In dem vorliegenden Fall ging es um einen Beschuldigten, der wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln angeklagt war. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied, dass der Beschuldigte schuldig ist und verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je Fr. 130.- sowie eine Busse von Fr. 1'200.-. Die Geldstrafe wurde nicht aufgeschoben, und bei Nichtbezahlung der Busse drohte eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tagen. Die Gerichtskosten wurden dem Beschuldigten zur Hälfte auferlegt, und die Prozessentschädigung für die Verteidigung wurde auf Fr. 2'000.- festgesetzt. Der Beschuldigte wurde in Bezug auf einen Teil der Anklage freigesprochen. Der Richter war Dr. F. Bollinger, und die Gerichtskosten betrugen Fr. 3'000.-. Der Beschuldigte war männlich.
Urteilsdetails des Kantongerichts BK-04-41
Kanton: | GR |
Fallnummer: | BK-04-41 |
Instanz: | Kantonsgericht Graubünden |
Abteilung: | - |
Datum: | 06.10.2004 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | grobe Verletzung von Verkehrsregeln |
Schlagwörter : | Fahrzeug; Über; Geschwindigkeit; Überholmanöver; Aussage; Beschwerdeführer; Beschwerdeführers; Ausstellplatz; Zeitpunkt; Lenker; Aussagen; Einstellung; Kantons; Recht; Zeuge; Oberlandstrasse; Ehepaar; Einstellungsverfügung; Zeugen; Punkt; Graubünden; Fahrzeugs; Überholen; Beschwerdekammer; Unfall |
Rechtsnorm: | Art. 160 StPO ;Art. 31 SVG ;Art. 34 SVG ;Art. 35 SVG ;Art. 39 SVG ;Art. 55 VTS ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | Alexander Brunner, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs II, Art. 190 SchKG, 2010 |
Entscheid des Kantongerichts BK-04-41
Kantonsgericht von Graubünden
Tribunale cantonale dei Grigioni
Dretgira chantunala dal Grischun
_____
Ref.:
Chur, 06. Oktober 2004
Schriftlich mitgeteilt am:
BK 04 41
(Auf die gegen diese Entscheidung erhobene staatsrechtliche Beschwer-
de wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 07. September 2005
(1P.370/2005) nicht eingetreten.)
Entscheid
Beschwerdekammer
Vorsitz Vizepräsident
Bochsler
RichterInnen
Heinz-Bommer und Rehli
Aktuar Blöchlinger
——————
In der strafrechtlichen Beschwerde
des X., Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Robert K.
Däppen, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,
gegen
die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Graubünden vom 23. Juni
2004, mitgeteilt am 30. Juni 2004, in Sachen gegen Z., Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Suenderhauf, Postfach 545, Gäug-
gelistrasse 16, 7002 Chur,
betreffend grobe Verletzung von Verkehrsregeln,
hat sich ergeben:
2
A.
Am Nachmittag des 26. März 2003, um 13.30 Uhr, lenkte Z. ihren
Personenwagen der Marke Peugeot von C. über die Kantonsstrasse in
Richtung D.. Unterhalb C. folgte sie einem schwarzen Fahrzeug. Bei der
Örtlichkeit E. überholte dieser unbekannte Personenwagenlenker auf einem
übersichtlichen Strassenabschnitt mit einer Gesamtlänge von rund 550 Metern
den vor ihm fahrenden A.. Beim nachfolgenden Überholmanöver desselben
Fahrzeugs durch Z. kam es zur Kollision mit dem von X. gelenkten VW Golf. In
Bezug auf das Unfallgeschehen liegen unterschiedliche Angaben der
Beteiligten vor. Z. gibt im Wesentlichen an, sie habe, nachdem sie sich
vergewissert habe, dass kein Gegenverkehr nahte, zum Überholen des
Fahrzeugs von A. angesetzt. Kurz darauf habe sie aus einer Distanz von rund
60 Metern wahrgenommen, wie X. mit seinem VW Golf aus dem bergseitigen
Ausstellplatz auf die Kantonsstrasse eingebogen sei, um in Richtung C. zu
fahren. Obwohl beide Lenker ihre Fahrzeuge abgebremst hätten, sei es zur
Kollision gekommen. X. gibt demgegenüber an, er sei schon zum Zeitpunkt, als
der Lenker des schwarzen Personenwagens A. überholt habe, vollständig auf
der Kantonsstrasse gestanden. A. will vor dem Unfall weder das Fahrzeug von
Z. noch jenes von X. wahrgenommen haben. Seine Ehefrau, B., erklärte, zum
Zeitpunkt, als sie am Ausstellplatz auf der linken Strassenseite vorbeigefahren
seien, habe sich das Fahrzeug von X. vollständig in der oberen Hälfte gegen
das obere Ende auf dem Ausstellplatz befunden. An den Unfallfahrzeugen
entstand ein Gesamtschaden von rund Fr. 12'500.--; Personen wurden nicht
verletzt.
B.1. Nach Durchführung des polizeilichen Ermittlungsverfahrens
eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden am 19. Mai 2003 gegen Z. eine
Strafuntersuchung wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art.
34 Abs. 4 SVG sowie Art. 35 Abs. 2 SVG in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 2 SVG.
2.
Mit von der Staatsanwaltschaft genehmigter Verfügung vom 23.
Juni 2004, mitgeteilt am 30. Juni 2004, stellte der zuständige Untersuchungs-
richter das Verfahren ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
dass die genauen zeitlichen Abläufe gestützt auf die sich in den wesentlichen
Punkten widersprechenden Aussagen der an der Kollision beteiligten Lenker
bzw. Zeugen sowie die sichergestellten Unfallspuren nicht geklärt werden
könnten. Es lasse sich nicht zweifelsfrei ermitteln, ob X. mit seinem Fahrzeug
noch auf dem Ausstellplatz gestanden habe sich bereits auf der
3
Kantonsstrasse befunden habe, als Z. zu ihrem Überholmanöver angesetzt
habe.
C.1. Gegen diese Einstellungsverfügung liess X. am 26. Juli 2004
Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Kantonsgerichts erheben, wobei
folgende Anträge gestellt wurden:
1. Es sei die Einstellungsverfügung des Untersuchungsrichteramtes
Ilanz vom 23. Juni 2004 aufzuheben.
2. Es sei die Strafuntersuchung soweit erforderlich zu ergänzen und
es sei gegen Z. Anklage zu erheben.
3. Unter gesetzlicher Kostenfolge und Zusprechung einer angemes-
senen Entschädigung an den Beschwerdeführer.
Zur Begründung brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im
Wesentlichen vor, das Untersuchungsrichteramt Ilanz habe sich nicht mit den
festgestellten Spuren auseinandergesetzt, sondern sich kritiklos auf den Be-
richt der Kantonspolizei Graubünden abgestützt. Die Aussagen von Z. wie im
Übrigen auch die Depositionen der Zeugen A. und B. würden durch die festge-
stellten Spuren jedoch in den wesentlichen Punkten widerlegt. Das Fahrzeug
von X. sei im Gegensatz zu jenem von Z. wie die Pneuabriebspuren und End-
lage der Fahrzeuge zeigten zum Zeitpunkt des Aufpralles still gestanden.
Aufgrund der im Recht liegenden Akten sei erstellt, dass das Fahrzeug des
Beschwerdeführers bereits auf der bergwärts führenden Fahrbahn gestanden
habe, als Z. zu ihrem Überholmanöver angesetzt habe. Der Beschwerdeführer
habe widerspruchsfrei ausgesagt. Die Aussagen von Z. seien hingegen bezüg-
lich ihres Überholmanövers im obersten Streckenabschnitt, ihrer Position bei
erster Wahrnehmung des Beschwerdeführers und Einleitung des Bremsmanö-
vers und ihrer angeblichen Geschwindigkeit erwiesenermassen falsch. Auf-
grund der Beweislage sei davon auszugehen, dass Z. ca. 80 m vor dem Kolli-
sionsort ausgeschert sei. Während dem Ausscheren habe sie das stehende
Fahrzeug des Beschwerdeführers zum ersten Mal gesehen. Sie habe eine
Vollbremsung eingeleitet, wobei sie sich entgegen ihrer Aussage zu diesem
Zeitpunkt noch nicht neben dem Fahrzeug des A. und der B. befunden habe.
Da sie die Bremsen zu heftig betätigt habe, sei ihr Fahrzeug nicht mehr steuer-
bar gewesen. Der Zeuge A. müsse den bereits auf der Fahrbahn stehenden
Beschwerdeführer schlicht übersehen haben. Die Aussage der Zeugin B. sei
nachweislich falsch. Die Einstellungsverfügung sei aber auch deshalb rechts-
widrig und unangemessen, weil Z. bezüglich gewisser Ver-
kehrsregelverletzungen geständig sei. So habe sie zumindest ihre Geschwin-
4
digkeitsübertretung, die sich auch durch die Bremsspuren belegen lasse, zu-
gegeben. Weiter habe Z. erklärt, sie sei voll auf die Bremse getreten, und da ihr
Auto über kein ABS verfüge, habe sie es nicht mehr lenken können. Hätte sie
die Bremsen losgelassen, hätte sie problemlos wieder nach rechts hinter das
Fahrzeug des A. und der B. einschwenken und damit die Kollision vermeiden
können.
2.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden verzichtete mit Schreiben
vom 11. August 2004 auf die Einreichung einer Vernehmlassung.
3.
Z. liess am 29. September 2004 eine Stellungnahme einreichen,
in welcher keine konkreten Anträge gestellt wurden.
Auf die weiteren Ausführungen in der angefochtenen Verfügung und in
den Rechtsschriften wird soweit erforderlich in den nachstehenden
Erwägungen eingegangen.
Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
Der Entscheid der Beschwerdekammer im Verfahren nach Art.
138 StPO ist von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen rein kassato-
rischer Natur. Vermögen die in der angefochtenen Einstellungsverfügung auf-
geführten Gründe die Einstellung des Verfahrens nicht zu rechtfertigen
sind neue Beweismittel ersichtlich, die das Beweisergebnis in entscheidrele-
vanter Weise zu beeinflussen vermöchten, ist die angefochtene Verfügung auf-
zuheben und die Sache zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurück-
zuweisen. Alsdann hat die Staatsanwaltschaft erneut in eigener Kompetenz zu
entscheiden, ob anzuklagen mit anderer bzw. neuer Begründung einzu-
stellen ist (vgl. W. Padrutt, Kommentar zur StPO des Kantons Graubünden, 2.
ergänzte Auflage 1996, S. 347 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer
mehr verlangt als die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rück-
weisung an die Vorinstanz (Anweisung zur Anklageerhebung gemäss Ziff. 2
des Rechtsbegehrens) ist auf die Beschwerde demnach nicht einzutreten.
2.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nimmt die Spurzeich-
nungen als Ausgangspunkt für umfangreiche Berechnungen, mit denen er dar-
zulegen versucht, dass nur seine Version vom Unfallgeschehen zutreffen kön-
ne. Er macht geltend, dass Z. demgemäss rund 80 m vor dem Kollisionsort
5
ausgeschert sein und 68 m davor die Vollbremsung eingeleitet haben müsse.
In der für die Zurücklegung von 12 m benötigten Zeit von rund 0.5 Sekunden -
so der Beschwerdeführer sei es ihm gar nicht möglich gewesen, sein Fahr-
zeug vom Ausstellplatz auf die Kantonsstrasse oberhalb des oberen Endes des
Ausstellplatzes zu lenken. Diese Berechnungen und damit auch die damit ver-
bundenen Aussagen basieren allerdings in verschiedenen Punkten auf reinen
Annahmen. So wird bei den Circa-Angaben der Beteiligten zu den gefahrenen
Geschwindigkeiten einfach auf den einen anderen Wert geschlossen.
Weshalb etwa beim Lenker A., der angab, er sei mit 70 bis 80 km/h gefahren,
einfach vom höheren Wert auszugehen ist, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig
lässt sich aus den Angaben der Beschwerdegegnerin zur Gewissheit gelangen,
sie habe das Überholmanöver effektiv mit 90 km/h durchgeführt. Auf einer rei-
nen Vermutung basiert die Berechnung auch insoweit, als nicht nur der Punkt,
wo Z. ihre Vollbremsung einleitete, sondern auch der Ort, wo sie zum Überho-
len ansetzte, auf einer Geraden als gedachte Verlängerung der Bremsspur ge-
setzt wird. Z. braucht ihr Überholmanöver keineswegs von Anbeginn völlig
gleichmässig, das heisst kontinuierlich auf einer geraden Linie fahrend, aus-
geführt zu haben. Solches lässt sich weder aus der anschliessenden Vollbrem-
sung schliessen, noch ergibt sich dies aus ihren Aussagen. Eine solche auf
Annahmen beruhende Berechnung vermag schon grundsätzlich kaum eine
ausreichende Gewissheit für einen bestimmten Geschehensablauf zu ver-
schaffen. Hinzu kommt, dass mit der ganzen Rechnerei in erster Linie nur be-
legt werden soll, dass der Beschwerdeführer tatsächlich schon zum Zeitpunkt,
als der erste, unbekannt gebliebene Lenker überholte, auf der Oberlandstrasse
stand. Gerade diesbezüglich liegen nun aber andere Beweise vor, die klar ge-
gen die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Version sprechen.
a)
Der Beschwerdeführer führte anlässlich seiner polizeilichen Ein-
vernahme vom 26. März 2003 (act. 3.9) aus, er sei vom Ausstellplatz rund fünf
Meter in die Oberlandstrasse gefahren, als er für ihn unverhofft gesehen
habe, dass ein von C. nahender PW-Lenker zum Überholen des von A. gelenk-
ten Fahrzeugs angesetzt habe. Er habe bis zum Stillstand abgebremst und
dem Überholenden sei es dadurch problemlos gelungen, vor seinem Fahrzeug
wieder nach rechts einzubiegen. Alsdann habe aber auch noch Z. zum Überho-
len angesetzt. Anlässlich seiner untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom
6. August 2003 (act. 3.12) hielt X. im Wesentlichen an dieser Schilderung des
Geschehens fest. Seiner Version stehen die Aussagen der beiden Zeugen B.
und A. entgegen. Auf die Frage, wo sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers
6
befunden habe, als er vom ersten, unbekannt gebliebenen Fahrzeuglenker
überholt worden sei, erklärte A., er habe vor dem Unfall weder das Fahrzeug
von X. noch jenes von Z. bemerkt (act. 3.14 S. 2). B. erklärte, zum Zeitpunkt,
als sie am linksseitigen Ausstellplatz vorbeigefahren seien, habe sich das
Fahrzeug von X. in der oberen Hälfte gegen das obere Ende auf dem Ausstell-
platz befunden. Sie sei sich sicher, dass sich das Auto von X. nicht auch nicht
teilweise auf der Strasse befunden habe (act. 3.15 S. 2). Diesen Zeugenaus-
sagen kann nun sicherlich nicht weniger Bedeutung beigemessen werden als
den Depositionen des Beschwerdeführers und seinen auf Annahmen beruhen-
den Berechnungen. Beide Zeugen haben im Gegensatz zum Beschwerdefüh-
rer kein besonderes Interesse am Ausgang des Verfahrens und ihre Aussa-
gen wirken nicht zuletzt durch die Eigenständigkeit der Schilderungen glaub-
haft. Auch kann schwerlich davon ausgegangen werden, die beiden hätten ihn
wie der Beschwerdeführer behauptet einfach nur übersehen. Dazu besteht
umso weniger Anlass, als A. ausdrücklich erklärte, er habe während des Über-
holmanövers nach vorn geschaut und könne bestätigen, dass die linke Fahr-
bahnhälfte frei gewesen sei. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sein
Fahrzeug ja deshalb angehalten haben will, weil er bemerkte, dass der erste,
unbekannt gebliebene Fahrzeuglenker zum Überholen des Fahrzeugs des A.
und der B. ansetzte. Grund für das Anhalten war mit anderen Worten die Ver-
meidung einer gefährlichen Situation. Zumindest in der Konfronteinvernahme
mit Z. vom 1. Dezember 2003 (act. 3.16 S. 3) erklärte X. denn auch, das Ein-
biegemanöver des ersten Fahrzeuglenkers vor ihm sei "spitz" also knapp -
gewesen. Es ist nun ohne weiteres davon auszugehen, dass dem Ehepaar A.
und B. eine solche heikle Situation aufgefallen wäre, da sie sich durch diese ja
ebenfalls gefährdet fühlen mussten. Ein auf der Oberlandstrasse stehendes
Fahrzeug darf schon grundsätzlich als auffällig bezeichnet werden. Dass sich
der Beschwerdeführer bereits vollumfänglich auf der Oberlandstrasse befand,
als der erste Lenker sein Überholmanöver abgeschlossen hatte, darf insofern
mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dann aber be-
stehen auch triftige Gründe zur Annahme, dass Z. zum Zeitpunkt, als X. auf die
Strasse einfuhr, bereits zu ihrem Überholmanöver angesetzt hatte. Z. will näm-
lich unmittelbar, nachdem der erste Lenker sein Manöver beendet hatte, mit
dem Überholvorgang begonnen haben. Bestätigt wird durch die Aussagen der
beiden Zeugen demnach eindeutig die Version der Beschwerdegegnerin und
nicht jene des Beschwerdeführers.
7
b)
Wohl bringt der Beschwerdeführer nun verschiedene Punkte vor,
die seiner Auffassung nach gegen die Richtigkeit der Aussagen der beiden
Zeugen sprechen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er hätte wäre
er wirklich noch auf dem Ausstellplatz gestanden wegen der leichten Rechts-
kurve nicht das Ausscheren und das ganze Überholmanöver des ersten Fahr-
zeuglenkers beobachten können, setzt er aber im Grunde genommen nur seine
Aussage an Stelle jener der ihm widersprechenden Zeugen. Zumindest der
Abschluss des Überholmanövers war vom Abstellplatz wie sich aus der Foto-
dokumentation ergibt zu beobachten und dass er das ganze Überholmanöver
gesehen hat, ist lediglich eine Behauptung, die ihren Ausgangspunkt wiederum
auf der Beteuerung hat, er sei bereits mit dem ganzen Fahrzeug auf der Ober-
landstrasse gestanden. Gerade diese Aussage erscheint nicht glaubhaft und es
besteht denn auch kein Anlass, ihr mehr Glauben beizumessen als etwa den
Aussagen von Z.. Sein Interesse am Ausgang des Verfahrens ist jedenfalls
kaum geringer als jenes der Beschwerdegegnerin und ihre Aussagen sind auch
keineswegs derart widersprüchlich, wie der Beschwerdeführer behauptet. So
trifft es nicht zu, dass Z. nachweislich eine Falschaussage machte, indem sie
erklärte, sie sei dem überholenden Fahrzeug im Abstand von 20 bis 30 Metern
gefolgt. Diese Distanzangabe bezog sich wie sich aus dem Gesamtzusam-
menhang ergibt auf das Fahrzeug des Ehepaars A. und B. und nicht auf das
Fahrzeug des unbekannt gebliebenen Lenkers. Auch die aus den Bremsspuren
abgeleitete Behauptung des Beschwerdeführers, das Fahrzeug des A. und der
B. müsse sich bei Ertönen des Bremslärms und damit zum Zeitpunkt, als Z.
sein Fahrzeug schon bemerkt habe, noch oberhalb des Ausstellplatzes befun-
den haben, vermag die Aussagen der Beschwerdegegnerin und jener der Zeu-
gen nicht zu entkräften. Sie basiert auf der Annahme, dass die Bremsgeräu-
sche von Anfang an eine derartige Intensität hatten, dass sie vom Ehepaar A.
und B. sofort wahrgenommen wurden. Gegen eine solche Annahme spricht
nun nicht nur die über mehrere Meter nur einseitige Ausprägung der Brems-
spur, sondern auch der Umstand, dass sich das Ehepaar - das im Übrigen kei-
nen Grund hatte, besonders auf Bremslärm zu achten in einem die Aussenge-
räusche dämmenden Fahrzeug wegbewegte. Zweifel ergeben sich jedoch in
der Tat dann, wenn man zusätzlich das Spurenbild, die Angaben der Be-
schwerdegegnerin zum Abstand, den sie zum Fahrzeug des Ehepaars A. und
B. zum Zeitpunkt der Wahrnehmung des Beschwerdeführers und die Beobach-
tungen des Ehepaars A. und B. mit einbezieht. Wenn sich Z. wie diese erklär-
te zum Zeitpunkt, als sie das Fahrzeug des Beschwerdeführers wahrnahm,
nämlich praktisch auf Höhe des vor ihr fahrenden Fahrzeugs des A. und der B.
8
befunden hat, lässt die Spurzeichnung durchaus auch den Schluss zu, dass
sich das Ehepaar A. und B. zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch vor dem Aus-
stellplatz befunden hat. Belegt wird damit aber letztlich nicht die Richtigkeit der
einen Version, sondern lediglich die in der Einstellungsverfügung zum Aus-
druck gebrachte Feststellung, dass sich nämlich weder ein strafbares Verhalten
von Z. noch ein solches von X. belegen lässt. Ausgeschlossen werden kann
nur wie dargelegt wurde mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass sich der Be-
schwerdeführer zum Zeitpunkt des Ausscherens tatsächlich schon vollum-
fänglich auf der Oberlandstrasse befand. Darüber hinaus sind aber verschie-
dene Möglichkeiten denkbar. Einerseits kann sich Z. in der Distanz zum Fahr-
zeug des Ehepaars A. und B. geirrt haben. Möglich ist auch, dass sich B. irrte
und sich der Beschwerdeführer wenigstens teilweise auf der Oberlandstrasse
befand, als das Ehepaar an ihm vorbeifuhr. Bereits diese Möglichkeit würde
den Beschwerdeführer allerdings nicht entlasten, weil damit noch keineswegs
gesagt ist, dass das Überholmanöver erst nach dem teilweisen Einfahren in die
Oberlandstrasse erfolgte. Möglich erscheint aber auch, dass das Ausscheren
und das Anfahren praktisch zeitgleich erfolgten und der Beschwerdeführer un-
mittelbar, nachdem ihn B. noch auf dem Ausstellplatz wahrgenommen hatte,
auf die Oberlandstrasse einmündete und sich insofern gar kein Widerspruch
ergibt. Für diese Möglichkeit spricht insbesondere der Umstand, dass X. an-
gab, er habe in der Mitte des Ausstellplatzes gestanden (vgl. act. 3.12 S. 1),
währenddem B. den Wagen schon am oberen Ende des Ausstellplatzes wahr-
genommen haben will (act. 3.15 S. 2). Darüber hinaus ist davon auszugehen,
dass B. ihre Beobachtung wohl schon vor dem eigentlichen Passieren des
Ausstellplatzes gemacht haben musste. Anderenfalls hätte sie ja extra auf
Höhe des Beschwerdeführers angelangt ihre Blickrichtung ändern müssen,
wozu sie letztlich gar keinen Grund hatte. Wie es sich tatsächlich verhalten hat,
lässt sich unter diesen Umständen schlicht nicht sagen. Von einer völlig unkla-
ren Sachlage ist vorliegend umso mehr auszugehen, als ein wesentlicher Teil
des voraussehbaren Überholmanövers nicht nur im Rahmen der Untersu-
chung, sondern auch bei allen Einwänden des Beschwerdeführers ausge-
klammert blieb. Das Überholen ist als Richtungsänderung vorgängig durch
Stellen des Blinkers anzuzeigen (Art. 39 SVG). Der nicht vortrittsberechtigte
Lenker hat dieser den Überholvorgang ankündigenden Zeichengebung Rech-
nung zu tragen. Ohne Anzeichen für ein Fehlverhalten darf der vortrittsberech-
tigte Lenker grundsätzlich davon ausgehen, dass der Wartepflichtige sein
Recht beachtet (vgl. R. Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Stras-
senverkehrsrecht, Band I, 2002, N. 793 und N. 893). Mithin ist nicht erst ent-
9
scheidend, wann die Beschwerdegegnerin ausgeschert ist, sondern wann sie -
für den Beschwerdeführer wahrnehmbar ihr Überholmanöver durch das Stel-
len des Blinkers anzeigte. Z. gab - dies allerdings erst anlässlich ihrer untersu-
chungsrichterlichen Befragung zu Protokoll, sie habe vor Einleitung des ei-
gentlichen Überholmanövers den Blinker gestellt (act. 3.11 S. 1). Bereits ab
diesem Zeitpunkt musste der Beschwerdeführer ihr grundsätzlich den Vortritt
lassen und die Beschwerdeführerin durfte zumindest solange keine Anzei-
chen für ein Fehlverhalten ersichtlich waren zum Überholen ansetzen. Der
Beschwerdeführer erklärte hierzu - und dies ebenfalls erst in der zweiten Ein-
vernahme lediglich, er habe den Blinker gestellt (act. 3.12 S. 1). Weitere Be-
weise hierzu liegen nicht vor und würde man die Parteien zu diesem Punkt
nachträglich noch befragen, würden sie sich auch in diesem Punkt wi-
dersprüchlich äussern. Nachdem somit in Bezug auf die Frage der Ankündi-
gung wie auch die Durchführung des Überholmanövers völlig unklare und auch
nicht durch nachträgliche Beweiserhebungen noch klärbare Verhältnisse vor-
liegen, kann gegenüber der an sich vortrittsberechtigten Beschwerdegegnerin
offensichtlich nicht der Vorwurf erhoben werden, sie habe sich beim fraglichen
Überholmanöver unaufmerksam verhalten. Die Einstellungsverfügung erweist
sich insofern weder als rechtswidrig noch als unangemessen.
3.
Sodann wehrt sich der Beschwerdeführer gegen die Einstellung
des Verfahrens wegen Fahrens mit übersetzter Geschwindigkeit und wie aus
seinen Ausführungen zu schliessen ist wegen Nichtbeherrschens des Fahr-
zeugs (Art. 31 SVG). In Bezug auf diese Verkehrsregelverletzung sei Z. so
der Beschwerdeführer geständig.
a)
Gegenstand der angefochtenen Einstellungsverfügung bildete der
Verdacht der Widerhandlung gegen Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 35 Abs. 2
SVG. Keine Erwähnung finden der Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung
und des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs. Insofern erscheint fraglich, ob in
Bezug auf diese Rügen überhaupt eine anfechtbare Verfügung vorliegt und auf
die Beschwerde eingetreten werden kann. Wie es sich damit verhält, kann of-
fen gelassen werden. Wäre auf die Beschwerde auch in diesen Punkten ein-
zutreten, müsste sie ebenfalls abgewiesen werden.
b)
Auf die Frage, wie schnell sie zum Zeitpunkt des Überholmanö-
vers gefahren sei, erklärte Z. anlässlich ihrer polizeilichen Befragung (act. 3.10
S. 1), ihre Fahrgeschwindigkeit habe zwischen 80 bis 90 km/h betragen. Bei
10
der ersten untersuchungsrichterlichen Befragung bestätigte sie diese Angaben
(act. 3.11). Als X. in der Konfronteinvernahme erklärte, die Geschwindigkeit
von Z. müsse bis gegen 100 km/h betragen haben, gab Letztere zu Protokoll,
sie sei sicherlich mit einem Tempo unter 100 km/h unterwegs gewesen (act.
3.16 S. 4). Gibt die Beschwerdegegnerin einen Geschwindigkeitsbereich an,
der die höchstzulässige Geschwindigkeit mit umfasst, kann schon grundsätz-
lich nicht von einem Anerkenntnis einer Geschwindigkeitsübertretung ausge-
gangen werden. Darüber hinaus gilt zu beachten, dass die Angaben der Be-
schwerdegegnerin sich offensichtlich auf die vom Geschwindigkeitsmesser ab-
gelesene Geschwindigkeit beziehen. Die am Geschwindigkeitsmesser ange-
zeigte Fahrgeschwindigkeit darf nie unter, wohl aber in einem gewissen Tole-
ranzbereich - über der tatsächlichen Geschwindigkeit liegen (Art. 55 Abs. 2
VTS). Bei einer tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit von 80 km/h ist ge-
mäss der in Art. 55 Abs. 2 VTS verwendeten Formel grundsätzlich eine Abwei-
chung von 12 km/h zulässig. Wie genau der Tachometer des Fahrzeugs der
Beschwerdegegnerin am fraglichen Tag die Geschwindigkeit anzeigte ist nicht
bekannt und lässt sich auch nicht mehr nachträglich ermitteln. Insofern müsste
der Beschwerdegegnerin in jedem Fall auch eine Toleranz zugestanden wer-
den. Über die Spurzeichnung bzw. eine Bremswegberechnung lässt sich vor-
liegend eine Geschwindigkeitsübertretung nicht nachweisen, da zu viele der
massgeblichen Faktoren unbekannt sind (vgl. zu den Anforderungen an den
Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhand einer Bremswegbe-
rechnung PKG 2002 Nr. 35). Weitere aussagekräftige Beweise zur gefahrenen
Geschwindigkeit liegen nicht vor. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann
der Beschwerdegegnerin unter diesen Umständen nicht rechtsgenüglich belegt
werden.
c)
Gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG hat der Führer sein Fahrzeug ständig
so zu beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Die-
se Vorschrift verlangt vom Fahrzeugführer, dass er alle relevanten Informa-
tionen über die Strasse, die Umwelt, das Verkehrsgeschehen, das Fahrzeug
und sich selbst aufnimmt, verarbeitet und sein Verhalten nötigenfalls rasch und
zweckmässig ändert (vgl. R. Schaffhauser, a.a.O., N. 541). Er hat auf eine
einmal erkannte Gefahr situationsgerecht zu reagieren. Allerdings muss immer
auch berücksichtigt werden, dass unvermutet auftretende Gefahren oft hohe
Ansprüche an die Reaktionsfähigkeit stellen. Dies ist namentlich dann der Fall,
wenn die situationsgerechte Reaktion nicht der Spontanreaktion entspricht. So
bleibt beim Durchschnittsfahrer das Bremsen auch dann die naheliegendste
11
Reaktion, wenn er richtigerweise ein Ausweichmanöver machen müsste, um
einen Zusammenstoss überhaupt noch vermeiden zu können (R. Schaffhauser,
a.a.O., N. 559). Vorliegend lässt sich in Bezug auf den Ablauf des Geschehens
keine eindeutige Aussage machen. Schon allein deshalb lässt sich schwerlich
zur Feststellung gelangen, die Beschwerdegegnerin hätte anders, als sie es
getan hat, reagieren müssen. Geht man von der nicht widerlegbaren Version
der Beschwerdegegnerin aus, ist der Beschwerdeführer für sie völlig überra-
schend in einer Distanz von rund 60 m in die Oberlandstrasse eingefahren, als
sie eben zum Überholen angesetzt hatte. Sie sah sich demnach unverhofft mit
einer sehr gefährlichen Situation konfrontiert, auf die sie sofort reagieren muss-
te. Dass sie sich entschloss, eine Vollbremsung einzuleiten und dieses Manö-
ver im Bestreben, ihr Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, durchzog, kann ihr in
einem solchen Moment der äussersten Anspannung nicht zum Vorwurf ge-
macht werden.
4.
Ist die Beschwerde demnach vollumfänglich abzuweisen, gehen
die amtlichen Kosten zu Lasten des Beschwerdeführers (Art. 160 Abs. 1 StPO).
Von einer ausseramtlichen Entschädigung an die Beschwerdegegnerin ist
mangels einer gesetzlichen Grundlage abzusehen (PKG 2000 Nr. 38).
12
Demnach erkennt die Beschwerdekammer:
1.
Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, abgewiesen.
2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 800.-gehen zu Lasten
des Beschwerdeführers.
3. Mitteilung
an:
__
Für die Beschwerdekammer des Kantonsgerichts von Graubünden
Der Vizepräsident
Der Aktuar
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