Art. 26 lit. a, 58 Abs. 1 lit. a IPRG); bei einer Qualifikation als Eheschutz-
verfahren ist die ausländische Zuständigkeit ohnehin auch auf Grund des klägeri-
schen Wohnsitzes in den Niederlanden gegeben (Art. 50 IPRG). Hinsichtlich der
Fragen der gehörigen und rechtzeitigen Ladung in den Niederlanden und der Zu-
stellung der Entscheidung in der Schweiz begnügt sich die Beschwerdeführerin
mit einem Hinweis auf ihre entsprechenden Rügen gemäss Lugano-
Übereinkommen (dazu vgl. nachstehende Erw. 4.c/d).
c.
Zu verwerfen ist die Einwendung, es handle sich um ein weder nach
LugÜ noch nach IPRG anerkennund vollstreckbares Erkenntnis einstweiligen
Rechtsschutzes. Das Besitzesschutzverfahren wurde am 19. Juli 2001 eingeleitet,
das Ehescheidungsverfahren erst am 23. August 2001. Hinweise, dass der Be-
schluss vom 16. August 2001 den Ausgang eines späteren Ehescheidungsverfah-
ren sichern und nur für die Dauer eines Ehescheidungsverfahrens gelten sollte,
gibt es weder im Rechtsbegehren des Klägers noch im Beschluss selbst. Keines
der beiden Verfahren nimmt förmlich Bezug auf das andere. Das Verfahren, wel-
ches zum umstrittenen Beschluss geführt hat, war selbständig und unabhängig.
Die Wirkungen des Beschlusses sollten nicht wegfallen für den Fall, dass eine
Scheidungsklage nicht erhoben werden sollte. Auch der Umstand, dass später die
Ehescheidung effektiv eingeleitet wurde, macht den vorausgegangenen Be-
schluss, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht zur vorsorglichen
Massnahme. Richterliche Anordnungen des Eheschutzes, des Besitzesschutzes
und Befehle zur Handhabung klaren Rechts sind keine vorsorglichen Massnah-
men im Sinne von Art. 24 LugÜ (vgl. Isaak Meier, Besondere Vollstreckungstitel
nach dem Lugano-Übereinkommen, in: Das Lugano-Übereinkommen, St. Gallen
1990, S. 161) nach Art. 10 IPRG. Selbst für den Fall, dass der Beschluss
ganz teilweise als eine Entscheidung einstweiligen Rechtsschutzes zu quali-
8
fizieren sein sollte, ist seine Anerkennund Vollstreckbarkeit nach LugÜ gegeben,
da eine vorherige Anhörung der Prozessgegnerin erfolgt ist und folglich eine Ent-
scheidung im Sinne von Art. 25 LugÜ vorliegt (vgl. Meier, a.a.O., S. 161 f.;
Gerhard Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 2. A. Bern 1995, S.
387; Schlosser, a.a.O., N 6 zu Art. 25); nach IPRG sind Anerkennund Vollstreck-
barkeit umstritten, wobei ein beachtlicher Teil der Lehre sie differenzierend befür-
wortet (vgl. die zahlreichen Hinweise auf Lehre und Rechtsprechung bei Walter,
a.a.O., S. 346 f., Anm. 11; Paul Volken, IPRG-Kommentar, Zürich 1993, N 4 zu
Art. 10).
4.a. Die Beschwerdeführerin bemängelt, es seien dem Gesuch auf Voll-
streckbarerklärung nach LugÜ nicht die nötigen Unterlagen beigelegt worden. Der
Einwand ist im Anerkennungsverfahren zulässig (Art. 46 LugÜ), in der Sache vor-
liegend jedoch unbegründet. Die Partei, welche die Anerkennung einer Entschei-
dung geltend macht, hat eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, welche
die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt (Art. 46 Ziff. 1
LugÜ). Entgegen der Beschwerdeführerin verlangt das Übereinkommen selbst
weder ausdrücklich ein Originalexemplar der Entscheidung noch eine beglaubigte
Kopie. Es ist das Recht des Urteilsstaates, welches bestimmt, was die Ausferti-
gung im Sinne von Art. 46 LugÜ ist. Der Gesuchsteller hat eine Kopie des unter-
zeichneten Beschlusses eingelegt. Diese ist versehen mit dem Originalstempel
(Voor ERSTE GROSSE uitgegeven an...) und der Originalunterschrift des "Griffier"
(Gerichtsschreiber), die Tatsache bescheinigend, dieses Entscheidungsexemplar
der Rechtsvertreterin des Klägers ausgehändigt zu haben. Durch Letzteres wird
das Schriftstück zum Original beziehungsweise für die Anerkennung und Vollstre-
ckung so gut wie ein solches. Der Gerichtsstempel und der Schriftzug "IN NAAM
DER KONIGIN" oben auf dem Rubrum sind im übrigen ebenfalls Originalbestand-
teile (act. 05.1.2.1b). Die "grosse" ist in den Niederlanden ex definitionem die voll-
streckbare Ausfertigung an die Parteien, wie es im deutschen Recht die "Abschrift"
ist (dabei insbesondere auch eine Fotokopie), welche bloss mit der Unterschrift
des gerichtlichen Urkundsbeamten und dem Gerichtsstempel versehen ist. Eine
Urschrift mit Originalunterschriften des Richters braucht es nicht zu sein (Krophol-
ler, a.a.O., N 1 f. zu Art. 46). Damit ist die Authentizität des Beschlusses vom 16.
August 2001 über jeden Zweifel erhaben. Die im Beschluss erwähnte Vorladung,
aus welcher die Listen der herauszugebenden Gegenstände ersichtlich sind, lie-
gen zwar nur als Faxkopie vor, sind nicht vom Gericht beglaubigt und dem Urteil
auch nicht physisch angeheftet. Der Gesuchsteller hat erst im Rechtsbehelfsver-
fahren ein Original der Vorladung eingereicht (act. 08.1), was jedoch zulässig ist
9
(Schlosser, a.a.O., N 2 Vorbemerkungen zu Art. 46; Art. 48 LugÜ). Aus dem
Sachzusammenhang und den verschiedenen Dokumenten steht somit der zu voll-
streckende Inhalt der Entscheidung (Dispositiv) auch in Bezug auf die betroffenen
Gegenstände mit hinreichender Zuverlässigkeit fest.
b. Die
Beschwerdeführerin wendet ein, die Personalien der Beklagten
in der Vorladung und im Beschluss seien falsch; sie trage nicht ihren Mädchen-
namen B., sondern heisse seit der Heirat mit dem Beschwerdegegner X.. Das ist
spitzfindig, und nachdem die Beschwerdeführerin nicht behauptet, der Beschluss
betreffe nicht ihre Person, auch rechtsmissbräuchlich. Insoweit der Inhalt des Be-
schlusses (eheliches Namensrecht) bemängelt werden will, hat eine Prüfung
durch den Anerkennungsrichter zu unterbleiben (Art. 29/34 LugÜ). Aus den zahl-
reichen vorgelegten Unterlagen ist zweifelsfrei ersichtlich, dass der Beschluss A.
X., geb. B., geboren am 17. Juli 1945 in T., betrifft (act. 19.1/3a/3c/7/9/11-15). Ein
Zweifel in der Person ist auszuschliessen.
c.
Die Beklagte war im niederländischen Verfahren säumig. Unter Beru-
fung auf Art. 46 Ziff. 2 LugÜ rügt sie, der Gesuchsteller habe nicht die notwendi-
gen Urkunden vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass ihr das den Rechtsstreit
einleitende ein gleichwertiges Schriftstück zugestellt worden ist. Damit ist sie
angesichts der hinreichend dokumentierten zwei Zustellungen (persönlich, act.
05.1.2.2, 08.1; ediktaliter, act. 05.1.2.3) nicht zu hören. Unter dem den Rechts-
streit einleitenden Schriftstück ist dasjenige zu verstehen, mit welchem die beklag-
te Partei erstmals offiziell vom Verfahren Kenntnis erhält. Dass der Beklagten am
19. Juli 2001, wie behauptet, eine tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme an
ihrem Arbeitsplatz in den Niederlanden geboten wurde und sie diese bewusst
nicht wahrnahm, bestreitet sie nicht. Auf eine Übersetzung der Zustellung der Vor-
ladungen kann verzichtet werden. Zu bescheinigen ist ferner bloss die Zustellung
der Vorladung; in dem Dokument muss nicht besonders auf den verfahrens-
einleitenden Charakter des zuzustellenden Schriftstücks hingewiesen werden und
auch die Rechtzeitigkeit im Sinne von Art. 27 Ziff. 2 LugÜ muss nicht daraus her-
vorgehen (Kropholler, a.a.O., N 3 zu Art. 46). Der formalistische Einwand, es
handle sich nur um Kopien mit handschriftlichen Ergänzungen ist unbehelflich; es
ist davon auszugehen, dass der Gerichtsvollzieher (gerechtsdeurwaarder) eine
Person ist, die namentlich befugt ist, die Abschrift zu beglaubigen (Kropholler,
a.a.O:, N 3 a.E. zu Art. 46). Durch seinen Stempel und sie handschriftlichen Er-
gänzungen wird das Schriftstück zu einem Original. Im übrigen hat der niederlän-
dische Sachrichter die Säumnisvoraussetzungen geprüft.
10
d.
Nach Art. 47 Ziff. 1 LugÜ hat die Partei, welche die Zwangsvollstre-
ckung betreiben will, ferner die Urkunden vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass
die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungstaates vollstreckbar ist, und dass
sie (der Gegenpartei) zugestellt worden ist.
aa.
Die Vollstreckbarkeit nach dem nationalen Recht des Urteilsstaates
muss nicht aus einer besonderen Urkunde hervorgehen. Sie geht hier ausdrück-
lich aus dem Beschluss selbst hervor, was genügend ist (Kropholler, a.a.O., N 2
zu Art. 47). Sie ist im übrigen unbestritten geblieben.
bb.
Die Parteien gehen zwar übereinstimmend, jedoch ohne nähere Be-
gründung davon aus, dass sich die Frage der Zustellung der Entscheidung allein
nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und ausser-
gerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivilund Handelssachen vom 15. No-
vember 1965 (HZUe65) beantwortet. Richtig ist, dass das LugÜ selbst keinerlei
substanzielle Zustellungserfordernisse schafft. Die Art der Zustellung gemäss Art.
47 LugÜ richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Urteilsstaates, und dabei
insbesondere auch nach den von diesem Staat abgeschlossenen Staatsverträgen.
Es genügt nach LugÜ indessen schon die Zustellung nach dem Recht des Voll-
streckungsstaates, und dabei auch die nachträgliche Zustellung. Eine solche ist
sogar noch während des Rechtsbehelfsverfahrens nach Art. 36 LugÜ in welchem
sich die Parteien nunmehr befinden zulässig, und es können durch eine solche
nachträgliche Zustellung vorbestandene Zustellungsmängel nach dem Recht des
Vollstreckungsstaates geheilt werden (Kropholler, a.a.O., N 5 zu Art. 47). Ist das
Verfahren auf Vollstreckbarerklärung auf Beschwerde des Schuldners zur
Rechtsmittelinstanz gelangt, dann ist das Zustellungserfordernis, weil funktionslos
geworden, obsolet (Schlosser, a.a.O., N 6 zu Art. 47). Denn der Schuldner hat im
Rahmen des Rechtsmittelverfahrens Kenntnis erlangt. Im Speziellen ist diese Si-
tuation vorliegend schon in erster Instanz eingetreten, weil der Bezirksgerichtsprä-
sident Hinterrhein in Verletzung von Art. 34 Abs. 1 LugÜ - die Schuldnerin ins
Verfahren einbezogen und sie dort vom Beschluss vom 16. August 2001 nach-
weislich Kenntnis erlangt hat (act. 05.1.3-5). Eine Prüfung der Frage, ob sämtliche
Zustellungsformalitäten nach HZUe65 eingehalten worden sind, erübrigt sich
demnach.
5.
Der niederländische Beschluss verpflichtet die Beklagte, dem Kläger,
im Wege eines Zwangsgeldes, einen Betrag in Höhe von 500.- NLG für jeden Tag
zu zahlen, an dem sie versäumt, der vorgenannten Verurteilung [zur Herausgabe
11
der Gegenstände] Folge zu leisten. Gemäss Art. 43 LugÜ sind ausländische Ent-
scheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds (franz. astreinte, engl. periodical
payments) lauten, in dem Vollstreckungsstaat nur vollstreckbar, wenn die Höhe
des Zwangsgelds durch die Gerichte des Ursprungsstaats endgültig festgesetzt
ist. Unter Berufung auf diese Vorschrift macht die Beschwerdeführerin geltend, für
diesen Teil des Urteils dürfe die Vollstreckbarkeit nicht gewährt werden, weil die
Höhe des Zwangsgeldes nicht endgültig festgelegt sei.
a.
Art. 43 LugÜ (vgl. nunmehr Art. 49 EuGVO in Kraft seit 1.3.2002) ist
zugeschnitten auf das französische und Benelux-System der so genannten ast-
reintes. In Frankreich kann in einem Urteil, das zur Vornahme von Handlungen
zu Unterlassungen anhält, ein Zusatz aufgenommen werden, der dem
Schuldner im Falle der Zuwiderhandlung eine an den Gläubiger zu zahlende be-
stimmte Geldsumme, meist in Beträgen für jeden Tag jede Woche der Leis-
tungsverzögerung, androht. Die angedrohte astreinte muss dann freilich in einem
Anschlussverfahren (liquidation) noch endgültig festgesetzt werden, wobei der
Richter häufig nicht an die angedrohte Höhe gebunden ist (Schlosser, a.a.O., N 1,
4 zu Art. 43; vgl. auch EuGH No 2001/32 i.S. Société Discophar Herbier de Pro-
vence, France vs. Société Darley S.P.R.L., Belgique, wo die "astreinte de 100'000
francs belges par acte publicitaire posé en violation de cette interdiction, chaque
plaquette ou feuillet pouvant constituer une violation, et d'un million de francs bel-
ges par offre en vente de produits portant lesdites marques", als nicht definitiv be-
stimmt im Sinne von Art. 43 des Brüsselerund Lugano-Übereinkommens qualifi-
ziert wurde). Demgegenüber bedarf es in den Beneluxländern in der Regel keiner
nachgehenden besonderen Bestätigungsfestsetzung der astreinte. Schon die An-
drohung wirkt als Festsetzung und ist in den Niederlanden ein Vollstreckungstitel,
weshalb sie auch ein transnationaler Vollstreckungstitel im EUbeziehungsweise
LugÜ-Ausland sein muss. Es kann dann vom Antragsteller nicht verlangt werden,
zusätzlich eine besondere gerichtliche Bestätigung über den Verfall der astreinte
einzuholen (Schlosser, a.a.O., N 2, 5 zu Art. 43). Solches muss zumindest solan-
ge gelten, als es sich nicht um Zuwiderhandlungen gegen komplexe Unterlas-
sungsgebote (vgl. als Beispiel den vorgenannten Fall EuGH No 2001/32) handelt
(Schlosser, a.a.O., N 5 a.E.). Der niederländische Richter hat der Beklagten be-
fohlen, Gegenstände herauszugeben. Es handelt sich um einen positiven und ein-
deutigen Befehl, nicht um sachlich bloss mehr weniger bestimmbare Verbote,
die noch in der Vollstreckung Anlass zum Streit geben könnten, ob Verstösse da-
gegen erfolgt sind und um den genauen Bedeutungsinhalt des Richterbefehls. Es
unterliegt keinem Zweifel, was die Beklagte tun muss. Es ist leicht, die Frage zu
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beantworten und Beweis darüber anzutreten, ob die Beklagte gegen den Befehl
verstossen hat. Die Höhe des Zwangsgeldes muss sich aus der ausländischen
Entscheidung "definitiv" ergeben (Kropholler, a.a.O., N 1 zu Art. 43). In der Ver-
tragstheorie sind notwendigerweise zu bestimmende Elemente im allgemeinen
dann genügend bestimmt, wenn sie bestimmbar sind. Entgegen Kropholler (eben-
da) muss es auch bei einer Zwangsgeldklausel in einem Urteil genügen, wenn die
Höhe des Zwangsgeldes in der Vollstreckung leicht, im wesentlichen durch eine
Rechenoperation (Schlosser, a.a.O., N 4), bestimmbar ist, dies jedenfalls dann,
wenn das Urteil im Ursprungsland als unmittelbarer Vollstreckungstitel gedacht ist,
der ohne besondere Bestätigungsfestsetzung (liquidation) auszukommen hat.
b.
Schliesslich ist auch die Meinung der Beschwerdeführerin, beim
Zwangsgeld handle es sich um eine weder nach IPRG noch nach LugÜ voll-
streckbare Busse im strafrechtlichen Sinn, nicht zu teilen. Das hier zur Debatte
stehende Zwangsgeld (=astreinte) ist augenscheinlich kein öffentlich-rechtlicher
Anspruch im Sinne eines Beugemittels zur Durchsetzung von Verfahrenspflichten
und der Justizautorität im öffentlichen Interesse als Strafe gedacht für die
Missachtung des Gerichts (contempt of court), sondern ein richterlich antizipiertes
Surrogat für einen nicht erfüllten zivilrechtlichen Primäranspruch (vgl. BJM 1987 S.
314 E. 2). Das Zwangsgeld ist denn auch nicht an das niederländische Gericht,
sondern direkt an den Kläger zu zahlen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass dem
Kläger aus dem niederländischen Urteil ein eigener und direkter Vollstreckungs-
anspruch gegen die Beklagte erwachsen soll. Es handelt sich demnach vielmehr
um einen zum voraus richterlich festgelegten privatrechtlichen Ersatzanspruch der
Klägers gegen die Beklagte für den Fall und solange, als letztere den Realan-
spruch (Herausgabe der Gegenstände) nicht erfüllt. Für jeden Tag, an dem die
Beklagte den Anspruch nicht real erfüllt, hat der Kläger als Ersatz für den ihm dar-
aus entstehenden Schaden Anspruch auf Zahlung von NLG 500.-. Der Realerfül-
lungsanspruch besteht weiterhin, und einmal gezahltes Zwangsgeld ist bei nach-
gehender Realerfüllung nicht zurückzuzahlen.
c.
Wie hoch das gesamte zu leistende Zwangsgeld ist, hängt hier einzig
und allein davon ab, wie viele Tage die Beklagte mit der Erfüllung des Realan-
spruchs säumig bleibt. Ist die Anzahl Tage bekannt, ist der definitive Gesamtan-
spruch mit einer einfachen Rechenoperation festgestellt. Ist die astreinte wie vor-
liegend eine Sanktion auf die Nichtvornahme einer (einzigen) positiven Handlung
(Rückführung der Gegenstände), dann muss in Bezug auf die für die endgültige,
definitive Festsetzung der Höhe des Zwangsgeldes entscheidende Frage, wie lan-
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ge die Vornahme der Handlung verzögert wurde, zunächst einfach von den Anga-
ben des Gläubigers ausgegangen werden. Der Schuldner muss sich auf das
Rechtsmittel verweisen lassen (vgl. Schlosser, a.a.O., N 5 zu Art. 43), das heisst
er wird im Rechtsmittelverfahren der Vollstreckbarerklärung in die Rolle gedrängt,
zu beweisen, dass die Rechtsgrundlage für die astreinte ab einem bestimmten
Zeitpunkt weggefallen ist. Dies tut er, indem er die Erfüllung des Realanspruchs
beweist. Analog der schweizerischen Rechtsöffnungspraxis zum synallagmati-
schen Vertrag, dass der Betriebene Erfüllungsmängel nur zu behaupten hat, wo-
rauf der Gläubiger den positiven Beweis seiner Leistung zu erbringen hat, scheint
es hier angebracht, der Schuldnerin den Beweis über die Erfüllung des Realan-
spruchs aufzuerlegen. A. X. hat Entsprechendes im hiesigen Exequaturverfahren
weder behauptet noch bewiesen. Sie kann dies indessen auch noch im Rechtsöff-
nungsverfahren tun. Denn auch für die eigentliche Vollstreckung von Geldleistun-
gen in der Schweiz im Rechtsöffnungsverfahren erscheinen das vorgenannte Sys-
tem und die Rollenverteilung unproblematisch. Die gerichtliche Zusprechung einer
Forderung (hier das Zwangsgeld), die im Falle des Eintritts eines ungewissen Er-
eignisses (hier die Erfüllung des Realanspruchs) erlöschen wird, gibt Anlass zur
definitiven Rechtsöffnung, wenn der Betriebene den Eintritt des Ereignisses nicht
dartut (vgl. Panchaud/Caprez, Die Rechtsöffnung, Zürich 1980, § 110, § 116 Nr. 9
(Fall einer astreinte)). Finaler Zweck des Zwangsgeldes ist es, Druck auszuüben
zur Erfüllung des Realanspruchs. Es ist vollkommen abhängig davon, dass der
Realanspruch nicht erfüllt ist, anders ausgedrückt: Vom Moment an, in dem
der Realanspruch erfüllt ist, fehlt jegliche Basis für (weiter laufendes) Zwangsgeld.
Durch Erfüllung des Realspruchs, welcher im kantonalen Vollstreckungsrecht mit
einer analogen Einwendung der Tilgung gemäss Art. 81 Abs. 1 SchKG zu bewei-
sen ist, geht der Realerfüllungsanspruch selbst unter. Gleichzeitig geht der Gläu-
biger seines Titels auf Zahlung von (weiterem) Zwangsgeld verlustig, womit auch
die Grundlage für die Vollstreckung einer Geldleistung nach Art. 81 SchKG fehlt.
6. Die
Beschwerdeführerin hat ein zwischen den Parteien ergangenes
Scheidungsurteil der Fünften Kammer des Arrondissementgerichts Rotterdam
vom 14. Januar 2002 eingelegt, wobei sie selbst behauptet, dieses sei unwirksam.
In diesem Scheidungsurteil wird ein Teil der Sachen, welche Gegenstand des im
summarischen Verfahren ergangenen Rückführungsbefehls vom 16. August 2001
bildeten (jene unter Anhang Ziff. 6), und welche die Beklagte dem Kläger gemäss
Beschluss in die Niederlande herauszugeben hat, der Beklagten gegen eine Aus-
gleichszahlung von € 1'815,12 zugesprochen (act. 01.1, 19.8). Damit besteht die
Situation, dass der zur Vollstreckbarerklärung verlangte ältere Beschluss dem jün-
14
geren, ebenso aus den Ursprungsland stammenden Scheidungsurteil zwischen
den gleichen Parteien inhaltlich teilweise widerspricht. Es wurden Rechtsfolgen
angeordnet, die sich gegenseitig ausschliessen. Die vom Beschwerdegegner auf-
geworfene Frage, ob inhaltliche Widersprüche zweier Urteile überhaupt ein Hin-
dernis für die Vollstreckbarerklärung des einen anderen Urteils seien, ob
dieses Problem erst im Rahmen der Vollstreckung selbst zu lösen sei, lässt sich
hier beantworten. Versagungsgründe wegen Unvereinbarkeit mit anderen Ent-
scheidungen sind bereits bei der Anerkennung und von Amtes wegen zu beachten
(Kropholler, a.a.O., N 6-8 zu vor Art. 26, N 1 zu Art. 27). Der vorliegende Fall wird
zwar weder von Art. 27 Ziff. 3 LugÜ noch durch Ziff. 5 dieser Bestimmung erfasst,
ist nach Auffassung der Rechtsmittelinstanz aber nicht weniger bedenklich. Wenn
einem ausländischen Urteil, das im Widerspruch zu einem im Vollstreckungsstaat
- unbesehen der zeitlichen Priorität ergangenen Urteil steht, die Vollstreckbarkeit
zu versagen ist (Art. 27 Ziff. 3 LugÜ), so muss dies erst recht gelten, wenn es im
Widerspruch zu einem jüngeren im Ursprungsland zwischen denselben Parteien
ergangenen Urteil steht. Dieser Fall dürfte nur deshalb nicht ausdrücklich geregelt
sein, weil die Anerkennungsverweigerung diesfalls eine Selbstverständlichkeit ist.
Wäre die Vollstreckbarkeit des Scheidungsurteils vom 14. Januar 2002 manifest,
müsste daher dem Beschluss vom 16. August 2001 die Vollstreckbarkeit teilweise
abgesprochen werden. Nachdem der Beschwerdegegner auf der Vollstreckbarer-
klärung des ganzen Herausgabeschlusses beharrt, die Vollstreckbarkeit des
Scheidungsurteils von der Beklagten ausdrücklich bestritten und auch sonst nicht
dargetan ist, ist der ganze Herausgabebeschluss für vollstreckbar zu erklären.
Nicht zu übersehen an dieser Stelle jedoch bloss der guten Ordnung hal-
ber zu erwähnen ist - dass der Beschwerdegegner mit seinem Verhalten auf einen
Rechtsmissbrauch zusteuert. Sollte er zunächst den Herausgabebefehl vom 16.
August 2001 auch in Bezug auf die Gegenstände gemäss Anhang Ziffer 6 tatsäch-
lich vollstrecken lassen und hernach das Scheidungsurteil vollstrecken lassen,
könnte ihm, angesichts der Tatsache, dass er bereits heute geltend macht, das
Scheidungsurteil sei rechtskräftig und vollstreckbar, der Vorwurf des Rechtsmiss-
brauchs respektive der nutzlosen Rechtsausübung nicht erspart bleiben. Im Licht
der aktuellen eigenen Erwartung, dass die Gegenstände gemäss Beschluss An-
hang Ziffer 6 letztlich im Besitz und Eigentum der geschiedenen Ehefrau verblei-
ben, wäre es eine reine Schikane, auf der vorübergehenden Herausgabe der Ge-
genstände nach den Niederlanden zu beharren.
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7.a. Die
Beschwerdeführerin unterliegt. Sie trägt daher die gesamten
Kosten des Beschwerdeverfahrens (Art. 122 Abs. 1 ZPO) und wird im gleichen
Umfang (Art. 122 Abs. 3 ZPO) entschädigungspflichtig. Eine Honorarnote hat die
Rechtsvertreterin des obsiegenden Beschwerdegegners nicht eingelegt, so dass
der für eine gehörige Vertretung notwendige Aufwand schätzungsweise festzuset-
zen ist.
Dass dem Gesuchsteller in erster Instanz trotz eines entsprechenden An-
trags keine Entschädigung zugesprochen wurde, hat er nicht angefochten.
b.
Der Vorderrichter hat die auf Fr. 340.festgesetzten Kosten des erst-
instanzlichen Verfahrens bei der Prozedur behalten, aus der Überlegung, es sei
sinnvoll darüber erst im Beschwerdebeziehungsweise Rechtsbehelfsverfahren zu
entscheiden. Als "sinnvoll" kann dies kaum bezeichnet werden, kann doch der
Vorderrichter nicht zum voraus wissen, ob es zu einem Rechtsmittelverfahren
kommt. Vorliegend bleibt es ohne Konsequenzen, weil die Schuldnerin Beschwer-
de geführt hat. Die in der Höhe unangefochtenen Kosten des erstinstanzlichen
Verfahrens von Fr. 340.gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin.
16
Demnach erkennt das Kantonsgerichtspräsidium :
1. Die
Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'240.- (Gerichtsgebühr Fr.
1'000.-, Schreibgebühr Fr. 240.-) gehen zu Lasten von A. X..
3.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahren von Fr. 340.gehen zu Lasten
von A. X..
4.
A. X. ist verpflichtet, H. X. für das Beschwerdeverfahren mit 1'500 Franken
zu entschädigen.
5. Mitteilung
an:
__
Für das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden
Der Präsident:
Der Aktuar:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
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