SK 2020 189 - Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, versuchte einfache Körperverletzung, Diebstahl etc.
Obergericht
des Kantons Bern
1. Strafkammer
Cour suprême
du canton de Berne
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Urteil
SK 20 189
Bern, 3. Dezember 2020
Besetzung Oberrichterin Friederich Hörr (Präsidentin i.V.),
Obergerichtssuppleant Zbinden, Oberrichter Vicari,
Gerichtsschreiberin Volknandt
Verfahrensbeteiligte A.__
amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt B.__
Beschuldigter
gegen
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern
Berufungsführerin
und
E.__ Genossenschaft, F.__ G.__, C.__
Strafklägerin
und
D.__
Strafkläger
Gegenstand Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, versuchte einfach Körperverletzung, Diebstahl etc.
Berufung gegen das Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland (Einzelgericht) vom 2. März 2020 (PEN 19 885)
Erwägungen:
I. Formelles
Erstinstanzliches Urteil
Das Regionalgericht Bern-Mittelland (Einzelgericht; nachfolgend: Vorinstanz) fällte gegen den Beschuldigten A.__ (nachfolgend: Beschuldigter) am 2. März 2020 folgendes Urteil (pag. 473 ff.; Hervorhebungen im Original):
I.
A.__ wird freigesprochen:
von der Anschuldigung der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, angeblich begangen am 28.03.2019 in G.__,
unter Auferlegung der anteilsmässigen Verfahrenskosten von 1/5 ausmachend CHF 1‘822.20, an den Kanton Bern.
Für die amtliche Verteidigung von A.__ wird Rechtsanwalt B.__ eine Entschädigung von CHF 1‘317.80 ausgerichtet.
II.
A.__ wird schuldig erklärt:
1. der versuchten einfachen Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, begangen am 28.03.2019 in G.__ z. N. von D.__,
2. des Diebstahls, mehrfach und gewerbsmässig begangen
2.1. am 19.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 89.85),
2.2. am 23.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 149.75),
2.3. am 27.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.4. am 05.03.2019 in G.__ z. N. I.__ (Versuch),
2.5. am 09.03.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 173.75),
2.6. am 12.03.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.7. am 13.03.2019 in G.__ z.N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.8. am 20.03.2019 in G.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 2.95),
2.9. am 27.03.2019 in L.__ z. N. E.__ Genossenschaft (Deliktsbetrag: CHF 315.50),
2.10. am 03.04.2019 in N.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 233.65),
2.11. am 06.04.2019 in G.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 3.60),
2.12. am 10.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 125.85),
2.13. am 15.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 209.75),
2.14. am 24.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 125.85),
2.15. am 01.05.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 167.80),
3. des Hausfriedensbruchs, mehrfach begangen
3.1 am 19.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.2. am 23.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.3. am 27.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.4. am 05.03.2019 in G.__ z. N. I.__,
3.5. am 09.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.6. am 12.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.7. am 13.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.8. am 20.03.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.9. am 03.04.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.10. am 06.04.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.11. am 10.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.12. am 15.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.13. am 24.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.14. am 01.05.2019 in G.__ z. N. H.__,
4. der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfach begangen in der Zeit vom 16.02.2019 bis zum 02.05.2019 in G.__ und allenfalls anderswo durch Konsum von Heroin, Kokain, Benzodiazepine und Valium,
5. der Widerhandlung gegen das Kantonale Strafgesetz, begangen am 06.04.2019 in G.__ durch Verunreinigen fremden Eigentums
und in Anwendung der Art. 22, 30, 40, 47, 48a, 49 Abs. 1 und 2, 66a Abs. 2, 123 Abs. 2, 139 Ziff. 2, 186 StGB, Art. 19a Ziff. 1 BetmG, Art. 8 KStrG, Art. 422 ff., 426 ff. StPO
verurteilt:
1. Zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019.
2. Zu einer Übertretungsbusse von CHF 400.00. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung wird auf 4 Tage festgesetzt, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019.
3. Auf die Anordnung einer Landesverweisung wird verzichtet (Härtefall).
4. Zu den anteilsmässigen Verfahrenskosten von 4/5, insgesamt bestimmt auf CHF 7‘288.80.
III.
1. Die amtliche Entschädigung und das volle Honorar für die amtliche Verteidigung von A.__ durch Rechtsanwalt B.__ werden wie folgt bestimmt:
Der Kanton Bern entschädigt Rechtsanwalt B.__ für die amtliche Verteidigung von A.__ mit CHF 5‘271.15.
A.__ hat dem Kanton Bern die ausgerichtete amtliche Entschädigung zurückzuzahlen und Rechtsanwalt B.__ die Differenz von CHF 1‘240.70 zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).
IV.
Im Zivilpunkt wird weiter verfügt:
1. Es wird festgestellt, dass A.__ anerkannt hat, der Privatklägerin E.__ Genossenschaft, F.__ G.__ einen Betrag von CHF 315.00 zu schulden. Die Zivilklage wird insoweit als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
2. Für den Zivilpunkt werden keine Kosten ausgeschieden.
V.
Weiter wird verfügt:
1. Die beschlagnahmten Drogen (1 Minigrip 0.7 g Heroin brutto) werden zur Vernichtung eingezogen (Art. 69 StGB).
2. Wird eine schriftliche Begründung verlangt nötig, entsteht eine Gebühr von CHF 800.00.
[Eröffnungsformel]
Berufung
Mit Eingabe vom 4. März 2020 meldete die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Bern-Mittelland, gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung an (pag. 480). Die Berufungserklärung der Generalstaatsanwaltschaft datiert vom 1. Mai 2020 und ging ebenfalls innert Frist am 1. Mai 2020 beim Obergericht des Kantons Bern ein (pag. 532 f.).
Der Beschuldigte, amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt B.__, teilte mit Eingabe vom 22. Mai 2020 mit, dass auf die Erklärung einer Anschlussberufung verzichtet werde und auch keine Nichteintretensgründe in Bezug auf die Berufung der Generalstaatsanwaltschaft geltend gemacht würden (pag. 539).
Die Strafklägerin und der Strafkläger haben sich innert Frist nicht vernehmen lassen.
Mit Verfügung vom 29. Mai 2020 wurde eine mündliche Berufungsverhandlung angeordnet (pag. 541 f.).
Die Berufungsverhandlung vor der 1. Strafkammer fand am 3. Dezember 2020 statt (pag. 701 ff.).
Oberinstanzliche Beweisergänzungen
Im Hinblick auf die oberinstanzliche Verhandlung wurden von Amtes wegen ein aktueller Führungsbericht beim Vollzugszentrum O.__ (datierend vom 14. August 2020; pag. 583) und ein aktueller Strafregisterauszug (datierend vom 19. November 2020; pag. 670 ff.) über den Beschuldigten eingeholt. Weiter wurde ein ergänzender Bericht im Hinblick auf die Prüfung der strafrechtlichen Landesverweisung (datierend vom 27. Oktober 2020; pag. 612 ff.) beim Polizeiinspektorat, Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei (EMF) eingeholt.
Zudem wurde der Beschuldigte an der oberinstanzlichen Verhandlung ergänzend einvernommen (pag. 704 ff.).
Anträge der Parteien
Staatsanwältin P.__ stellte und begründete an der oberinstanzlichen Verhandlung namens der Generalstaatsanwaltschaft/Berufungsführerin (nachfolgend: Generalstaatsanwaltschaft) folgende Anträge (pag. 711; pag. 721 f.; Hervorhebungen im Original):
I.
Es sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland (Einzelgericht) vom 02.03.2020 in Rechtskraft erwachsen ist hinsichtlich
1. des Freispruchs von der Anschuldigung der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamten, unter Auferlegung der anteilsmässigen Verfahrenskosten von 1/5 an den Kanton Bern und unter Ausrichtung einer Entschädigung von CHF 1'317.80 an Rechtsanwalt B.__;
2. der Schuldsprüche wegen versuchter einfacher Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, gewerbsmässigen Diebstahls, mehrfachen Hausfriedensbruchs, Konsum-Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerhandlung gegen das Kantonale Strafgesetz;
3. der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019 und zu einer Übertretungsbusse von CHF 400.00 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage), teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019 sowie zur Tragung der anteilsmässigen Verfahrenskosten von 4/5;
4. der Einziehung der beschlagnahmten Drogen.
II.
A.__ sei
zu verurteilen:
1. zu einer Landesverweisung von 8 Jahren;
2. zur Bezahlung der oberinstanzlichen Verfahrenskosten (inkl. eine angemessene Gebühr gemäss Art. 21 VKD).
III.
Im Weiteren sei das Honorar des amtlichen Verteidigers gerichtlich zu bestimmen (Art. 135 StPO).
Rechtsanwalt B.__ stellte und begründete namens des Beschuldigten folgende Anträge (pag. 714; pag. 723):
1. Es sei festzustellen, dass das Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 2. März 2020 bis auf Ziff. II.3 betreffend die Landesverweisung in Rechtskraft erwachsen ist.
2. Die Berufung vom 1. Mai 2020 betreffend die Landesverweisung sei abzuweisen und es sei auf die Anordnung einer Landesverweisung zu verzichten (Härtefall).
3. Die Kosten für das Berufungsverfahren seien dem Kanton Bern aufzuerlegen.
4. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung sei gemäss der Kostennote zu bestimmen.
Verfahrensgegenstand und Kognition der Kammer
Die Generalstaatsanwaltschaft hat das erstinstanzliche Urteil mit Berufungserklärung vom 1. Mai 2020 teilweise angefochten (pag. 532 f.). Konkret beschränkte sie ihre Berufung auf die Nichtanordnung der Landesverweisung (Ziff. II. 3. des erstinstanzlichen Urteils; pag. 476). Dieser Punkt des erstinstanzlichen Urteils ist somit durch die Kammer neu zu beurteilen. Weiter nicht in Rechtskraft erwachsen kann Ziff. II. 4. (Verurteilung zu den anteilsmässigen Verfahrenskosten) sowie Ziff. III. 1. (Entschädigung der amtlichen Verteidigung für das erstinstanzliche Verfahren).
Demgegenüber sind die Ziff. I. (Freispruch betreffend Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte), Ziff. II. (Schuldsprüche wegen versuchter einfacher Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, Diebstahls [mehrfach und gewerbsmässig begangen], Hausfriedensbruchs [mehrfach begangen], Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz [mehrfach begangen] und Widerhandlung gegen das Kantonale Strafgesetz), Ziff. II. 1. (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe), Ziff. II. 2. (Verurteilung zu einer Übertretungsbusse), Ziff. IV. (Zivilpunkt) und Ziff. V. (die weiteren Verfügungen) des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs nicht angefochten und damit in Rechtskraft erwachsen. Bei der Überprüfung des angefochtenen Punktes des erstinstanzlichen Urteils verfügt die Kammer über volle Kognition (Art. 398 Abs. 2 und 3 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]) und sie ist aufgrund der Berufung der Generalstaatsanwaltschaft nicht an das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO gebunden, d.h. sie darf das Urteil auch zu Ungunsten des Beschuldigten abändern.
II. Sachverhalt und Beweiswürdigung
1. Die erstinstanzlich ausgefällten Schuldsprüche sind unangefochten geblieben und in Rechtskraft erwachsen (vgl. Ziff. 5 oben). Die massgeblichen Sachverhalte sind somit erstellt und es kann dazu auf die zutreffenden erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden (S. 5 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung; pag. 489 ff.).
III. Rechtliche Würdigung
1. Auch betreffend die rechtliche Würdigung erübrigen sich eigene Ausführungen der Kammer und es kann auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden (S. 12 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung; pag. 496 ff.).
IV. Strafzumessung
1. Schliesslich hat der Beschuldigte auch die von der Vorinstanz festgesetzten Strafen nicht angefochten. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten und zu einer Übertretungsbusse von CHF 400.00 sind rechtskräftig. Im Rahmen der nachfolgenden Prüfung der Landesverweisung wird teilweise auch auf die Ausführungen der Vorinstanz zur Strafzumessung Bezug genommen.
V. Landesverweisung
Allgemeine Grundlagen zur obligatorischen Landesverweisung
Mit der Annahme der sogenannten Ausschaffungsinitiative wurde Art. 121 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV; SR 101) um die Absätze 3 – 6 ergänzt. Der Gesetzgeber setzte die Verfassungsbestimmungen in Art. 66a ff. des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) um. Nach dem Wortlaut des am 1. Oktober 2016 in Kraft getretenen Art. 66a Abs. 1 lit. o StGB verweist das Gericht den Ausländer, der wegen einer Widerhandlung gegen Art. 19 Abs. 2 BetmG verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für fünf bis fünfzehn Jahre aus der Schweiz. Die Landesverweisung greift dabei unbesehen dessen, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1474/2019 vom 23. März 2020 E. 1.1).
Nach Art. 66a Abs. 2 StGB (sogenannte Härtefallklausel) kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn (erste kumulative Bedingung) diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (zweite kumulative Bedingung) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Das Gericht muss bei der Ausübung seines ihm durch Art. 66a Abs. 2 StGB übertragenen Ermessens die Verfassungsprinzipien respektieren. Sind die Voraussetzungen der Härtefallklausel erfüllt, verlangt das in Art. 5 Abs. 2 BV verankerte Verhältnismässigkeitsprinzip, von einer Landesverweisung abzusehen (BGE 144 IV 332 E. 3 S. 336 ff.; Urteil des Bundesgerichts 6B_598/2019 vom 5. Juli 2019 E. 4.2).
Das Gesetz definiert weder was unter einem persönlichen Härtefall zu verstehen ist noch bezeichnet es die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bietet sich zur Beurteilung eines Härtefalls grundsätzlich eine Orientierung an den Kriterien zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bei Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Härtefalls gemäss Art. 31 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit von Ausländern (VZAE; SR 142.201 [Stand am 1. April 2020]) an.
In der neusten Fassung von Art. 31 Abs. 1 der VZAE wurde im Vergleich zur Fassung Stand 1. Mai 2017 der Buchstabe b (Respektierung der schweizerischen Rechtsordnung durch den Gesuchsteller) gestrichen. Abs. 1 lit. a VZAE seinerseits verweist aber neu auf die Integrationskriterien nach Art. 58a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20), wo in den lit. a und b die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. die Respektierung der Werte der Bundesverfassung erwähnt werden. Es bleibt somit auch gemäss aktueller Fassung der VZAE inhaltlich bei der Prüfung nach den gleichen Kriterien.
Neben der Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. der Respektierung der Werte der Bundesverfassung sind gemäss VZAE weiter folgende Kriterien massgebend: Die Familienverhältnisse – insbesondere der Zeitpunkt der Einschulung und die Dauer des Schulbesuchs der Kinder (lit. c), wobei das Wohl der Kinder vorrangig zu berücksichtigen ist (Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, UN-Kinderrechtskonvention [KRK; SR 0.107] und Art. 11 Abs. 1 BV; Urteil des Bundesgerichts 2C_17/2018 vom 24. August 2018 E. 2.2.3), die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille, am Wirtschaftsleben teilzunehmen und eine Ausbildung zu erlangen (lit. d), die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz (lit. e), der Gesundheitszustand (lit. f) sowie die Möglichkeiten der Wiedereingliederung im Herkunftsstaat (lit. g). Da die Auflistung in Art. 31 Abs. 1 VZAE nicht abschliessend ist, sind zudem die sozialen Wiedereingliederungsaussichten des Verurteilten miteinzubeziehen (BGE 144 IV 332 E. 3 S. 338 ff.; Urteil des Bundesgerichts 6B_598/2019 vom 5. Juli 2019 E. 4.2). Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen. Dabei darf das Gericht auch auf vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten abstellen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.2.2).
Bei der Beurteilung eines Härtefalls schreibt Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB des Weiteren vor, dass der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen sei, die in der Schweiz geboren aufgewachsen sind. Hierzu sind die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines Ausländers der zweiten Generation zu berücksichtigen. Diese nimmt an, dass der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung zwar mit besonderer Zurückhaltung vorgenommen werden muss, im Fall schwerer wiederholter Straftaten aber selbst bei einem in der Schweiz geborenen Ausländer, der sein ganzes Leben hier verbracht hat, nicht ausgeschlossen ist. Besonders zu beachten sind dabei die Intensität der Bindungen des Ausländers an die Schweiz und die Wiedereingliederungsschwierigkeiten in seinem Ursprungsland (BGE 144 IV 332 E. 3 S. 339 ff.).
Aus der parlamentarischen Debatte geht hervor, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, Ausnahmen von der obligatorischen Landesverweisung restriktiv zu regeln. Das richterliche Ermessen soll im Einzelfall so weit wie möglich eingeschränkt sein (BGE 144 IV 332 E. 3 S. 341 f.; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1474/2019 vom 23. März 2020 E. 1.1). Es ist nicht zu verkennen, dass die neue Regelung im Vergleich zur bisherigen Praxis des ausländerrechtlichen Ausweisungsregimes strenger ist. Das Bundesgericht ist daher nach einer ersten Stellungnahme dem parlamentarischen Willen gefolgt, die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative möglichst streng zu gestalten. Es erkannte, dass das Gesetz zweifellos eine restriktive Auslegung und Anwendung der Härtefallklausel verlangt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine Verweisung zwingend, es sei denn, besondere Umstände erlaubten, «ausnahmsweise» darauf zu verzichten. Ein Absehen von der Landesverweisung hat mithin den Ausnahmefall zu bilden (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.3 f.). Das bedeutet, dass soziale und wirtschaftliche Nachteile einer Rückkehr in das Herkunftsland unberücksichtigt bleiben müssen, soweit sie bei Landesverweisungen typischerweise vorkommen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1474/2019 vom 23. März 2020 E. 1.4). Des Weiteren ist bei der Orientierung an der Rechtsprechung zum Ausländerrecht die mit der Einführung von Art. 121 Abs. 3 – 6 BV und Art. 66a ff. StGB beabsichtigte Verschärfung der bestehenden Ordnung zu beachten (BGE 144 IV 332 E. 3 S. 342, vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 3.2).
Von einem schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist in der Regel bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) und Art. 13 BV verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen. Zum durch Art. 8 EMRK geschützten Familienkreis zählen in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. Andere familiäre Verhältnisse fallen in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK, sofern eine genügend nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung besteht (Urteile des Bundesgerichts 6B_690/2019 vom 4. Dezember 2019 E. 3.4 mit Hinweisen und 6B_612/2018 vom 22. August 2018 E. 2.2; BGE 144 II 1 E. 6.1 S. 12). Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens gilt nicht absolut: Liegt eine aufenthaltsbeendende -verweigernde Massnahme im Schutz- und Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK, erweist sich diese als zulässig, falls sie gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK entspricht (Schutz der nationalen öffentlichen Sicherheit, Aufrechterhaltung der Ordnung, Verhütung von Straftaten etc.) und verhältnismässig ist. Bei der Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK sind folgende Elemente zu beachten: (1) die Art und Schwere der begangenen Straftat und ob sie als Jugendlicher Erwachsener verübt wurde; (2) die Aufenthaltsdauer des Betroffenen im Land; (3) die seit der Tatbegehung vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers während dieser Zeit; (4) die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufnahmestaat und Herkunftsland; (5) der Gesundheitszustand sowie (6) die mit der aufenthaltsbeendenden Massnahme verbundene Dauer der Fernhaltung. Keines dieser Elemente ist für sich allein ausschlaggebend; erforderlich ist eine Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall. Das Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens nach Art. 8 Ziff. 1 EMRK gilt – in seiner verfahrensrechtlichen Tragweite – als verletzt, wenn keine umfassende, faire Interessenabwägung vorgenommen wird. Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (Urteil des Bundesgerichts 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.3).
Betreffend die Bemessung der Dauer der Landesverweisung steht dem Gericht grundsätzlich ein weites Ermessen zu. Zu beachten ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wobei namentlich die privaten Interessen des zu einer Landesverweisung Verurteilten mit dem je nach Art der begangenen Rechtsgutverletzung unterschiedlich starken öffentlichen Entfernungs- und Fernhalteinteresse miteinander in Einklang zu bringen sind. Weiter ist die Dauer der ausgesprochenen Landesverweisung wegen ihres Strafcharakters auch unter Berücksichtigung des Verschuldens des Täters zu bemessen. Zu beachten ist schliesslich auch, welche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom Täter ausgeht (vgl. BSK StGB-Zurbrügg/Hruschka, N. 27 ff. zu Art. 66a).
Beurteilung der Vorinstanz
Die Vorinstanz bejahte einen Härtefall nach Art. 66a Abs. 2 StGB und gewichtete das persönliche Bleibeinteresse des Beschuldigten höher als das öffentliche Ausweisungsinteresse. Sie begründete dies zusammengefasst wie folgt (S. 32 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung; pag. 516 ff.):
Zum Vorleben und den aktuellen Verhältnissen hielt die Vorinstanz zunächst fest, dass der Beschuldigte ein Ausländer zweiter Generation sei, ein sogenannter Secondo. Er sei in der Schweiz geboren und hier aufgewachsen. Er lebe seit der Geburt ununterbrochen in der Schweiz und sei im Besitz einer Niederlassungsbewilligung, die er seit 2017 nicht mehr verlängert habe, da er dazu physisch und psychisch nicht in der Lage gewesen sei. Er spreche schweizerdeutsch und italienisch. In Italien habe er sich nur für Ferien aufgehalten und dies seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Weiter habe der Beschuldigte einen in der Schweiz lebenden Bruder sowie seine Eltern, die nach wie vor in Bern wohnhaft seien. Er sei nicht verheiratet, habe keine Beziehung und keine Kinder. Einzig zu seinen Eltern habe er regelmässigen Kontakt, nicht aber zu seinem Bruder seinen Verwandten in Italien (Tante und deren Kinder).
Unter dem Titel Arbeits-und Ausbildungssituation führte die Vorinstanz aus, dass der Beschuldigte während der von ihm angefangenen Lehre zum Q.__ vor rund 25 Jahren in die harten Drogen gekommen sei und infolgedessen die Lehre habe abbrechen müssen. Sein gesamtes Leben sei von der Drogen- und Alkoholsucht sowie den damit verbundenen Krankheiten wie Hepatitis C geprägt. Er habe eine schwere Lungenkrankheit sowie weitere Krankheiten. Aufgrund seiner Sucht drifte er in die Kleinkriminalität ab und begehe vor allem eine Vielzahl von Beschaffungsdelikten. Der Beschuldigte sei seit vielen Jahren ohne Ausbildung und ohne Arbeitsstelle. Seine berufliche und wirtschaftliche Situation in der Schweiz sei schwierig, dies aber auch in Italien. Er sei von Sozialhilfe abhängig und habe offene Betreibungen und Verlustscheine in erheblicher Höhe. Das Ausüben einer Arbeitstätigkeit sei aufgrund der Drogen- und Alkoholsucht aussichtslos, was wiederum zur Abhängigkeit vom Sozialdienst führe.
Die Vorinstanz verneint vorliegend das Vorhandensein einer positiven Persönlichkeitsentwicklung, da sich der Beschuldigte schon länger nicht mehr dazu habe durchringen können, einen Entzug zu machen sich sonst Unterstützung zu holen. Hingegen sei beim Beschuldigten von einem sehr hohen Grad der Integration auszugehen, weil er hier aufgewachsen sei, berndeutsch spreche und hier sozialisiert worden sei. Schliesslich müsse aufgrund der in Italien weniger gut ausgebauten Hilfs- und Unterstützungsangebote mit einer Verschlechterung der gesundheitlichen und sozialen Situation gerechnet werden. Er habe nicht die nötigen Ressourcen, um in Italien Fuss zu fassen. Es sei davon auszugehen, dass er dort obdachlos werden und auf der Strasse enden würde. Schliesslich sei auch zu beachten, dass die Drogenabhängigkeit eine Krankheit sei und nicht etwa einem schwachen Willen des Beschuldigten angelastet werden könne.
Insgesamt ging die Vorinstanz davon aus, dass die Landesverweisung für den Beschuldigten zu einem derart gravierenden Eingriff führen würde, dass das Verlassen der Schweiz eine nicht hinnehmbare Härte darstellen würde.
Im Rahmen der Interessenabwägung kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die erheblichen öffentlichen Interessen hauptsächlich vermögensrechtlicher Natur seien, wohingegen die privaten Interessen des Beschuldigten vor allem dessen Gesundheit betreffen würden, wobei Erstere weniger gewichtig seien, weshalb auf die Landesverweisung unter Annahme des Vorliegens eines Härtefalls verzichtet wurde.
Vorbringen der Generalstaatsanwaltschaft
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte gestützt auf Art. 66a StGB die Verhängung einer obligatorischen Landesverweisung für 8 Jahre. Sie argumentierte anlässlich der Berufungsverhandlung, dass nur in Ausnahmefällen von einer Landesverweisung abgesehen werden dürfe, wenn ein Härtefall vorliege und das öffentliche Interesse kleiner als das private Interesse sei. Bei der Gewichtung seien die Art und die Schwere des begangenen Delikts und die Legalprognose wesentlich, wobei gemäss dem Bundesgericht der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen sei, welche in der Schweiz geboren und aufgewachsen seien. Das Bundesgericht sage aber auch, dass sich bei wiederholter Straffälligkeit ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung selbst dann rechtfertigen könne, wenn der Täter hier geboren sei und sein ganzes Leben hier verbracht habe. Bei schweren Straftaten, bei einem Rückfall bei wiederholter Delinquenz bestehe – so das Bundesgericht – ein wesentliches öffentliches Interesse daran, die weitere Anwesenheit des Täters zu beenden, soweit er hochwertige Rechtsgüter verletzt habe (vgl. BGE 139 I 16 E. 2.2.1). Anhand eines Blicks in das amtliche Bulletin könne erkannt werden, dass der Gesetzgeber auch süchtige Kleindealer unter die Bestimmungen der Landesverweisung habe fallen lassen wollen. Es sei die fakultative Landesverweisung eingeführt worden, um auch Wiederholungstäter im Bagatellbereich ausschaffen zu können (vgl. amtliches Bulletin der Bundesversammlung vom 10.12.2014 zum Geschäft Nr. 13 046 betreffend StGB/nStGB, Ausschaffung krimineller Ausländer, S. 1236 ff.; vgl. Aufsatz «Härtefallklausel», Plädoyer 5/2016, S. 102).
Der Beschuldigte pflege keinen regelmässigen Kontakt zu seiner Familie in der Schweiz und habe auch sonst keine weiteren Verwandten hier. Er verfüge über keine längeren und stabilen Beziehungen. Die familiären Verhältnisse würden deshalb keinen schweren persönlichen Härtefall begründen und stünden einer Landesverweisung nicht entgegen. Der Beschuldigte werde seit über 20 Jahren vom Sozialdienst unterstützt und habe bisher CHF 600'000.00 erhalten. Darüber hinaus weise er Schulden von über CHF 100'000.00 und Verlustscheine von CHF 60'000.00 aus. Es liege keine berufliche Integration vor. Der Sozialdienst und seine Mutter würden sich für seinen Verbleib in der Schweiz aussprechen, weil der Beschuldigte in Italien nicht mit so grosszügigen Hilfs- und Unterstützungsleistungen rechnen könne. Die reine soziale Sicherheit gebe ihm aber kein Recht, in der Schweiz bleiben zu dürfen. Er sei zudem zweisprachig (deutsch und italienisch) und verglichen mit der Schweiz sei es in Italien nicht schlechter als hier. Die berufliche und soziale Eingliederung des Beschuldigten sei in der Schweiz ebenfalls schlecht. Eine positive Persönlichkeitsentwicklung habe nicht stattgefunden, das zeige sich bereits an seinem Strafregisterauszug und den neu hinzugekommenen Delikten. Die Fremdenpolizei der Stadt Bern habe zudem eine Landesverweisung und die Wiedereingliederungschancen grundsätzlich für möglich gehalten. Das private Interesse des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz vermöge das öffentliche Interesse damit nicht zu überwiegen. Das private Interesse bestehe in der sozialen Sicherheit. Dem seien die öffentlichen Interessen gegenüber zu stellen. Er werde weiter durch den Sozialdienst unterstützt werden müssen, werde weitere Schulden anhäufen und Delikte begehen. Damit seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten. Die gesundheitliche Situation stelle den Knackpunkt dar. Allerdings könne hier der Vorinstanz nicht gefolgt werden. Vorliegend handle es sich beim Heimatland des Beschuldigten um Italien. Ein Land mit bestehenden sozialen Einrichtungen, mit einem bestehenden und auf hohem Niveau funktionierenden Gesundheitssystem. Italien verfüge über ein staatliches Gesundheitssystem, welches allen Bürgern – unabhängig vom sozialen Status und finanziellen Mitteln – eine einheitliche Grundversorgung ermögliche. Dies sei durch den nationalen Gesundheitsdienst gewährleistet. Mit Verweis auf die Rechtsprechung (Urteile des Bundesgerichts 2C_528/2020 vom 21. August 2020, 2C_611/2013 vom 13. Oktober 2014, 6B_1440/2019 vom 25. Februar 2019; Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 31. Oktober 2019, SB 19 0390; PEN 20 209 des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland vom 23. Juni 2020) und den Willen des Gesetzgebers, sei daher nicht von einem schweren persönlichen Härtefall auszugehen. Aufgrund seiner seit Jahren desolaten Lebensführung würden seine privaten Interessen an einem Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Folgerichtig sei eine Landesverweisung auszusprechen (pag. 711 ff.).
Vorbringen der Verteidigung
Die Verteidigung brachte anlässlich der Berufungsverhandlung vor, es sei wegen Vorliegens eines Härtefalls von der Landesverweisung abzusehen. Das vorinstanzliche Urteil sei zu bestätigen. Was ab diesem Urteil in der Zwischenzeit vorgefallen sei, dürfe vorliegend nicht berücksichtigt werden, was auch für den Bericht der Fremdenpolizei der Stadt Bern und die nicht unterzeichneten Anzeigerapporte gelte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die ausgesprochene Strafe gestützt auf Art. 48a StGB unter der Mindeststrafe festgesetzt worden sei.
Die Kriterien nach Art. 31 VZAE könnten positiv beantwortet werden: Der Beschuldigte sei italienischer Staatsangehöriger, der in der Schweiz geboren und aufgewachsen sei. Er sei physisch nicht in der Lage gewesen, seine Niederlassungsbewilligung zu verlängern. Die Schweiz sei sein Heimatland, wo er regelmässigen Kontakt zu seinen Eltern pflege. Seine Mutter kümmere sich rührend um ihn. Seine Verwandten in Italien hätten sich von ihm distanziert. Ansonsten kenne er dort niemanden und habe keinen Bezug zu diesem Land. Aufgrund ihrer Erkrankungen sei es den Eltern nicht mehr möglich, nach Italien zurückzukehren. Bei einer Landesverweisung wäre keine familiäre Bindung mehr vorhanden, der Beschuldigte würde obdachlos. Die familiären Verhältnisse vermögen einen Härtefall zu begründen. Neutral zu werten seien die berufliche Situation und seine persönliche Entwicklung. Aufgrund seiner Drogensucht habe er die Lehre abbrechen müssen und sei seither keiner geregelten Arbeit mehr nachgegangen. Es liege eine sehr starke Sucht vor. Dass er über keine Ausbildung und keine Arbeitsstelle verfüge, aber hohe Schulden aufweise, sei einzig den Drogen zuzuschreiben. Die Vorinstanz habe richtigerweise darauf hingewiesen, dass diese Drogensucht aus medizinischer Sicht ein krankwertiges Geschehen darstelle. Es dürfe dem Beschuldigten daher kein charakterliches Defizit zugesprochen auf einen fehlenden Willen geschlossen werden. Die Drogensucht des Beschuldigten sei auch das Produkt aus einer Zeit, in welcher in Bern eine offene Drogenszene geherrscht habe. Die Politik und die Behörden hätten das Problem erst spät erkannt. Seine Drogensucht sei damit auch ein gesellschaftliches Problem, weshalb die Schuld nicht nur dem Beschuldigten persönlich zugeschrieben werden könne. Die Drogensucht hindere ihn auch an der persönlichen Weiterentwicklung und an der Möglichkeit, sich von der Sozialhilfe zu lösen. Die gesellschaftliche Situation sei mitverantwortlich für die Situation des Beschuldigten, weshalb die Ausbildungs- und Arbeitssituation, die persönliche Entwicklung, die lange Sozialhilfeabhängigkeit und die Schulden nicht übermässig zu seinen Lasten gewertet werden dürften. Diese Kriterien seien neutral zu gewichten. Das Kriterium der Integration sei ebenfalls erfüllt; es liege ein hoher Grad an Integration vor. Seine Chancen würden in der Schweiz besser sein als in Italien. Eine Resozialisierung sei in Italien nicht möglich. Würde er in Italien leben müssen, würde eine Verschlechterung der gesundheitlichen und sozialen Situation eintreten. Schliesslich verfüge der Beschuldigte nicht über die nötigen Ressourcen, um sich in Italien durchschlagen zu können. Er würde obdachlos und auf der Strasse landen, weshalb die Ausführungen der Vorinstanz als richtig zu bestätigen seien.
Der Beschuldigte habe mit einem geringen Verschulden gehandelt, die Mindeststrafe sei unterschritten worden und es habe sich einzig um geringfügige Diebstähle gehandelt. Er habe damit seine Alkohol- und Drogensucht finanziert. Erst die Gewerbsmässigkeit habe es zu einer Katalogtat gemacht, wobei die Gewerbsmässigkeit nur knapp bejaht worden sei. Die öffentlichen Interessen seien rein finanzieller Natur. Die privaten Interessen seien in der Gesundheit des Beschuldigten zu sehen. Seine Gesundheit sei höher zu gewichten. Es sei deshalb im Ergebnis von der Anordnung einer Landesverweisung abzusehen.
Ferner verweist die Verteidigung auf das FZA und den Uno-Pakt II, welche der Landesverweisung – würde diese wider Erwarten angeordnet – entgegenstehen würden (pag. 714 ff.).
Erwägungen der Kammer
Vorbemerkungen
Ob ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, beurteilt sich wie erwähnt in erster Linie nach den Kriterien von Art. 31 Abs. 1 VZAE, welche weitgehend mit den Eingriffsvoraussetzungen nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK übereinstimmen.
Vorliegen einer Katalogstraftat
Der Beschuldigte ist italienischer Staatsbürger und verfügt(e) über eine Niederlassungsbewilligung C, gültig bis zum R.__ 2017 (pag. 248). Die Niederlassungsbewilligung ist unbefristet (Art. 34 Abs. 1 AIG). Jedoch wird der Ausländerausweis zur Kontrolle jeweils befristet ausgestellt. Weil der Beschuldigte das Gesuch um Verlängerung des Niederlassungsausweises nicht eingereicht hat, wurde er am 12. Juni 2020 u.a. wegen Widerhandlung gegen die VZAE und das AIG (Art. 90a VZAE und Art. 120 Abs. 2 AIG) zu einer Freiheitsstrafe von 30 Tagen und einer Busse von CHF 700.00 verurteilt (pag. 679 f.). Er ist Ausländer i.S.v. Art. 66a Abs. 1 StGB und wurde gemäss den vorstehenden Ausführungen rechtskräftig u.a. wegen gewerbsmässigen Diebstahls verurteilt. Dabei handelt es sich um ein Katalogdelikt (Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB), was im Regelfall die obligatorische Landesverweisung (Art. 66a Abs. 2 StGB e contrario) nach sich zieht.
Nachfolgend gilt es anhand der eingangs erwähnten Kriterien zu prüfen, ob beim Beschuldigten allenfalls die Ausnahme nach Art. 66a Abs. 2 StGB greift. Ausschlaggebend dafür ist – wie die Vorinstanz korrekt ausführt – ob ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt und ob die privaten Interessen des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung überwiegen.
Härtefallprüfung
Integration, Anwesenheitsdauer in der Schweiz, familiäre Verhältnisse, persönliche Entwicklung, finanzielle Verhältnisse, Rückfallgefahr, wiederholte Delinquenz und Gesundheitszustand
Das Vorleben des Beschuldigten wurde von der Vorinstanz im Rahmen der Strafzumessung zutreffend dargelegt und blieb weitgehend – bis auf die Frage der Beziehung zu seinen Eltern, insbesondere zu seiner Mutter – unstrittig (S. 27 ff. der erstinstanzlichen Urteilsbegründung; pag. 511 ff.). Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklungen ist zusammenfassend von Folgendem auszugehen:
Der Beschuldigte ist am S.__ in Bern geboren und aufgewachsen. Seine Eltern und sein Bruder leben ebenfalls in Bern. Er ist italienischer Staatsangehöriger und verfügt über eine Niederlassungsbewilligung C, die er seit 2017 nicht mehr verlängerte (pag. 248). Er spricht schweizerdeutsch und italienisch und verbrachte seine ganze Schulbzw. Kindersowie Jugendzeit in der Schweiz. Auch lebte er nie im Ausland, auch nicht für eine kurze Zeit. Infolge seiner frühen Drogenabhängigkeit erlernter er keinen Beruf bzw. brach die Berufslehre als Q.__ deswegen ab und erhält seit über 20 Jahren Sozialhilfe (pag. 249; pag. 292). Gemäss eigenen Angaben hätten sich seine einzigen Verwandten, seine Tante und Cousins, von ihm aufgrund der Drogensucht und der wiederholten Inhaftierungen distanziert (pag. 706 Z. 42 ff.). Zudem fühle er sich als Schweizer und kenne Italien nur von den Ferien (pag. 706 Z. 45; pag. 707 Z. 1). Eine Ausreise der Eltern im Anschluss an deren bevorstehende Pensionierung komme nach Aussage der Mutter nicht in Betracht, da der mittlerweile schwer erkrankte Vater auf die medizinische Behandlung in Bern angewiesen sei. Somit bestünde künftig für den Beschuldigten keine Familienanbindung und Unterstützung in Italien (pag. 406; pag. 408 f.).
Es ist unbestritten und zudem gestützt auf seine ganzen Lebensumstände klar, dass der Beschuldigte von der Sozialhilfe unterstützt werden muss. So räumte er anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 1. Juli 2019 auch selber ein, dass er für seine Eingliederung in das gesellschaftliche Leben nebst dem Sozialdienst auch einen geschützten Arbeitsbereich mit psychiatrischer Hilfe benötige (pag. 202 Z. 106 ff.). Ein geregeltes und stabiles (Berufs-)Leben sieht anders aus. Dies wird sich nach Ansicht der Kammer auch in (ferner) Zukunft nicht ändern. Finanziell wird er (wohl) – auch gestützt auf sein Alter und der fehlenden Berufsausbildung sowie seiner sehr schlechten Gesundheit – dauerhaft nicht auf eigenen Füssen stehen können und er hat hohe Schulden (vgl. pag. 652 ff.). Seine berufliche Zukunft ist mehr als unsicher. Er ist in keiner stabilen Beziehung und hat keine Kinder. Entsprechend ist auch mit der Vorinstanz einig zu gehen, dass der Beschuldigte keine positive Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht hat. Es ist fraglich, ob sich beim Beschuldigten aufgrund seiner langen Drogenabhängigkeit nun «alles zum Guten wenden» wird. Es braucht – und dies zeigte der Beschuldigte – mehrere Entzüge. Oft sind diese erfolglos.
Ob der Beschuldigte regelmässigen Kontakt zu seinen Eltern hat, insbesondere zu seiner Mutter, ist zu bezweifeln. Die Besuche im Gefängnis blieben bisher aus, was aber durchaus auf die momentane Corona-Situation zurückgeführt werden kann (pag. 706 Z. 2 ff.). Allerdings sagte der Beschuldigte selbst wiederholt aus, dass er selten Kontakt zu seinen Eltern habe (pag. 215 Z. 782; pag. 221 Z. 136). Dass ihm seine Mutter aber helfen will, ist offensichtlich (vgl. das von ihr verfasste Schreiben, pag. 408 f.). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichts 6B_1107/2019 vom 27. Januar 2020 E. 2.6.2 und 2.6.3) ist unter dem Aspekt von Art. 8 Ziff. 1 EMRK im vorliegenden Fall aber klarerweise nicht von einem «intakten» Familienleben, das einer Ausweisung klar entgegenstehen würde, auszugehen. Im Übrigen ist auch seine Aussage anlässlich der Berufungsverhandlung, wonach sein Bruder sein engster Freund in der Schweiz sei, wenig glaubhaft, zumal er bei seiner zweiten polizeilichen Befragung am 1. Juli 2019 präzisierte, selten Kontakt zu seinem Bruder zu haben (pag. 215 Z. 782; pag. 706 Z. 35 ff.).
Entgegen der Verteidigung sind auch die nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetretenen Ereignisse, soweit sie für die vorliegende Härtefallprüfung von Relevanz sind, miteinzubeziehen. Wie von der Vorinstanz erwähnt, wurde der Beschuldigte bereits zum wiederholten Male verurteilt (pag. 509 ff.). Im aktuellen Strafregisterauszug vom 19. November 2020 (pag. 670 ff.) figurieren nicht weniger als 27 Urteile, drei davon datierend nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 2. März 2020 und auch beinhaltend den an der Hauptverhandlung vor der Vorinstanz eingereichten Berichtsrapport vom 1. März 2020 (pag. 462 ff.). Den dem ergänzenden Bericht der Fremdenpolizei der Stadt Bern vom 27. Oktober 2020 beigefügten Anzeigerapporten (pag. 612 ff.) ist zu entnehmen, dass der Beschuldigte sich – nebst den bereits bei den obigen Verurteilungen erwähnten – wiederum u.a. wegen mehrfachen Ladendiebstahls und Hausfriedensbruchs zu verantworten hat; so z.B. Tatzeitpunkt am 22. Mai 2020 z.N. T.__ AG am 29. August 2020 z.N. E.__ Genossenschaft (Deliktsgut waren grossmehrheitlich Flaschen Dosen von Alkohol) wegen mehrfachen Konsumwiderhandlungen. Somit ist auch gesagt, dass die wiederholte Delinquenz und die Rückfallgefahr evident sind. Die Kammer geht davon aus, dass dies der Fall sein wird, bis der Beschuldigte seine Drogenabhängigkeit «in den Griff bekommt», z.B. durch ein funktionierendes Methadonprogramm sowie ein engmaschiges Betreuungsnetz und durch eine Alkoholabstinenz.
Der strafrechtliche Leumund des Beschuldigten hat sich nach dem Urteil der Vorinstanz (bisher) nicht nachhaltig geändert. Jedoch ist dies gestützt auf die schwere Suchterkrankung auch nicht zu erwarten gewesen, handelt es sich bei den noch offenen Anzeigen insbesondere um «Beschaffungskriminalität» und Konsumwiderhandlungen. Die Verurteilungen konnten den Beschuldigten – wegen seiner Suchterkrankung – gar nicht nachhaltig beeindrucken. Damit ist aber auch klar, dass er die Schweizer Rechtsordnung mehrfach nicht beachtet hat. Der Vollzug von Freiheitsstrafen konnte den Beschuldigten bisher jedenfalls nicht nachhaltig beeindrucken. Auch dies ist gestützt auf die Sucht nachvollziehbar. Sein Verhalten im Vollzug ist nicht tadellos (Verweis auf Führungsbericht des Vollzugszentrums O.__ vom 14. August 2020; pag. 583), was sicher nicht (nur) mit seiner Suchtkrankheit zu tun hat. Der Kreis des Drogenbeschaffens folgt den Entzugserscheinungen bzw. dem Verhindern von Entzugserscheinungen. Es ist aber klar festzuhalten, dass die Kammer das vom Beschuldigten an den Tag gelegte strafrechtlich relevante Verhalten nicht mit der Sucht entschuldigt; die Kammer sieht die schwere Drogenabhängigkeit einzig als Erklärung.
Der Beschuldigte ist süchtig nach Heroin, Kokain, Alkohol und Benzodiazepinen und bezieht Methadon als Substitution für das Heroin. Mehrere Versuche, von den Drogen wegzukommen, sind bisher gescheitert (pag. 201 Z. 70 ff.; pag. 222 Z. 174 ff.; pag. 249; pag. 705 Z. 8 ff.). Der Gesundheitszustand des Beschuldigten ist sehr schlecht. Gestützt auf die Akten ist davon auszugehen, dass er schwer krank ist; er hat insbesondere mit Folgeerscheinungen seiner langjährigen Drogensucht (Hepatitis C Blutvergiftungen sind nur zwei Beispiele) sowie mit der Lungenkrankheit COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit) zu kämpfen und hatte bereits mehrere Thrombosen erlitten (pag. 704 Z. 25 ff.). Der Beschuldigte ist auf eine gute ärztliche Versorgung angewiesen. Ob in Italien ein mittelloser, schwerst Suchtkranker, erst seit kurzem erstmals in Italien lebender Italiener, eine gute medizinische Versorgung erhält, muss offen gelassen werden, ist aber zu bezweifeln. Dies sagt aber nichts über das an sich gut funktionierende Gesundheitswesen in Italien aus.
Insgesamt sieht die Kammer – entgegen den Ausführungen der Vorinstanz und der Verteidigung – keinen hohen Grad von Integration beim Beschuldigten; er ist drogenkrank, beruflich nicht integriert und hat kein soziales Umfeld.
Möglichkeit der Wiedereingliederung im Heimatstaat, Aussichten auf soziale Wiedereingliederung in der Schweiz
Italien ist ein zivilisiertes Land mit einem Gesundheitssystem. Die Möglichkeit, eine Therapie zu machen, besteht auch dort. Allerdings ist fraglich, ob er auch die Möglichkeit eines Methadonprogramms hätte und wie gut das Gesundheitssystem tatsächlich ausgebaut ist. Immerhin war dies ein Argument für seine Eltern, aufgrund ihres Gesundheitszustandes in der Schweiz zu bleiben (Vater mit derselben Lungenkrankheit wie der Beschuldigte). Zudem hat der Beschuldigte kein Beziehungsnetz in Italien, auf das er zurückgreifen könnte. Er wäre auf sich allein gestellt und müsste sich mit dem italienischen Behördensystem vertraut machen, um sich eine Wohn-, Pflege- und Therapiesituation organisieren zu können. Dass er aufgrund seines Gesundheitszustandes sowie seiner 25-jährigen Drogenabhängigkeit nicht in der Lage dazu sein wird, hat sich bereits daran gezeigt, dass er nicht einmal in der Schweiz fähig war, seine Niederlassungsbewilligung innert drei Jahren zu verlängern. Mit seinen Ressourcen wird es ihm nicht gelingen, in Italien «Fuss zu fassen».
Zusammenfassend ist die Kammer überzeugt, dass – wie die Vorinstanz treffend ausführte – die Resozialisierungschancen in der Schweiz schlecht sind, in Italien aber als noch schlechter beurteilt werden müssen. Das Ausweisungsland Italien wäre an sich grundsätzlich unproblematisch, allerdings wird der Beschuldigte aufgrund seiner persönlichen Ressourcen bzw. fehlenden Ressourcen nicht in der Lage sein, sich in Italien Hilfe zu holen. Die Unterstützung, die er in der Schweiz erhält, sowohl von behördlicher als auch von familiärer Seite – wenn auch nicht in dem Ausmass, wie von der Verteidigung vorgebracht – würde in Italien aufhören.
Zwischenfazit
Zwar bedeutet zweifelsohne jede Landesverweisung eine persönliche Härte für den Betroffenen. Das Gesetz verlangt jedoch nicht nur eine Härte, sondern eine aussergewöhnliche Härte, d.h. eine Situation, die auch angesichts der sonst schon schweren Lage noch als besonders hart ins Auge springt (einen «Ausnahmefall», Urteil des Bundesgerichts 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.3). Die Kammer geht mit der Vorinstanz einig, dass vorliegend ein solcher schwerer persönlicher Härtefall i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB vorliegt.
Interessenabwägung
Die Interessenabwägung hat sich im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (Urteil des Bundesgerichts 6B_1070/2018 vom 14. August 2019 E. 6.3). Die Massnahme ist im Übrigen gesetzlich vorgesehen und entspricht einem legitimen Zweck, nämlich der Verhütung von Straftaten.
Einleitend ist zu bemerken, dass die gesellschaftliche Problematik – entgegen den Ausführungen der Verteidigung – bei der Prüfung eines Härtefalls bzw. bei der Interessenabwägung keine Bedeutung erlangt und daher nicht miteinzubeziehen ist.
Die Bejahung des Härtefalls i.S.v. Art. 66a Abs. 2 StGB führt zu einem erheblichen privaten Interesse des Beschuldigten am Verbleib in der Schweiz, welches vor allem aus seiner gesundheitlichen Situation herrührt. Seine Interessen sind nicht nur in sozialer Hinsicht zu sehen, sondern liegen vor allem an einem funktionierenden Gesundheitswesen. Demgegenüber liegt das öffentliche Interesse – welches allein schon durch das Vorliegen einer Katalogstraftat begründet wird – darin, weitere strafbare Handlungen des Beschuldigten zu verhindern. Die Kammer geht einig mit der Vorinstanz, dass das Verschulden des Beschuldigten in Bezug auf die begangenen Vermögensdelikte als eher gering – gerade auch mit Blick auf den modus operandi – zu werten ist: Der Beschuldigte begab sich zu den Ladenöffnungszeiten vor allem ins E.__ und stahl in der Regel Alkohol. Wurde er entdeckt, gab er dies anstandslos zu, wendete keine Gewalt an und ging auch sonst nicht besonders raffiniert vor. Der Beschuldigte beging die Diebstähle, um seine Alkohol- und Drogensucht zu finanzieren bzw. zu befriedigen. Das erstmals am 22. Mai 2020 vorgebrachte Argument, der Beschuldigte sei ein Kleptomane, sieht die Kammer demgegenüber als Schutzbehauptung. Hinzu kommt seine langjährige Sozialhilfeabhängigkeit und die erhebliche Rückfallgefahr. Es sind daher in erster Linie wirtschaftliche und finanzielle Interessen, welche das öffentliche Interesse ausmachen. Der Beschuldigte wurde zuvor wegen versuchter einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand schuldig gesprochen, wobei es sich um einen Einzelfall handelt. Eine Gefahr für die Allgemeinheit in dem Sinne, dass er jederzeit irgendjemanden angreifen könnte, besteht nicht. Er ist – trotz der versuchten einfachen Körperverletzung – nicht als Gewalttäter anzusehen.
Insgesamt sind die privaten Interessen des Beschuldigten höher zu gewichten als das öffentliche Interesse: Der Beschuldigte ist zwar nicht integriert und das Argument, dass er hier aufgewachsen ist und die Sprache beherrscht, genügt für sich allein nicht. Ausschlaggebend ist aber, dass der Beschuldigte schwer krank ist und in der Schweiz über ein Minimum an Netzwerk verfügt. Seine in der Schweiz lebende Familie kann ihn in Italien nicht unterstützen und von seinen anderen Verwandten ist keine Hilfe bzw. Unterstützung zu erwarten. Er verfügt über keinerlei Ressourcen, die es ihm erlauben würden, seine soziale und gesundheitliche Einbettung auf einen guten Weg zu bringen. Wenn er des Landes verwiesen würde, würde er aufgeben und – wie die Vorinstanz und die Verteidigung ausführten – auf der Strasse enden und obdachlos werden. Er hat ein vitales Interesse in der Schweiz bleiben zu dürfen, welches einem wirtschaftlichen Interesse gegenübersteht, wobei Ersteres überwiegt, zumal die Gefährdung als nicht derart hoch eingestuft werden kann. Das Sicherheitsbedürfnis ist als geringer zu gewichten. Zusammenfassend ist daher nach Ansicht der Kammer der Vorinstanz und ihrer Erläuterungen zu folgen, trotz (oder gerade wegen) der erneuten identischen Delinquenz (Beschaffungskriminalität) seit der Urteilsfällung. Die höhere Gewichtung der privaten Interessen gegenüber den öffentlichen Interessen hat sich seit der Urteilsfällung daher nicht geändert. Als Folge dessen ist auf die Anordnung einer obligatorischen Landesverweisung infolge Härtefalls (Art. 66a Abs. 2 StGB) abzusehen.
VI. Kosten und Entschädigungen
Verfahrenskosten
Erstinstanzliches Verfahren
Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung (Art. 428 Abs. 3 StPO). Die beschuldigte Person trägt die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO). Bei einem Freispruch trägt grundsätzlich der Kanton Bern die Verfahrenskosten (Art. 423 Abs. 1 StPO).
Der erstinstanzliche Kostenentscheid wird infolge Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Hinweis auf die vorinstanzliche Begründung bestätigt (S. 38 der erstinstanzlichen Urteilsbegründung; pag. 522). Der Beschuldigte hat demnach anteilsmässige erstinstanzliche Verfahrenskosten, sich zusammensetzend aus Gebühren von CHF 7'288.80 (4/5) und Urteilsbegründungskosten von CHF 800.00, total ausmachend CHF 8'088.80, zu tragen.
Oberinstanzliches Verfahren
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Ob eine Partei im Rechtsmittelverfahren als obsiegend unterliegend gilt, hängt davon ab, in welchem Ausmass ihre vor Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen wurde.
Die Generalstaatsanwaltschaft unterliegt im oberinstanzlichen Verfahren vollumfänglich. Entsprechend werden die gesamten oberinstanzlichen Verfahrenskosten dem Kanton Bern auferlegt. Diese werden bestimmt auf CHF 2’500.00 (Art. 5 i.V.m. Art. 24 lit. a des Verfahrenskostendekrets [VKD; BSG 161.12]).
Amtliche Entschädigungen
Erstinstanzliches Verfahren
Zu den Verfahrenskosten gehören grundsätzlich auch die Kosten der amtlichen Verteidigung (Art. 422 Abs. 2 lit. a StPO). Diese werden von der Kammer jedoch praxisgemäss separat ausgewiesen.
Auf die Höhe der amtlichen Entschädigung ist im Berufungsverfahren von Amtes wegen nur dann zurückzukommen, wenn die Vorinstanz das ihr bei der Honorarfestsetzung zustehende Ermessen in unhaltbarer Weise ausgeübt haben sollte (Urteile des BGer 6B_349/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 2.4.2, 6B_769/2016 vom 11. Januar 2017 E. 2.3). Solches ist vorliegend nicht der Fall.
Für das erstinstanzliche Verfahren wird die Entschädigung der amtlichen Verteidigung des Beschuldigten, Rechtsanwalt B.__, soweit auf die Schuldsprüche entfallend auf CHF 5'271.15 (inkl. Auslagen und MwSt.) festgesetzt. Der Beschuldigte hat dem Kanton Bern die für das erstinstanzliche Verfahren ausgerichtete amtliche Entschädigung von CHF 5'271.15 zurückzuzahlen und Rechtsanwalt B.__ die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar, ausmachend CHF 1'240.70, zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).
Oberinstanzliches Verfahren
Für das oberinstanzliche Verfahren macht Rechtsanwalt B.__ mit Kostennote vom 3. Dezember 2020 eine amtliche Entschädigung von insgesamt CHF 5'983.25 (inkl. Auslagen und MwSt.) geltend, was einem Zeitaufwand von 21.8 Stunden entspricht (pag. 724 ff.). Darauf entfallen gemäss Leistungsnachweis 8 Stunden auf die oberinstanzliche Hauptverhandlung (inkl. Vor- und Nachbesprechung). Diese Dauer ist aufgrund des Verzichts auf die Durchführung einer Urteilseröffnung auf 3.5 Stunden zu kürzen (2.5 Stunden Hauptverhandlung + 1 Stunde Nachbesprechung). Gesamthaft wird Rechtsanwalt B.__ somit für seinen Aufwand im Berufungsverfahren für 17.3 Stunden, ausmachend 3'840.05 (inkl. Auslagen und MwSt.), entschädigt.
Für das oberinstanzliche Verfahren besteht weder eine Rück- noch eine Nachzahlungspflicht des Beschuldigten im Sinne von Art. 135 Abs. 4 StPO.
VII. Verfügungen
Die vorinstanzlichen Verfügungen unter Ziff. V. des erstinstanzlichen Urteilsdispositivs (pag. 477) sind in Rechtskraft erwachsen (vgl. Ziff. 5 hiervor).
VIII. Dispositiv
Die 1. Strafkammer erkennt:
I.
Es wird festgestellt, dass das Urteil des Regionalgerichts Bern-Mittelland vom 2. März 2020 (PEN 19 885) insoweit in Rechtskraft erwachsen ist, als:
A.
A.__ freigesprochen wurde
von der Anschuldigung der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, angeblich begangen am 28.03.2019 in G.__,
unter Auferlegung der anteilsmässigen Verfahrenskosten von 1/5, ausmachend CHF 1'822.20, an den Kanton Bern sowie unter Ausrichtung einer Entschädigung von CHF 1'317.80 an Rechtsanwalt B.__ für die amtliche Verteidigung von A.__.
B.
A.__ schuldig erklärt wurde:
1. der versuchten einfachen Körperverletzung mit gefährlichem Gegenstand, begangen am 28.03.2019 in G.__ z. N. von D.__,
2. des Diebstahls, mehrfach und gewerbsmässig begangen
2.1. am 19.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 89.85),
2.2. am 23.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 149.75),
2.3. am 27.02.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.4. am 05.03.2019 in G.__ z. N. I.__ (Versuch),
2.5. am 09.03.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 173.75),
2.6. am 12.03.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.7. am 13.03.2019 in G.__ z.N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 119.80),
2.8. am 20.03.2019 in G.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 2.95),
2.9. am 27.03.2019 in L.__ z. N. E.__ Genossenschaft (Deliktsbetrag: CHF 315.50),
2.10. am 03.04.2019 in N.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 233.65),
2.11. am 06.04.2019 in G.__ z. N. K.__ (Deliktsbetrag: CHF 3.60),
2.12. am 10.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 125.85),
2.13. am 15.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 209.75),
2.14. am 24.04.2019 in G.__ z. N. J.__ (Deliktsbetrag: CHF 125.85),
2.15. am 01.05.2019 in G.__ z. N. H.__ (Deliktsbetrag: CHF 167.80),
3. des Hausfriedensbruchs, mehrfach begangen
3.1. am 19.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.2. am 23.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.3. am 27.02.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.4. am 05.03.2019 in G.__ z. N. I.__,
3.5. am 09.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.6. am 12.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.7. am 13.03.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.8. am 20.03.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.9. am 03.04.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.10. am 06.04.2019 in G.__ z. N. K.__,
3.11. am 10.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.12. am 15.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.13. am 24.04.2019 in G.__ z. N. H.__,
3.14. am 01.05.2019 in G.__ z. N. H.__,
4. der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfach begangen in der Zeit vom 16.02.2019 bis zum 02.05.2019 in G.__ und allenfalls anderswo durch Konsum von Heroin, Kokain, Benzodiazepine und Valium,
5. der Widerhandlung gegen das Kantonale Strafgesetz, begangen am 06.04.2019 in G.__ durch Verunreinigen fremden Eigentums
und in Anwendung der
Art. 22, 30, 40, 47, 48a, 49 Abs. 1 und 2, 123 Abs. 2, 139 Ziff. 2, 186 StGB
Art. 19a Ziff. 1 BetmG
Art. 8 KStrG
verurteilt wurde:
1. Zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019.
2. Zu einer Übertretungsbusse von CHF 400.00. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhafter Nichtbezahlung wird auf 4 Tage festgesetzt, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil der regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 12.03.2019.
C.
Im Zivilpunkt weiter verfügt wurde:
1. Es wird festgestellt, dass A.__ anerkannt hat, der Privatklägerin E.__ Genossenschaft, F.__ G.__ einen Betrag von CHF 315.00 zu schulden. Die Zivilklage wird insoweit als gegenstandslos geworden abgeschrieben.
2. Für den Zivilpunkt werden keine Kosten ausgeschieden.
D.
Weiter verfügt wurde:
Die beschlagnahmten Drogen (1 Minigrip 0.7 g Heroin brutto) werden zur Vernichtung eingezogen (Art. 69 StGB).
II.
Es wird gestützt auf Art. 66a Abs. 2 StGB keine Landesverweisung angeordnet.
III.
A.__ wird aufgrund der rechtskräftigen Schuldsprüche gemäss Ziff. I. B. hiervor
und in Anwendung der
Art. 426, 428 Abs. 1 StPO
verurteilt:
Zur Bezahlung der anteilsmässigen erstinstanzlichen Verfahrenskosten von 4/5, insgesamt bestimmt auf CHF 8'088.80 (Gebühren von CHF 7'288.80 und schriftliche Urteilsbegründung von CHF 800.00).
Die oberinstanzlichen Verfahrenskosten von CHF 2'500.00 werden dem Kanton Bern auferlegt.
IV.
1. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers der beschuldigten Person, Rechtsanwalt B.__, wurde/wird für das erstinstanzliche Verfahren wie folgt bestimmt:
A.__ hat dem Kanton Bern die für das erstinstanzliche Verfahren ausgerichtete Entschädigung von insgesamt CHF 5'271.15 zurückzuzahlen und Rechtsanwalt B.__ die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar, ausmachend CHF 1'240.70, zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO).
2. Die Entschädigung des amtlichen Verteidigers von A.__, Rechtsanwalt B.__, wird für das oberinstanzliche Verfahren wie folgt bestimmt:
Der Kanton Bern richtet Rechtsanwalt B.__ eine Entschädigung von CHF 3'840.05 aus. Es besteht weder für den Kanton Bern noch für Rechtsanwalt B.__ ein Rückbzw. Nachforderungsrecht.
V.
Weiter wird verfügt:
Zu eröffnen:
• dem Beschuldigten, a.v.d. Rechtsanwalt B.__
• der Generalstaatsanwaltschaft/Berufungsführerin
• der Strafklägerin (nur Dispositiv)
• dem Strafkläger (nur Dispositiv)
Mitzuteilen:
• der Vorinstanz
• der Koordinationsstelle Strafregister (nur Dispositiv; nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
• den Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons Bern (Urteil mit Begründung; nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
• den Einwohnerdiensten, Migration und Fremdenpolizei (EMF) der Stadt Bern (Dispositiv vorab zur Information, Motiv nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
• dem Bundesamt für Polizei (Dispositiv; nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
• dem Nachrichtendienst des Bundes (Dispositiv; nach unbenutztem Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Entscheid der Rechtsmittelbehörde)
Bern, 3. Dezember 2020
(Ausfertigung: 20. Mai 2021)
Im Namen der 1. Strafkammer
Die Präsidentin i.V.:
Oberrichterin Friederich Hörr
Die Gerichtsschreiberin:
Volknandt
i.V. Gerichtsschreiberin Susedka
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung der schriftlichen Begründung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.