E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:ZK 2015 379
Instanz:Obergericht
Abteilung:-
Obergericht Entscheid ZK 2015 379 vom 17.12.2015 (BE)
Datum:17.12.2015
Rechtskraft:Der Entscheid ist rechtskräftig
Leitsatz/Stichwort:Erbrechtliche Zuweisungsverfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB sind im ordentlichen Verfahren zu beurteilen. Es handelt sich um streitige Verfahren, die nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstehen
Schlagwörter : Verfahren; Zuweisung; Gericht; Freiwilligen; Gerichtsbarkeit; Ordentliche; Zuweisungsverfahren; Ordentlichen; Berufungskläger; Beurteilen; Zivilprozessordnung; Recht; Streitig; Gesuch; Kommentar; Streitige; Basler; Schweizerische; Zivilprozessordnung; Auflage; Basel; Vermögenswert; Verfahren; Oberrichter; Erbrecht; Summarische; Summarverfahrens; Kanton; Vorinstanz; Erbrechtliche
Rechtsnorm: Art. 1 ZPO ; Art. 250 ZPO ; Art. 254 ZPO ; Art. 611 ZGB ; Art. 612 ZGB ; Art. 613 ZGB ;
Referenz BGE:138 III 166;
Kommentar zugewiesen:
Vock, Nater, Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Art. 1 ZPO, 2013
Schaufelberger, Keller Lüscher, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, Art. 613 ZGB, 2015
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
ZK 2015 379 - Erbrechtliche Zuweisungsverfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB sind im ordentlichen Verfahren zu beurteilen. Es handelt sich um streitige Verfahren, die nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstehen
ZK 15 379, publiziert Februar 2016

Entscheid der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern


vom 26. November 2015


Besetzung
Oberrichter Studiger (Referent), Oberrichterin Pfister Hadorn und Oberrichter Josi
Gerichtsschreiberin Künzi





Verfahrensbeteiligte
A.,
vertreten durch Rechtsanwalt X.
Gesuchsteller/Berufungskläger


gegen


B.,
vertreten durch Rechtsanwalt Y.
Gesuchsgegnerin/Berufungsbeklagte



Gegenstand
Erbrecht



Regeste:
• Art. 613 Abs. 3 ZGB
• Erbrechtliche Zuweisungsverfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB sind im ordentlichen Verfahren zu beurteilen; es handelt sich um streitige Verfahren, die nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstehen.



Redaktionelle Vorbemerkungen:

Angefochten war ein Nichteintretensentscheid des Regionalgerichts mangels vorangegangenen Schlichtungsversuchs. Der Berufungskläger machte insbesondere geltend, beim Zuweisungsverfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB handle es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auf die das summarische Verfahren anwendbar sei. Die Anwendung des Summarverfahrens sei auch sachgerecht, da es sich beim Zuweisungsverfahren um eine „causa minor“ handle. Ein vorgängiges Schlichtungsverfahren entfalle daher.



Auszug aus den Erwägungen:

(...)

III.

( )

5.
5.1 Die Argumente des Berufungsklägers erscheinen nicht stichhaltig. Eine echte oder unechte Gesetzeslücke, die es zu füllen gälte, liegt nicht vor. Art. 8 Abs. 1 EG ZSJ bestimmt als Auffangtatbestand, das alles, was nicht explizit einem anderen Gericht zugewiesen ist, durch das Regionalgericht zu beurteilen ist. Anwendung finden einzig die aktuellen Gesetzesbestimmungen des Bundes und des Kantons Bern, die vom Berufungskläger angeführte Regelung im Kanton Zürich und nach der früheren bernischen Zivilprozessordnung ist nicht massgeblich. Bei der Zuweisung nach Art. 613 Abs. 3 ZGB handelt es sich, wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat, um ein Zweiparteienverfahren. Das Begehren richtet sich gegen die Miterben, welche durch den verbindlichen Zuweisungsentscheid, der auch in der späteren erbrechtlichen Auseinandersetzung Bestand hat, in ihren Rechten betroffen sind. Das Gesetz sieht denn auch vor, dass das Gericht angerufen werden kann, wenn sich die Parteien nicht einigen können (Art. 613 Abs. 3 ZGB), wenn also etwas streitig bleibt. Entgegen den Ausführungen des Berufungsklägers ist der Grad der Streitigkeit eines Verfahrens durchaus ein taugliches Abgrenzungskriterium zur Bestimmung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt es sich nach der Lehre um gerichtliche Anordnungen, die auf Gesuch eines Interessierten ohne kontradiktorisches Verfahren erlassen werden (Vock/Nater, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2013, N 6 zu Art. 1 ZPO). Unter den Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen mit anderen Worten alle Materien, die eben gerade nicht Merkmale einer streitigen Zivilsache aufweisen (Berger, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band I, Bern 2012, N 32 zu Art. 1 ZPO). Bei der Zuweisung nach Art. 613 Abs. 3 ZGB handelt es sich um ein streitiges Verfahren, dass folglich nicht der freiwilligen Gerichtsbarkeit untersteht.
5.2 Eine besondere Gesetzesbestimmung, die das Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB dem Summarium zuweisen würde (Art. 248 lit. a ZPO), besteht nicht. Die Aufzählung der gemäss Art. 249 und Art. 250 ZPO im summarischen Verfahren zu beurteilenden Angelegenheiten ist zwar nicht abschliessend („insbesondere“), weshalb grundsätzlich auch dort nicht aufgeführte Verfahren dem Summarium zugeordnet werden können, sofern dies aufgrund der Natur der Sache angezeigt erscheint (vgl. BGE 138 III 166, E. 3). Bei Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB ist das jedoch nicht der Fall. Der Richter hat neben der Frage des Sachzusammenhangs und der Zuweisung auch verbindlich über den Anrechnungswert der betroffenen Erbschaftssachen zu befinden, was gerade bei Aktien allenfalls eine Begutachtung erforderlich macht (vgl. Schaufelberger/Keller Lüscher, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 5. Auflage, Basel 2015, N 11 zu Art. 613 ZGB). Eine Begutachtung würde den Rahmen eines Summarverfahrens jedoch in aller Regel sprengen (vgl. Mazan, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2013, 2 und 6 zu Art. 254 ZPO), was für das ordentliche Verfahren spricht. Eine sogenannte „causa minor“ liegt nicht vor. Die Zuweisung von Vermögenswerten zu einem bestimmen Anrechnungswert nach Art. 613 Abs. 3 ZGB hat zur Folge, dass der entsprechende Vermögenswert aus der Erbmasse fällt. Die Anordnungen nach Art. 611 Abs. 2 ZGB (Losbildung) und Art. 612 Abs. 3 ZGB (Art der Versteigerung) sind demgegenüber lediglich vorbereitende Massnahmen zum Vollzug der Erbteilung, wobei der Behörde bloss eine vermittelnde Funktion und keine Teilungskompetenz zukommt (Schaufelberger/Keller Lüscher, a.a.O., N 13 zu Art. 611 ZGB). Die beiden Verfahren zeitigen demnach keine so weitreichenden Folgen wie die Zuweisung von Vermögenswerten nach Art. 613 Abs. 3 ZGB. Es erscheint daher ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Verfahren nach Art. 611 Abs. 2 ZGB und Art. 612 Abs. 3 ZGB in Anwendung von Art. 11 EG ZSJ dem summarischen Verfahren zugeordnet wurden, das Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB jedoch nicht. Eine analoge Anwendung des Summarverfahrens für Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB lässt sich nicht rechtfertigen.
5.3 Die Verwirklichung der Privatrechtsordnung wird durch die Zuweisung von Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB ins ordentliche Verfahren nicht verhindert. Ob ein Erbe direkt die Erbteilungsklage anheben oder das Verfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB einleiten will, ist ihm überlassen. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein Erbe lediglich die Zuweisung eines bestimmten Vermögenswertes wünscht, im Übrigen aber an der Erbengemeinschaft festhalten will. Wie die Berufungsbeklagte ausführt (pag. 69), ist es dem Gesuchsteller damit auch möglich, das Verfahren bezüglich Streitwert und Beweisthema zu beschränken, was durchaus von Interesse sein kann. Der Bestimmung von Art. 613 Abs. 3 ZGB kommt daher auch bei einer Beurteilung im ordentlichen Verfahren eigenständige Bedeutung zu.
5.4 Die Kammer schliesst sich nach dem Gesagten den schlüssigen Erwägungen der Vorinstanz an, wonach das Zuweisungsverfahren nach Art. 613 Abs. 3 ZGB im ordentlichen Verfahren zu beurteilen ist. Dem ordentlichen Verfahren hat ein Schlichtungsversuch voranzugehen, was vorliegend unterlassen wurde. Es mangelt daher an einer Prozessvoraussetzung (Infanger, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Basel 2013, N 1 zu Art. 197/198 ZPO), weshalb die Vorinstanz zu Recht nicht auf das Gesuch vom 26. Februar 2015 eingetreten ist.


(...)


Hinweis:
Der Entscheid ist rechtskräftig

Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.
www.swissactiv.ch
Menschen zusammenbringen, die gemeinsame Interessen teilen
Die Freude an Bewegung, Natur und gutem Essen fördern
Neue Leute treffen und Unternehmungen machen

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.

SWISSRIGHTS verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf der Website analysieren zu können. Weitere Informationen finden Sie hier: Datenschutz