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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:KSK-11-15
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid KSK-11-15 vom 23.03.2011 (GR)
Datum:23.03.2011
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Verwertungsbegehren (Durchführung Verwertung, Wiederbeschaffung
Schlagwörter : Retention; Betreibung; Bungsamt; Beschwer; SchKG; Beschwerde; Betreibungsamt; Wertung; Schneemobil; Verwertung; Gläubiger; Führerin; Beschwerdeführerin; Gläubigerin; Schuldner; Recht; Schlag; Selva; Surselva; Frist; Schaffung; Spruch; Begehren; Retiniert; Schein; Ersatz; Arctic; Onsbeschlag; Lichkeiten; Onsgegenstände
Rechtsnorm: Art. 107 KG ; Art. 108 KG ; Art. 127 KG ; Art. 157 KG ; Art. 158 KG ; Art. 17 KG ; Art. 283 KG ; Art. 284 KG ; Art. 5 KG ; Art. 79 KG ; Art. 888 ZGB ; Art. 96 KG ; Art. 98 KG ;
Referenz BGE:104 III 26; 68 III 7; 71 III 77; 86 III 38; 88 III 103;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
___________________________________________________________________________________________________

Ref.:
Chur, 23. März 2011
Schriftlich mitgeteilt am:
KSK 11 15
Entscheid
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs
Vorsitz
Vizepräsident Schlenker
Richter
Kantonsrichter Hubert und Kantonsrichter Bochsler
Redaktion
Aktuar Conrad

In der Schuldbetreibungs- und Konkursbeschwerde
der B O . A G , Gläubigerin und Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsan-
walt lic. iur. Josef Brunner, Poststrasse 3, 7130 Ilanz,
gegen
die Verfügung des Betreibungsamtes Surselva vom 07. Februar 2011, mitgeteilt
am 07. Februar 2011, in Sachen der Gläubigerin und Beschwerdeführerin gegen
S., Schuldner und Beschwerdegegner,
betreffend Verwertungsbegehren (Durchführung Verwertung, Wiederbeschaffung
fortgeschaffter Retentionsgegenstände, Ausstellung Verlustschein),
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Für verfallene Mietzinse über Fr. 100'000.— aus Vermietung des Bergre-
staurants "K.", Nx., an S., Porza/TI, vollzog das Betreibungsamt Ruis (ab 01. Juli
2010 Betreibungsamt Surselva) am 22. März 2008 auf Veranlassung der Vermie-
terin und Gläubigerin BO. AG eine Retention im Sinne von Art. 283 SchKG an fol-
genden, in das Mietobjekt eingebrachten Gegenständen (Retention Nr. 20801):
Nr. Gegenstände
Schätzwert Fr. Bemerkungen
1
Geschirrabwaschmaschine Hilde-
1'000.00
brand H 2300
2
Teigknetmaschine Lips 3402102G
200.00
3
Vakuummaschine Crazkvo Vac
200.00
4
Wasserbad 3-teilig, fahrbar
300.00
5
Schneemobil Arctic Cat ATV 650 mit
8'000.00 Drittanspruch ZM. AG, Do-
Raupen (braune GR Nr. 20353)
mat/Ems
6
2 Registrierkassen Casio TE 800 F
1'000.00 Drittanspruch ST., Savosa
7
1 Registrierkasse Schulthess
500.00 Drittanspruch ST., Savosa

B.1. Die betreibungsamtliche Zustellung der Retentionsurkunde erfolgte am 25.
März 2008 mit verfrühter Ansetzung einer Frist zur Bestreitung der angemeldeten
Drittansprüche. Die Vermieterin bestritt am 01. April 2008 die Drittansprüche, wor-
auf das Betreibungsamt Ruis am 07. April 2008 der ZM. AG, ebenso verfrüht, Frist
zur Klage auf Anerkennung ihres Eigentums ansetzte. Ihre vor dem Bezirksge-
richtsausschuss Surselva angehobene Klage gegen die BO. AG zog die ZM. AG
in der Folge zurück, da seitens der retinierenden Gläubigerin noch gar kein Ver-
wertungsbegehren gestellt worden war.
2.
Die Retention hatte die BO. AG durch rechtzeitige Stellung des Betrei-
bungsbegehrens auf Pfandverwertung (Betreibung Nr. 208118) am 07. April 2008
aufrecht erhalten. Gegen den am 08. April 2008 aus- und am 22. April 2008
rechtshilfeweise im Tessin zugestellten Zahlungsbefehl erhob der Schuldner S.
Rechtsvorschlag. Am 05. Mai 2008 gelangte die Vermieterin an die Schlichtungs-
behörde in Mietsachen des Bezirks Surselva mit dem Gesuch um Durchführung
der Schlichtungsverhandlung betreffend eine Forderung aus Mietverhältnis von Fr.
225'000.— sowie definitive Rechtsöffnung in der Betreibung Nr. 208118 für die
dortige Forderung von Fr. 100'000.— und das Retentionsrecht.
Seite 2 — 14

3.
Auf Anfrage hin bestätigte das Betreibungsamt Ruis dem Rechtsvertreter
der ZM. AG mit Schreiben vom 11. Oktober 2008, mangels Einleitung eines
Rechtsöffnungsverfahrens gegen den schuldnerischen Rechtsvorschlag sei der
Retentionsbeschlag am Schneemobil (Retentionsgegenstand Nr. 5) dahingefallen
und ein Verwertungsbegehren könne nicht mehr gestellt werden. Das inzwischen
aus den Mieträumlichkeiten entfernte Schneemobil befand sich bei der Dritteigen-
tumsansprecherin ZM. AG, welche das Fahrzeug im November 2008 an Q., Zb.,
weiterverkaufte und auslieferte. Am 22. Dezember 2008 wurde die Gläubigerin
beim Betreibungsamt vorstellig, mit dem Begehren, das von der ZM. AG aus den
Mieträumen behändigte Schneemobil sei unverzüglich in das Bergrestaurant zu-
rückzuschaffen oder an einem sicheren Ort durch das Betreibungsamt zu verwah-
ren. Am 29. Dezember 2008 beschied ihr das Betreibungsamt Ruis, die Rückfüh-
rung und amtliche Verwahrung seien nicht möglich, da das Fahrzeug am 03. No-
vember 2008 weiterverkauft und ausgeliefert worden sei. Die Mitteilung an die
Drittansprecherin ZM. AG vom 11. Oktober 2008 über den Wegfall des Retenti-
onsbeschlages sei fehlerhaft gewesen und für daraus entstandenen Schaden
werde das Betreibungsamt haften müssen.
4.
Mangels Streitbeilegung vor der Schlichtungsbehörde klagte die BO. AG
innert der im Leitschein angegebenen Frist von 30 Tagen seit dessen Zustellung
vom 21. Oktober 2009 am 20. November 2009 gegen S. vor dem Bezirksgericht
Surselva. Mit Urteil vom 16. März 2010 hiess das Bezirksgericht Surselva die For-
derungsklage der BO. AG im Umfang von Fr. 270'394.20 zuzüglich Zinsen gut.
Ausserdem hob das Gericht den Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 208118
auf und erteilte der Klägerin im Umfang von Fr. 100'000.— die definitive Rechts-
öffnung für Forderung und Retentionsrecht. Das Urteil erwuchs am 13. Juli 2010 in
Rechtskraft.
5.
Das anschliessende Begehren der Gläubigerin vom 01. September 2010
um Fortsetzung der Betreibung (auf Pfändung) wies das Betreibungsamt Surselva
zurück, worauf die Gläubigerin am 03. September 2010 ein Verwertungsbegehren
stellte. Hinsichtlich der Retentionsgegenstände Nr. 5-7 erliess das Betreibungsamt
Surselva am 07. September 2010 erneut die Anzeigen der Eigentumsansprachen
(ZM. AG und ST.) an die Gläubigerin gemäss Art. 106 f. SchKG und setzte ihr
Frist von 10 Tagen zur Bestreitung. Die Bestreitung der Gläubigerin im Sinne von
Art. 107 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG ist am 20. September 2010 erfolgt. Gleichzeitig wies
die Gläubigerin darauf hin, die Retentionsgegenstände Nr. 6 und 7 (3 Registrier-
kassen) seien ohne ihr Wissen aus dem Mietobjekt entfernt worden, womit ihr Re-
tentionsrecht daran freilich nicht untergehe, weshalb das Betreibungsamt sie zu-
Seite 3 — 14

rückzuschaffen habe. Etwas anders präsentiere sich die Rechts- und Sachlage in
Bezug auf das Schneemobil, nachdem das Betreibungsamt dem Rückführungs-
begehren der Gläubigerin vom Dezember 2008 offenbar nicht mehr habe stattge-
ben können. Nachdem das Betreibungsamt diesbezüglich seine Schadenersatz-
pflicht anerkannt habe, müsse man sich nur noch über die Höhe des Schadens
einigen.
6.
In der Folge tätigte das Betreibungsamt Surselva weitere Abklärungen über
den Verbleib der 2 ½ Jahre zuvor retinierten Gegenstände. In Bezug auf das
Schneemobil stellte sich nach Angaben des Strassenverkehrsamtes, der ZM. AG
und des Schuldners heraus, dass es sich bei dem unter dem Kontrollschild GR
20353 auf den Namen des Schuldners S. in der Zeit vom 14.01.2005-16.09.2008
immatrikulierten Schneemobil um ein "Arctic Cat Beatcat 660 WT" handelte, das
sich im Zeitpunkt des Retentionsvollzugs zur Reparatur bei der Lieferantin befand.
In den Mieträumlichkeiten wurde stattdessen das Ersatzfahrzeug vom Typ "Arctic
Cat ATV 650" vorgefunden, welches in der Folge von der Lieferantin ZM. AG wie-
der abgeholt worden war. Hinsichtlich der Registrierkassen gab der Schuldner in
der rogatorischen Einvernahme durch das Betreibungsamt Lugano an, diese seien
vom Mitarbeiter (gerente) M. vor Beendigung des Mietverhältnisses entfernt und
der Leasinggeberin ST. übergeben worden. Mangels vorhandenen pfändbaren
Vermögens und Einkommens konnte das Betreibungsamt Lugano beim Schuldner
keine Surrogatspfändung vornehmen.
C.
Mit Verfügung vom 07. Februar 2011 wies das Betreibungsamt Surselva
das Verwertungsbegehren der BO. AG zurück, mit der Begründung, da sich keiner
der retinierten Gegenstände mehr beim Schuldner befinde, sei eine Rückschaf-
fung und Verwertung nicht möglich. Gestützt auf die Abklärungen des Betrei-
bungsamtes Lugano fehle zudem die Möglichkeit, beim Schuldner ersatzweises
Substrat für die nicht mehr vorhandenen Retentionsgegenstände zu beschaffen. In
Bezug auf das in der Retentionsurkunde aufgeführte Schneemobil Arctic Cat ATV
650 wurde amtsseits ferner in Abrede gestellt, dass dieses jemals dem Retenti-
onsbeschlag unterlegen sei. Das auf den Namen des Schuldners eingelöste
Schneemobil habe sich zur Zeit der Retentionsaufnahme nämlich gar nicht in den
Mieträumen befunden, sondern zufälligerweise irgendein Ersatzfahrzeug. Sachen,
die nur vorübergehend von Kunden zur Reparatur oder von Besuchern in die Miet-
räume verbracht würden, unterlägen nicht dem Retentionsbeschlag.
D.1. Dagegen legte die BO. AG am 15. Februar 2011 Beschwerde beim Kan-
tonsgericht als SchKG-Aufsichtsbehörde ein, mit den Anträgen:
Seite 4 — 14

"1. Die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Sache zur ordentlichen
Durchführung des Betreibungsverfahrens auf Pfandverwertung und Abschluss
desselben mit Verteilung eines allfälligen Pfanderlöses (Art. 157 SchKG) an
die Beschwerdeführerin bzw. Ausstellung eines Pfandausfallscheins für den
ungedeckten Forderungsbetrag (Art. 158 SchKG) zurückzuweisen.

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge plus 8 % Mehrwertsteuer".
2.
In seiner Vernehmlassung vom 18. Februar 2011 schloss das Betreibungs-
amt Surselva sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde.
3.
Der Schuldner und Beschwerdegegner liess sich innert Frist nicht verneh-
men.
II. Erwägungen
1.
Die betreibungsamtliche Verfügung, mit welcher einem Verwertungsbegeh-
ren keine Folge gegeben wird, ist eine Betreibungshandlung (Art. 17 Abs. 1
SchKG). Sie bewirkt eine aktuelle Beschwer der Gläubigerin und ist daher be-
schwerdefähig. Auf das im Übrigen frist- (Art. 17 Abs. 2 SchKG) und formgerecht
(Art. 14a Abs. 1 und 4 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, GVV SchKG, BR 220.100) bei der zuständigen
Instanz (Art. 11 GVV SchKG) eingelegte Rechtsmittel ist einzutreten.
2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Betreibungsamt hätte zuerst
abklären müssen, ob die retinierten Vermögensstücke zurückgeschafft werden
könnten, oder ob dies aus Gründen des gutgläubigen Erwerbs Dritter ausge-
schlossen sei. Dabei habe es nicht einfach auf die Erklärungen des Schuldners
abstellen dürfen, zumal diese offensichtlich inhaltlich unrichtig seien. So sei der
Schuldner nachgewiesenermassen persönlich und nicht etwa M. Pächter des Re-
staurants gewesen. Letzterer sei, wie in der Retentionsurkunde zutreffend festge-
stellt, lediglich Mitarbeiter des Pächters gewesen, sodass seine Handlungen direkt
dem Schuldner zuzurechnen seien. Aus der Retentionsurkunde ergebe sich so-
dann, dass die ST. im Zusammenhang mit den retinierten Registrierkassen Dritt-
ansprüche geltend gemacht habe. Wenn diese Gegenstände der ST. vom Pächter
[recte Mitarbeiter] zurückgegeben worden seien, so könne diese nicht als gutgläu-
big angesehen werden, sodass hier einer betreibungsamtlichen Rückschaffung
nichts im Wege stehe.
a.
Zumindest in Bezug auf die Retentionsgegenstände 1-5 ist die Rüge der
mangelhaften Sachverhaltsabklärung zurückzuweisen. Das Betreibungsamt Sur-
Seite 5 — 14

selva hat mehrfach, in verschiedener Hinsicht und bei unterschiedlichen Beteilig-
ten Abklärungen über den Verbleib der umstrittenen Gegenstände getroffen (act.
03.1.21, 31-44). Die Beschwerdeführerin legt denn auch nicht dar, auf welch ande-
re Weise ein zuverlässigerer Informationsstand zu erreichen gewesen wäre oder
noch zu erzielen sei.
b.
Gemäss den schuldnerischen Aussagen sind die Retentionsgegenstände 1-
4 nach Ablauf des Mietverhältnisses im Mietobjekt verblieben und dem Vermieter
überlassen worden (act. 03.1.43: dovrebbero essere rimasti sul posto fino alla fine
e lasciati al locatore). In tatsächlicher Hinsicht gibt es keine gegenläufigen An-
haltspunkte und von weiteren Abklärungen kann man sich keinen Erfolg verspre-
chen. Wenn bei diesem Sachstand die Beschwerdeführerin als Vermieterin selbst
nicht weiss, wo sich die Ware heute befindet, dann weiss es niemand. Die Sachen
sind nicht mehr auffindbar. Die beantragte Wiederbeschaffung und Verwertung
dieser Ware scheitert bereits an dieser einfachen Tatsache.
Der Retentionsgegenstand Nr. 5 (Schneemobil) befindet sich bei der Käuferin Q.
oder - nach 2 ½ Jahren - bei einem anderen Dritten, wobei aus der Beschwerde-
schrift nicht restlos klar wird, ob sich der Antrag auf Wiederbeschaffung und Ver-
wertung auch auf diesen Gegenstand erstreckt.
Auch die geleasten Retentionsgegenstände Nr. 6-7 befinden sich gemäss den
nachvollziehbaren Aussagen des Schuldners nicht beim ihm, sondern sind von
seinem Mitarbeiter zur Leasinggeberin ST. gebracht worden oder befinden sich
inzwischen anderswo. Im einen wie im anderen Fall sind alle diese in Frage kom-
menden Besitzer im Verhältnis zu den hiesigen Beteiligten Dritte.
c.
Gemäss Art. 284 SchKG können Gegenstände, die heimlich oder gewalt-
sam fortgeschafft wurden, in den ersten zehn Tagen nach der Fortschaffung mit
Hilfe der Polizeigewalt in die vermieteten oder verpachteten Räumlichkeiten zu-
rückgebracht werden. Rechte gutgläubiger Dritter bleiben vorbehalten. Über strei-
tige Fälle entscheidet der Richter im beschleunigten Prozessverfahren. Die Norm
ist nach zutreffender Darlegung der Beschwerdeführerin nicht anwendbar auf Ge-
genstände, die nach Aufnahme des Retentionsverzeichnisses fortgeschafft wur-
den (Kommentar SchKG, Walder, 2007, Art. 284 N 2; BGE 104 III 26); diese kön-
nen vielmehr vom Betreibungsamt ohne Einhaltung einer Frist und grundsätzlich
bedingungslos vom Betreibungsamt zurückgeschafft werden. Darauf beruft sich
die Beschwerdeführerin. Abgesehen davon, dass mit dem Ersatzfahrzeug Arctic
Cat ATV 650 ein anderes Vehikel retiniert worden war, als jenes, das der Schuld-
Seite 6 — 14

ner üblicherweise benutzte und auf seinen Namen immatrikuliert war (Arctic Cat
Beatcat 660 WT), wäre Art. 284 SchKG auf Letzteres nicht anwendbar, weil dieses
Fahrzeug zwar vor der Retention aus den Mieträumlichkeiten weggeschafft wor-
den war, jedoch nicht heimlich oder gewaltsam, sondern einfach zur Reparatur.
Die Einbringung eines Ersatzfahrzeugs spricht gegen unlautere Absichten. Auf
das effektiv retinierte Ersatz-Schneemobil Arctic Cat ATV 650 ist Art. 284 SchKG
nicht anwendbar, weil dieses nach der Retention aus den Mieträumlichkeiten fort-
geschafft wurde. Sind fortgeschaffte Gegenstände - wie vorliegend das Ersatz-
Schneemobil und die 3 Registrierkassen - bereits in den Besitz von Dritten (hier
ZM. AG und ST.) gelangt, so fehlt, entgegen der anscheinenden Meinung der Be-
schwerdeführerin, dem Betreibungsamt von vorneherein die Macht, sie bei diesen
Dritten zu behändigen oder ihnen die Herausgabe zu befehlen (BSK SchKG-
Schnyder/Wiede, 2. A. 2010, Art. 284 N 14; PKG 1992 Nr. 50 E. 3, mit Hinweis auf
BGE 68 III 7 und Studer, Die betreibungsamtlichen Funktionen im Retentionsver-
fahren für Miet- und Pachtzinsforderungen, in BlSchK 1952, S. 167). Neben Art.
284 SchKG besteht dieses Hindernis auch im Fall, in welchem bereits retinierte
Gegenstände aus den Mieträumlichkeiten fortgeschafft wurden und nicht anders-
wo beim Schuldner, sondern bei Dritten landen (BSK SchKG-Schnyder/Wiede,
Art. 284 N 4; für den definitiven Hinfall des Retentionsrechts durch den Verkauf
des Schneemobils vgl. nachstehende Erwägung Ziff. 2.4.c). Wiederbeschaffungs-
handlungen des Betreibungsamtes im Sinne von Sicherung bereits retinierten
Substrats können sich von vorneherein nur gegen den Schuldner richten; befindet
sich der Vermögenswert hingegen bei einem Dritten, der ein eigenes Recht daran
geltend macht - was hier sowohl beim Schneemobil als auch bei den Registrier-
kassen der Fall ist - ist darüber, unbesehen von der Frage des guten Glaubens
des neuen Besitzers, über welchen die Vollstreckungsbehörden ohnehin nicht ab-
schliessend befinden können, vom Zivilrichter im gewöhnlichen Widerspruchsver-
fahren nach Art. 108 Abs. 1 SchKG zu entscheiden (Jaeger/Walder/Kull/Kottmann,
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A. Zürich 1997/99, Art. 284
N 3 und 11c; KUKO SchKG-Rohner, Art. 284 N 7 f.). Eine Fristansetzung an den
Retentionsgläubiger durch das Betreibungsamt ist dabei überflüssig (BSK SchKG-
Schnyder/Wiede, Art. 284 N 14). Der Beschwerdeführerin war spätestens seit dem
29. Dezember 2008 bekannt, dass das Schneemobil von einem Dritten käuflich
erworben wurde und dort vom Betreibungsamt nicht behändigt werden konnte,
gleichwohl hat sie nichts gegen die neue Besitzerin unternommen.
d.
Was die 3 Registrierkassen anbelangt, ist der Einwand mangelhafter vor-
instanzlicher Sachverhaltsabklärung nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist
Seite 7 — 14

festzustellen, dass die Eigentumsansprecherin ST. gemäss Aktenlage auf die
betreibungsamtlichen Fristansetzungen zur Klageerhebung (act. 03.1.3, 03.1.35)
nicht reagiert hat, mit der Folge, dass der Pfandanspruch der Gläubigerin in die-
sem Vollstreckungsverfahren als anerkannt zu gelten hat. Die ST. ist nicht nach-
gehende rechtsgeschäftliche Erwerberin, sondern hat einfach neu den Gewahr-
sam/Besitz, und die Beschwerdeführerin behauptet, ST. könne nicht gutgläubig
sein. Auf die schuldnerische Aussage hin, sein Mitarbeiter M. habe die Kassen der
Leasinggeberin zurückgebracht, hat sich das Betreibungsamt nicht bei ST. über
den Verbleib der Ware erkundigt. Man weiss nicht, ob sie noch dort und damit al-
lenfalls wieder beschaffbar ist. Die Fragen können indes offen bleiben. Von der
Herbeischaffung und Verwertung der Registrierkassen ist aus anderen Gründen
Abstand zu nehmen. Analog der bei der Pfändung angewendeten Prämisse, dass
nur zu pfänden ist, was eine Verwertung lohnt, würde eine Rückschaffung dieser
Objekte in die Surselva und ihre Verwertung durch Versteigerung unter objektiv
vernünftigen Gesichtspunkten nur dann Sinn machen, wenn zu erwarten ist, dass
der Ersteigerungserlös die Kosten dieser ganzen Operation übersteigt. Das ist
nicht der Fall. Von der Verwertung ist abzusehen, wenn der Überschuss des Ver-
wertungserlöses über die Kosten nur einen sehr geringen Teil der Forderung des
Gläubigers zu decken vermöchte und erst Recht, wenn der Erlös nicht einmal die
Verwertungskosten decken würde (Art. 127 SchKG analog; BGE 88 III 103 E. 3, 4;
83 III 131 E. 2; BSK SchKG-Rutz/Roth, 2. A. 2010, Art. 127 N 1, 2). Das Betrei-
bungsamt hat von der Gläubigerin für die Verwertung dieser 3 Maschinen einen
Kostenvorschuss von 1'000 Franken verlangt, was von der Gläubigerin im Grund-
satz und der Höhe nach unbestritten blieb. Die 3 retinierten Registrierkassen hat-
ten - vor 3 Jahren - zusammen einen geschätzten Wert Fr. 1'500.—. Selbst wenn
sich ihr heutiger Verbleib herausfinden liesse, und falls man ihrer mit vernünftigem
Aufwand habhaft würde, wäre ihre Herbeischaffung aus dem Tessin und hiesige
Versteigerung mit unverhältnismässigen, den zu erwartenden Verwertungserlös
mit hoher Wahrscheinlichkeit übersteigenden Kosten verbunden. Eine Verwertung,
die dem Gläubiger unter ökonomischen Gesichtspunkten nichts bringt, hat zu un-
terbleiben. Das kann auch von Amtes wegen angeordnet werden (BSK SchKG-
Rutz/Roth, Art. 127 N 4).
e.
Zusammenfassend ist in Bezug auf die Retentionsgegenstände 1-5 festzu-
stellen, dass sie entweder nicht vorhanden, oder, soweit vorhanden, vom Betrei-
bungsamt nicht wieder beschaffbar sind, und darüber hinaus beim Schuldner kein
Ersatz erhältlich ist. Gegen das Naturgesetz, dass eine nicht mehr beschaffbare
Sache nicht verwertet werden kann, ist kein (rechtliches) Kraut gewachsen. Soweit
Seite 8 — 14

die Retentionsgegenstände 6-7 angehend, muss in analoger Anwendung von Art.
127 SchKG auf deren Herbeischaffung und Verwertung aus Rentabilitätsgründen
verzichtet werden. Insoweit Wiederbeschaffung und Verwertung von Retentions-
gegenständen beantragt werden und/oder das Betreibungsamt diesbezüglich wei-
tere Abklärungen zu treffen habe, ist die Beschwerde folglich abzuweisen.
2.2
Die Beschwerdeführerin rügt sodann, zur korrekten Durchführung des Ver-
wertungsverfahrens gehöre die Fristansetzung zur Widerspruchsklage an den
Drittansprecher.
a.
Hinsichtlich des Schneemobils wurde der Drittansprecherin ZM. AG Frist
zur Widerspruchsklage angesetzt (act. 03.1.3). Eine zweite Ansetzung nach Stel-
lung des Verwertungsbegehrens unterblieb zu Recht, nachdem sich herausgestellt
hatte, dass einerseits die Gläubigerin auf die Verwertung verzichtet hatte (act.
03.1.30) und andererseits der Gegenstand vom Amt nicht mehr zurückgeschafft
werden konnte. Insoweit diesbezüglich die Meinung der Beschwerdeführerin ist,
es sei der nachmaligen Käuferin Q. Frist zur Widerspruchsklage anzusetzen, geht
dies auch aus anderen Gründen fehl. Sie ist in der Retentionsurkunde nicht formell
als Drittansprecherin verzeichnet und konnte dies auch gar nicht, angesichts ihres
späteren Erwerbs. In materieller Hinsicht fehlt die Basis, um sie zum Handeln zu
zwingen, kann sie doch bereits aus ihrem anscheinend gutgläubigen Besitz die
Vermutung des Eigentums für sich in Anspruch nehmen.
b.
Hinsichtlich der Registrierkassen geht die Rüge fehlender Fristansetzung
zur Widerspruchsklage nach Art. 107 SchKG ins Leere, wurde doch der Drit-
tansprecherin ST. tatsächlich eine solche Frist angesetzt (act. 03.1.3, 03.1.35).
Mangels eigener Beschwer erscheint sodann die Gläubigerin nicht legitimiert, eine
unterbliebene Klagefristansetzung an den Schuldner und/oder an die Drittanspre-
cherin mit Beschwerde geltend zu machen. Die Frage, ob die Gegenstände wieder
in den Besitz des Schuldners beziehungsweise des Amtes zu bringen und zu ver-
werten seien, hängt im Übrigen nicht davon ab, ob der ST. Frist zur Wider-
spruchsklage angesetzt wurde.
2.3.
In der Beschwerdebegründung wird beiläufig ausgeführt, es sei an
eine Strafanzeige gegen den Schuldner wegen Widerhandlung gegen Art. 169
StGB (Verstrickungsbruch) zu denken. Das ist der Beschwerdeführerin unbenom-
men. Nachdem sie weder vorgängig dem Betreibungsamt noch im hiesigen Be-
schwerdeverfahren der Aufsichtsbehörde einen förmlichen Antrag gestellt hat (act.
01, S. 2), ist dies nicht weiter zu vertiefen
Seite 9 — 14

2.4.a.
Das Verwertungsbegehren der Gläubigerin lautete auf Verwertung
aller von der Betreibung Nr. 208118 betroffenen beweglichen Sachen, Forderun-
gen etc. (act. 03.1.27). Wie bereits erwähnt, hat die Beschwerdeführerin indessen
nachgehend auf die Verwertung des Schneemobils konkludent verzichtet (act.
03.1.30). Davon ging nach Treu und Glauben auch das Betreibungsamt Surselva
aus, hat es doch am 21. September 2010 von der Gläubigerin nur für die Verwer-
tung der Retentionsgegenstände Nr. 6-7 einen Kostenvorschuss einverlangt (act.
03.1.30a). Gegen diese Beschränkung hat sich die Gläubigerin in der Folge nicht
gewendet. In Bezug auf das Schneemobil wäre solches im Übrigen auch verspä-
tet, nachdem die Beschwerdeführerin gegen die erste, ausdrücklich verweigernde
Verfügung des Betreibungsamtes Ruis vom 29. Dezember 2008 (act. 01.3) keine
Beschwerde geführt hat.
Mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass ihr das Betreibungsamt für
den aus der Entfernung aus den Mieträumlichkeiten und gescheiterte Wiederbe-
schaffung des Schneemobils entstandenen Schaden hafte, hat sich die Aufsichts-
behörde über Schuldbetreibung und Konkurs nicht zu befassen. Die Beschwerde-
führerin ist in diesem Zusammenhang immerhin darauf hinzuweisen, dass dem
Betreibungsamt Ruis nicht die Unterlassung einer Sicherungsmassnahme zur Last
fällt. Es besteht kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen unterlassener
Verwahrung des Schneemobils (act. 20, Begehren der Beschwerdeführerin vom
22. Dezember 2008) und der Tatsache, dass es nachfolgend nicht wieder be-
schafft werden konnte. Dem Sicherstellungsbegehren der Gläubigerin hätte in die-
sem Verfahrensstadium keine Folge gegeben werden können. Eine betreibungs-
amtliche Verwahrung in sinngemässer Anwendung von Art. 98 SchKG wäre erst
ab Rechtskraft des Zahlungsbefehls zulässig gewesen (Urteil 7B.267/2000 Bun-
desgericht vom 22.01.2001, E. 3), vorliegend also ab dem 14. Juli 2010.
b.
Gemäss Beschwerdeschrift wendet sich die Beschwerdeführerin in diesem
Zusammenhang schliesslich gegen die betreibungsamtliche Argumentation, das
Ersatz-Schneemobil Arctic Cat ATV 650, welches sich bloss zufälligerweise in den
Mieträumlichkeiten befunden habe, habe von Anfang an nicht dem Retentionsbe-
schlag unterlegen. Die dagegen erhobene Rüge der Beschwerdeführerin mag
wohl begründet sein, nützt ihr im Ergebnis allerdings nichts.
Die Bestätigung des Betreibungsamtes Ruis an die ZM. AG vom 11. Oktober
2008, der Retentionsbeschlag sei weggefallen, weil die Vermieterin nicht innert 10
Tagen ein Rechtsöffnungsbegehren gestellt habe, war offensichtlich falsch, kann
doch der Retentionsbeschlag auch wahlweise direkt durch Klageanhebung ge-
Seite 10 — 14

mäss Art. 79 Abs. 1 SchKG prosequiert werden. Von unterlassener oder mangel-
hafter Prosequierung der Retention durch die Gläubigerin kann nicht die Rede
sein. Sie hat jeweils rechtzeitig durch Einleitung der entsprechenden Schritte
(Betreibung auf Pfandverwertung, Schlichtungsbegehren, Anerkennungsklage,
Verwertungsbegehren; vgl. Peter Higi, Zürcher Kommentar 1995, Art. 268-286b
OR, N 89 ff.) den Pfandbeschlag stets aufrecht erhalten. Dies gilt im Speziellen
auch dann, wenn man für die Klageeinleitung beim Gericht (Prosequierung des
Leitscheins) die kürzere Frist von 10 Tagen zur Anwendung bringen wollte, hat die
Schlichtungsbehörde Surselva die Vermieterin doch nicht auf diese kürzere, vom
bündnerischen Verfahrensrecht abweichende Frist von 30 Tagen (vgl. Art. 34 der
Vollziehungsverordnung zum Schweizerischen Obligationenrecht, BR 219.800)
aufmerksam gemacht (act. 03.1.22, S. 5; vgl. zu dieser Problematik auch BSK
SchKG-Schnyder/Wiede, Art. 283 N 86). Des Weiteren steht zweifelsfrei fest, dass
das auf den Namen des Schuldners immatrikulierte Schneemobil Arctic Cat Beat-
cat 660 WT nicht mit Beschlag belegt war, denn was sich zur Zeit des Retentions-
vollzugs nicht in den Mieträumlichkeiten befand, konnte nicht retiniert werden und
andere als in der Retentionsurkunde aufgenommene Gegenstände können nicht
verwertet werden (Kommentar SchKG, Walder, 2007, Art. 283 N 27). Im Zeitpunkt
der Retention befand sich das Ersatz-Schneemobil Arctic Cat ATV 650 in den Ge-
schäftsräumlichkeiten. Die Vorinstanz argumentiert, da sich das auf den Namen
des Schuldners eingelöste Schneemobil zur Zeit der Retentionsaufnahme gar
nicht in den Mieträumen befunden habe, sei dort nur zufälligerweise irgendein Er-
satzfahrzeug vorgefunden worden. Sachen, die nur vorübergehend von Kunden
zur Reparatur oder von Besuchern in die Mieträume verbracht würden, unterlägen
indessen nicht dem Retentionsbeschlag. Diese Schlüsse sind formell und materiell
unhaltbar. Retiniert wurde (einzig) das Ersatzfahrzeug Arctic Cat ATV 650, das
sich effektiv dort befand und zweifelsfrei der Einrichtung/Benutzung der Ge-
schäftsräume diente (Dominik Gasser, in BlSchK 1999, S. 86). Der Hinweis auf
BSK OR-Weber, 3. A. 2008, Art. 268-268b, N 3 geht fehl. Zunächst ist darauf hin-
zuweisen, dass das Betreibungsamt nur zu einer formellen, summarischen Prü-
fung der Voraussetzungen für eine Retention befugt ist (BSK SchKG-
Schnyder/Wiede, Art. 283 N 50 ff.). In Bezug auf in die Mieträume eingebrachte
Fahrnis ist grundsätzlich zu vermuten, dass sie mit den Geschäftsräumlichkeiten
einen Zusammenhang haben, sodass sie prinzipiell alle mit Beschlag zu belegen
sind. Das Betreibungsamt darf eine Retention nicht aus materiellrechtlichen Grün-
den ablehnen, ausser wenn das vom Vermieter beanspruchte Retentionsrecht
unzweifelhaft nicht besteht (Kommentar SchKG, Walder, 2007, Art. 283 N 12, mit
Hinweis auf BGE 86 III 38, 97 III 45, 103 III 41 E. 1; Higi, a.a.O., Art. 268-286b
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OR, N 79 f.; Gasser, a.a.O., S. 87 f.; L. Eugster in BlSchK 1990, S. 10 f.; Rolf Ei-
chenberger, in BlSchK 1972, S. 70). Im Zweifel ist jedenfalls zu retinieren. Grund
für diese sachliche Ausdehnung des mobilen Pfändungssubstrats auf alles Pfänd-
bare (vorbehalten Art. 92 f SchKG), das sich in den vom Mieter gemieteten Räum-
lichkeiten befindet, ist der aus solchem Besitz hervorgehende Rechtsschein, dass
es sich um Mietereigentum handelt. Diesen Rechtsschein darf das Betreibungs-
amt erst und nur dann ausser Acht lassen, wenn der vorerwähnte Zusammenhang
zwischen Miete und vorgefundener Fahrnis augenscheinlich nicht besteht. Das
Ersatz-Schneemobil wurde denn auch nicht von Kunden zur Reparatur in das
Bergrestaurant oder von Besuchern des Mieters (Restaurantgäste) in die Miet-
räume verbracht, sondern vom retentionsbelasteten Mieter selbst oder auf dessen
Veranlassung von der Lieferantin und späteren Eigentumsansprecherin ZM. AG -
dies zweifelsohne in der Absicht, dass es dem Betrieb des Bergrestaurants diene.
Das Schneemobil Arctic Cat ATV 650 befand sich tatsächlich dort und hatte nicht
offensichtlich einen bloss zufälligen Zusammenhang mit dem Mietverhältnis.
Selbst wenn sein dortiger Verbleib von vorneherein nur für eine begrenzte Dauer
(Tage, Wochen) vorgesehen war, war er nicht zufällig. Ganz abgesehen davon,
dass die Retentionsurkunde in Rechtskraft erwachsen ist, unterlag dieses Ersatz-
fahrzeug daher zweifellos dem Retentionsbeschlag.
c.
Dies nützt der Beschwerdeführerin nun aber weder in Bezug auf die Frage
der Rückschaffung/Verwertung (vgl. vorstehende Erwägung Ziff. 2.1) noch in Be-
zug auf die von ihr weiter aufgeworfene Frage der Ausstellung eines Pfandausfall-
scheins etwas. Es ist zwar richtig, dass eigenmächtiges Wegschaffen retinierter
Gegenstände durch Drittansprecher die Retentionsrechte des Gläubigers nicht
beeinträchtigt. Ein gutgläubiger Erwerb durch Dritte bleibt jedoch vorbehalten
(Kommentar SchKG, Walder, 2007, Art. 283 N 26, unter Hinweis auf BGE 69 III
67), wobei angesichts von Art. 888 Abs. 1 ZGB in Frage steht, ob nicht bereits Be-
sitzesverlust das Retentionsrecht untergehen lasse (Studer, Retentionsrecht in der
Zwangsvollstreckung, a.a.O., Rz 120). Dass die gutgläubige Behändigung des
Schneemobils durch die Drittansprecherin ZM. AG mittelbar durch das Betrei-
bungsamt veranlasst worden ist, wurde bereits dargelegt. Mit der anschliessenden
Veräusserung des effektiv retinierten Ersatz-Schneemobils 650 an einen ebenso
gutgläubigen Dritten geht darüberhinaus das Retentionsrecht oder doch wenigs-
tens der Retentionsbeschlag unter (Art. 96 Abs. 2 SchKG; BSK SchKG-
Schnyder/Wiede, Art. 283 N 67). Die nachmalige Käuferin Q. gilt als Dritte (Dritter
ist, wer sich auf ein erst nach der Fortschaffung begründetes Recht stützen kann,
BGE 71 III 77 E. 2, 101 II 97 E. 3). Zwischen der Käuferin Q. und den Parteien
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des Mietvertrages ist keinerlei vorbestandene Beziehung auszumachen; ferner ist
naturgemäss und angesichts der (objektiv irrigen) Bewusstseinslage der Verkäufe-
rin ZM. AG, dass kein Retentionsbeschlag mehr bestehe, nicht davon auszuge-
hen, dass sie die Käuferin über die besondere Vergangenheit des Schneemobils
aufgeklärt hat. Nach der gesetzlichen Vermutung und mangels gegenläufiger ak-
tenkundiger Hinweise ist prima facie somit davon auszugehen, dass auch die Käu-
ferin gutgläubig war. Wie bereits dargelegt, hätte somit die Beschwerdeführerin
aktiv gegen die Erwerberin und Besitzerin Q. vorgehen müssen, was nicht erfolgt
ist.
2.5. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, das Betreibungsamt hätte ihr bei
Nichtdeckung der Betreibungsforderung von Fr. 100'000.— einen Pfandausfall-
schein ausstellen müssen. Der Einwand ist grundsätzlich berechtigt. Die Verwer-
tung von Retentionsgegenständen erfolgt nach den Bestimmungen über normales
Pfändungsgut. Ein Pfandausfallschein ist auch dann auszustellen, wenn Retenti-
onsgegenstände nicht mehr auffindbar sind (BSK SchKG-Bernheim/Känzig, 2. A.
2010, Art. 158 N 9 f.). Für das Schneemobil gilt dies nach den vorstehenden Aus-
führungen allerdings nicht, da es letztlich wegen eines nichtangefochtenen Dritt-
anspruchs aus dem Retentionsbeschlag entfiel. Kommt es wegen eines Drittan-
spruchs nicht zur Verwertung, ist Art. 158 SchKG nicht anzuwenden (BGE 79 III
124 E. 2). Analoges muss gelten, wenn es der Gläubiger - wie hier - unterlässt,
gegen den Dritterwerber auf Aberkennung seines Eigentums zu klagen. Dies
muss im Speziellen umso mehr gelten, als die Verwertung des Schneemobils
nach Auffassung der Beschwerdeführerin überflüssig ist, da sie einen Haftungsan-
spruch im Sinne von Art. 5 SchKG zu haben glaubt, und sie kein entsprechendes
Verwertungsbegehren gestellt beziehungsweise auf die Rückschaffung und Ver-
wertung der Sache verzichtet hat. Die Situation ist dieselbe, wie wenn das
Schneemobil nicht retiniert worden wäre. Ob ein retinierter Gegenstand nicht ver-
wertbar ist, weil er tatsächlich nicht mehr auffindbar ist, oder weil an ihm rechtlich
der Retentionsbeschlag dahingefallen ist, macht für die Höhe des Pfandausfalls
keinen Unterschied. Da keinerlei Pfandsubstrat mehr vorhanden ist, ist der Ausfall
vorliegend ohnehin total.
3.
Entgegen den Anträgen der Beschwerdeführerin ist die Tätigkeit der kanto-
nalen Aufsichtsbehörde gemäss Art. 17 SchKG für die Beteiligten weder mit Kos-
ten- noch mit Entschädigungsfolgen verbunden (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 5 SchKG, Art.
61 Abs. 2 lit. a und Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).
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III. Demnach wird erkannt
1.
Die Beschwerde der BO. AG wird teilweise gutgeheissen und das Betrei-
bungsamt Surselva angewiesen, in der Betreibung Nr. 208118 im Sinne der
Erwägungen einen Pfandausfallschein auszustellen.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
3.
Die Kosten des Verfahrens von 1'000 Franken gehen zu Lasten des Kan-
tons Graubünden.
4.
Es werden keine Verfahrensentschädigungen zugesprochen.
5.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. c/d des Bundes-
gerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist
dem Bundesgericht schriftlich, innert 10 Tagen seit Eröffnung der vollstän-
digen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorge-
schriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegi-
timation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde
gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
6.
Mitteilung an:
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