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Urteil Kantonsgericht Graubünden (GR)

Kopfdaten
Kanton:GR
Fallnummer:KSK-09-33
Instanz:Kantonsgericht Graubünden
Abteilung:-
Kantonsgericht Graubünden Entscheid KSK-09-33 vom 17.08.2009 (GR)
Datum:17.08.2009
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Konkurseröffnung
Schlagwörter : Konkurs; SchKG; Gericht; Beschwerde; Verfahren; Bezirksgericht; Sidium; Plessur; Präsidium; Bezirksgerichtspräsidium; Über; öffnung; Führer; Recht; Überschuldung; Gesellschaft; Kurseröffnung; Richter; Konkurseröffnung; Verbindung; Geschäftsführung; Schuldner; Schafter; Voraussetzung; Partei; Konkursentscheid; Voraussetzungen; Bilanz; Unfähig
Rechtsnorm: Art. 122 ZPO ; Art. 16 ZGB ; Art. 174 KG ; Art. 191 KG ; Art. 192 KG ; Art. 194 KG ; Art. 270 KG ; Art. 716 OR ; Art. 725 OR ; Art. 725a OR ; Art. 777 OR ; Art. 791 OR ; Art. 809 OR ;
Referenz BGE:111 III 68;
Kommentar zugewiesen:
Alexander Brunner, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Art. 192 SchKG, 1998
Hanspeter Wüstinger, Basler Kommentar, Obligatio- nenrecht II, Art. 192 SchKG, 2008
Rolf Watter, Katja Roth Pellanda, Basler Kommentar Obli- gationenrecht II, Art. 192 SchKG, 2008
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Alexander Brunner; Alexander Brunner;
Entscheid
Kantonsgericht von Graubünden

Dretgira chantunala dal Grischun

Tribunale cantonale dei Grigioni
___________________________________________________________________________________________________

Ref.:
Chur, 17. August 2009
Schriftlich mitgeteilt am:
KSK 09 33
Verfügung
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
Vorsitz Präsident
Brunner
Kantonsrichter
Bochsler und Hubert
Redaktion
Aktuar ad hoc Bühler

In der Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. et oec. Pius Fry-
berg, Quaderstrasse 8, 7000 Chur,
gegen
den Konkursentscheid des Bezirksgerichtspräsidenten Plessur vom 23. Juni 2009,
mitgeteilt am 24. Juni 2009, in Sachen der A. GmbH, Gesuchstellerin und Be-
schwerdegegnerin und des Y., Gesuchsteller und Beschwerdegegner, vertreten
durch Rechtsanwalt lic. iur. Reto Allenspach, Arcas 22, 7002 Chur,
betreffend Konkurseröffnung,
hat sich ergeben:

I. Sachverhalt
A.
Am 10. Oktober 2005 haben Y. und X. mit öffentlicher Urkunde die A.
GmbH (A. GmbH) mit Sitz in Parpan gegründet. Y. und X. wurden als Geschäfts-
führer bestellt, wobei beide Einzelunterschrift führen.
B.
Die A. GmbH hat verschiedene Aktivitäten durchgeführt, welche nicht von
betriebswirtschaftlichem Erfolg gekrönt waren. Schlussendlich verblieb noch die
Führung des Gastrobetriebes am C. in Parpan, welche im Winter 2006/2007 auf-
genommen wurde. Der schlechte Geschäftsverlauf in der ersten Saison veranlass-
te Y., den erlittenen Verlust mittels Darlehen aus seinem privaten Vermögen wett-
zumachen.
C.
Weil die Geschäfte auch im Winter 2007/2008 nicht wunschgemäss liefen,
teilte Y. als Geschäftsführer der A. GmbH mit Schreiben vom 9. September 2008
dem C. mit, dass die Geschäftstätigkeit per sofort erlösche. Die Kündigung erfolg-
te, ohne mit dem Gesellschafter und Geschäftsführer X. Rücksprache zu nehmen.
D.
In der Folge versuchte X. vergeblich, mit Y. Kontakt aufzunehmen, um die
finanziellen und geschäftlichen Probleme zu regeln. Nachdem X. nicht auf seine
Vorschläge eingegangen war, deponierte jener am 23. Juni 2009 die Bilanz beim
Bezirksgerichtspräsidium Plessur.
E.
Mit Konkursentscheid vom 23. Juni 2009, mitgeteilt am 24. Juni 2009, ver-
fügte das Bezirksgerichtspräsidium Plessur was folgt:
„1. Über die A. GmbH wird der Konkurs eröffnet.

Zeitpunkt: Dienstag, 23. Juni 2009, um 16:15 Uhr
2. Die Verfahrenskosten im Betrage von CHF 200.00 gehen zulasten der
Konkursmasse.
3. Das Konkursamt Plessur wird mit der Durchführung des Verfahrens
beauftrag und ersucht, die erforderliche Publikation vorzunehmen.
4. An das Konkursamt ergeht der Hinweis auf Art. 270 SchKG, wonach
das Verfahren innert Jahresfrist abzuschliessen oder andernfalls die
Aufsichtsbehörde um eine Fristverlängerung zu ersuchen ist.

5. (Rechtsmittelbelehrung)
6. (Mitteilung)“
F.
Am 6. Juli 2009 erhob X. Beschwerde gegen den Konkursentscheid des
Bezirksgerichtspräsidiums Plessur. Das Rechtsbegehren lautete folgendermas-
sen:
Seite 2 — 10

„1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
2.
Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen.
3.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gesellschaft,
entgegen der Behauptung von Y., nicht klar überschuldet sei. Dies sei nur
der Fall, wenn die Kontokorrentguthaben der Gesellschafter Y. und X., re-
spektive der C. AG, deren wirtschaftlicher Eigentümer Y. ist, berücksichtigt
werden. Unter Berücksichtigung dieser Vermögenswerte sei die A. GmbH
nicht überschuldet und somit auch nicht konkursreif. Im Weiteren führte der
Beschwerdeführer aus, dass Y. die Bilanz ohne Absprache und ohne seine
Zustimmung beim Bezirksgerichtspräsidium Plessur deponiert habe. Aus
diesen Gründen sei der Konkursentscheid vom 23. Juni 2009 aufzuheben.
G.
Am 3. August 2009 reichte der Beschwerdegegner dem Kantonsgericht
Graubünden die Beschwerdeantwort mit folgendem Rechtsbegehren ein:
„1. Die Beschwerde sei abzuweisen.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Beschwerdefüh-
rers. “
Der Beschwerdegegner begründete die Abweisung der Beschwerde mit
dem Argument, dass die A. GmbH klar überschuldet und folglich zahlungs-
unfähig sei. Es bestehe keine Aussicht, aus der Verschuldung herauszufin-
den, weshalb das Bezirksgerichtspräsidium Plessur zu Recht den Konkurs
über die A. GmbH eröffnet habe.
H.
Am 13. August 2009 erteilte der Vorsitzende der Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Auf die weiteren Ausführungen in den Rechtsschriften sowie in der ange-
fochtenen Verfügung wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen
eingegangen.
II. Erwägungen
1.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Konkurseröffnung ohne vor-
gängige Betreibung (vgl. Art. 190 ff. SchKG). Dabei kann der Schuldner die Kon-
kurseröffnung entweder selber beantragen, indem er sich beim Konkursgericht
zahlungsunfähig erklärt (vgl. Art. 191 Abs. 1 SchKG) oder er kann nach Art. 192
SchKG in Verbindung mit Art. 725a OR im Falle einer Überschuldung verpflichtet
werden, den Richter anzurufen. Gemäss Art. 15 Abs. 1 Ziff. 8 der Vollziehungs-
Seite 3 — 10

verordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
(GVVzSchKG, BR 220.100) in Verbindung mit Art. 191, respektive Art. 192 SchKG
entscheidet das Bezirksgerichtspräsidium über die Eröffnung des Konkurses. Das
Kantonsgerichts beurteilt als Rechtsmittelinstanz entsprechende Entscheide des
Bezirksgerichtspräsidiums (vgl. Art. 194 Abs. 1 SchKG in Verbindung mit Art. 174
Abs. 1 SchKG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Ziff. 1 GVVzSchKG). Das Be-
schwerdeverfahren vor dem Kantonsgericht von Graubünden richtet sich nach Art.
25 GVVzSchKG. Die Beschwerde ist innert 10 Tagen beim Kantonsgericht einzu-
reichen. In der Beschwerdeschrift ist mit kurzer Begründung anzugeben, welche
Punkte angefochten und welche Änderungen beantragt werden. Neue Tatsachen
und Beweismittel sind zulässig, soweit das Bundesrecht nicht etwas anderes be-
stimmt (vgl. Art. 25 Abs. 2 GVVzSchKG in Verbindung mit Art. 174 Abs. 1 SchKG).
Der Vorsitzende kann der Beschwerde auf Antrag oder von Amtes wegen auf-
schiebende Wirkung erteilen (vgl. Art. 25 Abs. 4 GVVzSchKG). Die entsprechende
Verfügung ist umgehend dem Handelsregisteramt mitzuteilen (vgl. Art. 158 Abs. 1
HRegV). Da die Beschwerde von X. frist- und formgerecht eingereicht wurde, ist
grundsätzlich darauf einzutreten.
2.a.
Im Falle der Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung räumt das Ge-
setz in Art. 194 Abs. 1 SchKG in Verbindung mit Art. 174 SchKG eine Beschwer-
demöglichkeit ein. Befugt zur Anfechtung des Konkursentscheides sind grundsätz-
lich der Schuldner sowie der Gläubiger, welche am erstinstanzlichen Verfahren
beteiligt waren (BGE 111 III 68; vgl. Roger Giroud, Kommentar zum Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel 1998, N. 14 zu Art. 174 SchKG).
b.
Wie nachstehend zu zeigen sein wird (vgl. Erwägungen 3.d. und e.), bedarf
es sowohl für eine Konkurseröffnung gemäss Art. 191 SchKG als auch für eine
solche nach Art. 192 SchKG der Mitwirkung der Gesellschaftsversammlung bezie-
hungsweise der Geschäftsführung als Organ. Übergeht ein einzelner Geschäfts-
führer einer GmbH diese formellen Voraussetzungen und meldet eigenmächtig
beim Richter den Konkurs an, ergibt sich von selbst, dass die übergangenen Ge-
sellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zur Erhebung der Beschwerde legi-
timiert sind. X. ist gemäss Handelsregisterauszug der A. GmbH sowohl Gesell-
schafter als auch Geschäftsführer, so dass er zweifelsfrei berechtigt ist, gegen den
Konkurseröffnungsentscheid Beschwerde einzulegen.
3.a. In der Beschwerde vom 6. Juli 2009 machte X. geltend, dass der Ge-
schäftsführer Y. die Bilanz deponiert habe, ohne dies vorher mit ihm abgespro-
Seite 4 — 10

chen, geschweige denn seine Zustimmung eingeholt zu haben. Nachfolgend ist zu
erörtern, ob die Vorgehensweise von Y. dem Gesetz entsprochen hat.
b.
Den Handelsgesellschaften, insbesondere der Aktiengesellschaft (AG), der
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), der Kommandit-Aktiengesellschaft
(Kommandit-AG) und der Genossenschaft stehen zwei Arten der Konkurseröff-
nung auf eigenen Antrag zu. Sie können sich dabei neben Art. 191 SchKG auch
auf Art. 192 SchKG berufen (Alexander Brunner, Kommentar zum Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel 1998, N. 5 zu Art. 192 SchKG). Ob es
sich beim Verfahren vor dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur um ein Verfahren
nach Art. 191 SchKG oder Art. 192 SchKG in Verbindung mit Art. 725a OR han-
delte, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Im Schreiben vom 23. Juni 2009,
mit welchem sich Y. an das Bezirksgericht Plessur wendete, um die Zahlungsun-
fähigkeit der A. GmbH zu erklären, ist im Titel von "Insolvenzerklärung" die Rede.
Der Wortlaut deutet darauf hin, dass sich Y. auf ein Verfahren nach Art. 191
SchKG berief. Andererseits wird der in den Rechtsschriften verwendete Ausdruck
"Deponierung der Bilanz" insbesondere mit Art. 725a OR in Verbindung gebracht,
was für ein Verfahren nach Art. 192 SchKG sprechen würde. Das Bezirksgerichts-
präsidium hat im Konkursdekret keine spezifischen Ausführungen gemacht, ob es
sich um eine Konkurseröffnung nach Art. 191 SchKG oder um eine nach Art. 192
SchKG in Verbindung mit Art. 725a OR handelte. Im Konkursentscheid vom 23.
Juni 2009 wird jedoch festgehalten, dass das Dekret einen "Konkurs auf eigenes
Verlangen" betrifft. Diese Feststellung deutet wiederum auf ein Verfahren nach
Art. 191 SchKG hin. Wie nachfolgend festgestellt werden kann, ist im vorliegenden
Fall die Klärung dieser Frage jedoch nicht von Relevanz, da der Konkursentscheid
vom 23. Juni 2009, unabhängig von der Art der Konkurseröffnung, aufzuheben ist.
c.
Die GmbH hat wie die AG eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist körper-
schaftlich aufgebaut. Nach Art. 791 OR erlangt die GmbH ihre Rechtspersönlich-
keit erst durch Eintragung in das Handelsregister (vgl. act. 4). Sie kann somit in
eigenem Namen handeln, Rechtsgeschäfte abschliessen und auch Prozesse füh-
ren. Dafür wird jedoch das Handeln ihrer Organe vorausgesetzt. (vgl. Meier-
Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 10. Auflage, Bern 2007, §
18 N. 29). Dem Wesen der Körperschaft entspricht grundsätzlich die Drittorgan-
schaft, d.h. die Ausübung von Geschäftsführung und Vertretung durch besonders
bestellte Organe wie etwa der Verwaltungsrat bei einer AG. Bei der GmbH sind
dagegen, wenn keine abweichenden statutarischen Regelungen getroffen werden,
alle Gesellschafter zur gemeinsamen Geschäftsführung und Vertretung berechtigt
und verpflichtet (Art. 809 Abs. 1 OR, vgl. Meier-Hayoz/Forstmoser, a.a.O., § 18 N.
Seite 5 — 10

30). Gemäss Art. 14 der Statuten der A. GmbH (vgl. act. 3) steht die Geschäftsfüh-
rung und Vertretung einem oder mehreren Geschäftsführern zu, welche Gesell-
schafter oder Dritte sein können. Obwohl die Statuten eine von der gesetzlichen
Regelung abweichende Drittorganschaft vorsehen, üben gemäss Handelsregister-
auszug und Ziffer 6 der Gründungsurkunde (vgl. act. 4 und act. 1 des Beschwer-
deführers) Y. und X. die Geschäftsführung und Vertretung aus.
d.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2009 und den beigelegten Unterlagen hatte Y.
die Bilanz beim Bezirksgerichtspräsidium deponiert. Anschliessend wurde per
Dekret vom 23. Juni 2009 der Konkurs über die A. GmbH eröffnet. Im vorliegen-
den Fall stellt sich nun die Frage, ob die Beantragung einer Konkurseröffnung
nach Art. 191 SchKG nur durch einen vertretungsbefugten Gesellschafter begehrt
werden konnte. Bei einer juristischen Person ist wesentlich, dass der Schuldner-
antrag auf Konkurseröffnung nach Art. 191 SchKG durch das zuständige Organ
mit einem rechtlich einwandfreien Verfahren innerhalb der juristischen Person un-
ter Einhaltung von Gesetz und Statuten erfolgt. Nach Art. 777 Abs. 1 OR wird die
Gesellschaft dadurch errichtet, indem die Gründer mit öffentlicher Urkunde bestä-
tigen, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zu gründen. Somit ist
auch der Aufhebungsbeschluss öffentlich zu beurkunden. Dieser ist mit einem Auf-
trag an die Geschäftsführung zu verbinden, dem Richter die Zahlungsunfähigkeit
zu erklären und den Konkurs zu beantragen (Alexander Brunner, a.a.O., N. 13 zu
Art. 191 SchKG). Ein entsprechender Aufhebungsbeschluss der Gesellschafter-
versammlung ist den Akten nicht zu entnehmen, weshalb der Schuldnerantrag
nicht im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen erfolgt ist. Das Bezirksgerichtsprä-
sidium Plessur hätte unter diesen Gegebenheiten den Konkurs über die A. GmbH
gestützt auf Art. 191 SchKG nicht eröffnen dürfen.
e.
Der Tatbestand der Überschuldung nach Art. 192 SchKG in Verbindung mit
Art. 725a OR bildet einen besonderen Konkursgrund gegenüber einer Kapitalge-
sellschaft. Art. 725 und 725a OR finden ebenfalls auf die GmbH Anwendung
(Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufla-
ge, Bern 2008, § 38 N. 30; Alexander Brunner, a.a.O. N. 5 zu Art. 192 SchKG).
Eine Überschuldung liegt dann vor, wenn das Fremdkapital - d.h. die Forderungen
der Gesellschaftsgläubiger - durch die Aktiven nicht mehr voll gedeckt sind. Bei
begründeter Besorgnis einer solchen Überschuldung ist unverzüglich eine Zwi-
schenbilanz zu erstellen und der Revisionsstelle vorzulegen. Bestätigt sich der
Verdacht, sind die zuständigen Organe der Gesellschaft verpflichtet, im Interesse
der Gläubiger den Richter zu benachrichtigen (vgl. Art. 725 Abs. 2 OR). Diese
Überschuldungsanzeige wird gemeinhin auch als "Deponierung der Bilanz" ver-
Seite 6 — 10

standen (vgl. Amonn/Walther, a.a.O., § 38 N. 33). Zuständig für die Anzeige der
Überschuldung ist gemäss Art. 725 Abs. 2 die Verwaltung (OGer. VS, RVJ 1995,
252 ff.) und nicht die Generalversammlung einer Kapitalgesellschaft (vgl. Alexan-
der Brunner, a.a.O. N. 6 zu Art. 192 SchKG). Der Verwaltungsrat ist nach disposi-
tivem Recht das geschäftsführende Organ der AG (vgl. Art. 716 OR). Bei der
GmbH ist die Geschäftsführung als Verwaltung zu betrachten, die gemeinsam
durch X. und Y. ausgeführt wird. Dies wird auch durch Art. 810 Abs. 2 Ziff. 7 OR
bestätigt. Nach dieser Bestimmung ist nur die Geschäftsführung der GmbH zur
Überschuldungsanzeige berechtigt und verpflichtet. Dabei handelt es sich nicht
um eine Vertretungshandlung, die ein Geschäftsführer von sich aus vornehmen
könnte, sondern eben um eine unübertragbare und unentziehbare Aufgabe der
gesamten Geschäftsführung (Hanspeter Wüstinger, Basler Kommentar, Obligatio-
nenrecht II, 3. Auflage, Basel 2008, N. 41 zu Art. 725 OR). Wie bei der AG wird
auch bei der GmbH ein Mehrheitsbeschluss des Geschäftsführungsorgans vor-
ausgesetzt. Umfasst die Geschäftsführung mehrere Mitglieder, so sind Beschlüsse
gemäss der dispositiven gesetzlichen Regelung mit der Mehrheit der abgegebe-
nen Stimmen zu fällen. Die Stimmenzahl berechnet sich dabei anhand der Köpfe
und nicht anhand des Kapitals. Bei Stimmengleichheit kommt dem Vorsitzenden
der Stichentscheid zu (Rolf Watter/Katja Roth Pellanda, Basler Kommentar Obli-
gationenrecht II, 3. Auflage, Basel 2008, N. 18 und 19 zu Art. 809 OR). Da den
Akten kein entsprechender Mehrheitsbeschluss der Geschäftsführung zu entneh-
men ist, liegt der Schluss nahe, dass ein solcher wahrscheinlich nie erfolgte. Die
Vorgehensweise von Y. ist nach dem oben Dargelegten nicht gesetzeskonform,
weshalb das Bezirksgerichtspräsidium Plessur den Konkurs über die A. GmbH
auch gestützt auf Art. 192 SchKG nicht hätte eröffnen dürfen.
4.
In Konkurssachen ist das summarische Verfahren anwendbar (Art. 25 Ziff. 1
lit. a SchKG in Verbindung mit Art. 137 Ziff. 5 ZPO). Grundsätzlich ist es auch hier
Aufgabe der Parteien, dem Richter den Prozessstoff zu unterbreiten, die Richtig-
keit ihrer Behauptungen nachzuweisen und demzufolge die nötigen Beweismittel
zu produzieren. Um aber das Verfahren nach Möglichkeit zu beschleunigen, über-
lässt man es nicht vollständig dem Parteibetrieb, sondern der Gerichtspräsident
kann im Rahmen der zulässigen Beweismittel von Amtes wegen Erhebungen vor-
nehmen (Art. 138 Ziff. 4 Abs. 2 ZPO). Es gilt somit eine beschränkte Offizialmaxi-
me (vgl. PKG 1990 Nr. 2 und 51). Diese steht, wie bereits angetönt, unter dem
allgemeinen zivilprozessualen Vorbehalt, dass Darstellung und Nachweis des
Prozessstoffes vorab Sache der Parteien ist, kann es doch selbst bei ausgedehn-
ter Auffassung von der Bedeutung der Offizialmaxime nicht Aufgabe des Richters
Seite 7 — 10

sein, im Sinne einer umfassenden Untersuchungsmaxime den vollen Sachverhalt
zu erforschen. Die verstärkte richterliche Mitwirkung im Verfahren darf keinesfalls
die fehlende Mitwirkung der Parteien ersetzen oder die Mängel einer unzureichen-
den Prozessführung beheben; sie soll aber immerhin der Wahrheitsfindung und
der Verwirklichung des materiellen Rechts dienen. In diesem Sinne hat der Richter
lediglich aufgrund des Vorgebrachten das Beweisverfahren in einer nicht bean-
tragten Weise zu ergänzen (vgl. PKG 1990 Nr.; Walder/Boner, Zivilprozessrecht,
3. Auflage, Zürich 1983, § 18 Rz 14). Umgekehrt kann es jedoch auch bei einer
eingeschränkten Auffassung von der Bedeutung der Offizialmaxime nicht völlig ins
Belieben des Richters gestellt sein, ob er gewisse Erhebungen vornehmen will
oder nicht. Die eingeschränkte Offizialmaxime begründet nicht bloss ein Recht,
sondern auch eine Pflicht des Richters, würde doch andernfalls der Kerngehalt der
Offizialmaxime völlig ausgehöhlt. Der Richter soll wenigstens versuchen, die
Sachlage aufgrund der Parteivorbringen nach Möglichkeit aufzuhellen, wenn die
von den Parteien offerierten Beweise dazu nicht geeignet sind (vgl. Ernst, Be-
schleunigtes und summarisches Verfahren nach bündnerischem Zivilprozessrecht,
Diss. Zürich 1965, S. 80). Mit anderen Worten darf sich der Richter seiner Aufga-
be, von Amtes wegen Erhebungen durchzuführen, dort nicht entziehen, wo sich
minimale Abklärungen aufgrund der Parteivorbringen geradezu aufdrängen (vgl.
PKG 1992 Nr. 33). Formelle Voraussetzung einer Konkurseröffnung ist eine
rechtsgültig unterzeichnete Anzeige der Überschuldung an den Richter, gestützt
auf einen Beschluss der Gesellschafterversammlung (Verfahren nach Art. 191
SchKG) oder der Geschäftsführung (Verfahren nach Art. 192 SchKG in Verbin-
dung mit Art. 725a OR). Fehlen die formellen Voraussetzungen ist der Konkurs
nicht zu eröffnen. Dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur lag zwar eine durch Y.
unterzeichnete Überschuldungsanzeige vor (vgl. act. 3 BG Plessur), ein entspre-
chender Beschluss, der die Deponierung der Bilanz stützt, ist den Akten jedoch
nicht zu entnehmen. Dennoch sprach das Bezirksgerichtspräsidium Plessur den
Konkurs über die A. GmbH aus. Das Einreichen der durch Y. unterzeichneten
Überschuldungsanzeige, hätte das Bezirksgerichtspräsidium von Amtes wegen
veranlassen sollen, zu überprüfen, ob diese auf einem Beschluss des zuständigen
Organs unter Einhaltung eines gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens beruht.
5.a.
Die Insolvenzerklärung nach Art. 191 Abs. 1 SchKG ist eine Vorstellungser-
klärung des Schuldners im Sinne einer Anzeige analog zur Überschuldungsanzei-
ge nach Art. 192 SchKG. Eine Anzeige ist die blosse Mitteilung über einen Sach-
verhalt. Aus diesem Grunde muss der Schuldner, der mit der Insolvenzerklärung
den Sachverhalt seiner Zahlungsunfähigkeit anzeigt, diesen nicht beweisen, son-
Seite 8 — 10

dern dem Konkursrichter gegenüber nur erklären. Dass der Gesetzgeber eine ein-
fache Erklärung über den Sachverhalt der Zahlungsunfähigkeit ohne dessen
Nachweis genügen lässt, ergibt sich aufgrund der natürlichen Vermutung ver-
nunftgemässen Handelns des Schuldners (Art. 16 ZGB). Kein Schuldner wird in
der Regel angesichts der schwerwiegenden Folgen der Konkurseröffnung (Art.
197 SchKG) seine Zahlungsunfähigkeit erklären, wenn die Aussage über diesen
Sachverhalt nicht zutrifft (Alexander Brunner, a.a.O. N. 9 zu Art. 191 SchKG).
Dennoch hat der Schuldner dem Richter seine finanziellen Verhältnisse darzule-
gen. Dieser ist dann auch zu strenger Prüfung angehalten (Amonn/Walther, a.a.O.
§ 38 N. 24). Somit hat der Konkursrichter im Verfahren nach Art. 191 SchKG die
Zahlungsunfähigkeit zu prüfen.
b.
Dasselbe hat im Grundsatz bei einer Konkurseröffnung nach Art. 192
SchKG in Verbindung mit Art. 725a OR zu gelten. Wird dem Konkursrichter eine
Überschuldung angezeigt, hat er die Pflicht, den Konkurs zu eröffnen, sofern die
formellen und die materiellen Voraussetzungen gegeben sind (zu den formellen
Voraussetzungen vgl. Erw. 3). Die materiellen Voraussetzungen einer Konkurser-
öffnung sind das Vorliegen einer tatsächlichen Überschuldung der GmbH sowie
das Fehlen eines Antrages und der Voraussetzungen für einen Konkursaufschub.
Die materiellen Voraussetzungen sind vom Konkursrichter von Amtes wegen zu
prüfen (Hanspeter Wüstinger, a.a.O. N. 1 und 2 zu Art. 725a OR). Somit hatte das
Bezirksgerichtspräsidium Plessur die Überschuldung der A. GmbH zu prüfen.
6.
Gemäss Art. 122 Abs. 1 ZPO wird in der Regel die unterliegende Partei zur
Übernahme sämtlicher Kosten des Verfahrens verpflichtet. Hat keine Partei voll-
ständig obsiegt, können die Kosten verhältnismässig verteilt werden. In der vorlie-
genden Angelegenheit hat der Beschwerdeführer vollumfänglich obsiegt, weshalb
die Kosten des Bezirksgerichtspräsidiums Plessur und des Beschwerdeverfahrens
zu Lasten von Y. gehen. Dies rechtfertigt sich deshalb, weil er durch sein Vorge-
hen das Verfahren vor dem Bezirksgerichtspräsidium Plessur und dem Kantons-
gericht verursacht hat. Die Höhe der Gerichtskosten richtet sich nach Art. 48 der
Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
(GebVSchKG, SR 281.35). Y. hat die anwaltlich vertretene Gegenpartei ausserge-
richtlich angemessen zu entschädigen (Art. 62 Abs. 1 GebVSchKG).
Seite 9 — 10

III. Demnach wird erkannt
1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf eingetreten werden kann, gutgeheis-
sen und der angefochtene Konkursentscheid aufgehoben.
2.
Die Kosten des Bezirksgerichtspräsidiums Plessur von CHF 200.00 und
jene des Kantonsgerichts von Graubünden von CHF 500.00 (inkl. Schreib-
gebühr) gehen zu Lasten von Y., welcher den Beschwerdeführer ausser-
amtlich mit CHF 1000.00 zu entschädigen hat.
3.
Gegen diese Entscheidung kann gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. c/d des Bundes-
gerichtsgesetzes (BGG) Beschwerde in Zivilsachen an das Schweizerische
Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, geführt werden. Die Beschwerde ist
dem Bundesgericht schriftlich, innert 30 Tagen seit Eröffnung der vollstän-
digen Ausfertigung der Entscheidung in der gemäss Art. 42 f. BGG vorge-
schriebenen Weise einzureichen. Für die Zulässigkeit, die Beschwerdelegi-
timation, die weiteren Voraussetzungen und das Verfahren der Beschwerde
gelten die Art. 29 ff., 72 ff. und Art. 90 ff. BGG.
4. Mitteilung
an:
Seite 10 — 10

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