ZK 2011 145 - Überführung einer Einzelunternehmung in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft
ZK 11 145, publiziert Juli 2011
Entscheid der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern,
unter Mitwirkung von Oberrichter Studiger (Referent), Oberrichter Kunz und Oberrichterin Pfister Hadorn sowie Gerichtsschreiber Günther
vom 14. Juli 2011
in der Streitsache zwischen
1. X.
2. Y. AG
beide vertreten durch Rechtsanwalt Z.
Beschwerdeführer
und
Handelsregisteramt des Kantons Bern, Gerechtigkeitsgasse 36, Postfach 627, 3000 Bern 8
Vorinstanz
Regeste:
- Art. 165 HRegV, Art. 634, 635 und 940 Abs. 1 OR
- Überführung einer Einzelunternehmung in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft, Beschwerde nach VRPG gegen die Abweisung der Handelsregisteranmeldung durch das Handelsregisteramt des Kantons Bern: Thema des Prozesses war, ob der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung der baulichen Investitionen in die Mietbzw. Pachtliegenschaft der Einzelunternehmung mittels Vermögensübertragung gemäss Art. 69 ff. FusG auf die neu zu gründende Aktiengesellschaft Y. AG übertragen werden und dieser als Sacheinlage dienen kann.
Redaktionelle Vorbemerkungen:
Keine
Auszug aus den Erwägungen:
I.
[...]
II.
[...]
III.
[...]
IV.
1. Prozessthema
Prozessthema ist vorliegend, ob der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung der baulichen Investitionen in die Mietbzw. Pachtliegenschaft der Einzelunternehmung (die Beteiligten gehen von einem Anspruch gemäss Art. 260a Abs. 3 OR bzw. Art. 299 Abs. 2 lit. b OR aus) mittels Vermögensübertragung gemäss Art. 69 ff. FusG auf die neu zu gründende Aktiengesellschaft Y. AG übertragen werden und dieser als Sacheinlage dienen kann (vgl. auch Vernehmlassung des Handelsregisteramts, Ziff. 1.1., pag. 55)
2. Kognition des Handelsregisteramts
Der Registerführer hat zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung erfüllt sind (Art. 940 Abs. 1 OR; vgl. auch Art. 28 HRegV). Der Gesetzgeber hat weder im Obligationenrecht noch andernorts die Kognition geregelt gar eingeschränkt. Gleichwohl hat das Schweizerische Bundesgericht die materiell-rechtliche Kognition in konstanter Rechtsprechung eingeschränkt auf die Wahrung zwingender Vorschriften, die im öffentlichen Interesse zum Schutze Dritter sind. Die Eintragung ist nur dann abzulehnen, wenn sie offensichtlich und unzweideutig dem Recht widerspricht, nicht aber wenn sie auf einer ebenfalls vertretbaren Gesetzesauslegung beruht, deren Beurteilung dem Zivilgericht überlassen bleiben muss (vgl. Gwelessiani, Praxiskommentar zur Handelsregisterverordnung, N 120; statt vieler: BGE 132 III 668, E. 3.1.). Nach dem Gesagten ergibt sich zweierlei: In sachlicher Hinsicht ist die Kognition des Handelsregister eingeschränkt auf zwingende Vorschriften, welche im öffentlichen Interesse zum Schutze Dritter erlassen worden sind. Innerhalb dieses Sachgebiets kommt dem Handelsregisteramt eine Willkürkognition zu.
Das Aktienkapital gemäss Art. 621 OR dient als minimales Haftungssubstrat für die Gläubiger. Liberiert wird es entweder durch Einlagen in Geld (Art. 633 OR) durch Sacheinlagen (Art. 634 OR). Eines der wichtigsten Prinzipien des Aktienrechts ist der Kapitalschutz, der sich namentlich bei der Gründung und der Kapitalerhöhung in dem Sinne auswirkt, dass das den Wirtschaftsteilnehmern in den Statuten und im Handelsregister kundgegebene Eigenkapital der Gesellschaft auch tatsächlich vollständig zur Verfügung gestellt wird (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009, § 1 N 117 und 172 f.) Dem Schutz vor Emissionsschwindel dienen unter anderem die Bestimmungen über die Sacheinlagen und -übernahmen (Art. 634 und 635 OR). Die Einhaltung der Kapitalschutznormen ist daher im öffentlichen Interesse und zum Schutze Dritter von den Handelsregisterbehörden zu überwachen (so ausdrücklich BGE 132 III 668, 674, E. 3.2.3.).
Gestützt auf die obenstehenden Erwägungen ist die Prüfung der Sacheinlagevorschriften durch das Handelsregisteramt des Kantons Bern nicht zu beanstanden. Ob hingegen eine Gesetzesverletzung vorliegt, welche sich zudem als offensichtlich und unzweideutig erweist, wird hienach zu prüfen sein.
3. Mietoder Pachtvertrag
Beim Pachtvertrag überlässt der Verpächter dem Pächter eine nutzbare Sache ein nutzbares Recht zum Gebrauch und zum Bezug der Früchte der Erträgnisse (Art. 275 Abs. 1 OR). Dem Mieter steht dagegen nur der blosse Gebrauch der ihm überlassenen Sache zu (Art. 253 OR), und zwar ohne Rücksicht auf ihre Nutzbarkeit.
Gemäss Ziff. 1 des mit Stellungnahme zur Duplik eingereichten Pachtvertrags für das Restaurant Y. überlässt die Verpächterin dem Pächter die Liegenschaft A. sowie die zur Liegenschaft gehörenden Gartenanteile. Obwohl lediglich von einer Überlassung die Rede ist, ergibt sich aus dem Kontext der übrigen Vertragsbestimmungen implizit, dass der Beschwerdeführer X. berechtigt ist, die Sache zu nutzen und die Erträgnisse zu beziehen. So gehen die Vertragsparteien in Ziff. 2 Abs. 4 des Pachtvertrages übereinstimmend von der Führung eines Restaurationsbetriebes aus. Die Kammer schliesst demnach auf das Vorliegen eines Pachtvertrages.
Nach Art. 299 Abs. 2 lit. b OR kann der Pächter für Verbesserungen Ersatz fordern, wenn sie sich aus Erneuerungen Änderungen ergeben, denen der Verpächter schriftlich zugestimmt hat. Abs. 2 von Art. 299 OR ist grundsätzlich dispositiv: Er gilt nur dann, wenn der Pächter zum Ersten Ersatz fordert und zum Zweiten die Voraussetzungen für diese Forderung auf Ersatzleistung erfüllt sind. Aus dergleichen Ersatzleistungen kann der Pächter zudem im Lichte von Art. 299 Abs. 4 grundsätzlich schon im Voraus gültig verzichten (vgl. Higi, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Zürich 2000, N 10 zu Art. 299 OR). Abs. 2 von Art. 299 OR ist relativ zwingend zu Gunsten des Pächters in dem Sinne, dass dieser sich nicht im Voraus zur Leistung von Entschädigungen an den Verpächter verpflichten kann, die mehr als eine Deckung von Schäden beinhalten (vgl. Art. 299 Abs. 4 OR). Demgegenüber ist es ohne weiteres zulässig, die Entschädigung für Erneuerungen und Änderungen im Voraus zu Gunsten des Pächters zu regeln. Diesfalls tritt die vertragliche Regelung an die Stelle der dispositiven Gesetzesbestimmung von Art. 299 Abs. 2 lit. b OR.
4. Zur Sacheinlagefähigkeit im Allgemeinen
Gegenstand der Sacheinlage kann jedes übertragbare Vermögensobjekt sein, dass einen feststellbaren wirtschaftlichen Wert hat (Bewertbarkeit) und aktivierbar ist (Bilanzierungsfähigkeit). Ausserdem muss die Sacheinlage verwertbar sein, da der Gegenstand gegebenenfalls der Befriedigung der Gläubiger dienen soll (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 15 N 10). Nicht eingelegt werden können künftige Forderungen (vgl. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., § 15 N 12). Untersteht das eingebrachte Wirtschaftsgut einer beschleunigten Abnützung und damit Abschreibung, so ist das unter Umständen wertmindernd zu berücksichtigen. Denn zusammen mit dem Aktivum des Guts wird der Barwert seines raschen Wertzerfalls als Passivum in die Gesellschaft eingebracht (Böckli, Schweizerisches Aktienrecht, 4. Auflage 2009, § 1 N 375).
5. Zur Sacheinlagefähigkeit der geltend gemachten Aktiva im Speziellen
5.1. Anstelle der dispositiven Gesetzesbestimmung von Art. 299 Abs. 2 lit. b OR sind vorliegend die Absätze 5 ff. von Ziffer 2 des Pachtvertrages einschlägig. Sie lauten wie folgt:
Für Festinvestitionen, (...), wird ein Abschreibungszeitraum von höchstens 15 Jahren, also bis 31. März 2014 festgelegt. Diese sind dem Pächter, sollte das Pachtverhältnis (...) aufgelöst werden, entsprechend der verbleibenden Restwerte zu vergüten.
Der Anfangswert bestimmt sich aus der Bauabrechnung, (...), höchstens aber aus den (...) offerierten Kosten, für welche die Bankgarantie das unwiderrufliche Zahlungsversprechen vorliegt.
Dieser Anfangswert allein ist für die Berechnung des Restwertes im Sinne dieses Vertrages verbindlich.
5.2. Im Handelsregister eingetragene Gesellschaften, Kommanditgesellschaften für kollektive Kapitalanlagen, Investmentgesellschaften mit variablem Kapital und im Handelsregister eingetragene Einzelunternehmen können ihr Vermögen Teile davon mit Aktiven und Passiven auf andere Rechtsträger des Privatrechts übertragen (Art. 69 Abs. 1 FusG). Der Universalsukzession gemäss Art. 69 FusG zugänglich sind grundsätzlich jede Form von Aktiven und Passiven (vgl. BSK FusG - Malacrida, Art. 69 N 8), mithin auch Forderungen bzw. Schuldverhältnisse i.w.S wie ein Mietoder Pachtverhältnis. Mit der Forderung gehen grundsätzlich auch deren Vorzugsund Nebenrechte über (Übertragungsakzessorietät; vgl. Art. 170 Abs. 1 OR).
Das Recht des Pächters auf Restwertvergütung der baulichen Investitionen in das Pachtobjekt ist in Ziff. xx des Pachtvertrages statuiert. Ob dabei von einer bereits existierenden erst künftigen, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehenden Forderung auszugehen ist, ist eine Frage technischer Natur und kann letztlich offen gelassen werden. Denn jedenfalls ist die entsprechende Berechtigung Teil des Vertrages, nämlich eine vertragliche Nebenleistungspflicht des Verpächters, und geht als solche auf den neu zu gründenden Rechtsträger Y. AG über, sei es nun als eigenständige Forderung eben als Teil des Pachtverhältnisses an sich. Als Zwischenfazit kann somit festgehalten werden, dass die Übertragbarkeit der Positionen „Umbau Liegenschaft“ und „Garten/Liftanbau“ gegeben ist.
Nebst der Übertragbarkeit ist auch die Bewertbarkeit der Sacheinlage erforderlich. Gemäss Pachtvertrag sind die geltend gemachten baulichen Investitionen in einem Abschreibungszeitraum von höchstens 15 Jahren, d.h. bis spätestens 31. März 2014, abzuschreiben. Wird der Vertrag nach diesem Zeitpunkt beendet, steht dem Pächter folglich kein Vergütungsanspruch mehr zu. Auch bei einer Beendigung des Vertragsverhältnisses vor diesem Zeitpunkt ist der Wert der Sacheinlage zum Bewertungsstichtag (grundsätzlich dem Tag der Anmeldung ins Handelsregister) unbestimmbar: Zwar wurden Anfangswert und Abschreibungssatz zumindest indirekt festgelegt. Zu vergüten ist indes gemäss Vertrag nicht der Anfangswert gemäss Bauabrechnung bzw. Bankgarantie/unwiderruflichem Zahlungsversprechen sonst ein Wert zu einem im Voraus bestimmten Zeitpunkt, sondern ausdrücklich der verbleibende Restwert zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dieser Restwert hängt logischerweise von der Dauer des Vertragsverhältnisses ab, und die ist bei einem unbefristeten Vertrag immer als ungewiss anzusehen.
6. Fazit
Wenn für die Entschädigungsforderung des Pächters gemäss Pachtvertrag die Restwerte massgebend sind, so stellt es eine unwahre Tatsache dar, wenn als Sacheinlage die Positionen „Umbau Liegenschaft“ und „Garten/Liftanbau“ gemäss Bilanz vom (...) mit immerhin CHF XXX’XXX.XX aktiviert werden. Ist ein Wertrückgang zwischen dem Stichtag der Bewertung und dem voraussichtlichen Tag der Eintragung absehbar, so hat die Bewertung mit einer angemessenen Sicherheitsmarge zu erfolgen, der Gründer hat dies zu erläutern, und der Prüfer muss die Angemessenheit bestätigen (vgl. Böckli, a.a.O., § 1 N 401). Eine solche Bestätigung wäre in casu gar nicht möglich, da der Restwert mangels befristetem Mietverhältnis nicht bestimmbar ist. Korrekterweise müssten die Investitionen somit mit CHF 0.00 bewertet werden. Daher geht es nicht an, gemäss Ziffer 1.5 des Gründungsberichts vom (...) den tatsächlichen Wert der Investitionen als Sacheinlage geltend zu machen bzw. als sacheinlagefähig zu verbuchen. Daran vermag auch der Nachtrag zum Gründungsbericht vom (...) nichts zu ändern: Massgebend für die Ersatzforderung ist nicht der Mehrwert der Liegenschaft gemäss Art. 260a Abs. 3 OR, sondern der Restwert gemäss Pachtvertrag.
Nach dem Gesagten fehlt es an der Sacheinlagefähigkeit der in der Übernahmebilanz mit insgesamt CHF XXX’XXX.XX aktivierten Positionen „Umbau Liegenschaft“ und „Garten/Liftanbau“. Mangels eines Aktivenüberschusses wird das Aktienkapital der Y. AG mittels Sacheinlagegründung nicht gedeckt. Die Abweisung der Handelsregisteranmeldung durch die Vorinstanz ist daher auch bei Berücksichtigung von deren lediglich auf Willkür beschränkten Kognition nicht zu beanstanden, was zur Abweisung der Beschwerde führt.
V.
[...]
Hinweis:
Dieser Entscheid ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen.