SK 2020 461 - Beschimpfungen
Obergericht
des Kantons Bern
1. Strafkammer
Cour suprême
du canton de Berne
1re Chambre pénale
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Urteil
SK 20 461
Bern, 30. August 2021
Besetzung Oberrichter Guéra (Vorsitz)
Oberrichter D. Bähler und Oberrichter Zuber
Gerichtsschreiberin Susedka
Verfahrensbeteiligte B.__
Beschuldigter/Berufungsführer
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern
Gegenstand Beschimpfungen
Berufung gegen das Urteil des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland (Einzelgericht) vom 17. September 2020 (PEN 19 1013 + 19 679 + 20 29)
Erwägungen:
I. Formelles
Erstinstanzliches Urteil
Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland (Einzelgericht; nachfolgend Vorinstanz) fällte gegen B.__ (nachfolgend Beschuldigter) am 17. September 2020 folgendes Urteil (pag. 248 ff.; Hervorhebungen im Original):
[…]
B.__ wird schuldig erklärt:
der Beschimpfung, mehrfach begangen,
1.1. am 12.05.2019, in D.__, z.N. von E.__,
1.2. am 10.07.2019, in D.__, z.N. von F.__,
1.3. am 12.11.2019, in G.__, z.N. von F.__,
und in Anwendung der
Art. 34, 42, 44, 47, 49 Abs. 1, 106, 177 Abs. 1 StGB,
Art. 426 ff. StPO
verurteilt:
1. Zu einer Geldstrafe von 13 Tagessätzen zu CHF 80.00, ausmachend total CHF 1'040.00.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 4 Jahre festgesetzt.
2. Zu einer Verbindungsbusse von CHF 320.00. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung wird auf 4 Tage festgesetzt.
3. Zu den Verfahrenskosten, sich zusammensetzend aus den Gebühren bestimmt auf CHF 2'750.00.
Wird keine schriftliche Begründung verlangt, reduziert sich die Gebühr um CHF 800.00. Die reduzierten Verfahrenskosten betragen damit CHF 1’950.00.
[Eröffnungsformel und Rechtsmittelbelehrung]
Berufung und Gang des oberinstanzlichen Verfahrens
Gegen dieses Urteil meldete der Beschuldigte am 17. September 2020 anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung (mündliche Urteilseröffnung) mündlich und schriftlich durch die Unterzeichnung der Berufungsanmeldung frist- und formgerecht die Berufung an (pag. 245; pag. 252). Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung mit Verfügung vom 26. Oktober 2020 (pag. 285/297) reichte der Beschuldigte form- und fristgerecht mit Eingabe vom 27. Oktober 2020 seine Berufungsanmeldung (recte: Berufungserklärung) ein, wonach rein vorsorglich vollumfänglich Berufung erhoben und gleichzeitig um Beiordnung eines Pflichtverteidigers ersucht werde (pag. 303). Mit Verfügung vom 29. Oktober 2020 gewährte die Verfahrensleitung der Generalstaatsanwaltschaft Gelegenheit, innert 20 Tagen Anschlussberufung zu erklären begründet ein Nichteintreten auf die Berufung zu beantragen. Weiter wurde die Generalstaatsanwaltschaft ersucht, innert gleicher Frist zum Gesuch um amtliche Verteidigung Stellung zu nehmen (pag. 305 f.). Mit gleicher Verfügung wurden die Parteien aufgefordert, innert 20 Tagen mitzuteilen, ob sie mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens einverstanden seien
oder nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte mit Schreiben vom 5. November 2020 mit, dass sie auf eine Teilnahme am oberinstanzlichen Verfahren verzichte (pag. 313). Nachdem sich der Beschuldigte bezüglich Durchführung eines schriftlichen Verfahrens innert Frist nicht vernehmen liess, wurde er mit Verfügung vom 23. November 2020 aufgefordert, innert 14 Tagen mitzuteilen, ob er an der «rein vorsorglich» eingereichten Berufung festhalte und ob er im Falle des Festhaltens an der Berufung – mit Blick auf die von ihm in Aussicht gestellte «separate Begründungsschrift» – mit einem schriftlichen Verfahren einverstanden sei (pag. 314 f.). Nachdem der Beschuldigte mit Schreiben vom 25. November 2020 unter anderem sinngemäss mitteilte, dass er an der Berufung festhalte, mit einem schriftlichen Verfahren nicht einverstanden sei und um einen Pflichtverteidiger ersuche, wurde mit Verfügung vom 13. Januar 2021 das Gesuch um amtliche Verteidigung abgewiesen und zur Berufungsverhandlung vorgeladen (pag. 317; pag. 321 ff.).
Mit Eingabe vom 14. Januar 2021 reichte der Beschuldigte ein mit «WIDERKLAGE gg die Verfügung SK 20 461» betiteltes Schreiben ein, wonach er unter anderem die Aufhebung des Verfahrens gegen ihn beantragte. Hierzu führte er sinngemäss aus, dass F.__ ihre Straf- und Zivilklage zurückgezogen habe und die angeblichen Beleidigungen gegen E.__ keine Beschimpfung im Sinne des Gesetzes seien (pag. 327 f.). Mit Verfügung vom 27. Januar 2021 hielt die Verfahrensleitung fest, dass davon ausgegangen werde, es handle sich bei diesem Schreiben nicht um ein Rechtsmittel gegen die Verfügung vom 13. Januar 2021 betreffend Abweisung des Gesuchs um amtliche Verteidigung, ansonsten der Beschuldigte ersucht werde, dies umgehend schriftlich klarzustellen. Des Weiteren wurden die beiden Strafantragstellenden F.__ und E.__ ersucht, innert 14 Tagen mitzuteilen, ob an den gestellten Strafanträgen festgehalten werde nicht (pag. 331 f.). Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 und 4. Februar 2021 teilten F.__ und E.__ mit, dass sie an ihren gestellten Strafanträgen festhalten (pag. 335 f.). Der Beschuldigte führte in seiner Eingabe vom 21. Januar 2021 unter anderem aus, dass sich seine «Widerklage» nicht auf die Abweisung der amtlichen Verteidigung beziehe (pag. 339).
Die Berufungsverhandlung vor der 1. Strafkammer fand am 30. August 2021 statt (pag. 351 ff.).
Oberinstanzliche Beweisergänzungen
Im Hinblick auf die Berufungsverhandlung wurde von Amtes wegen ein aktueller Strafregisterauszug über den Beschuldigten eingeholt (datierend vom 12. August 2021, pag. 349). Zudem wurde der Beschuldigte an der oberinstanzlichen Verhandlung ergänzend zur Person und zur Sache befragt, wobei er teilweise von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte (pag. 354 ff.).
Anträge des Beschuldigten
Anlässlich der oberinstanzlichen Hauptverhandlung verzichtete der Beschuldigte auf die Abhaltung eines Parteivortrages, hielt aber an den in seinen schriftlichen Eingaben gestellten Anträgen fest (pag. 357). Sinngemäss beantragte er darin einen vollumfänglichen Freispruch mit den diesbezüglichen Folgen (pag. 303; pag. 327 f.; pag. 339).
Verfahrensgegenstand und Kognition der Kammer
Die Kammer hat infolge der vollumfänglichen Berufung des Beschuldigten das gesamte erstinstanzliche Urteil zu überprüfen. Sie verfügt dabei über volle Kognition (Art. 398 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]). Sie ist aber aufgrund der alleinigen Berufung des Beschuldigten an das Verschlechterungsverbot gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO gebunden, d.h. sie darf das Urteil nicht zu Ungunsten der beschuldigten Person abändern (Verbot der reformatio in peius).
Das Verschlechterungsverbot gilt hingegen nicht in Bezug auf die Höhe des Tagessatzes von CHF 80.00, da für dessen Berechnung die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse massgebend sind (vgl. BGE 144 IV 198).
Erneutes Ausstandsgesuch des Beschuldigten
Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 30. August 2021 stellte der Beschuldigte sinngemäss ein Ausstandsgesuch gegen die ganze Kammer (pag. 352). Bereits im Vorverfahren, d.h. nach Bekanntgabe der geänderten Zusammensetzung des Gerichts mit Verfügung vom 7. April 2021 (Oberrichter A.__ [Vorsitz/Referent], Oberrichter C.__ [anstelle von Oberrichter H.__], Oberrichterin I.__) und mit Verfügung vom 27. Juli 2021 (Oberrichter A.__ [Vorsitz/Referent], Oberrichter J.__, Oberrichter K.__ [anstelle von Oberrichterin I.__]), beantragte der Beschuldigte zunächst den Ausstand von Oberrichter J.__ (SK 21 156) und schliesslich von Oberrichter A.__ und Oberrichter J.__ (SK 21 343). Mit Beschlüssen der 1. Strafkammer vom 17. Mai 2021 (SK 21 156) und 3. August 2021 (SK 21 343) wurden die Ausstandsgesuche abgewiesen bzw. wurde darauf nicht eingetreten. Auf die dagegen erhobenen Beschwerden trat das Bundesgericht mit Urteilen vom 26. Mai 2021 (Urteil des Bundesgerichts [BGer] 1B_261/2021) und 20. August 2021 (BGer 1B_441/2021) ebenfalls nicht ein. Auch in Bezug auf das gegen das Urteil 1B_261/2021 eingereichte Revisionsgesuch fällte das Bundesgericht einen Nichteintretensentscheid (BGer 1F_22/2021).
Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Bis zum Entscheid übt die betroffene Person ihr Amt weiter aus (Art. 59 Abs. 3 StPO). Gemäss Art. 59 Abs. 1 Bst. c StPO entscheidet das Berufungsgericht unter anderem, wenn einzelne Mitglieder des Berufungsgerichts betroffen sind. Ist hingegen das gesamte Berufungsgericht eines Kantons betroffen, fällt die Zuständigkeit an das Bundesstrafgericht (Art. 59 Abs. 1 Bst. d StPO). Offensichtlich missbräuchliche, unbegründete und querulatorische Gesuche können von der betroffenen Instanz selbst abgewiesen werden, sofern auf sie überhaupt eingetreten werden muss (Boog Markus, in: Basler Kommentar, StPO/JStPO, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 59 StPO mit weiteren Hinweisen).
Vorliegend wurden weder einen Ausstandsgrund begründende Tatsachen dargetan noch sind solche erkennbar. Infolge offensichtlicher Unbegründetheit kann die Kammer daher selbst über das Gesuch befinden (vgl. bspw. BGer 1B_57/2011 vom 31. März 2011 E. 3.1).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind pauschale Ausstandsgesuche gegen eine Behörde als Ganzes das ganze Gericht bzw. dessen Abteilungen Kammern grundsätzlich nicht zulässig. Rekusationsersuche haben sich auf einzelne Mitglieder der Behörde zu beziehen, und der Beschuldigte hat eine persönliche Befangenheit der betreffenden Personen aufgrund von Tatsachen konkret glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO). Ein formal gegen eine Gesamtbehörde gerichtetes Ersuchen kann daher in aller Regel nur entgegengenommen werden, wenn im Ausstandsbegehren Befangenheitsgründe gegen alle Einzelmitglieder ausreichend substanziiert werden. Das Gesetz (vgl. Art. 56 ff. StPO) spricht denn auch (ausschliesslich und konsequent) von Ausstandsgesuchen gegenüber «einer in einer Strafbehörde tätigen Person» (BGer 1B_97/2017 vom 7. Juni 2017 E. 3.2; BGer 1B_405/2014 vom 12. Mai 2015 E. 6.2; Boog Markus, in: Basler Kommentar StPO/JStPO, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 58 StPO m.w.H.).
Da der Beschuldigte auch bezüglich des anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung vom 30. August 2021 gestellten Ausstandsgesuchs gegen die ganze Kammer keine rechtsgenügliche Begründung betreffend die abgelehnten Personen vorbrachte und eine solche auch nicht ersichtlich wäre, ist darauf – sofern überhaupt rechtzeitig gestellt – nicht einzutreten.
Gültigkeit der Strafanträge
Beschimpfung nach Art. 177 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB; SR 311.0) wird nur auf Antrag verfolgt. Bei Antragsdelikten stellt der Strafantrag eine Prozessvoraussetzung dar, deren Vorliegen von Amtes wegen zu prüfen ist. Fehlt es an einem rechtgültigen Strafantrag, kann der Fall materiell nicht beurteilt werden und es ist die Einstellung des Verfahrens zu verfügen (Christof Riedo, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 108 f. zu Art. 30 StGB). Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt ist (Art. 31 StGB). Der Strafantrag ist bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft der Übertretungsstrafbehörde schriftlich einzureichen mündlich zu Protokoll zu geben (Art. 304 StPO). Verzicht und Rückzug des Strafantrages bedürfen der gleichen Form (Art. 304 Abs. 2 StPO). Nach Art. 33 Abs. 1 StGB kann die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. Ein Rückzug erfordert eine unmissverständliche auf den Rückzug gerichtete Willensäusserung (BGE 89 IV 57). Der Verzicht auf die Beteiligung als Privatklägerschaft gilt nicht als Rückzug des Strafantrages (BGE 138 IV 248 E. 4.2.1). Wird also der Strafantrag nicht ausdrücklich zurückgezogen, wird das Strafverfahren trotz zurückgezogener Privatklage fortgesetzt (Mazzucchelli Goran/Postizzi Mario, in: Basler Kommentar, StPO/JStPO, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 120 StPO).
Das Schreiben des Beschuldigten, in welchem er E.__ unter anderem als «Arschloch» und «absolut dumm» bezeichnete, datiert vom 12. Mai 2019 (pag. 4). Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 (Eingang Staatsanwaltschaft Region Berner Jura-Seeland: 16. Mai 2019) stellte E.__ frist- und formgerecht den erforderlichen Strafantrag gegen den Beschuldigten, erklärte aber gleichzeitig, dass er auf eine Privatklage verzichte (pag. 3).
Mit Schreiben vom 10. Juli 2019 (pag. 81) und 12. November 2019 (pag. 165) bezeichnete der Beschuldigte F.__ insbesondere als «arrogante Drecksau» und als «Schlampe», woraufhin sie ebenfalls frist- und formgerecht Strafantrag am 15. Juli 2019 (pag. 82) sowie am 20. November 2019 (pag. 166) bei der Polizei stellte und sich gleichzeitig als Privatklägerin konstituierte, aber mit Schreiben vom 17. August 2020 (pag. 226) erklärte:
Im Zusammenhang mit dem Strafverfahren i.S. B.__, L.__, M.__ ziehe ich meine Straf- und Zivilklage zurück. Der Strafantrag bleibt aufrechterhalten.
Auch auf Nachfrage der Kammer bestätigten sowohl E.__ als auch F.__ mit Schreiben vom 28. Januar 2021 bzw. 4. Februar 2021 nochmals ausdrücklich, dass an den von ihnen gestellten Strafanträgen festgehalten werde (pag. 335 [E.__]; pag. 337 [F.__]).
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass sowohl von E.__ als auch von F.__ frist- und formgerecht gestellte Strafanträge vorliegen. Entgegen der Ansicht des Beschuldigten gilt der Verzicht auf die Beteiligung als Privatklägerschaft nicht als Rückzug des Strafantrages. Alle drei Vorwürfe sind damit einer materiellen Prüfung zu unterziehen (vgl. auch die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz, pag. 273 f.; S. 17 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung).
II. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Vorbemerkungen
Hinsichtlich der theoretischen Grundlagen der Beweiswürdigung im Allgemeinen und im Speziellen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen (pag. 263 ff.; S. 7 ff. der erstinstanzlichen Begründung).
Generell kann vorweggenommen werden, dass die Vorinstanz die jeweils zur Verfügung stehenden Beweismittel vollständig auflistete und anschliessend sorgfältig und umfassend würdigte.
Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass der Beschuldigte anlässlich der Berufungsverhandlung nur marginale Aussagen machte. Sie werden deshalb vorab wiedergegeben und bei der nachfolgenden Erörterung der einzelnen Deliktsvorwürfe nicht nochmals erwähnt.
So führte der Beschuldigte auf entsprechende Nachfragen hin aus, dass er aufgrund des Todes seiner Ehefrau Ende Juli 2021 nun weniger Ergänzungsleistungen erhalte; es seien dies noch CHF 2'109.00 nebst der AHV-Rente von CHF 740.00. Die Schulden betrügen mittlerweile wohl rund CHF 90'000.00, nebst Verlustscheinen im Gesamtbetrag von ca. CHF 150'000.00. Zu den Schreiben, welche Grundlage der drei Vorwürfe wegen Beschimpfung bilden, wollte der Beschuldigte grundsätzlich keine Aussagen machen. Die Frage, ob die Unterschrift auf den drei vorgelegten Schreiben seine Unterschrift sei, bejahte er allerdings («Ja, es sieht danach aus, ja»). Zur Frage, in welchem Kontext und zu welchem Zweck diese Schreiben verfasst wurden, wollte sich der Beschuldigte nicht äussern (pag. 354 ff.).
Strafbefehl vom 26. Juli 2019 (BJS 19 12272): Beschimpfung vom 12. Mai 2019 zum Nachteil von Staatsanwalt E.__
Vorwurf gemäss Strafbefehl
Dem Beschuldigten wird im Strafbefehl vom 26. Juli 2019 – welcher als Anklageschrift gilt (Art. 356 Abs. 1 StPO) – vorgeworfen, den Geschädigten im Schreiben vom 12. Mai 2019 als «arrogantes Arschloch» und «absolut dumm» bezeichnet zu haben (pag. 58).
Einleitend ist zu bemerken, dass das Fehlen der namentlichen Erwähnung des Geschädigten im Strafbefehl für dessen Gültigkeit als Anklageschrift nicht abträglich ist, zumal der Beschuldigte aufgrund des aufgeführten Datums und der konkreten Wortwahl der inkriminierten Äusserungen wusste, um wen es ging, was ihm vorgeworfen wird und er sich entsprechend verteidigen konnte.
Unbestrittener / bestrittener Sachverhalt
Der Beschuldigte bestreitet nicht wirklich, den fraglichen Brief an Staatsanwalt E.__ verfasst zu haben und anerkennt seine Unterschrift. Allerdings bestreitet er, dass es sich hierbei um eine Beschimpfung handelt und macht geltend, dass es vielmehr eine Feststellung der Unfähigkeit von Staatsanwalt E.__ sei.
Beweismittel
Der Kammer liegen insbesondere das Schreiben vom 12. Mai 2019 (pag. 4), der Strafantrag von Staatsanwalt E.__ vom 14. Mai 2019 (pag. 3), der Nachtrag der Polizei vom 21. Juni 2019 (pag. 13 ff.) sowie die anlässlich der erst- und oberinstanzlichen Hauptverhandlung gemachten Aussagen des Beschuldigten (pag. 244; pag. 354 ff.) vor.
Beweiswürdigung durch die Kammer
Für die vorliegende Beweiswürdigung stehen im Wesentlichen die oberinstanzlich gemachten Aussagen des Beschuldigten vom 30. August 2021 sowie das fragliche Schreiben vom 12. Mai 2019 im Vordergrund. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, gehen aus dem Schreiben vom 12. Mai 2019 der Absender sowie die zu diesem Zeitpunkt korrekten Kontaktdaten des Beschuldigten hervor. Auch die auf dem Brief angegebene E-Mail-Adresse erwies sich als richtig, konnte mit dem Beschuldigten doch über diese Adresse ein Termin für die Einvernahme bei der Polizei vereinbart werden (welche aber in der Folge nicht durchgeführt werden konnte, vgl. pag. 13 ff.). Schliesslich bejahte der Beschuldigte anlässlich der oberinstanzlichen Befragung auf Vorlage des Schreibens vom 12. Mai 2019, dass es sich bei der Unterschrift um seine handle («ja, es sieht danach aus, ja», pag. 355 Z. 36 f.). Ergänzend zur Vorinstanz ist zudem zu erwähnen, dass die inkriminierten Äusserungen im Schreiben vom 12. Mai 2019 im Rahmen einer von Staatsanwalt E.__ geführten Untersuchung erfolgten, welcher eine Anzeige des Beschuldigten zugrunde lag (BM 19 17496, pag. 3 f.).
Insgesamt kann sich die Kammer der Beurteilung der Vorinstanz vollumfänglich anschliessen, wonach als erwiesen zu erachten ist, dass der Beschuldigte der Verfasser des Schreibens vom 12. Mai 2019 ist, in diesem Staatsanwalt E.__ als «absolut dumm» sowie als «arrogantes Arschloch» bezeichnete und das fragliche Schreiben anschliessend an die Geschäftsadresse von Staatsanwalt E.__ schickte, um seinen Ärger über die von ihm geführte Untersuchung zum Ausdruck zu bringen.
Strafbefehl vom 12. November 2019 (BJS 19 19981): Beschimpfung in der Zeit vom 10. Juli 2019 bis 12. Juli 2019 zum Nachteil von Rechtsanwältin F.__
Vorwurf gemäss Strafbefehl
Mit Strafbefehl vom 12. November 2019 – welcher als Anklageschrift gilt (Art. 356 Abs. 1 StPO) – wird dem Beschuldigten folgender Sachverhalt zur Last gelegt (pag. 115 f.):
Der Beschuldigte schrieb der Privatklägerin F.__ in ehrenrühriger Absicht einen Brief und bezeichnete sie darin als «arrogante Drecksau». Er führte in diesem Schreiben weiter aus, dass sie «rein gar nichts» vom Gesetz verstehe und beim Regierungsstatthalteramt «fehl am Platz» sei. Ausserdem sollte sie ihr Amt an eine «bessere Person überlassen» und ihre «Dummheit nicht so zur Schau stellen».
Unbestrittener / bestrittener Sachverhalt
Weder bestätigte noch bestritt der Beschuldigte, der Verfasser des Briefes vom 10. Juli 2019 zu sein, anerkennt indes seine Unterschrift. Er ist aber der Ansicht, dass die angebliche Beschimpfung ohnehin wegfalle, da Rechtsanwältin F.__ «das Zivil- und Strafverfahren zurückgezogen» habe.
Beweismittel
Als Beweismittel stehen insbesondere das Schreiben vom 10. Juli 2019 (pag. 81), das Formular «Strafantrag – Privatklage» vom 15. Juli 2019 (unterschrieben durch F.__, pag. 82 f.), der Anzeigerapport vom 8. August 2019 (pag. 78 ff.), die Aussagen des Beschuldigten vom 6. August 2019 (pag. 84 ff.), 17. September 2020 (pag. 244) und vom 30. August 2021 (pag. 354 ff.), die Aussagen von F.__ vom 15. Juli 2019 (pag. 88 ff.) sowie ein Schreiben des Regierungsstatthalteramtes N.__ (unterschrieben von F.__) vom 8. Juli 2019 an den Beschuldigten und seine Ehefrau, worin sie aufgefordert werden, die Wohnung am O.__ bis zum 15. Juli 2019 unverzüglich zu räumen und zu verlassen (pag. 91).
Beweiswürdigung durch die Kammer
Es kann vorab auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Ergänzend bzw. bestätigend ist festzuhalten, dass die Aussagen von Rechtsanwältin F.__ glaubhaft sind und entsprechend darauf abgestellt werden kann. Ihre Schilderung, wonach dem Beschuldigten vom Regierungsstatthalteramt N.__ ein Schreiben in Bezug auf seine Exmission am 8. Juli 2019 zugesendet wurde und er sich nach dessen Erhalt mit ihr telefonisch in Verbindung setzte, sie dabei aber nicht beschimpfte und anschliessend das fragliche Schreiben verfasst haben soll, stimmt mit den Beweismitteln überein – und zwar sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht. Denn das fragliche Schreiben vom 10. Juli 2019 nimmt offensichtlich Bezug auf die Exmission (vgl. die Wortwahl wie «Ausstände» und «Räumungsfrist», pag. 81) und erging zwei Tage nach der Räumungsaufforderung. Wie die Vorinstanz zudem richtig festhielt, passt die Aussage von F.__, wonach sie der Beschuldigte am Telefon nicht beschimpft habe, zu dem aus den Akten und der Berufungsverhandlung gewonnenen Eindruck, wonach sich der Beschuldigte bei persönlichen Begegnungen stets anständig und korrekt verhielt. Aus ihrer Aussage geht zudem hervor, dass sie den Beschuldigten nicht unnötig belastet, obwohl es ihr ein Leichtes gewesen wäre. Schliesslich wurden auch auf diesem Schreiben der korrekte Absender und die richtigen Kontaktdaten des Beschuldigten aufgeführt. Es bestehen auch hier keine Zweifel daran, dass der Beschuldigte das Schreiben vom 10. Juli 2019 verfasste, zumal ihm die beiden Schreiben an F.__ bekannt sind (vgl. seine Aussagen vom 17. September 2019, pag. 244 Z. 24 f.) und er bejahte, dass es sich bei der auf dem Schreiben ersichtlichen Unterschrift um seine handle bzw. es danach aussehe (pag. 355 Z. 36 f.). Weiter ist davon auszugehen, dass das fragliche Schreiben am 10. Juli 2019 verfasst wurde, zumal an diesem Tag das Telefongespräch zwischen dem Beschuldigten und F.__ stattfand und sie zwei Tage später den Brief erhielt – was auch mit der üblichen Dauer einer Postsendung übereinstimmt. Für die Kammer ist daher als erstellt zu erachten, dass der Beschuldigte – zur Äusserung seines Unmuts über den Räumungsbefehl – das Schreiben am 10. Juli 2019 verfasste, worin er F.__ als «arrogante Drecksau» bezeichnete und weiter ausführte, dass sie «rein gar nichts» vom Gesetz verstehe, «fehl am Platz sei» und ihr Amt einer «besseren Person» überlassen und ihre «Dummheit» nicht so zur Schau stellen solle.
Strafbefehl vom 16. Dezember 2019 (BJS 19 29930): Beschimpfung vom 12. November 2019 zum Nachteil von Rechtsanwältin F.__
Vorwurf gemäss Strafbefehl
Dem Beschuldigten wird mit Strafbefehl vom 16. Dezember 2019 – welcher als Anklageschrift gilt (Art. 356 Abs. 1 StPO) – vorgeworfen, Rechtsanwältin F.__ am 12. November 2019 in einem Brief an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben in ehrenrühriger Absicht als «Schlampe» bezeichnet zu haben (pag. 179 f.).
Unbestrittener / bestrittener Sachverhalt
Unbestritten ist, dass der Beschuldigte das Schreiben vom 12. November 2019 verfasste und unterschrieb. Allerdings macht er geltend, «es richtet sich alles nach Art. 172 Abs. 2 StGB» (recte: Art. 177 Abs. 2 StGB, pag. 169).
Beweismittel
Der Kammer liegen insbesondere das Schreiben vom 12. November 2019 (pag. 165), das Formular «Strafantrag – Privatklage» (unterschrieben durch F.__, pag. 166) vom 20. November 2019, der Anzeigerapport vom 29. November 2019 (pag. 162 ff.) sowie die Aussagen des Beschuldigten vom 27. November 2019 (pag. 167 ff.), vom 17. September 2020 (pag. 244) und vom 30. August 2021 (pag. 354 ff.) vor.
Beweiswürdigung durch die Kammer
Der Beschuldigte anerkennt, das Schreiben vom 12. November 2019 an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben verfasst zu haben, in welchem er die auf dem Regierungsstatthalteramt N.__ in P.__ tätige Rechtsanwältin F.__ als «Schlampe» bezeichnete. Er sieht sich allerdings im Recht, weil sie angeblich Amtsmissbrauch, Irreführung der «Amtspflege», Rechtsmissbrauch etc. begangen haben soll und es sich daher «nach Art. 177 Abs. 2 StGB richte». Zwar bestätigte er diese Aussagen anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht mehr, führte aber an der Berufungsverhandlung aus, dass es danach aussehe, dass es sich um seine Unterschrift auf den Briefen handle. Zudem wird auch in diesem Schreiben wiederum Bezug zur Exmission (mit Vermerk auf die korrekte Referenznummer e[x]mi Q.__) genommen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, vermag der Umstand, dass noch die frühere Adresse des Beschuldigten als Absender auf dem Brief vermerkt wurde, an der Überzeugung, dass der Beschuldigte diesen Brief verfasste, nichts zu ändern. Denn anlässlich seiner Befragung am 27. November 2019 führte der Beschuldigte aus, diesen Brief an seinem Domizil in G.__ verfasst zu haben (pag. 168 Z. 48 f.), was mit dem Gemeinderegisterauszug übereinstimmt, wonach er ab dem 1. Oktober 2019 in G.__ wohnhaft sei (pag. 124). Entsprechend ist mit der Vorinstanz einig zu gehen, dass der Briefkopf des Word-Dokuments mit seiner Adresse noch nicht angepasst wurde. Nach dem Gesagten gilt beweismässig als erstellt, dass der Beschuldigte am 12. November 2019 an seinem Domizil in G.__ einen Brief an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben verfasste, worin er F.__ als «Schlampe» bezeichnete, um seine Missbilligung ihr gegenüber auszudrücken.
III. Rechtliche Würdigung
Theoretische Grundlagen zu Art. 177 StGB
Der Beschimpfung nach Art. 177 Abs. 1 StGB macht sich auf Antrag strafbar, wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift. In «anderer Weise» bedeutet auf andere als in den Art. 173 und 174 StGB umschriebenen Arten. Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt (BGer 6B_918/2016 vom 28. März 2017 E. 6.3).
Art. 177 StGB ist ein Auffangtatbestand, in den sämtliche ehrverletzenden Äusserungen fallen, die sich nicht als Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten darstellen lassen. Darunter sind primär die alltäglichen Schimpfworte einzuordnen (BGer 6B_1270/2017 vom 24. April 2018 E. 2.2). Vom Tatbestand werden mithin Ehrverletzungen (Tatsachenbehauptungen gemischte Werturteile) unter vier Augen (d.h. nur dem Opfer gegenüber) und Ehrverletzungen in Form von Formalinjurien (reines Werturteil) gegenüber dem Opfer gegenüber Dritten erfasst (Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 177 StGB mit Hinweisen).
Eine Formaloder Verbalinjurie (d.h. ein reines Werturteil) ist ein blosser Ausdruck der Missachtung, ohne dass sich die Aussage erkennbar auf bestimmte, dem Beweis zugängliche Tatsachen stützt (Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 4 zu Art. 177 StGB mit Hinweisen), was bedeutet, dass Werturteile – im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen – einer Wahrheitsprüfung nicht zugänglich sind. Bei einem gemischten Werturteil hat eine Wertung einen erkennbaren Bezug zu Tatsachen. Ob ein reines ein gemischtes Werturteil vorliegt, muss aus dem ganzen Zusammenhang der Äusserung erschlossen werden (BGer 6B_1270/2017 vom 24. April 2018 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen).
Soweit Äusserungen auf Tatsachenbasis gemacht werden, inklusive die gemischten Werturteile, sind die Entlastungsbeweise nach Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB anwendbar, nicht aber bei reinen Werturteilen (BGer 6B_1270/2017 vom 24. April 2018 E. 2.2).
In subjektiver Hinsicht muss Vorsatz vorliegen, wobei Eventualvorsatz genügt. Gemäss Art. 12 Abs. 2 StGB begeht ein Verbrechen Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt (direkter Vorsatz). Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Eventualvorsatz). Subjektiv muss sich der Vorsatz bei der Beschimpfung durch Werturteil nur darauf richten, dass die Äusserung an die Ehre rührt, nicht auch darauf, dass sie nicht vertretbar ist (Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 14 zu Art. 177 StGB).
Art. 177 Abs. 2 StGB gibt dem Richter mit der Provokation einen fakultativen Strafausschliessungsgrund. Eine Provokation im Sinne dieses Tatbestandes liegt vor, wenn der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten gegenüber dem Beschimpfer anderen Personen zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben hat (Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 23 zu Art. 177 StGB). Die Unmittelbarkeit der Provokation ist zeitlich in dem Sinne zu verstehen, dass der Täter in der durch das ungebührliche Verhalten erregten Gemütsbewegung handelt, ohne dass er Zeit zu ruhiger Überlegung hat (Trechsel Stefan/Lieber Viktor, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, N. 7 zu Art. 177 StGB).
Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung Tätlichkeit erwidert worden, so kann der Richter einen beide Täter von der Strafe befreien (Art. 177 Abs. 3 StGB). Vorausgesetzt ist, dass der Täter unmittelbar reagiert (Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 27 zu Art. 177 StGB).
Subsumtion
ad Vorwurf 1: Brief vom 12. Mai 2019 z.N. von Staatsanwalt E.__
Wie bereits ausgeführt, liegt ein gültiger Strafantrag von E.__ vor (vgl. Erw. I.7. hiervor).
Der Beschuldigte bezeichnete E.__ mit Schreiben vom 12. Mai 2019 in D.__ als «arrogantes Arschloch» und «absolut dumm». Die Vorinstanz hielt hierzu zutreffend Folgendes fest (pag. 271 f.; S. 15 f. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung):
Der Beschuldigte machte anlässlich der Hauptverhandlung geltend, dass sämtliche Äusserungen unter vier Augen nicht strafbar seien. Damit verkennt der Beschuldigte, dass der Tatbestand der Beschimpfung gerade Ehrverletzungen unter vier Augen analog auf dem Korrespondenzweg und Ehrverletzungen in Form von Formalinjurien unter Strafe stellt, da diese von Art. 173 StGB und Art. 174 StGB nicht erfasst sind und sonst eine «Marktlücke» bestehen würde (BSK StGB II-Riklin, Art. 177 N 3). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte den Brief im Rahmen eines hängigen Strafverfahrens verfasste und dieser somit in den amtlichen Akten abgelegt werden muss. Der Brief gelangte so gezwungenermassen auch Dritten zur Kenntnis. Mit Blick auf das Vorgesagte handelt sich vorliegend um einen typischen Fall der Beschimpfung. Der Beschuldigte hat den Tatbestand der Beschimpfung unzweifelhaft sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
Obwohl oberinstanzlich nicht mehr geltend gemacht, ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass weder ein Fall von Provokation i.S. von Art. 177 Abs. 2 StGB noch eine Retorsion gemäss Art. 177 Abs. 3 StGB vorliegt. Weder wurde ein ungebührliches Verhalten eine Beschimpfung seitens E.__ durch den Beschuldigten dargetan noch ist ein solches ersichtlich. Darüber hinaus fehlt es an einer erforderlichen Affekthandlung des Beschuldigten, zumal die Äusserungen nicht direkt, sondern durch ein Schreiben erfolgten. Wie die Vorinstanz zudem richtig ausführte, wollte der Beschuldigte mit seinem Schreiben lediglich seinen Unmut über die rechtliche Würdigung des Staatsanwaltes in einem Strassenverkehrsdelikt zum Ausdruck bringen. Das Verhalten von E.__ rechtfertigt zusammengefasst daher keine Strafmilderung Strafbefreiung gestützt auf Art. 177 Abs. 2 und/oder Abs. 3 StGB.
Im Übrigen sind keine Rechtfertigungs- und/oder Schuldausschlussgründe ersichtlich dargetan worden.
Der Beschuldigte ist somit wegen Beschimpfung, begangen am 12. Mai 2019 in D.__ zum Nachteil von E.__ schuldig zu erklären.
ad Vorwurf 2: Brief vom 10. Juli 2019 z.N. von Rechtsanwältin F.__
Auch betreffend den zweiten Vorwurf der Beschimpfung liegt ein gültiger Strafantrag vor (vgl. Erw. I.7. hiervor).
Der Beschuldigte bezeichnete F.__ im Schreiben vom 10. Juli 2019 als «arrogante Drecksau», was ein klassisches Schimpfwort darstellt, mit dem der Beschuldigte F.__ vorsätzlich in ihrer Ehre angriff und diffamierte. Der objektive und subjektive Tatbestand der Beschimpfung ist somit erfüllt.
Des Weiteren führte der Beschuldigte mit Brief vom 10. Juli 2019 aus, dass F.__ «rein gar nichts» vom Gesetz verstehe, «fehl am Platz sei» und ihr Amt einer «besseren Person» überlassen und ihre «Dummheit» nicht so zur Schau stellen solle. Die Vorinstanz hielt hierzu zutreffend fest (pag. 272 f.; S. 16 f. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung):
Der Brief wurde direkt an die Geschädigte an ihrer Geschäftsadresse adressiert. Die Äusserung erfolgte somit nicht gegenüber Dritten. Der Brief wurde allerdings aufgrund eines hängigen Verfahrens verfasst und entsprechend in den amtlichen Akten abgelegt, sodass er für Dritte zugänglich war.
Bei den weiteren Ausdrücken, dass die Geschädigte «rein gar nichts» vom Gesetz verstehe, beim Regierungsstatthalteramt «fehl am Platz sei» und ihr Amt einer «besseren Person überlassen» und ihre «Dummheit nicht so zur Schau stellen» erhob der B.__ vorsätzlich ein gemischtes Werturteil, das nur gegenüber der Verletzten geäussert wurde. Dieses basiert auf der tatsächlichen Unterstellung, dass F.__ als Rechtsanwältin nicht über genügende Qualifikationen zur Ausübung ihrer Funktion beim Regierungsstatthalteramt verfügt sowie der die Ehre angreifenden, negativen Bewertung dieser Tatsache, namentlich, dass sie ihre Dummheit nicht so zur Schau stellen soll. Wird jemanden vorgeworfenen er sei dumm und solle dies nicht so zur Schau stellen, verletzt die Person klarer Weises in ihrer Eigenschaft als ehrbarer Mensch. Der Beschuldigte verbindet den Angriff auf die Geschädigte in ihrer beruflichen Stellung mit ihrem persönlichen Verhalten. Die im Brief gemachten Äusserungen beziehen sich nach Ansicht des Gerichts deshalb nicht nur auf den beruflichen Bereich von F.__, sondern betreffen im Gesamtzusammenhang des Briefes auch ihre grundsätzliche Geltung als ehrbarer Mensch. Sie sind damit als ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren.
Fraglich bleibt daher, ob der Beschuldigte den Entlastungsbeweis gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB führen kann. Grundsätzlich ist der Urheber der ehrverletzenden Äusserung zum Entlastungsbeweis zuzulassen (vgl. BGE 132 IV 116). In casu ging es dem Beschuldigten aber vorwiegend darum, F.__ Übles vorzuwerfen. Er handelte aus reiner Beleidigungsabsicht, da er über die Aufforderung des Regierungsstatthalteramtes zur Räumung seiner Wohnung erzürnt war. In dieser Aufforderung zur Räumung der Wohnung bestand denn auch keine begründete Veranlassung, solche Behauptungen aufzustellen. Der Beschuldigte wahrte damit weder private noch öffentliche Interessen. Er ist demnach nicht zum Entlastungsbeweis zuzulassen. Damit hat der Beschuldigte den Tatbestand der Beschimpfung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
Schliesslich bleibt auch hier der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass sich F.__ gegenüber dem Beschuldigten weder ungebührlich noch provokativ verhielt und ihm mithin keinen (unmittelbaren) Anlass zur Beschimpfung gab. Vielmehr gründet das Verhalten des Beschuldigten auf seinem Ärger über den von F.__ unterschriebenen amtlichen Räumungsbefehl. Es liegt mithin kein fakultativer Strafbefreiungs- und/oder Strafmilderungsgrund gemäss Art. 177 Abs. 2 und 3 StGB vor.
Des Weiteren sind keine Rechtfertigungs- und/oder Schuldausschlussgründe ersichtlich dargetan worden.
Der Beschuldigte ist daher wegen Beschimpfung, begangen am 10. Juli 2019 in D.__ zum Nachteil von F.__ schuldig zu erklären.
ad Vorwurf 3: Brief vom 12. November 2019 z.N. von Rechtsanwältin F.__
Auch in Bezug auf diesen Vorwurf der Beschimpfung liegt seitens F.__ ein gültiger Strafantrag vor (vgl. Erw. I.7. hiervor).
Die Beweiswürdigung ergab, dass der Beschuldigte F.__ mit Schreiben vom 12. November 2019 an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben als «Schlampe» bezeichnete. Der Begriff «Schlampe» hat je nach Kontext verschiedene Bedeutungen und kann daher ein reines ein gemischtes Werturteil darstellen («Schlampe» = «unordentliche Person» «Frau mit sog. unmoralischem promiskuitivem Lebenswandel») (Ackermann Jürg-Beat/Vogler Patrick /Baumann Laura/Egli Samuel, in: Strafrecht Individualinteressen – Gesetz, System und Lehre im Lichte der Rechtsprechung, 2019, Beschimpfung (Art. 177), S. 293).
Vorliegend verwendete der Beschuldigte den Ausdruck «Schlampe» nicht, um ein tatsächliches Verhalten von F.__ aufzudecken. Diese Bezeichnung stellte ein blosser Ausdruck der Missachtung dar, war er doch aufgrund des gegen ihn laufenden Exmissionsverfahrens verärgert. Seine Bezeichnung hat keinen Bezug zu Tatsachen und muss daher als reines Werturteil verstanden werden, weshalb wiederum einzig Art. 177 StGB zur Anwendung gelangt.
Indem der Beschuldigte F.__ in einem an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben adressierten Brief als «Schlampe» bezeichnete, hat er ihre Ehre angegriffen. Es gibt zudem keinerlei Zweifel daran, dass er darum wusste und diese Wirkung auch erzielen wollte. Dass diese Kundgabe der Verachtung gegenüber Drittpersonen (vorliegend Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben) erfolgte, ändert nichts an der Erfüllung des Tatbestandes von Art. 177 StGB, zumal es sich um ein reines Werturteil handelt und eine Äusserung gegenüber der Betroffenen selbst nicht erforderlich ist. Der Beschuldigte hat damit den objektiven und subjektiven Tatbestand von Art. 177 Abs. 1 StGB erfüllt. Strafbefreiungsgründe nach Art. 177 Abs. 2 und 3 StGB kommen vorliegend nicht in Betracht; es fehlt wiederum an der Unmittelbarkeit der Beschimpfung auf ein ungebührliches Verhalten eine Beschimpfung.
Es liegen weder Rechtfertigungs- noch Schuldausschlussgründe vor, weshalb der Beschuldigte wegen Beschimpfung, begangen am 12. November 2019 in G.__ zum Nachteil von F.__ schuldig zu erklären ist.
IV. Strafzumessung
Allgemeine Ausführungen
Betreffend die theoretischen Grundlagen der Strafzumessung wird integral auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen (pag. 275 f.; S. 19 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung).
Wie erwähnt, hat die Kammer das Verschlechterungsverbot zu beachten. Die nachfolgend auszufällende Strafe darf damit nicht höher als im angefochtenen Urteil ausfallen.
Strafrahmen
Der Beschuldigte ist vorliegend wegen drei Beschimpfungen zu bestrafen. Der ordentliche Strafrahmen der Beschimpfung beträgt Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen (Art. 177 Abs. 1 StGB). Es liegen keine aussergewöhnlichen Umstände vor, die eine Überoder Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens gebieten würden. Es gilt zudem das Verschlechterungsverbot.
Die Kammer richtet sich nach dem von der Vorinstanz gewählten Aufbau. Die chronologisch erste Beschimpfung gegenüber E.__ vom 12. Mai 2015 bildet somit den Ausgangspunkt zur Bestimmung der Einsatzstrafe. In einem zweiten und dritten Schritt ist die Einsatzstrafe aufgrund der weiteren Schuldsprüche wegen Beschimpfung vom 10. Juli 2019 und 12. November 2019 angemessen zu erhöhen.
Einsatzstrafe für die Beschimpfung vom 12. Mai 2019 z.N. von Staatsanwalt E.__
Objektive Tatkomponenten
Der Beschuldigte beschimpfte E.__ in einem Schreiben als «arrogantes Arschloch» und «absolut dumm». Wie die Vorinstanz richtig ausführte, wurde das fragliche Schreiben an die Staatsanwaltschaft zu Handen von E.__ versendet. Weil dieses Schreiben im Rahmen eines von E.__ geführten Verfahrens erfolgte, musste der Beschuldigte damit rechnen, dass der Brief Teil der Verfahrensakten wird und entsprechend von Dritten gelesen werden kann. Entgegen der Vorinstanz kann dem Beschuldigten nicht zu Gute gehalten werden, dass es sich bei diesen Dritten ausschliesslich um Amtsgeheimnisträger handelt, zumal die Akten grundsätzlich allen Parteien offenstehen (so auch der vom Beschuldigten angezeigten Person).
Das Handeln des Beschuldigten weist keine besondere Verwerflichkeit auf. Er ging nicht planmässig vor, sondern handelte im Rahmen einer Spontanreaktion aus einer Wut heraus.
Verglichen mit anderen tatbestandsmässigen Beschimpfungen ist die objektive Tatschwerde der vorliegenden Beschimpfung als relativ leicht zu qualifizieren.
Subjektive Tatkomponenten
Der Beschuldigte beschimpfte E.__ direktvorsätzlich, weil er sich über ihn ärgerte. Seine Beweggründe vermögen ihn somit nicht zu entlasten. Der Beschuldigte hätte sich ohne Weiteres rechtskonform verhalten und seine gegenteilige Meinung betreffend der Strafuntersuchung anständig kundtun können. Die subjektiven Tatkomponenten sind insgesamt als neutral zu werten.
Fazit Tatkomponenten
Die Richtlinien des Verbands Bernischer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (VBRS-Richtlinien) sehen für einen Täter, der den Geschädigten in Anwesenheit einer kleinen Gruppe anderer Personen (bis zehn) als «Arschloch», «Wixer» und «Dumme Siech» bezeichnet, eine Strafe von zehn Strafeinheiten vor (S. 48).
Der vorliegende Sachverhalt ist mit Blick auf die verwendete Wortwahl mit dem Referenzsachverhalt vergleichbar. Allerdings wurde die Beschimpfung nicht in Anwesenheit mehrerer Personen geäussert. Weil das Schreiben an die Geschäftsadresse versendet wurde, konnten aber auch andere Personen davon Kenntnis nehmen. Das (Gesamt-)Tatverschulden ist – in Relation zum Strafrahmen bis zu 90 Tagessätzen – noch als leicht einzustufen, so dass eine Strafe im unteren Drittel bzw. die von der Vorinstanz festgesetzten sieben Strafeinheiten angemessen erscheinen.
Asperation für die Beschimpfung vom 10. Juli 2019 z.N. von Rechtsanwältin F.__
Der Beschuldigte beschimpfte F.__ mit Schreiben vom 10. Juli 2019 als Reaktion auf den von ihr unterzeichneten amtlichen Räumungsbefehl – adressiert an das Regierungsstatthalteramt zu Handen von F.__ – als «arrogante Drecksau» und führte weiter aus, dass sie «rein gar nichts» vom Gesetz verstehe, «fehl am Platz sei» und ihr Amt einer «besseren Person» überlassen und ihre «Dummheit» nicht so zur Schau stellen solle. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, wirkt sich vorliegend – im Vergleich zum Referenzsachverhalt (VBRS-Richtlinien, S. 48) – straferhöhend aus, dass er F.__ nicht nur mit einem, sondern mit mehreren ungebührlichen Worten beschimpfte, wobei auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte bestand. Zudem lief im Tatzeitpunkt bereits ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen Beschimpfung zum Nachteil von E.__.
Unter dem Titel der subjektiven Tatschwere ist zudem festzuhalten, dass der Beschuldigte wiederum direktvorsätzlich handelte und es ihm ohne Weiteres möglich gewesen wäre, sich gesetzeskonform zu verhalten. Er hätte durchaus auf andere Art und Weise reagieren können. Mit der Vorinstanz ist allerdings einig zu gehen, dass das Exmissionsverfahren für den Beschuldigten sehr einschneidend und mit Existenzängsten verbunden war. Insgesamt erscheint die von der Vorinstanz festgelegte Strafe von sieben Strafeinheiten zwar eher wohlwollend, aber noch angemessen. Davon sind fünf Strafeinheiten zu asperieren, wodurch sich die Einsatzstrafe von sieben Strafeinheiten auf 12 Strafeinheiten erhöht.
Asperation für die Beschimpfung vom 12. November 2019 z.N. von Rechtsanwältin F.__
Mit Schreiben vom 12. November 2019 – diesmal nicht an die betroffene Person selbst, sondern an die Staatsanwaltschaft für Besondere Aufgaben adressiert – bezeichnete der Beschuldigte F.__ als «Schlampe». Die Vorinstanz hielt hierzu zutreffend Folgendes fest (pag. 279; S. 23 der ersinstanzlichen Urteilsbegründung:
Der Brief wurde somit nicht der Geschädigten privat adressiert, sondern direkt den Strafbehörden zugestellt und war demnach mehreren Personen zugänglich. Die Beschimpfung beschränkte sich allerdings auf ein Wort «Schlampe».
Der Brief datiert vom 12.11.2019 und somit zufälligerweise vom gleichen Tag wie die Zustellung des Strafbefehls wegen der Beschimpfung z.N. von F.__ vom 10.07.2019. Der Beschuldigte wusste zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes jedoch, dass bereits ein Strafverfahren wegen Beschimpfung gegen ihn hängig ist, da er am 06.08.2019 zu diesem einvernommen wurde. Das hängige Strafverfahren war ihm aber offensichtlich gleichgültig und er hat einen weiteren Brief an F.__ verfasst. Dieser Umstand ist leicht straferhöhend zu berücksichtigen. Seinem Unmut über Exmission hätte er auch auf legale Weise zum Ausdruck bringen können. Die Tat wäre demnach ohne weiteres vermeidbar gewesen.
Angesichts des gesetzlichen Strafrahmens liegt die objektive Tatschwere auch hier im leichten Bereich. Das direktvorsätzliche Handeln ist tatbestandsimmanent und daher als neutral zu gewichten. Insgesamt wäre die Beschimpfung aufgrund der objektiven und subjektiven Tatschwere bei einzelner Betrachtung mit sieben Strafeinheiten zu sanktionieren. In Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB rechtfertigt sich vorliegend eine Asperation um fünf Strafeinheiten, wodurch sich die Strafe auf 17 Strafeinheiten erhöht.
Täterkomponenten
Vorleben und persönliche Verhältnisse
Die Vorinstanz hielt zum Vorleben und den persönlichen Verhältnissen Folgendes fest (pag. 280; S. 24 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung):
Der Beschuldigte bezieht eine AHV Rente und erhält Ergänzungsleistungen (pag. 216 ff.). Er lebt mit seiner Ehefrau zusammen. Im Strafregister ist er mit einer Vorstrafe verzeichnet: Am 05.04.2011 wurde er wegen Verleumdung, übler Nachrede und falscher Anschuldigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu CHF 30.00 verurteilt (pag. 172). Die Vorstrafe ist zwar einschlägig, liegt aber bereits 9 Jahre zurück.
Ergänzend und aktualisierend ist festzuhalten, dass gemäss Aussagen des Beschuldigten anlässlich der Berufungsverhandlung seine Ehefrau am 28. Juli 2021 verstarb und er deshalb entsprechend weniger Ergänzungsleistungen erhält (pag. 354 Z. 26 ff.). Zudem ist die Vorstrafe vom 5. April 2011 in der Zwischenzeit gelöscht worden (vgl. Strafregisterauszug vom 12. August 2021, pag. 349), weshalb neu von Vorstrafenlosigkeit auszugehen ist. Die ebenfalls aufgeführte Strafuntersuchung (BA 20 224) war bei der Staatsanwaltschaft für Besonderen Aufgaben im Urteilszeitpunkt hängig und wird aufgrund der Unschuldsvermutung nicht berücksichtigt. Insgesamt sind das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten daher als neutral zu werten.
Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren
Der Beschuldigte verhielt sich im Strafverfahren gegenüber den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden stets korrekt. Die Vorinstanz hielt unter dem Titel Einsicht und Reue zutreffend fest (pag. 280 f.; S. 24 f. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung):
Der Beschuldigte hat allerdings weder Einsicht noch Reue gezeigt. Vielmehr hat er trotz laufender Strafverfahren in gleicher Manier weitere ehrverletzende Brief verfasst. Er bestätigte an der polizeilichen Einvernahme den Brief vom 12.11.2019 an F.__ verfasst zu haben. Dieses Geständnis wiederholte er an der Hauptverhandlung aber nicht. Bezüglich der Schreiben vom 12.05.2019 und vom 10.07.2019 war er ohnehin nicht geständig. Folglich kann ihm kein Geständnisrabatt gewährt werden. Allerdings darf sich das fehlende Geständnis angesichts des Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrechts auch nicht zu seinen Ungunsten auswirken.
Insgesamt wirkt sich sein Verhalten nach der Tat und im Strafverfahren daher neutral aus.
Strafempfindlichkeit
Es bestehen keine Hinweise auf eine erhöhte Strafempfindlichkeiten des Beschuldigten.
Fazit Strafe nach Berücksichtigung der Täterkomponenten
Im Ergebnis wirken sich die Täterkomponenten neutral aus, womit es bei der auf 17 Strafeinheiten festgesetzten Strafe bleibt.
Strafmass / Strafvollzug / Verbindungsbusse
Unter Berücksichtigung der Tat- und Täterkomponenten resultiert somit eine Geldstrafe von 17 Tagessätzen.
Mit Blick auf die veränderten finanziellen Verhältnisse des Beschuldigten (CHF 2’109.00 Ergänzungsleistungen; CHF 740.00 AHV-Rente) wird die von der Vorinstanz festgesetzte Tagessatzhöhe von CHF 80.00 auf CHF 70.00 reduziert.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen Vergehen abzuhalten.
Der Strafaufschub setzt nicht die positive Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren, sondern es genügt die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der Beschuldigte gilt als nicht (mehr) vorbestraft, delinquierte aber trotz eines laufenden Strafverfahrens wegen Beschimpfung. Allerdings hat sich der Beschuldigte seit dem letzten hier zu beurteilenden Vorfall vom 12. November 2019 wohl verhalten. Für den Beschuldigten liegt daher keine schlechte Legalprognose vor, weshalb ihm für die Geldstrafe der bedingte Strafvollzug zu gewähren ist, allerdings mit einer leicht erhöhten Probezeit von drei Jahren.
Gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB kann eine bedingte Geldstrafe mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden. Mit der Verbindungsstrafe soll die Möglichkeit geschaffen werden, im Bereich der Massendelinquenz eine spürbare Sanktion zu verhängen (BGE 134 IV 60 E. 7.3.1). Die Bestimmung dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (Botschaft (zur Änderung des Strafgesetzbuches […]) vom 29.06.2005, BBl 2005, S. 4699 ff. und S. 4705 ff.). Zudem trägt die unbedingte Verbindungsstrafe dazu bei, das unter spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten eher geringe Drohpotenzial der bedingten Geldstrafe zu erhöhen. Dem Verurteilten soll damit auch der Ernst der Lage vor Augen geführt und gezeigt werden, was bei Nichtbewährung droht (Bommer Felix, in: Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, Die Sanktionen im neuen AT StGB ein Überblick, Bern 2007, S. 35).
Um dem akzessorischen Charakter der Verbindungsstrafe gerecht zu werden, erscheint es sachgerecht, ihre Obergrenze grundsätzlich auf einen Fünftel beziehungsweise 20% der gesamten Strafe festzulegen. Abweichungen sind im Bereich tiefer Strafen denkbar, um sicherzustellen, dass der Verbindungsstrafe nicht eine lediglich symbolische Bedeutung zukommt (BGE 135 IV 188 E. 3.4.4).
Die Kammer erachtet unter den gegebenen Umständen das Ausfällen einer Verbindungsbusse als angezeigt. Von den insgesamt 17 Tagessätzen Geldstrafe wird deshalb im Umfang von vier Tagessätzen zu je CHF 70.00 eine Verbindungsbusse von CHF 280.00 ausgefällt, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung vier Tage beträgt (Art. 106 Abs. 2 StGB). Die restlichen 13 Tagessätze Geldstrafe zu je CHF 70.00, ausmachend CHF 910.00, bleiben als bedingte Strafe stehen.
Fazit Strafzumessung
Der Beschuldigte wird verurteilt zu einer Geldstrafe von 13 Tagessätzen à CHF 70.00, ausmachend CHF 910.00, sowie zu einer Verbindungsbusse von CHF 280.00 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage). Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre bestimmt.
V. Kosten und Entschädigung
Die beschuldigte Person trägt die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO haben die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens zu tragen.
Der Beschuldigte unterliegt im oberinstanzlichen Verfahren und wird wegen mehrfacher Beschimpfung verurteilt. Folglich hat er sowohl die erstinstanzlichen Verfahrenskosten, bestimmt auf CHF 2'750.00, als auch die oberinstanzlichen Verfahrenskosten, bestimmt auf CHF 2'500.00, zu tragen.
Zufolge seiner Verurteilung ist dem Beschuldigten keine Entschädigung auszurichten (Art. 429 Abs. 1 i.V.m. Art. 436 Abs. 1 StPO).
VI. Dispositiv
Die 1. Strafkammer beschliesst und erkennt:
I.
Auf das Ausstandsgesuch des Beschuldigten/Berufungsführers vom 30. August 2021 gegen die ganze Kammer wird nicht eingetreten.
II.
B.__ wird schuldig erklärt:
der Beschimpfung, mehrfach begangen,
1. am 12. Mai 2019 in D.__ z.N. von E.__;
2. am 10. Juli 2019 in D.__ z.N. von F.__;
3. am 12. November 2019 in G.__ z.N. von F.__
und in Anwendung der Artikel
34, 42, 44, 47, 49 Abs. 1, 106, 177 Abs. 1 StGB
426 Abs. 1, 428 Abs. 1 und 3 StPO
verurteilt:
1. Zu einer Geldstrafe von 13 Tagessätzen zu CHF 70.00, ausmachend total CHF 910.00.
Der Vollzug der Geldstrafe wird aufgeschoben und die Probezeit auf 3 Jahre festgesetzt.
2. Zu einer Verbindungsbusse von CHF 280.00. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung wird auf 4 Tage festgesetzt.
3. Zur Bezahlung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 2'750.00.
4. Zur Bezahlung der oberinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 2'500.00.
III.
Zu eröffnen:
• dem Beschuldigten/Berufungsführer
• der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern
Mitzuteilen:
• der Vorinstanz
• der Koordinationsstelle Strafregister (nur Dispositiv; nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
Bern, 30. August 2021
(Ausfertigung: 9. Dezember 2021)
Im Namen der 1. Strafkammer
Der Präsident i.V.:
Oberrichter Guéra
Die Gerichtsschreiberin:
Susedka
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht, Avenue du Tribunal Fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.