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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:ZK 2018 494
Instanz:Obergericht
Abteilung:2. Zivilkammer
Obergericht Entscheid ZK 2018 494 vom 01.05.2019 (BE)
Datum:01.05.2019
Rechtskraft:Der Entscheid ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Akteneinsichtsgesuch während hängigem Verfahren in die Korrespondenz des Handelsregisteramtes mit einem Informanten
Schlagwörter : Beschwerde; Handelsregister; Handelsregisteramt; Beschwerdeführerin; Akten; Akteneinsicht; Interesse; Kanton; Verfahren; Vorinstanz; Kantons; Verfügung; Einsicht; Geheimhaltung; Verfahren; überwiegende; Handelsregisteramts; Partei; Private; Interessen; Organisation; Person; HRegV; Recht; Verwaltungs; Verfahrens; Beilagen; Akteneinsichtsgesuch; Handelsregisteramts
Rechtsnorm: Art. 29 BV ; Art. 42 BGG ; Art. 731b OR ; Art. 929 OR ; Art. 941a OR ;
Referenz BGE:122 I 153; 129 I 249;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:Alain Griffel; Alain Griffel;
Entscheid
ZK 2018 494 - Akteneinsichtsgesuch während hängigem Verfahren in die Korrespondenz des Handelsregisteramtes mit einem Informanten
Obergericht
des Kantons Bern

2. Zivilkammer
Cour suprême
du canton de Berne

2e Chambre civile

Hochschulstrasse 17
Postfach
3001 Bern
Telefon +41 31 635 48 02
Fax +41 31 634 50 53
obergericht-zivil.bern@justice.be.ch
www.justice.be.ch/obergericht
Entscheid
ZK 18 494
Bern, 30. Januar 2019



Besetzung Oberrichterin Grütter (Referentin), Oberrichter Hurni und Oberrichter Niklaus
Gerichtsschreiberin Mosimann



Verfahrensbeteiligte A.________ AG
vertreten durch Rechtsanwalt B.________
Beschwerdeführerin
gegen
Handelsregisteramt des Kantons Bern, Poststrasse 25, 3071 Ostermundigen
Vorinstanz



Gegenstand Handelsregister/Akteneinsicht

Beschwerde gegen die Verfügung des Handelsregisteramtes des Kantons Bern vom 12. September 2018 (13187/2018)

Regeste:
Akteneinsichtsgesuch während hängigem Verfahren in die Korrespondenz des Handelsregisteramtes mit einem Informanten
- Während eines hängigen Verwaltungsverfahrens hat eine Partei gemäss Art. 23 VRPG Anspruch auf Akteneinsicht, ohne dafür ein spezifisches Einsichtsinteresse nachweisen zu müssen. Vorbehalten bleiben einzig überwiegende öffentliche oder private Interessen (E. 17 und 18).
- Derjenige, der gegenüber einer Behörde Auskunft über andere Personen gibt (vorliegend Meldung eines Organisationsmangels an das Handelsregisteramt) hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass diese Informationen den Betroffenen nicht mitgeteilt werden. An das Vorliegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen sind strenge Anforderungen zu stellen (E. 19.2).
- Die grundsätzlich denkbare Möglichkeit, dass potentielle Informantinnen und Informanten des Handelsregisteramtes von einer Meldung abgeschreckt werden, genügt nicht für den Nachweis überwiegender öffentlicher Geheimhaltungsinteressen (E. 19.3). Ebenso wenig genügt der allgemeine Hinweis auf den Schutz vor allfälligen Repressalien als wichtiges privates Geheimhaltungsinteresse (E. 19.4).
- Mangels Gewährung des rechtlichen Gehörs an den Informanten, wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen (E. 19.5).



Erwägungen:
I.
1. Am 19. Juli 2018 informierte das Handelsregisteramt des Kantons Bern (nachfolgend: Handelsregisteramt, Vorinstanz) die A.________ AG, C.________ (Ortschaft) (nachfolgend: Beschwerdeführerin), ihm sei von Drittpersonen mitgeteilt worden, dass das einzige Verwaltungsratsmitglied, D.________, nicht mehr in der Schweiz wohnhaft sei. Es wies darauf hin, dass die Beschwerdeführerin einen Mangel in der gesetzlich vorgeschriebenen Organisation aufweise. Sollte sich D.________ hauptsächlich in Frankreich aufhalten, seien die Anforderungen gemäss Art. 718 Abs. 4 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR; SR 220) nicht erfüllt. Ein Eintrag in einer Gemeinde stelle keinen effektiven Wohnsitz dar, wenn die Person hauptsächlich im Ausland wohne. Das Handelsregisteramt forderte die Beschwerdeführerin deshalb auf, innert 30 Tagen den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen und entsprechend zur Eintragung anzumelden (Beilagen des Handelsregisteramts Nr. 5 und 6).
2. Am 24. August 2018 ersuchte die Beschwerdeführerin beim Handelsregisteramt um Akteneinsicht. Das Begehren wurde damit begründet, es handle sich bei den Mitteilungen von «Drittpersonen» doch um schwerwiegende Anschuldigungen, die jeglicher Grundlage entbehrten und möglicherweise auf widerrechtlicher Grundlage beruhten (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 9).
3. Das Handelsregisteramt lehnte dieses Ansinnen mit Brief vom 4. September 2018 ab (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 10).
4. Mit Schreiben vom 6. September 2018 ersuchte die Beschwerdeführerin das Handelsregisteramt um Erlass einer anfechtbaren Verfügung betreffend das Akteneinsichtsgesuch (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 11).
5. Am 10. September 2018 bestätigte das Handelsregisteramt der Beschwerdeführerin, dass es das Verfahren nach Art. 154 der Handelsregisterverordnung (HRegV; SR 221.411) eingestellt habe. Es bezog sich auf Unterlagen, welche D.________ am Schalter des Handelsregisteramts abgegeben habe (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 7).
6. Mit Verfügung vom 12. September 2018 wies das Handelsregisteramt das Gesuch um Akteneinsicht ab (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 12).
Gestützt auf Art. 10 HRegV seien lediglich die Einträge im Hauptregister, die Anmeldungen und die Belege öffentlich. Nicht öffentlich seien dagegen namentlich die einer Eintragung in das Handelsregister vorausgegangene oder mit ihr zusammenhängende Korrespondenz mit Privaten oder Amtsstellen sowie vorbereitende Akten oder Schriftenwechsel in einem Zwangsverfahren; für diese gelte das Amtsgeheimnis. Art. 23 der Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) gewähre Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen deren Geheimhaltung erfordere. Das Handelsregisteramt stufe das Interesse der mitteilenden Dritten an der Geheimhaltung ihrer Identität als höher ein als das Interesse der Gesuchstellenden an der Einsichtnahme. Ausserdem sei nicht zum Nachteil der Gesuchstellerin auf die Mitteilung abgestellt worden. Ihr sei der wesentliche Inhalt der Mitteilung zur Kenntnis gebracht worden und es habe die Gelegenheit bestanden, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.
7. Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 17. Oktober 2018 Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern (pag. 1). Die Beschwerdeführerin beantragt:
8. Die Verfügung vom 12. September 2018 sei aufzuheben;
9. Der Beschwerdeführerin sei vollumfängliche Akteneinsicht zu gewähren;
10. Die Verfahrenskosten seien der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen und es sei der Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen.
15. Das Handelsregisteramt schloss am 14. Dezember 2018 auf Abweisung der Beschwerde und begründete seine Auffassung (pag. 27 ff.).
16. Die Beschwerdeantwort wurde mit Verfügung vom 17. Dezember 2018 der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zugestellt (pag. 37).
17. Dem mit Eingabe vom 19. Dezember 2018 von der Beschwerdeführerin gestellten Akteneinsichtsgesuch (pag. 41) wurde mit Verfügung vom 20. Dezember 2018 insoweit entsprochen, als die Akten der Beschwerdeführerin respektive deren Rechtsvertreter zur Einsichtnahme zugestellt wurden, mit Ausnahme der Akten der Vorinstanz (Beilagen des Handelsregisteramts zur Beschwerdeantwort). Begründet wurde dies damit, dass die Einsicht in die Akten des Handelsregisteramts der Streitgegenstand im vorliegenden Beschwerdeverfahren bildet. Zurzeit hat die Verfügung des Handelsregisteramts, wonach keine Einsicht gewährt wird, Bestand, so dass der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren keine Einsicht in die Vorakten gewährt werden kann (pag. 47 ff.).
II.
1.
1.1 Angefochten ist eine Verfügung des Handelsregisteramtes des Kantons Bern, mit welcher ein Akteneinsichtsgesuch im Zusammenhang mit einem Verfahren gemäss Art. 154 HRegV abgewiesen wurde.
1.2 Gemäss Art. 165 Abs. 1 und 2 HRegV können Verfügungen der kantonalen Handelsregisterämter bei der einzigen kantonalen Beschwerdeinstanz angefochten werden.
1.3 Im Kanton Bern sind hierfür die Zivilkammern des Obergerichts zuständig (Art. 139 Abs. 5 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [EG ZGB; BSG 211.1]; Art. 6 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung [EG ZSJ; BSG 271.1]; Art. 28 Abs. 1 Bst. c des Organisationsreglements des Obergerichts [OrR OG; BSG 162.11]).
1.4 Als Verfahrensrecht gelangt das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) zur Anwendung (Art. 10 Abs. 2 EG ZGB; Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern ZK 14 139 vom 27. Mai 2014 E. 4.3 m.w.H., abrufbar unter www.justice.be.ch; Ziff. I und II des Kreisschreibens Nr. 3 der Zivilabteilung des Obergerichts des Kantons Bern vom 21. August 2014). Einschlägig sind sinngemäss die Vorschriften zum Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht (Art. 86 Abs. 2 VRPG). Bundesrechtliche Spezialbestimmungen bleiben vorbehalten (Art. 1 Abs. 2 VRPG).
2. Das Gesuch um Akteneinsicht wurde während hängigem Organisationsmangelverfahren gestellt (siehe E. 16 unten). Die Verfügung betreffend das Akteneinsichtsgesuch erging zeitlich nach der Einstellung des Verfahrens. Es ist daher fraglich, ob es sich bei der angefochtenen Verfügung um eine Zwischenverfügung oder um einen Endentscheid handelt. Im ersten Fall wäre die Verfügung nur selbstständig anfechtbar, wenn sie zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen würde (Art. 61 Abs. 3 Bst. a VRPG; Kreisschreiben Nr. 3, a.a.O., Ziff. II.e).
Diese Frage kann vorliegend offen gelassen werden, da auch mit einem positiven Endentscheid bzgl. Organisationsmängel der Beschwerdeführerin die Identität des Melders nicht offen gelegt würde. Der Nachteil wäre gegeben.
3. Die Beschwerdeführerin ist als betroffene Rechtseinheit eines Organisationsmangelverfahrens zur Führung der vorliegenden Beschwerde legitimiert (Art. 165 Abs. 3 Bst. b HRegV i.V.m. Art. 929 Abs. 1 OR).
4. Auf die form- und fristgerecht (Art. 165 Abs. 4 HRegV) eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
III.
1.
1.1 Die A.________ AG ist gemäss Ausführungen in der Beschwerde eine der Untergesellschaften der E.________ (AG), über welche der Konkurs eröffnet wurde. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Beschwerde aus, es seien diverse Prozesse auf sämtlichen Instanzen hängig, welche für die Zukunft der Holding-Mutter E.________(AG), wie auch deren Tochtergesellschaft (F.________ AG) bzw. Enkelgesellschaft (A.________ AG) massgebend seien. Aufgrund dieser Ausgangslage dürften die Mitteilungen der genannten (unbekannten) Drittpersonen darauf ausgerichtet gewesen sein, die Beschwerdeführerin in die Liquidation nach Art. 731b OR zu treiben und damit mögliche Gläubiger wie Beteiligte ihrer möglichen Rechte zu entäussern sowie den einzigen Verwaltungsrat zu schädigen.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Akteneinsichtsrecht als Ausfluss des verfassungsmässigen Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung [BV; SR 101]). Dass die einer Eintragung vorausgegangene oder mit ihr zusammenhängende Korrespondenz mit Privatpersonen oder Amtsstellen sowie vorbereitende Akten grundsätzlich von der Einsichtnahme ausgeschlossen seien, entspreche nicht mehr der heutigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung und sei klar verfassungswidrig (mit Verweis auf Alain Griffel in Komm. VRG ZH, § 8 N. 15 «mit Zitaten»). Basiere ein Entscheid, hier die angefochtene Verfügung, auf internen Akten, u.a. Korrespondenz mit Dritten, Mitteilungen von Dritten, so seien diese relevant für die Entscheidfindung und damit öffentlich. Einschränkungen seien nur möglich, wenn dem Interesse an der Einsichtnahme öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Die angefochtene Verfügung sei von erheblicher Intensität für die Beschwerdeführerin, denn sie sei durch die Mitteilung der Drittpersonen in ihrer Existenz betroffen. Schutzwürdige Interessen seien auf Seiten der «anonymen» Mitteiler nicht erkennbar. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Beschwerdegegnerin (d.h.
Vorinstanz) solch drastische Massnahmen gegen die Beschwerdeführerin ergreife (wohl: ergriffen habe), welche ihre Existenz gefährden. Sollten die Anzeigen ohne jegliche Grundlage erfolgt sein, verdienten sie keinen Schutz. Auf Seiten der Beschwerdeführerin seien deren Interesse am weiteren Bestand der Gesellschaft zusammen mit den ihr nachgelagerten Gesellschaften sowie dem Schutz vor ungerechtfertigten Anfeindungen sowie möglichen Verleumdungen höher zu gewichten (pag. 3 ff.).
1.2 Die Vorinstanz schloss in ihrer Eingabe vom 14. Dezember 2018 auf Abweisung der Beschwerde (pag. 27). Gestützt auf Art. 10 HRegV gelangt die Vorinstanz zum Schluss, dass ein Schreiben eines Dritten, welcher das Handelsregister auf einen Organisationsmangel aufmerksam macht, zu den vorbereitenden Akten für ein allfälliges Zwangsverfahren gehört und daher dem Amtsgeheimnis untersteht (mit Verweis auf Siffert/Turin [Hrsg.], Handelsregisterverordnung, 2012, N. 9 zu Art. 165 HRegV). Private Personen könnten das Handelsregisteramt auf einen Mangel in der gesetzlich zwingenden Organisation aufmerksam machen, wobei dies nicht dazu führen dürfe, dass diese Möglichkeit instrumentalisiert werde, um dem Anzeigeerstatter das Risiko eines Zivilgerichtsverfahrens zu ersparen oder eine Rechtseinheit amtlich schikanieren zu lassen. Es bedürfe in solchen Situationen einer ausreichenden Substanziierung der Informationen, insbesondere durch Vorlage schriftlicher Unterlagen, die einen Mangel in der zwingenden Organisation zumindest als glaubhaft erscheinen lassen (Verweis auf Berger/Rüetschi/Zihler, REPRAX 1/2012, S. 6).
Das Gesuch um Akteneinsicht sei während laufendem Verfahren gestellt worden, so dass Art. 23 Abs. 1 VRPG zur Anwendung gelange (und nicht das Datenschutzgesetz und das Informationsgesetz; mit Verweis auf Häusler/Ferrari-Visca, Das Recht auf Akteneinsicht im Verwaltungs- und verwaltungsjustizverfahren, in: Jusletter 8. August 2011, Rz. 22). Es bestehe Anspruch auf Einsicht in die Verfahrensakten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen deren Geheimhaltung erfordern. Letzteres bejaht das Handelsregisteramt. Es beruft sich darauf, dass Art. 941a OR und Art. 154 HRegV dem Verkehrsschutz dienen. Es solle sichergestellt werden, dass im Handelsregister eingetragene Rechtseinheiten handlungs- und funktionsfähig seien. Um seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen, sei das Handelsregister auf Mitteilungen Dritter als Informationsquelle angewiesen. Es sei damit zu rechnen, dass das Handelsregisteramt kaum mehr Hinweise auf allfällig Organisationsmängel erhalten würde, wenn deren Absender bekannt gegeben würden. Insofern bestehe ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Identität dieser Personen. Ausserdem seien sie vor allfälligen Repressalien zu schützen, womit auch ein wichtiges privates Geheimhaltungsinteresse bestehe.
Das Gesuch um Akteneinsicht ziele offensichtlich ausschliesslich darauf ab, die Identität derjenigen Personen zu erfahren, die sie beim Handelsregisteramt «angeschwärzt» haben. Wie die fraglichen Mitteilungen die Beschwerdeführerin in ihrer Existenz bedrohen sollten, sei nicht ersichtlich. Fühle sie sich verleumdet, so könne sie sich dagegen strafrechtlich zur Wehr setzen, mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt. Die Strafverfolgungsbehörden könnten die erforderlichen Akten edieren lassen (vgl. etwa Art. 167 HRegV). Es bestehe kein die Geheimhaltungsinteressen überwiegendes Interesse der Beschwerdeführerin an der Akteneinsicht.
1.3 Die Beschwerdeführerin replizierte am 19. Dezember 2018 (pag. 41), dass sich einerseits die Vorinstanz auf eine veraltete Lehrmeinung abstütze und andererseits die Beschwerdeführerin ein fundamentales und zeitnahes Interesse daran habe zu erfahren, wer das im laufenden französischen Strafverfahren unter Strafandrohung angeordnete Verbot der Herausgabe von Akten und Informationen gebrochen habe, um die Beschwerdeführerin zu schädigen.
2. Das vorliegend strittige Akteneinsichtsgesuch vom 24. August 2018 (Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 9) wurde zeitlich nach der Verfahrenseröffnung betreffend Organisationsmängel (vgl. Schreiben vom 19. Juli 2018 der Vorinstanz an die Beschwerdeführerin mit der Aufforderung, den Organisationsmangel zu beheben, Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 6) und zeitlich vor der Einstellung des Verfahrens (Schreiben vom 10. September 2018, Beilagen des Handelsregisteramts, Nr. 7) gestellt. Damit handelt es sich um ein Akteneinsichtsgesuch während hängigem Verwaltungsverfahren.
Einschlägig für die Beantwortung der Frage, ob einer Person Einsicht in Akten eines hängigen Verwaltungsverfahrens zu gewähren ist oder nicht, sind Art. 23 VRPG sowie die Bestimmungen des kantonalen Datenschutzgesetzes (KDSG; BSG 152.04; Art. 23 Abs. 3 VRPG und Art. 4 Abs. 2 Bst. c KDSG; vgl. Häusler/Ferrari-Visca, a.a.O., Rz. 6 f.).
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist Art. 10 HRegV für die Beurteilung des vorliegenden Gesuchs um Akteneinsicht unbehelflich. Diese Bestimmung konkretisiert die Öffentlichkeit des Handelsregisters, nicht die Akteneinsicht betroffener Parteien. Auch die Bestimmungen zur Aktenaufbewahrung, Aktenherausgabe und Datensicherheit (Art. 166 ff. HRegV) sind vorliegend irrelevant. Die verfassungsmässigen Rechte der von einer Datenbearbeitung betroffenen Person (darunter fallen auch juristische Personen) bleiben dieser ohne weiteres erhalten (vgl. Meisterhand/Schwarz/Turin, Anwendbarkeit der Datenschutzgesetzgebung im Bereich Handelsregisteramt und Handelsregister, REPRAX 2/2015 48, S. 52).
3. Während eines hängigen Verfahrens haben die Parteien sowie deren Vertreter gestützt auf Art. 23 VRPG Anspruch auf Akteneinsicht. Vorbehalten bleiben jedoch überwiegende öffentliche oder private Interessen (Art. 23 Abs. 1 VRPG).
Das kantonale Datenschutzgesetz erlaubt es Personen, die keine Parteistellung innehaben, während eines Verwaltungsverfahrens Einsicht in eigene Daten zu erhalten, wenn nicht wichtige und überwiegende öffentliche Interessen oder besonders schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen (Art. 21 Abs. 4 KDSG).
Da die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Handelsregisteramt Partei war, ist nach Art. 23 Abs. 1 VRPG zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin Akteneinsicht in die zwischen dem Handelsregisteramt und der meldenden Person geführte Korrespondenz zu gewähren ist.
4. Beantragt eine Partei gestützt auf Art. 23 Abs. 1 VRPG Akteneinsicht, braucht sie keinen Nachweis eines spezifischen Einsichtsinteresses zu erbringen, denn das Einsichtsrecht ist Ausfluss des verfassungsmässigen Rechts auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV und besteht voraussetzungslos (Häusler/Ferrari-Visca, a.a.O., Rz. 7; Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. August 2007 [VGE 22864] E. 4.3 mit Verweis auf BGE 129 I 249 E. 3 S. 253 f. und BGE 122 I 153 E. 6a S. 161, publiziert in: BVR 2008 S. 49 ff.). Die Ausführungen der
Vorinstanz zu den Motiven der Beschwerdeführerin zielen deshalb an der Sache vorbei. Dass ihr Gesuch geradezu rechtsmissbräuchlich wäre, wird nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
Zu prüfen bleibt hingegen, ob überwiegende öffentliche oder private Interessen der Einsicht entgegenstehen.
5.
5.1 Die Vorinstanz bejaht ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Identität von Informantinnen oder Informanten. Das Handelsregisteramt befürchtet, dass es kaum mehr Hinweise auf allfällige Organisationsmängel erhalten würde, wenn deren Absender bekannt gegeben würden. Auf Mitteilungen Dritter sei es aber als Informationsquelle angewiesen, um seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen (pag. 33).
5.2 In der Praxis gilt der Grundsatz, dass derjenige, der gegenüber einer Behörde Auskunft über andere Personen gibt, keinen Anspruch darauf hat, dass diese Informationen den Betroffenen nicht mitgeteilt werden. Wer belastende Informationen über Personen mitteilt, muss zu seinen Anschuldigungen stehen. Richtig verstandener Datenschutz will nicht ein Klima des Misstrauens und der Entstehung von Gerüchten und anonymer Verdächtigungen schaffen, sondern eine offene und faire Erledigung von Streitigkeiten ermöglichen (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 [VGE 100.2016.315] E. 4.4, publiziert in: BVR 2018 S. 497 ff.). Dieser betreffend das kantonale Datenschutzgesetz anwendbare Grundsatz gilt umso mehr, wenn eine Partei in einem hängigen Verfahren ein Gesuch um Akteneinsicht gestellt hat. An das Vorliegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen sind strenge Anforderungen zu stellen.
5.3 Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Geheimhaltung von Informantinnen oder Informanten ist denkbar, wenn die Meldebereitschaft Dritter negativ beeinflusst wird, die Behörde aber auf Meldungen angewiesen ist, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass ein öffentliches Interesse an der Geheimhaltung der Identität einer Auskunftsperson und deren Angaben bestehen kann (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 9. Juli 2018 [VGE 100.2016.315] E. 4.7, publiziert in: BVR 2018 S. 497 ff.).
Allerdings vermag die Vorinstanz überwiegende Interessen hier nicht überzeugend darzutun. Das öffentliche Interesse muss mit Zurückhaltung bejaht werden, um den Anspruch auf Einsicht nicht auszuhöhlen. Die zu befürchtenden Beeinträchtigungen müssen konkret und von einiger Tragweite sein (z.B. innere oder äussere Staatssicherheit, Schutz von Polizeigütern, Schutz von Zeugen, Erhaltung einer wichtigen Informationsquelle zum aufdecken von Straftaten [V-Person] oder die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen; Häusler/Ferrari-Visca, a.a.O., Rz 23).
Die grundsätzlich denkbare Möglichkeit, dass potentielle Informantinnen und Informanten des Handelsregisteramts von einer Meldung abgeschreckt werden, lässt nicht befürchten, dass dieses seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Solche Konstellationen dürften selten eintreten.
Vorliegend sind keine überwiegenden öffentlichen Interessen an der Geheimhaltung der von Dritten gemachten Meldung an die Vorinstanz nachgewiesen oder ersichtlich.
5.4 Geht jemand mit der Meldung konkrete Risiken ein, liegen zudem private Interessen vor, die in die Waagschale zu legen sind.
Zu den überwiegenden privaten Interessen der informierenden Drittpersonen sind die Ausführungen der Vorinstanz knapp gehalten. Sie erwähnen den Schutz vor allfälligen Repressalien als wichtiges privates Geheimhaltungsinteresse.
Solche allgemeine Befürchtungen vermögen kein überwiegendes privates Interesse im konkreten Einzelfall darzutun.
5.5 Die betreffenden Dritten sind von der Vorinstanz über das Akteneinsichtsgesuch soweit ersichtlich nicht informiert worden und hatten bisher keine Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und eigene private Interessen in die Waagschale zu werfen. Dies ist nachzuholen. Die Verfügung der Vorinstanz vom 12. September 2018 ist somit aufzuheben und die Sache ist zurück an die Vorinstanz zu weisen, um den betreffenden Dritten das rechtliche Gehör zu gewähren und anschliessend neu zu entscheiden.
IV.
1. Die Gerichtskosten werden bestimmt auf CHF 600.00 (Art. 43 Abs. 3 i.V.m. Art. 51 des Verfahrenskostendekrets [VKD; BSG 161.12]).
Aufgrund des Ausgangs des Verfahrens sind die Gerichtskosten durch den Kanton Bern zu tragen (Art. 108 Abs. 1 VRPG und Art. 108 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Bst. a VRPG).
Der Beschwerdeführerin ist der von ihr geleistete Gerichtskostenvorschuss von CHF 600.00 aus der Gerichtskasse zurückzuerstatten.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin war vor Obergericht anwaltlich vertreten. Der Kanton Bern, respektive das Handelsregisteramt des Kantons Bern, hat der Beschwerdeführerin deren Parteikosten zu ersetzen (Art. 108 Abs. 3 VRPG).
2.2 In verwaltungsrechtlichen Beschwerdeverfahren beträgt das Honorar CHF 400.00 bis CHF 11‘800.00 pro Instanz (Art. 11 Abs. 1 der Parteikostenverordnung [PKV; BSG 168.811]). Innerhalb dieses Rahmentarifs bemisst sich die Parteientschädigung nach dem in der Sache gebotenen Zeitaufwand, der Bedeutung der Streitsache und der Schwierigkeit des Prozesses (Art. 41 Abs. 3 des Kantonalen Anwaltsgesetzes [KAG; BSG 168.11]).
2.3 Rechtsanwalt B.________ macht in seiner Kostennote vom 19. Dezember 2018 ein Honorar von CHF 2‘485.00 zuzüglich 3 % Auslagen, ausmachend CHF 74.55 sowie 7,7 % MwSt., ausmachend CHF 197.10, total CHF 2‘756.65 geltend (pag. 43 ff.).
Die ersten drei auf der Honorarnote aufgeführten Positionen stellen Aufwand dar, der vor der Vorinstanz angefallen ist, weshalb er im oberinstanzlichen Verfahren nicht entschädigt werden kann. Das auf das Beschwerdeverfahren fallende Honorar beläuft sich auf CHF 1‘960.00. Damit schöpft Rechtsanwalt B.________ den Tarifrahmen zu knapp 15 % aus, was angemessen erscheint.
Entsprechend sind die Auslagen mit CHF 58.80 (3 % von CHF 1‘960.00) zu vergüten. Die Mehrwertsteuer beläuft sich auf CHF 155.45 (7,7 % auf CHF 2‘018.80).
Das Handelsregisteramt des Kantons Bern hat der Beschwerdeführerin somit einen Parteikostenersatz von CHF 2‘174.25 zu bezahlen.
V.
1. Dieser Entscheid ist der Beschwerdeführerin und dem Handelsregisteramt des Kantons Bern zu eröffnen und dem Eidgenössischen Amt für das Handelsregister mitzuteilen (Art. 165 Abs. 5 HRegV).
Die Kammer entscheidet:
1. Die Beschwerde wird insofern gutgeheissen, als die Verfügung des Handelsregisteramts des Kantons Bern vom 12. September 2018 aufgehoben wird und das Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, um den betroffenen Drittpersonen das rechtliche Gehör zu gewähren und anschliessend neu zu entscheiden.
2. Die Gerichtskosten, bestimmt auf CHF 600.00, trägt der Kanton Bern.
Der Beschwerdeführerin ist der von ihr geleistete Kostenvorschuss von CHF 600.00 zurückzuerstatten.
3. Der Kanton Bern (das Handelsregisteramt des Kantons Bern) hat der Beschwerdeführerin einen Parteikostenersatz von CHF 2‘174.25 (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4. Zu eröffnen:
• der Beschwerdeführerin
• dem Handelsregisteramt des Kantons Bern
Mitzuteilen:
• dem Eidgenössischen Amt für das Handelsregister




Bern, 30. Januar 2019

Im Namen der 2. Zivilkammer
Die Referentin:
Oberrichterin Grütter

Die Gerichtsschreiberin:
Mosimann



Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid (nicht vermögensrechtliche Streitigkeit) kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 39 ff., 72 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.



Hinweis:
Der Entscheid ist rechtskräftig.
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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