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Urteil Obergericht (BE)

Kopfdaten
Kanton:BE
Fallnummer:BK 2022 280
Instanz:Obergericht
Abteilung:Beschwerdekammer in Strafsachen
Obergericht Entscheid BK 2022 280 vom 25.01.2023 (BE)
Datum:25.01.2023
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:Anordnung Verwahrung, Entschädigung Sicherheitshaft (Leitentscheid)
Schlagwörter : Beschwerde; Beschwerdeführer; Massnahme; Vollzug; Vollzugs; Rückfall; Pract; Therapie; Vollzugsakten; Partei; Gutachten; Risiko; Urteil; Recht; Verfahren; Verwahrung; Beschwerdeführers; Sicherheit; Sicherheitshaft; Parteigutachten; Basis; Rückfallrisiko; Basisrate; Ambulante; Gutachter; Recht; Gericht; Behandlung; Anordnung
Rechtsnorm: Art. 104 StPO ; Art. 135 StPO ; Art. 224 StPO ; Art. 229 StPO ; Art. 232 StPO ; Art. 36 BV ; Art. 363 StPO ; Art. 364a StPO ; Art. 364b StPO ; Art. 379 StGB ; Art. 382 StPO ; Art. 387 StPO ; Art. 390 StPO ; Art. 396 StPO ; Art. 402 StPO ; Art. 42 BGG ; Art. 428 StPO ; Art. 431 StPO ; Art. 56 StGB ; Art. 59 StGB ; Art. 62c StGB ; Art. 63 StGB ; Art. 63b StGB ; Art. 64 StGB ;
Referenz BGE:123 IV 100; 134 IV 246; 137 IV 201; 137 IV 87; 141 IV 236; 141 IV 369; 141 IV 396; 141 IV 49; 142 IV 105; 143 IV 1; 145 III 441; 145 IV 359; 146 I 115; 146 IV 1; 92 IV 77;
Kommentar zugewiesen:
Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017
Weitere Kommentare:
Entscheid
BK 2022 280 - Anordnung Verwahrung, Entschädigung Sicherheitshaft (Leitentscheid)
Obergericht
des Kantons Bern

Beschwerdekammer in Strafsachen
Cour suprême
du canton de Berne

Chambre de recours pénale

Hochschulstrasse 17
Postfach
3001 Bern
Telefon +41 31 635 48 09
Fax +41 31 634 50 54
obergericht-straf.bern@justice.be.ch
www.justice.be.ch/obergericht
Schriftliche Begründung des Beschlusses vom 10. Februar 2023
BK 22 280
Bern, 24. Februar 2023



Besetzung Oberrichter Bähler (Präsident), Oberrichterin Bratschi,
Oberrichter Josi
Gerichtsschreiberin Kurt



Verfahrensbeteiligte A.________
a.v.d. Advokat B.________
Verurteilter/Beschwerdeführer


Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern


Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern, Südbahnhofstrasse 14d, 3001 Bern
v.d. Fürsprecher C.________
Partei gemäss Art. 104 Abs. 2 StPO



Gegenstand Verwahrung gemäss Art. 62c Abs. 4 StGB

Beschwerde gegen den Beschluss des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau, Kollegialgericht Fünferbesetzung, vom 27. April 2022 (PEN 21 287)



Regeste
Art. 364a, Art. 364b StPO sowie Art. 387 StPO; die vorgezogene Einführung der Bestimmungen über die Sicherheitshaft in selbständigen nachträglichen Verfahren ändert nichts an der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Bestätigung der Rechtsprechung)
Aufgrund der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (Art. 387 StPO) ist die erstinstanzlich angeordnete Verwahrung vollstreckbar und begründet nach Praxis der Beschwerdekammer einen Hafttitel für den weiteren Freiheitsentzug, weshalb die Anordnung von Sicherheitshaft nicht erforderlich ist. Weder eine historische noch eine Auslegung nach Sinn und Zweck drängen den Schluss auf, mit dem Inkrafttreten von Art. 364b StPO komme der Beschwerde insoweit nunmehr aufschiebende Wirkung zu. Vielmehr sollte damit die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung kodifiziert und eine gesetzliche Grundlage für die Sicherheitshaft im nachträglichen Verfahren geschaffen werden. Diese Bestimmungen kommen aber nur zu Anwendung, wenn Sicherheitshaft überhaupt nötig ist. Da ab dem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid im nachträglichen Verfahren ein gültiger Vollzugstitel vorliegt, erscheint es nicht nachvollziehbar, weshalb sich ein Freiheitsentzug bis zur Rechtskraft des Beschlusses während der Dauer des gesamten gerichtlichen Nachverfahrens in der Konstellation wie der vorliegenden (Aufhebung der stationären Massnahme und Antrag auf Verwahrung), das heisst von dessen Einleitung bis zur Rechtskraft des neuen Entscheids, in jedem Fall auf strafprozessuale Sicherheitshaft zu stützen hat. Mit der Anordnung der Verwahrung wurden zudem implizit auch alle Voraussetzungen einer Sicherheitshaft geprüft und bejaht (E. 18.2).

Erwägungen:
I. Prozessgeschichte/Formelles
1. Mit Urteil des Kreisgerichts VI Signau-Trachselwald (nachfolgend: Kreisgericht VI) vom 23. Januar 2009 wurde dem Verfahren gegen A.________ wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Schändung und sexueller Handlungen mit Kind, angeblich mehrfach begangen in der Zeit von ca. 1986 bis 22. Januar 1994 zum Nachteil von D.________, wegen Verjährung keine weitere Folge gegeben. Er wurde zudem vom Vorwurf der Vergewaltigung und Schändung, angeblich begangen in der Zeit vom 23. Januar 1994 bis 23. Oktober 1994 zum Nachteil von D.________, freigesprochen. Hingegen wurde er schuldig erklärt der sexuellen Nötigung und sexuellen Handlungen mit Kind, jeweils mehrfach begangen in der Zeit vom 23. Januar 1994 bis 23. Oktober 1994 zum Nachteil von D.________, sowie der Pornographie, begangen in der Zeit vom 1. April 2002 bis 20. Februar 2008, und deswegen zu einer Gefängnisstrafe von 14 Monaten unter Anordnung einer ambulanten Massnahme während und nach dem Strafvollzug verurteilt (unpaginiertes Urteil des Kreisgerichts vom 23. Januar 2009, zwischen pag. 42 und 43 der Vollzugsakten). Das Kreisgericht XII Frutigen-Niedersimmental (nachfolgend: Kreisgericht XII) erklärte A.________ mit Urteil vom 23. März 2010 u.a. schuldig der Vergewaltigung, mehrfach begangen zum Nachteil von E.________ in der Zeit von ca. 2005 bis ca. 20. Februar 2008, der sexuellen Handlungen mit Kind, mehrfach begangen zum Nachteil von E.________ bzw. F.________ in der Zeit von ca. 2005 bzw. 2006 bis 20. Februar 2008, des Inzestes, mindestens drei- bis viermal begangen zum Nachteil von E.________ in der Zeit ab ca. 2005 bis ca. 20. Februar 2008, sowie der Pornographie, begangen in der Zeit vom 21. Februar 2008 bis Mitte März 2009, und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren unter Anrechnung der erstandenen Polizeihaft. Der Vollzug der Strafe wurde zu Gunsten einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB aufgeschoben (pag. 829 ff. Akten SK 10 190). A.________ appellierte gegen das Urteil des Kreisgerichts XII betreffend den Kosten- und Entschädigungspunkt, die Schuldsprüche wegen Drohung, einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten sowie die Freiheitsstrafe (ausgenommen stationäre Massnahme) und die Zivilklage (pag. 1463 SK 10 190). Auf Antrag von A.________ ordnete das Kreisgericht VI am 14. September 2010 nachträglich eine stationäre Massnahme nach Art. 59 Abs. 1 StGB an. Die Restfreiheitsstrafe von 14 Monaten wurde aufgeschoben (pag. 275 ff. Vollzugsakten). In ihrem Urteil vom 8. Dezember 2010 stellte die 3. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern u.a. fest, dass das Urteil des Kreisgerichts XII bezüglich der Schuldsprüche wegen Vergewaltigung, sexueller Handlungen mit Kind, sexueller Nötigung, Inzest und Pornographie in Rechtskraft erwachsen sei. Dem Verfahren wegen Tätlichkeiten wurde infolge zwischenzeitlichen Eintritts der Verjährung keine weitere Folge gegeben; hingegen wurde er der Drohung sowie der einfachen Körperverletzung, mehrfach begangen in der Zeit vom 1. April 2004 bis ca. Herbst 2007 zum Nachteil von G.________, schuldig erklärt. A.________ wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Kreisgerichts VI vom 23. Januar 2009, verurteilt und es wurde eine stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB (vorzeitiger Massnahmenantritt 28. April 2010) unter Aufschub der Freiheitsstrafe angeordnet. Weiter wurde u.a. verfügt, dass A.________ im vorzeitigen Massnahmenvollzug bleibt (pag. 1573 ff. SK 10 190). Mit Verfügung vom 22. Dezember 2010 der damaligen Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Amtes für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern (neu: Bewährungs- und Vollzugsdienste; nachfolgend: BVD oder Vollzugsbehörde) wurden die mit Entscheid des Kreisgerichts VI und mit Urteil der 3. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern angeordneten stationären Massnahmen in ihrem Vollzug zusammengelegt. Die stationäre Massnahme wurde in der Folge mit Entscheiden des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau (nachfolgend: Regionalgericht) vom 10. Juni 2015 (PEN 14 354, pag. 793 ff. Vollzugsakten) bzw. 19. August 2019 (PEN 19 57, unpaginiert) um vier Jahre bzw. zwei Jahre verlängert
2. Mit Verfügung vom 28. Juli 2021 hoben die BVD die mit Urteil des Kreisgerichts VI vom 14. September 2010 angeordnete stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB infolge Aussichtslosigkeit auf (pag. 2583 ff. Vollzugsakten) und stellten dem Regionalgericht am 30. August 2021 den Antrag auf Anordnung der Verwahrung (pag. 1 ff. PEN 21 287). Mit Beschluss vom 27. April 2022 (ausgefertigt am 7. Juni 2022) sprach das Regionalgericht nachträglich die Verwahrung über A.________ aus (pag. 262 ff. PEN 21 287). Dagegen reichte dieser (nachfolgend: Beschwerdeführer), amtlich vertreten durch Advokat B.________, am 23. Juni 2022 Beschwerde bei der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern (nachfolgend: Beschwerdekammer) ein. Darin stellte er folgende Anträge:
«1. Es sei Ziff. 1. des Beschlusses des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau, Strafabteilung vom 27. April 2022 vollumfänglich aufzuheben.
2. Der Antrag der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern (BVD) vom 30. August 2021 auf Anordnung einer (nachträglichen) Verwahrung sei abzuweisen. Die nachträgliche Anordnung der Verwahrung gegenüber Herrn A.________ durch das Regionalgericht Emmental-Oberaargau, Strafabteilung, vom 27. April 2022 sei für bundesrechtswidrig zu erklären und von der Anordnung einer Verwahrung sei deshalb abzusehen.
3. Eventualiter sei gegenüber Herrn A.________ eine ambulante Massnahme (Art. 63 StGB) im Sinne eines forensisch-psychiatrischen Risiko-Managements resp. Risiko-Monitorings anzuordnen.
4. Subeventualiter sei die zuständige Erwachsenenschutzbehörde der Gemeinde I.________ gerichtlich anzuweisen, ein belastbares ambulantes Setting im Sinne eines Risiko-Managements resp. Risiko-Monitorings für Herrn A.________ aufzugleisen.
5. Sub-Subeventualiter sei Ziff. 1. des Beschlusses des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau, Strafabteilung, vom 27. April 2022 vollumfänglich aufzuheben und die vorliegende Streitsache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
6. Unter o/e Kostenfolge zu Lasten der Beschwerdegegner.


Herrn A.________ sei für das vorliegende Beschwerdeverfahren die amtliche Verteidigung mit dem Unterzeichneten zu bewilligen.

Verfahrensanträge:
1. Es sei dem Beschwerdeführer insofern ein Replikrecht zu gewähren, als ihm Gelegenheit zu geben ist, auf eine Vernehmlassung oder Stellungnahme der Beschwerdegegner zur vorliegenden Beschwerde zu replizieren.
2. Es sei im vorliegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung anzuordnen (Art. 390 Abs. 5 StPO) und Herr A.________ sei vom zuständigen Spruchkörper des Obergerichts persönlich anzuhören.»
Zudem beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines unabhängigen (forensisch-psychiatrischen) gerichtlichen Gutachtens zur Frage der konkreten (forensisch-psychiatrischen) Rückfallwahrscheinlichkeit (pag. 1 ff. BK 22 280).
3. Mit Verfügung vom 28. Juni 2022 eröffnete die Verfahrensleitung der Beschwerdekammer ein Beschwerdeverfahren und wies daraufhin, dass sie beabsichtige, den Verfahrensantrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gutzuheissen. Zudem gab sie der Generalstaatsanwaltschaft sowie den BVD Gelegenheit, eine Stellungnahme zu den Beweisanträgen des Beschwerdeführers einzureichen und eigene Verfahrens- und Beweisanträge zu stellen. Das Regionalgericht erhielt ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme, verzichtete aber darauf (pag. 93 f., 105 BK 22 280). Am 12. Juli 2022 teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit, dass sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ebenfalls als angezeigt erachte. Im Weiteren beantragte sie die Vorladung und Befragung von med. pract. H.________ an die Beschwerdeverhandlung sowie die Abweisung des Antrags auf Einholung eines (Ober-)Gutachtens (pag. 109 BK 22 280). Die BVD stellten am 15. Juli 2022 folgende Anträge (pag. 121 ff. BK 22 280):
«1. Der Antrag, es sei eine mündliche Verhandlung anzuordnen sei gutzuheissen.
2. Der Antrag auf Gewährung einer Replik sei zum jetzigen Zeitpunkt abzuweisen.
3. Der Antrag auf Einholung eines (weiteren) forensisch-psychiatrischen Gutachtens sei abzuweisen.
4. Vom Gutachter, med. pract. H.________, sei eine detaillierte Stellungnahme zu den Aus-führungen in der Beschwerde einzuholen, das Gutachten weise Mängel auf.
5. Der Gutachter, med. pract. H.________, sei an der Verhandlung als Sachverständiger zu befragen».
4. Mit Verfügung vom 19. Juli 2022 nahm und gab der Verfahrensleiter der Beschwerdekammer von den Stellungnahmen Kenntnis und ordnete eine mündliche Verhandlung an. Der Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines unabhängigen (forensisch-psychiatrischen) gerichtlichen Gutachtens zur Frage der konkreten (forensisch-psychiatrischen) Rückfallwahrscheinlichkeit wurde (derzeit) abgewiesen; ebenfalls der Beweisantrag der BVD auf Einholung einer detaillierten Stellungnahme bei med. pract. H.________. Der Beweisantrag der Generalstaatsanwaltschaft und der BVD auf Vorladung und Befragung von med. pract. H.________ an der Hauptverhandlung wurde gutgeheissen. Weiter wies der Verfahrensleiter darauf hin, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung einer Replik im Rahmen der mündlichen Verhandlung entsprochen werde und die amtliche Verteidigung unter Beiordnung von Advokat B.________ auch für das Beschwerdeverfahren gelte. Aufgrund des Urteils des Bundesgerichts 1B_375/2022 vom 4. August 2022 stellte der Verfahrensleiter am 23. August 2022 Antrag auf Anordnung der Sicherheitshaft (pag. 253 ff. BK 22 280), welcher mit Verfügung SK 22 496 der 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 25. August 2022 gutgeheissen wurde (pag. 269 ff. BK 22 280).
5. Mit Verfügung vom 19. Januar 2023 wurde festgestellt, dass die Vollzugsakten unvollständig seien. Die auf Verlangen nachgereichten pag. 1030-1044 wurden den Parteien zur Kenntnis gebracht (pag. 371 f. BK 22 280). Vor oberer Instanz wurde ein Bericht über den Behandlungsverlauf beim Massnahmenzentrum Bitzi eingeholt, welcher den Parteien und med. pract. H.________ mit Verfügung vom 26. Januar 2023 zur Kenntnis gebracht wurde (pag. 379 ff. BK 22 280). Med. pract. H.________ wurde mit Verfügung vom 2. Februar 2023 im Hinblick auf die Verhandlung vor der Beschwerdekammer auszugsweise eine Kopie der Beschwerdefrist vom 23. Juni 2022 zugestellt (pag. 435 f. BK 22 280). Advokat B.________ liess der Beschwerdekammer mit Eingabe vom 2. Februar 2023 das methodenkritische Sachverständigengutachten, verfasst von Prof. Dr. phil. J.________ unter Einbezug von PD Dr. rer. nat. K.________ sowie PD Dr. iur. Dr. med. L.________, vom 31. Januar 2023 zukommen (pag. 441 ff. BK 22 280). Dieses wurde am 3. Februar 2023 zu den Akten erkannt und den Parteien sowie med. pract. H.________ zur Kenntnis gebracht.
6. Die oberinstanzliche Parteiverhandlung fand am 8. Februar 2023 statt. Im Rahmen des Beweisergänzungsverfahrens erfolgten die Einvernahmen des Beschwerdeführers sowie des Sachverständigen med. pract. H.________. Zudem beantragte Advokat B.________, seine Kostennote (noch ohne Berücksichtigung des Aufwands für die HV) sowie die Rechnung für die Erstellung des methodenkritischen Gutachtens seien zu den Akten zu erkennen; eventualiter, falls das Gericht nicht auf die Schlussfolgerungen im methodenkritischen Gutachten abstütze, sei ein unabhängiges (forensisch-psychiatrisches) gerichtliches Gutachten zur Frage der konkreten (forensisch-psychiatrischen) Rückfallwahrscheinlichkeit einzuholen. Auch die Generalstaatsanwaltschaft beantragte die Einholung eines Zweitgutachtens. Die Beschwerdekammer hiess den ersten Antrag von Adovakt B.________ gut und erkannte seine Kostennote sowie die Rechnung für das methodenkritische Gutachten zu den Akten. Den Antrag auf Einholung eines Ober- bzw. Zweitgutachtens wies die Beschwerdekammer ab.
Advokat B.________ stellte folgenden Anträge:
«1. Ziffer 1 des Beschlusses des Regionalgerichts Emmental-Oberaargau vom 27. April 2022 sei aufzuheben.
2. Der Antrag der BVD vom 30. August 2021 auf Anordnung der Verwahrung sei abzuweisen.
3. Die nachträglich angeordnete Verwahrung sei für bundesrechtswidrig zu erklären und von der Verwahrung sei abzusehen.
4. Der Beschwerdeführer sei unverzüglich zu Handen der Erwachsenenschutzbehörde der Gemeinde I.________ aus der vollzugsrechtlichen Sicherheitshaft zu entlassen,
alles unter Kostenfolge zu Lasten des Staates.
5. Dem Beschwerdeführer sei die amtliche Verteidigung zu gewähren.
6. Dem Beschwerdeführer seien die Kosten für das methodisch-kritische Gutachten im Umfang von CHF zurückzuerstatten.
7. Dem Beschwerdeführer sei eine angemessene Entschädigung für den unrechtmässigen staatlichen Freiheitsentzug in der Höhe von mindestens CHF 111'800.00 zuzüglich Zins auszurichten.»
Die BVD und die Generalstaatsanwaltschaft beantragten die Abweisung der Beschwerde.
7. Der angefochtene Beschluss erging im Verfahren der selbstständigen nachträglichen Entscheide gemäss Art. 363 ff. der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0). Das Rechtsmittel gegen derartige Entscheide ist die Beschwerde. Dies entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 141 IV 396 E. 4.7). Zur Beurteilung der Beschwerde ist die Beschwerdekammer zuständig (Art. 35 des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft [GSOG; BSG 161.1] i.V.m. Art. 29 Abs. 2 des Organisationsreglements des Obergerichts [OrR OG; BSG 162.11]). Die Beschwerde ist innert 10 Tagen seit der Zustellung des schriftlich begründeten Entscheides einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO i.V.m. 384 Bst. b StPO). Der Beschwerdeführer ist durch die Anordnung der Verwahrung unmittelbar in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde legitimiert (Art. 382 Abs. 1 StPO). Auf die form- und fristgerechte Beschwerde ist einzutreten.
II. Materielles
1. Rechtliche Ausgangslage
Ist bei der Aufhebung einer Massnahme, die aufgrund einer Straftat nach Art. 64 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) angeordnet wurde, ernsthaft zu erwarten, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verwahrung anordnen (Art. 62c Abs. 4 StGB). Gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB ordnet das Gericht gegenüber dem Täter, der eine der in dieser Bestimmung umschriebenen Straftaten begangen hat, die Verwahrung an, wenn aufgrund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten dieser Art begeht (Bst. a) oder wenn aufgrund einer anhaltenden oder lang andauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer Massnahme nach Art. 59 StGB keinen Erfolg verspricht (Bst. b).
2. Anlasstat
9.1 Die erste Voraussetzung für die Anordnung einer Verwahrung ist das Vorliegen einer Katalogstraftat oder einer anderen mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat, durch die der Täter die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte. Der Beschwerdeführer wurde u.a. der Vergewaltigung, sexuellen Nötigung und sexuellen Handlungen mit Kind, jeweils mehrfach begangen zum Nachteil seiner leiblichen Töchter, schuldig erklärt. Betreffend Sachverhalt, welcher den Verurteilungen zugrunde liegt, kann auf die Ausführungen der Vorinstanz sowie die Urteile des Kreisgerichts VI und des Kreisgerichts XII verwiesen werden (pag. 283 f. PEN 21 287 sowie S. 40 f. des Urteils des Kreisgerichts VI vom 23. Januar 2009 und pag. 863 sowie pag. 871-883, 887 f. SK 10 190).
9.2 Im Zeitraum vom 23. Januar 1994 bis 23. Oktober 1994 griff der Beschwerdeführer seine Tochter D.________ 4-5 Mal am ganzen Körper aus und erstellte Nacktfotos von ihr und ihrer Schwester M.________. Mit den Berührungen war das Gebot verbunden, niemandem etwas zu sagen. Um D.________ gefügig zu machen und zu verhindern, dass die Übergriffe ans Tageslicht kamen, drohte er ihr damit, ihr oder ihrer Mutter etwas anzutun, falls sie jemandem davon erzähle. Er stellte ihr zudem in Aussicht, dass er, falls sie das Schweigegebot bräche, Probleme mit der Polizei erhielte und sie nicht mehr zu ihm zu Besuch kommen könne. Daneben setzte er seine väterliche Autorität ein und nutzte den Gehorsam seiner Tochter zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse aus.
In der Zeit ab 2005 bis 20. Februar 2008 zwang der Beschwerdeführer seine Tochter E.________ (geb. 1998) drei- bis viermal zu analem und vaginalem Geschlechtsverkehr, indem er sie packte, mit dem Rücken auf das Bett legte und auszog, festhielt und ihr untersagte, jemandem, namentlich der Mutter, von den sexuellen Übergriffen zu erzählen, bzw. sie ausdrücklich davor warnte, jemandem etwas zu erzählen, widrigenfalls er sie schlagen werde. Er manipulierte ihr nacktes Geschlechtsteil mit seinen Fingern, leckte dieses und liess sich von E.________ mit deren Fuss sein Glied massieren oder reiben. Ferner führte er E.________ eine Kerze vaginal ein und berührte sie am ganzen Körper mit Händen und Küssen. In der Zeit von 2006 bis 20. Februar 2008 fuhr der Beschwerdeführer zudem mit seinem Glied um das nackte Geschlechtsteil seiner Tochter N.________ (geb. 2001), manipulierte ihr nacktes Geschlechtsteil mit seinen Fingern, penetrierte ihren After mit seinen Fingern und leckte an ihrem nackten Geschlechtsteil.
9.3 Es liegen damit Katalogstraftaten (Vergewaltigung) sowie Anlasstaten für eine Verwahrung im Sinne der Generalklausel von Art. 64 Abs. 1 StGB vor, durch welche der Beschwerdeführer die physische, psychische und sexuelle Integrität der Opfer schwer beeinträchtigt hat. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz handelt es sich bei den geschilderten Übergriffen um sehr schwere und grausame Taten, welche aufgrund der Gesamtumstände, des Alters der Opfer und nach der allgemeinen Lebenserfahrung sehr traumatische Erlebnisse für die Betroffenen darstellen. Dies wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

3. Psychische Störung / Zusammenhang mit der Tat
10.1 Der Beschwerdeführer stellt sich vorab auf den Standpunkt, dass die erneute Beauftragung von med. pract. H.________ (nachfolgend: Gutachter oder med. pract. H.________) sowie die Rollendiffusion zwischen sachverständiger Person und rechtsanwendender Behörde problematisch sei. Er verweist dabei auf seine Eingabe vom 7. Oktober 2021 im erstinstanzlichen Verfahren. Der Gutachter sei vorbefasst, weil er 2018 bereits ein Verlaufsgutachten erstellt habe. Das nun zu erstellende Prognosegutachten habe einen anderen Fokus und es sei opportun, dass die Grundlagen für die Beurteilung der individuellen Rückfallprognose durch einen nicht vorbefassten forensischen Psychiater erarbeitet werde. Der Gutachter sei von der zürcherischen «Urbaniok-Schule» geprägt und die zweifelhafte bundesgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Erfordernis der schweren psychischen Störung nach Art. 59 StGB sei auf zwei Begutachtungen von med. pract. H.________ zurückzuführen. Die Wissenschaftlichkeit der Gutachterpraxis von med. pract. H.________ müsse ernsthaft in Frage gestellt werden. Der Begriff des Dominanzfokus sei in keiner Weise wissenschaftlich abgestützt oder verankert und tauge nicht zur Bestimmung des Schweregrades einer psychiatrischen Diagnose. Es sei ungeschickt und falsch, wenn das Gericht an die zweifelhafte Begutachtungsmethodik von med. pract. H.________ anknüpfe. Zudem seien dem Gutachter diverse Rechtsfragen unterbreitet worden (pag. 43 f. PEN 21 287).
Vorab ist festzuhalten, dass keine Befangenheit von med. pract. H.________ erkennbar ist. Der Umstand, dass er bereits 2018 ein Verlaufsgutachten erstellt hat, macht ihn nicht befangen. Die vom Beschwerdeführer kritisierten Bundesgerichtsurteile betreffen die Definition der schweren psychischen Störung. Der Umstand, dass andere Fachpersonen an diesen Urteilen Kritik übten, disqualifiziert med. pract. H.________ nicht vor vorneherein als Gutachter oder stellt seine Einschätzungen generell in Frage, zumal die umstrittene Rechtsprechung zur schweren psychischen Störung hier keine massgebliche Rolle spielt und eine psychische Störung unbestrittenermassen auch ohne den Dominanzfokus vorliegt (vgl. nachstehende Erwägungen). Ob das Ergänzungsgutachten nach den anerkannten Regeln der forensisch-psychiatrischen Wissenschaft erstellt wurde, wird nachfolgend zu prüfen sein. Die Kritik des Beschwerdeführers bezieht sich dabei insbesondere auf die Beurteilung des Rückfallrisikos, worauf im Zusammenhang mit der Prognose detailliert eingegangen wird. Es gibt aber keinen Grund, das Ergänzungsgutachten von vorneherein als Beurteilungsgrundlage auszuschliessen. Auch im methodenkritischen Sachverständigengutachten vom 31. Januar 2023 von Prof. Dr. phil. J.________, PD Dr. rer. nat. K.________ sowie PD Dr. iur. Dr. med. L.________ (nachfolgend: Parteigutachten), wird ausgeführt, dass gesamthaft der Eindruck eines sorgfältig verfassten Gutachtens entstehe, das fachlichen Standards entspreche (pag. 479 BK 22 280).
10.2 Der Beschwerdeführer wurde bislang fünfmal begutachtet. Je einmal im Rahmen der beiden gegen ihn geführten Strafverfahren (Gutachten von Dr. med. Q.________ des Forensisch-Psychiatrischen Dienstes Bern vom 25. Juli 2008 und 2. November 2009) sowie einmal im Rahmen der erstmaligen Massnahmenverlängerung (Gutachten von Dr. med. O.________ vom 25. Mai 2014). Zudem erstellte med. pract. H.________ am 9. Mai 2018 im Auftrag der BVD zusammen mit Dr. P.________ ein Verlaufsgutachten und am 28. Februar 2022 ein Ergänzungsgutachten im Auftrag des Regionalgerichts im Zusammenhang mit dem nachträglichen Verfahren betreffend Verwahrung.
Im ersten Gutachten vom 25. Juli 2008 wurde für den Tatzeitpunkt und den Zeitpunkt der Begutachtung die Diagnose eines schizophrenen Residuums (ICD-10: F20.5) gestellt. Ein enger Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und den zur Last gelegten Delikten wurde bejaht (pag. 39 f. Vollzugsakten). Im zweiten Gutachten vom 2. November 2009 wurde für den Tatzeitpunkt wiederum die Diagnose eines schizophrenen Residuums gestellt und differentialdiagnostisch auch eine schizotype Störung (ICD-10:F21) diskutiert. Darüber hinaus ging man von einer Pädophilie (ICD-10:F65.4) im Sinne einer Ich-dystonen Teilströmung aus. Während Dr. med. Q.________ im Vorgutachten noch davon ausgegangen war, die Übergriffe gegen die beiden Töchter aus erster Ehe hätten sich im sozialen Nahfeld, in einer typischen «Inzestkonstellation», abgespielt, aber es hätten keine Anhaltspunkte für eine pädosexuelle Orientierung im Sinne einer Paraphilie festgestellt werden können, revidierte sie diese Einschätzung später. Zwar habe der Beschwerdeführer auf Nachfragen nach dem Motiv der sexuellen Übergriffe auch weiterhin darauf bestanden, dass im Vordergrund das Bedürfnis nach «bedingungsloser Liebe» bestanden habe und die sexuellen Handlungen mit den präpubertären Mädchen daher nur «Ersatzhandlungen» angesichts der Schwierigkeiten mit seiner Partnerin gewesen seien. Im Laufe der Untersuchung habe der Beschwerdeführer aber eingeräumt, dass von präpubertären Mädchen eine gewisse sexuelle Anziehung ausgehe, sonst hätte er ja auch nicht die Fotos gemacht, sondern sich auf den Gebrauch von «erwachsener Pornographie» beschränkt. Es sei aber insgesamt kaum möglich gewesen, über diese pädosexuelle Neigung mit dem Beschwerdeführer ausführlicher zu sprechen, da er das Thema für sich als erledigt angesehen und darauf beharrt habe, unter dem Eindruck der Strafuntersuchung nun kein Interesse mehr an Mädchen zu haben. In Anbetracht der Fremdanamnese, dass der Beschwerdeführer während eines begleiteten Klinikausgangs ein auffälliges Verhalten gezeigt habe, als er Kinder gesehen habe, sowie unter Berücksichtigung der Angabe seiner früheren Lebenspartnerin, dass er auch beim Beobachten von fremden Kindern onaniert habe, sei davon auszugehen, dass bei ihm eine Pädophilie (ICD-10:F65.4) im Sinne einer Ich-dystonen Teilströmung vorliege (pag. 159 f. Vollzugsakten). Die vorgeworfenen Taten stünden mit den Störungen in Zusammenhang und die Störungen würden weiterhin bestehen (pag. 164 Vollzugsakten).
10.3 Dr. med. O.________ stellte in ihrem forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 25. März 2014 die Diagnosen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit unreifen, antisozialen, emotional-instabilen und narzisstischen Anteilen (ICD-10:F60.9), einer Pädophilie heterosexueller Ausrichtung vom nicht ausschliesslichen Typus, beschränkt auf Inzest (ICD-10:F19.52), sowie eines Fetischismus (ICD-10:F65.0). In der Adoleszenz habe beim Beschwerdeführer zudem eine substanzinduzierte psychotische Störung (ICD-10:F19.52) vor dem Hintergrund eines multiplen Substanzmissbrauchs vorgelegen, welche jedoch keine Tatrelevanz habe. Zudem sei beim Beschwerdeführer ein zusätzlich deliktrelevanter Problembereich in Form eines Dominanzstrebens vorhanden (pag. 662 Vollzugsakten). In Übereinstimmung mit der Vorinstanz begründete Dr. med. O.________ die Abweichungen zu den beiden Vorgutachten von Dr. med. Q.________ schlüssig und nachvollziehbar (vgl. pag. 651 ff. sowie pag. 662 f. Vollzugsakten). Zudem kann festgehalten werden, dass bereits Dr. med. Q.________ in ihrem Gutachten vom 2. November 2009 festgehalten hatte, dass beim Beschwerdeführer derzeit – wie auch in der Erstbegutachtung ein Jahr vorher – keine sicheren Symptome einer schizophrenen Störung festzustellen seien (pag. 158 Vollzugsakten). Die Einschätzung von Dr. med. O.________ deckt sich überdies mit den Schlussfolgerungen der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel in ihrem Austrittsbericht vom 23. März 2016. So wurde zu Beginn der Behandlung von einer schizotypen Persönlichkeitsstörung ausgegangen, was im klinischen Verlauf zu Gunsten der aktuellen Diagnose angepasst wurde (pag. 1019 Vollzugsakten). Auch aus dem Behandlungsbericht der Justizvollzugsanstalt Pöschwies vom 10. Juni 2020 geht hervor, dass im Behandlungszeitraum vom 22. Oktober 2018 bis 9. Juni 2020 keine Hinweise für eine psychotische Symptomatik feststellbar gewesen seien (pag. 2360 Vollzugsakten). Es scheint daher überzeugend, dass sich die psychotischen Symptome ausschliesslich während der Zeit des Drogenkonsums präsentierten.
10.4 Med. pract. H.________ und Dr. med. P.________ stellten in ihrem forensisch-psychiatrischen Verlaufsgutachten vom 9. Mai 2018 die Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.1) mit unreifen und narzisstischen Anteilen, weil diese Anteile ihrer Meinung nach im Vordergrund stünden. Diese Anteile konkurrieren ein Stück weit mit den von Dr. med. O.________ festgestellten emotional-instabilen und dissozialen Persönlichkeitsanteilen, weshalb die beiden Gutachter diese letztgenannten Persönlichkeitsanteile nicht separat diagnostizierten (pag. 1441 und 1452 Vollzugsakten). Insgesamt ergibt sich daraus aber keine gänzlich neue oder andere Diagnose. In Übereinstimmung mit Dr. med. O.________ wurde ebenfalls eine Pädophilie festgestellt, ebenso die daraus resultierende erhöhte Gefahr für pädosexuelle Delikte. Die Pädophilie wurde aber entgegen der Einschätzung von Dr. med. O.________ nicht beschränkt auf Inzest beurteilt (pag. 1452 und pag. 1442 Vollzugsakten). Med. pract. H.________ begründete diese Abweichung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer auch ein fremdes Mädchen beobachtet und dazu onaniert habe und bei ihm kinderpornographisches Material gefunden worden sei. Die Einschätzung, der Beschwerdeführer weise auch eine Ansprechbarkeit für fremde Kinder auf, ist vor diesem Hintergrund schlüssig und deckt sich auch mit der Einschätzung von Dr. med. Q.________ in ihrem zweiten Gutachten vom 2. November 2009. Aus den im Rahmen dieser Begutachtung eingeholten Fremdauskünften geht hervor, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, auch Fotos von fremden Kindern gehabt zu haben, weil es ihn erregt habe. Er sei aber mit Zusehen und Onanieren zufrieden gewesen (pag. 151 Vollzugsakten). Auch wenn es keine Hinweise dafür gibt, dass es zu Hands-on-Delikten gegenüber Kindern ausserhalb der Familie gekommen ist, scheint es bei dieser Ausgangslage überzeugend, nicht von einer Pädophilie beschränkt auf Inzest auszugehen. Diese Ansicht wird auch im Behandlungsbericht der JVA Pöschwies vom 10. Juni 2020 geteilt (pag. 2360 Vollzugskaten). Der Beschwerdeführer habe berichtet, auf sexueller Ebene durchaus eine Ansprechbarkeit auf Mädchen zu haben, diese jedoch aktuell gut kompensieren zu können (pag. 2370 Vollzugsakten).
Med. pract. H.________ ging auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Februar 2022 unverändert von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit unreifen und narzisstischen Anteilen (IDC-10:F61.0) sowie von einer heterosexuellen Pädophilie vom nicht ausschliesslichen Typ und neu am ehesten nicht gänzlich auf Inzest beschränkt sowie fetischistischen, urophilen und im Ansatz auch sadomasochistischen sexuellen Affinitäten aus (pag. 176 f. PEN 21 287). Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung sei zudem aufgefallen, dass der Beschwerdeführer depressive Symptome wie Antriebsmangel, gedrückte Stimmung, Konzentrations- und Schlafstörungen aufweise. Der Beschwerdeführer selber bringe diese Symptomatik nachvollziehbar mit dem Tod seiner langjährigen Partnerin im November 2020 in Zusammenhang. Dementsprechend liege beim Beschwerdeführer aktuell auch eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion im Sinne einer prolongierten Trauerreaktion vor (pag. 177 f. PEN 21 287). Anlässlich der oberinstanzlichen Verhandlung ergaben sich betreffend Diagnose keine Änderungen. Zudem begründete med. pract. H.________ nochmals schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er zum Schluss kam, die Pädophilie sei am ehesten nicht gänzlich auf Inzest beschränkt (pag. 525, Z. 13 ff. BK 22 280).
10.5 Es gibt keine Hinweise dafür, dass die aktuellsten und in diesem Verfahren massgebenden Gutachten von med. pract. H.________ und Dr. P.________ bzw. med. pract. H.________ in Bezug auf die Diagnosen den fachlichen Standards nicht entsprechen oder nicht schlüssig sind. Die Abweichungen sowohl betreffend die Diagnosestellung einer Schizophrenie/schizotypen Störung als auch die Frage, ob es sich um Pädophilie beschränkt auf Inzest handelt, sind nachvollziehbar und schlüssig begründet und decken sich mit den therapeutischen Einschätzungen. Es sind keine Gründe ersichtlich, welche ein Abweichen von der gutachterlichen Diagnose in den Gutachten von med. pract. H.________ rechtfertigen. Die Vorinstanz durfte gestützt auf die Expertisen ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an einer psychischen Störung leidet (kombinierte Persönlichkeitsstörung sowie heterosexuelle Pädophilie vom nicht ausschliesslichen Typus und am ehesten nicht gänzlich auf Inzest beschränkt). Diese Diagnosen werden auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ferner ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die im Gutachten und im Ergänzungsgutachten diagnostizierte Störung als schwer qualifiziert hat, zumal diese in hohem Mass deliktrelevant ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_1190/2021 vom 28. März 2022 E. 2.5.1 f. mit Verweis auf BGE 146 IV 1 E. 3.5.6). Es kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Es ist unbestritten, dass die Taten mit den psychischen Störungen in einem engen Zusammenhang stehen. Die Deliktdynamik beruht massgeblich auf der kombinierten Persönlichkeitsstörung mit Dominanzstreben und der Pädophilie. Den situativen Faktoren (belastende Umstände, Streit mit Lebenspartnerin) wurde abgesehen von der Isolierung der Familie keine grosse Bedeutung bei der Deliktbegehung beigemessen. Die Deliktrelevanz der Störungen ergibt sich auch aus den Vorgutachten. Betreffend psychische Störung sowie deren Zusammenhang mit der Tat ergaben sich auch im oberinstanzlichen Verfahren keine Neuerungen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist unbestritten. Auch im Parteigutachten wird darauf hingewiesen, dass die diagnostischen Überlegungen und Prüfschritte sehr differenziert und nachvollziehbar dargelegt worden seien. Es gebe keine Hinweise auf relevante Mängel (pag. 451 BK 22 280).
4. Hohe Rückfallgefahr
11.1 Im Vergleich zu anderen Massnahmen ist bei der Verwahrung eine «qualifizierte» Gefährlichkeit erforderlich. Sie setzt eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit voraus. In der Praxis wird das Gericht eine solche Gefahr bejahen, wenn es sich überhaupt nicht vorstellen kann, dass der Täter keine neuen Straftaten gleicher Art begehen wird. Eine Vermutung, eine vage Wahrscheinlichkeit, eine latente Rückfallmöglichkeit oder eine latente Gefahr genügen nicht. Das Rückfallrisiko muss Straftaten gleicher Art wie jene, die eine Verwahrung des Verurteilten voraussetzt, betreffen. Mit anderen Worten wird das Gericht bei der Vornahme seiner Prognose einzig das Risiko der Begehung schwerer Straftaten gegen die psychische, physische oder sexuelle Integrität berücksichtigen dürfen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1294/2021 vom 10. Januar 2022 E. 1.3.1 mit zahlreichen Hinweisen).
Das (Prognose-) Gutachten erfordert eine umfassende und in sich nachvollziehbare Darstellung des Erkenntnis- und Wertungsprozesses des Sachverständigen. Dazu gehört namentlich die Angabe der von ihm herangezogenen und ausgewerteten Erkenntnismittel sowie der Untersuchungsmethode, deren Auswahl in seinem pflichtgemässen Ermessen liegt. Um die Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu gewährleisten, hat der Sachverständige im Gutachten umfassend darzulegen, wie und weshalb er zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt. Das Gericht hat das Gutachten nach fachwissenschaftlichen Kriterien zu verstehen und zu prüfen. Es muss das Gutachten selbständig beurteilen und darf die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen. Die richterliche Überprüfung des Gutachtens hat sich deshalb nicht nur auf das ermittelte Prognoseergebnis als solches zu beziehen, sondern muss sich auf die Qualität der gesamten Prognosestellung inklusive der vom Sachverständigen allenfalls verwendeten Prognoseinstrumente erstrecken. Das Gericht muss im Ergebnis eine eigenständige Beurteilung des Sachverständigenbeweises im Hinblick auf die Einbeziehung aller für die Begutachtung relevanten Umstände vornehmen, damit es gestützt darauf einen eigenverantwortlichen Entscheid zur Gefährlichkeit treffen kann (Urteil des Bundesgerichts 6B_828/2018 vom 5. Juli 2019 E. 6.2 mit weiteren Hinweisen; vgl. auch Urteile des Bundesgerichts 6B_1294/2021 vom 10. Januar 2022 E. 1.4.2 sowie 6B_280/2021 vom 27. Mai 2021 E. 3.3.5). Das Bundesgericht anerkennt in seiner Rechtsprechung, dass bei der Begutachtung im Grundsatz Methodenfreiheit besteht. Die Wahl der Methode muss aber begründet sein. Die wissenschaftlichen Standards müssen eingehalten und die Schlussfolgerungen transparent sowie für die Verfahrensbeteiligten nachvollziehbar dargestellt werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_828/2018 vom 5. Juli 2019 E. 6.4 mit weiteren Hinweisen). Standardisierte Prognoseinstrumente (wie etwa PCL-R, Static-99 und FOTRES) beruhen auf verallgemeinerten statistisch-empirischen Befunden und liefern gegebenenfalls Anhaltspunkte über das strukturelle Grundrisiko, für sich allein indessen keine fundierte individuelle Gefährlichkeitsprognose. Es braucht eine weitergehende, differenzierte Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen. Zur Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit des Gutachtens hat er darzulegen, aufgrund welcher Informationsgrundlagen und Datenselektion er die Bewertung der Einzelmerkmale eines Prognoseinstruments vornimmt (6B_582/2017 E. 2.2.3).
In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist weiter festzuhalten, dass Gefährlichkeitsprognosen nie frei von Zweifeln sind. Die Entscheidung über die Prognose, betreffe sie das Rückfallrisiko oder auch die Behandlungsaussichten, richtet sich daher nicht nach dem Grundsatz «in dubio pro reo». Welcher Grad an Wahrscheinlichkeit künftiger Delinquenz für eine Massnahme nach Art. 56 ff. StGB ausreichend oder erforderlich ist, wird mit Blick auf die verschiedenen gesetzlichen Formulierungen und das Verhältnismässigkeitsprinzip jeweils im konkreten Fall geprüft; eine blosse Möglichkeit der Wiederholung von rechtswidrigem Verhalten genügt in allen Fällen von Gefährlichkeitsprognosen nicht. Allgemein ist ein strikter Nachweis von Massnahmevoraussetzungen (Anlasstaten, schwere psychische Störung) erforderlich, auf die das Gericht seine Bewertung der Gefährlichkeit stützt (Urteil des Bundesgerichts 6B_582/2017 vom 19. Juni 2018 E. 3.3.2 mit weiteren Hinweisen). Ob die zur Gefährlichkeit gutachterlich erarbeiteten Befundtatsachen oder Risiken als gefährlich im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB zu werten sind, ist normativer Natur und damit in die Beurteilungskompetenz des Gerichts gestellt, das die Risikoanalyse in einer Gesamtwürdigung zu beurteilen hat (Urteil des Bundesgerichts 6B_1076/2021 vom 28. Oktober 2021 E. 2.7).
11.2 In seinem am 28. Februar 2022 im Auftrag des Regionalgerichts verfassten Gutachten wies med. pract. H.________ daraufhin, dass es sich um eine Ergänzung zu seinem Verlaufsgutachten vom 9. Mai 2018 handle und dieses nur mit dem Verlaufsgutachten aussagekräftig sei. Die Kenntnis des Vorgutachtens werde vorausgesetzt und die dort referierten Inhalte würden nur wiederholt, falls andernfalls Schwierigkeiten mit der Verständlichkeit des Ergänzungs-/Verlaufsgutachten auftreten würden. Aus dem Ergänzungsgutachten geht hervor, auf welche Informationsgrundlagen und forensischen Prognoseinstrumente der Gutachter sich gestützt hat. Die Akten wurden dargestellt und analysiert, die Wahl der Prognoseinstrumente begründet. Auch die legalprognostische Ausgangslage wurde trotz unveränderter Einschätzung des Deliktmechanismus nochmals diskutiert, weil im Vorgutachten kein Bezug zu den Basisraten genommen und der früher angewendete SORAG durch den VRAG-R ersetzt worden war (pag. 178 ff. PEN 21 287). Zudem führte der Gutachter auch eigene Untersuchungen durch und nahm eine individuelle Risikoeinschätzung vor (pag. 179 ff. PEN 21 287). Das Regionalgericht nahm entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers eine eigene und detaillierte Würdigung des Gutachtens vor, nahm auch Bezug auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Kritik und holte im Rahmen der Hauptverhandlung durch gezielte und konkrete Fragen weitere Informationen ein, welche zur Klärung offener oder unklarer Punkte beitrugen.
Im Zusammenhang mit der Risikoeinschätzung wurden vom Beschwerdeführer insbesondere die angewendeten Basisraten, die fehlende Verortung des Beschwerdeführers im kriminellen Empfangsraum sowie die fehlende Würdigung des Alters des Beschwerdeführers als protektiven Faktor bemängelt. Zudem vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, die von med. pract. H.________ ermittelte Rückfallwahrscheinlichkeit begründe, selbst wenn sie zutreffen sollte, keine qualifizierte Gefährlichkeit. Er beauftragte im Hinblick auf das oberinstanzliche Verfahren Prof. Dr. phil. J.________ damit, das Ergänzungsgutachten von med. pract. H.________ vom 28. Februar 2022 mit dem Schwerpunkt auf dem Kapitel der Risikoeinschätzung methodenkritisch zu prüfen. Prof. Dr. phil. J.________ verfasste am 31. Januar 2023 unter Einbezug von PD Dr. rer. nat. K.________ sowie PD Dr. iur. Dr. med. L.________ ein methodenkritisches Sachverständigengutachten, welches im Beschwerdeverfahren zu den Akten erkannt wurde und die Stellung eines Parteigutachtens hat. Das Parteigutachten stützt sich auf das Ergänzungsgutachten von med. pract. H.________ vom 28. Februar 2022 sowie auf das erstinstanzliche Verhandlungsprotokoll.
11.3 Vorab ist festzuhalten, dass med. pract. H.________ sein Vorgehen und seine Einschätzung anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung schlüssig und nachvollziehbar begründete. Er führte aus, dass es für Menschen im Alter des Beschwerdeführers keine Zahlen mit ausreichender Signifikanz zu diesem Thema gebe, und erwähnte auch die Uneinigkeiten in der Lehre. Es sei eine ungeklärte Sache (pag. 235, Z. 5 ff. PEN 21 287). Zudem zeigen seine mündlichen Aussagen, dass er die vom Beschwerdeführer erwähnten Studien und Fachpublikation kennt (vgl. pag. 235, Z. 14 ff. PEN 21 287). Er führte aus, dass es bei Vergewaltigern, sexuellen «Nötigern» und Exhibitionisten ganz klare Hinweise gebe, dass die Rückfallrate im Alter sinke (pag. 236, Z. 32 ff. PEN 21 287). Offenbar waren diese Erkenntnisse für seine Einschätzung im Gutachten aber damals nicht ausschlaggebend. So wies der Gutachter auch auf eine Studie von Habermeyer/Mokros hin, wonach das Rückfallrisiko im Alter nicht wesentlich abnehme bei Tätern, die Kinder missbraucht hätten (pag. 235, Z. 7 ff., pag. 236, Z. 18 ff.). Tatsächlich führen Habermeyer, Mokros, Hill, Lau, Hachtel, Graf, Möglichkeiten und Grenzen der Forensischen Psychiatrie, in: forumpoenale 4/2019 S. 294 aus, dass ein günstiger Einfluss des Alters sich in deutschsprachigen Populationen nicht habe reproduzieren lassen, weshalb sie dazu raten, hierzulande ohne diese Alterskorrektur zu arbeiten. Es war daher nachvollziehbar, dass der Gutachter festhielt, es gebe keine klare Aussage darüber, wie sehr das Alter bei Straftätern, die Kinder missbraucht hätten, protektiv sei (vgl. pag. 236 Z. 32 f. PEN 21 287).
Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist entscheidend, dass auf den Faktor Alter und seinen Einfluss auf das Rückfallrisiko eingegangen und geprüft wurde, ob und inwiefern dieser Faktor zum Tragen kommt (vgl. Urteile des Bundesgerichts 6B_424/2015 vom 4. Dezember 2015 E. 3.7, 6B_582/2017 vom 19.Juni 2018 E. 4.3.5 sowie 6B_124/2021 vom 24. März 2021 E. 2.5 und 6B_1107/2021 vom 10. Februar 2022 E. 2.4.2). Dem kam der Gutachter in seinem Ergänzungsgutachten nach. Er begründete, weshalb er das erreichte Alter von 64 Jahren noch als zu gering bezeichne, als dass in diesem Bereich von einem deliktpräventiven Effekt gesprochen werden könne (pag. 182 PEN 21 287). Auch anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung bestätigte der Gutachter, dass sich das Alter aktuell noch nicht massgeblich auswirke (pag. 232, Z. 24 ff. PEN 21 287).
Diese Schlussfolgerung von med. pract. H.________ erschien zum damaligen Zeitpunkt überzeugend, zumal auch die Wissenschaft und Lehre diese Frage nicht eindeutig bzw. einheitlich beantworteten. Der Gutachter begründete zudem, weshalb er einen protektiven Alterseffekt beim Beschwerdeführer verneinte. Auch im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rückfallwahrscheinlichkeit waren nach Ansicht der Kammer keine grundsätzlichen methodischen Mängel erkennbar. Offenbar existierten für den Gutachter damals keine ausreichend signifikanten Zahlen und auch der damalige wissenschaftliche Forschungsstand schien noch zu wenig eindeutig. Es ist zu berücksichtigen, dass es aufgrund fehlender ausreichend signifikanter Zahlen schwierig ist, eine prozentgenaue Bezifferung des Rückfallrisikos im Vergleich zur je nach Prognoseinstrument untersuchten Tätergruppe vorzunehmen (vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2020.00166 vom 11. Dezember 2020 E. 5.6). Das wurde vom Gutachter in seinen mündlichen Ausführungen vor erster Instanz kommuniziert und transparent gemacht (vgl. pag. 236, Z. 17 f. PEN 21 287). Der Umstand, dass eine verlässliche Prognose aufgrund der Daten sehr schwierig ist und erhebliche prognostische Unsicherheit besteht, entbindet den Gutachter aber nicht davon, ein Prognosegutachten zu erstellen. Entscheidend ist, dass der Gutachter diese Ausgangslage transparent darlegt, sein Vorgehen begründet und überprüfbar macht. Dem ist med. pract. H.________ nachgekommen. Bei dieser Ausgangslage ist es grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass trotz des Alters des Beschwerdeführers Prognoseinstrumente angewendet wurden, zumal diese lediglich Hilfsmittel zur Erarbeitung einer Legalprognose darstellen. Diese haben die Einzelfallanalyse nicht ersetzt. Auch wenn das VRAG-R keine Daten zur Altersgruppe des Beschwerdeführers enthält, was von med. pract. H.________ anlässlich der oberinstanzlichen Hauptverhandlung bestätigt wurde, bleibt die Frage nach der Vorgehensweise. So blieb es für med. pract. H.________ auch vor oberer Instanz unklar, was man mache und es bleibe die Frage, ob man ein Instrument anwenden soll, das beschränkte Aussagekraft habe oder keines (pag. 519, Z. 1 ff. BK 22 280). Bereits in seinem Ergänzungsgutachten kam aber zum Ausdruck, dass es zu berücksichtigen gelte, dass sich die im VRAG-R für jede Risikokategorie angegebenen Rückfallraten auf eine kanadische Stichprobe beziehen und bislang nicht für die Schweiz repliziert werden konnten (pag. 169 PEN 21 287, vgl. auch Aussagen vor oberer Instanz, pag. 517, Z. 17 ff BK 22 280). Zudem stellte er vor oberer Instanz klar, dass er das VRAG-R für die Beurteilung des tatzeitnahmen Rückfallrisikos und nicht des Verlaufs benutzt hatte (pag. 519, Z. 17 ff. BK 22 280). Das geht auch aus dem Ergänzungsgutachten hervor (pag. 168 f. und pag. 178 f. PEN 21 287). Weiter scheint es auch nicht unbestritten bzw. zwingend, dass - wie im Parteigutachten vorgeschlagen (pag. 467 BK 22 280) - nur ein aktuarisches Instrument zur Risikoeinschätzung angewendet werden soll. Med. pract. H.________ begründete vor oberer Instanz schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er – um Unterschiede zu entdecken und zu erklären – zwei angewendet hatte (pag 517, Z. 1 ff. BK 22 280).
11.4 Das von med. pract. H.________ gewählte Vorgehen erscheint daher auch mit Blick auf die Ausführungen im Parteigutachten weder willkürlich noch widerspricht es mit Blick auf vorangehende Ausführungen wissenschaftlichen Standards oder ignoriert die Methodik einer korrekten Risikobeurteilung. Es ist nachvollziehbar, auf welche Daten und wissenschaftliche Erkenntnisse der Gutachter seine Beurteilung des tatzeitnahen Rückfallrisikos des Beschwerdeführers abstützt und warum er das getan hat. Die Kritik des Beschwerdeführers vor erster Instanz und in seiner Beschwerde ist zudem widersprüchlich, da er dem Gutachter einerseits vorwirft, sich nicht auf Basisraten bezogen zu haben, andererseits aber bemängelt, der Beschwerdeführer habe die falschen Basisraten beigezogen. Es scheint dabei aber nachvollziehbar, weshalb med. pract. H.________ in seinem Ergänzungsgutachten beispielsweise nicht einzig die für Inzesttaten tiefere Rückfallquote erwähnte, da es neben den Inzesttaten beim Beschwerdeführer eine starke sexuelle Auffälligkeit in verschiedenen Bereichen gibt und auch Hinweise für eine Ansprechbarkeit auf fremde Mädchen bestehen. Die (teilweise) Verurteilung des Beschwerdeführers betreffend erste Deliktserie (1986-1994) kann zwar nicht als Vorstrafe angesehen werden, da er diesbezüglich erst 2009 verurteilt wurde und damit zu einem Zeitpunkt, als er die zweite Deliktserie bereits beendet hatte (2005-2008). Es darf aber dennoch nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer während zweier verschiedener mehrjähriger Zeitintervalle delinquiert hat. Diese Umstände machen eine Beurteilung des Falles des Beschwerdeführers im Vergleich mit anderen Fällen schwierig (vgl. auch Protokoll erstinstanzlichen Hauptverhandlung, pag. 233, Z. 19 ff., pag. 234, Z. 35 ff. PEN 21 287). Dies wurde vom Gutachter aber offen thematisiert und er hat unter Einbezug aller massgebenden Faktoren eine Beurteilung des konkreten Einzelfalls vorgenommen, wobei der Vergleich mit normalen Basisraten für Sexualstraftäter ohne Bezug zum Alter damals schlüssig war. Er hat sich nicht einseitig auf ein Prognoseinstrument abgestützt, sondern verschiedene Methoden kombiniert und ist schliesslich durch eine integrierte Beurteilung zum nachvollziehbaren, in sich kohärenten Ergebnis einer moderaten bis deutlichen Rückfallgefahr gelangt.
11.5 Der Gutachter nahm auch eine aktuelle Risikoeinschätzung vor (pag. 179 ff., vgl. auch pag. 168 ff. PEN 19 287). Er begründete ausgehend vom Vorgutachten, seinen eigenen Beurteilungen und dem Therapieverlauf differenziert, schlüssig und nachvollziehbar, weshalb sich an der ersten Einschätzung (moderates bis deutliches Risiko für die erneute Begehung von Sexualdelikten, pag. 1454 Vollzugsakten) nichts geändert habe. Das Wissen des Beschwerdeführers über die eigene Deliktdynamik sei unverändert als gering einzustufen. Ein deliktdynamisches Modell, das für die Risikosenkung genutzt werden könnte, sei bei ihm nicht in vertiefter Form erkennbar, indem er beispielsweise nicht mal im Ansatz versucht habe, den eigenen Deliktkreis zu beschreiben. Es könne inzwischen von einer deutlichen und nochmals verbesserten Opferempathie ausgegangen werden (pag. 181 PEN 21 287). In Bezug auf Risiko- und Schutzfaktoren bezüglich künftiger Delinquenz seien seine Kenntnisse moderat ausgeprägt, wobei ein Bewusstsein des Zusammenhangs zwischen den bei ihm vorliegenden Störungen und der Gefahr für erneute Delinquenz nicht erkennbar geworden sei. Dementsprechend sei von einer geringen Reaktionsfähigkeit bei allfälligen Risikoentwicklungen auszugehen. Dieser Befund werde untermauert durch den Einbezug seiner Tochter M.________ in die Regelung der Erbschaft seiner langjährigen Partnerin, indem er dessen Deliktrelevanz bestreite, aber immerhin einzusehen vermöge, dass direkte Kontakte mit dem früheren Opfer vermieden werden müssten. Betreffend Beziehung zur Therapeutin und zum Behandler des PPD habe der Beschwerdeführer selbst einsehen können, dass er zu wenig offen im Mitteilungsverhalten gewesen sei und dementsprechend jeweils keine ausreichend tragende und somit eine Schutzfunktion ausübende Beziehungsgestaltung habe aufgebaut werden können. Betreffend aktuelle Sexualität des Beschwerdeführers könne eine deutliche Veränderung im Vergleich zum Vorgutachten dahingehend festgestellt werden, dass er nicht mehr wie früher in einer sehr vulgären Sprache über die Taten und Sexualität im Allgemeinen gesprochen habe, wobei er das auf eine Intervention des früheren Mitgutachters Dr. med. P.________ zurückgeführt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer angegeben, aktuell nur noch zu weitgehend normalen sexuellen Fantasien seiner früheren Partnerin und deutlich seltener als zuvor zu masturbieren, was auf ein vermindertes Interesse für Sexualität hinweise. Der Gutachter führte aus, dass dieser Umstand auf den depressiven Zustand des Beschwerdeführers zurückzuführen sei und im Falle der Aufnahme einer neuen Beziehung die Sexualität und dabei insbesondere auch die fetischistischen und urophilen Fantasien wieder zunehmen könnten. Dasselbe gelte für pädosexuelle Fantasien, indem er seit Längerem keinerlei Kontakte zu Kindern gehabt habe, weshalb es durchaus glaubhaft sei, dass diesbezüglich seine Fantasietätigkeit zumindest abgenommen habe. Dennoch könnten bei ihm bei entsprechenden Kontakten zu Kindern – beispielsweise durch eine Beziehung mit einer Frau mit Kindern im präpubertären Alter oder im Falle einer Kontaktaufnahme mit Enkeln – einschlägig pädosexuelle Fantasien wieder verstärkt auftreten. Eine triebdämpfende Medikation werde vom Beschwerdeführer weiterhin abgelehnt. Durch die dargestellten Veränderungen sei das persönlichkeitsbedingte Risikopotenzial beim Beschwerdeführer aktuell nach wie vor als moderat bis deutlich einzustufen und seine Selbstkontrollfähigkeiten als gering bis moderat zu bewerten, was mit der aktuellen FOTRES-Bewertung übereinstimme. Dieselben Werte seien bereits im Vorgutachten aus dem Jahr 2018 generiert worden, wodurch gemäss klinischer und klinisch instrumentengeschützter Prognostik keine weitere Verbesserung des Rückfallrisikos für einschlägige Delinquenz abgebildet werden könne. Zwar hätten sich sein Sammelverhalten, seine Sprache betreffend Sexualität und seine Opferempathie verbessert, aber sein Wissen über die vorhandenen Störungen und seine deliktdynamischen Kenntnisse hätten abgenommen. In diesem Zusammenhang bestätigte der Gutachter auch an der erstinstanzlichen Verhandlung, dass diese positiven Veränderungen keinen massgeblichen Einfluss auf die Rückfallgefahr hätten, da es in gewissen Bereichen auch Rückschritte gegeben und sich die Opferempathie wissenschaftlich bisher nicht als risikomindernd erwiesen habe (pag. 230, Z. 32 ff. PEN 21 287). Diese Rückschritte hatte med. pract. H.________ in seinem Gutachten auch erwähnt und mit eigenen Wahrnehmungen bzw. Wahrnehmungen in den Therapieberichten untermauert. Die Bewertung mittels des aktuarischen Prognoseinstrument Static 2022, welche ein geringes bis moderates Rückfallrisiko ergeben habe, sei deshalb günstiger als die klinische Einschätzung ausgefallen, weil der Beschwerdeführer zum einen wegen der Taten an D.________ und M.________ erst viele Jahre später verurteilt worden sei, und zum anderen die in den Akten vermerkten Gewalthandlungen gegenüber der früheren Partnerin nicht als Gewaltdelikte abgeurteilt worden seien. Hätten diese Faktoren in die Beurteilung mittels Static 2002 einbezogen werden können, wäre ein moderates Rückfallrisiko festgestellt worden. Im Sinne einer integrierten Beurteilung mit Berücksichtigung der klinischen Einschätzung der deliktpräventiven Effekte durch die Behandlung, der Beurteilung des aktuellen Rückfallrisikos mittels FOTRES und des Ergebnisses des Static 2002 lasse sich beim Beschwerdeführer nach wie vor ein moderates bis deutliches Rückfallrisiko für sexuelle Handlungen mit Kindern bzw. Inzest und Pornographiedelikte feststellen, wobei diese Einschätzung für den Fall gelte, dass er ohne Auflagen bedingt in Freiheit entlassen werden würde. Ein moderates bis deutliches Rückfallrisiko bedeute, dass die Rückfälligkeit und Rückfallfreiheit etwa gleich wahrscheinlich seien (pag. 179 ff. PEN 21 287).
11.6 Diese Gesamtwürdigung stützt der Gutachter auf Prognoseinstrumente, eine Einzelfallanalyse sowie die Erkenntnisse zahlreicher Ärzte und Therapeuten, welche den Beschwerdeführer in den damals knapp aufgelaufenen 12 Jahren seines Vollzugs begleitet und behandelt haben. Der Gutachter kombinierte verschiedene Methoden, stellte sein Vorgehen transparent und differenziert dar und kam aufgrund einer integrierten Beurteilung unter Berücksichtigung der massgebenden individuellen Faktoren zu seiner Einschätzung. Er hat auch schlüssig und nachvollziehbar begründet, weshalb sich die Rückfallprognose trotz gewisser Verhaltensfortschritte nicht verbessert hat und weshalb alle Prognoseinstrumente in etwa auf das Gleiche hindeuten, auch wenn das Static 2002 ein geringeres Rückfallrisiko ergeben hatte. Widersprüche sind auch nach Ansicht der Kammer nicht erkennbar. Weiter erscheint es schlüssig, dass beim Beschwerdeführer bei entsprechenden Kontakten zu Kindern – beispielsweise durch eine Beziehung mit einer Frau mit Kindern im präpubertären Alter oder im Falle einer Kontaktaufnahme mit Enkeln – einschlägig pädosexuelle Fantasien wieder verstärkt auftreten könnten, auch wenn die sexuellen Fantasien und Aktivitäten im Zeitpunkt des Gutachtens abgenommen hatten (vgl. auch pag. 187 f. sowie pag. 232, Z. 27 ff. PEN 21 287). Auch Dr. med. O.________ ging in ihrem Gutachten vom 25. Mai 2014 tatzeitnah von einem moderaten bis deutlichen strukturellen Rückfallrisiko für Sexualdelikte im Sinne der Anlassdelikte aus (pag. 659 und pag. 666 Vollzugsakten). Sie führte aus, diesem Risiko könne mittlerweile eine moderate deliktpräventive Wirkung durch die bisher erzielten Therapiefortschritte entgegengesetzt werden. Dabei handle es sich aber nicht um Persönlichkeitsveränderungen im engeren Sinn, sondern vielmehr um kompensatorische Therapieeffekte, welche einer höheren Offenheit und einem verbesserten Deliktbewusstsein des Beschwerdeführers zuzuordnen seien. Es handle sich somit nicht um gefestigte Therapieeffekte, so dass das Risiko bei einem Nachlassen der therapeutischen Bemühungen und des strukturierenden Kontextes rasch auf das Ausgangsniveau zurückgehen könne. Sie ging damit für den Zeitpunkt der Begutachtung ebenfalls von einem moderaten bis deutlichen Rückfallrisiko aus, sobald das intensive therapeutische und kontrollierende Setting nicht mehr bestehen würde (vgl. pag. 660 Vollzugsakten). Insofern stimmt ihre damals aktuelle Einschätzung mit derjenigen von med. pract. H.________ überein (vgl. auch pag. 183 PEN 21 287).
Med. pract. H.________ bestätigte und präzisierte anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung seine Einschätzung (pag. 230, Z. 42 f., pag. 234, Z. 32, pag. 236, Z. 42 ff. PEN 21 287). Er begründete, was die Einschätzung der Rückfallgefahr beim Beschwerdeführer besonders schwierig macht, und äusserte sich noch detaillierter zur Ausgangslage (pag. 233, Z. 16 ff. PEN 21 287). Gemäss seinen Ausführungen führten die Dauer der Taten, die zwei Serien, das Vorgehen und die Ausprägung der Persönlichkeitseigenschaften dazu, dass man etwa im Durchschnitt sei (pag. 234, Z. 35 ff. PEN 21 287, auch zum Folgenden). Diese Schlussfolgerung deckt sich mit den Ausführungen im Gutachten, erscheint auch für die Beschwerdekammer schlüssig und bestätigt den nachvollziehbaren Beizug der allgemeinen Basisrate für Sexualstraftäter. Gemäss Gutachter müsste der Durchschnitt in der Schweiz so 30 % sein (pag. 235, Z. 2 PEN 21 287). Man rede über normale Basisraten von 30 bis 50 % langfristig mit einer Wahrheitswahrscheinlichkeit von etwa 70 bis 80 % (pag. 236, Z. 28, pag. 237 Z. 1 ff. PEN 21 287).
Auch gemäss Parteigutachten gibt es übergeordnet im Hinblick auf Aufbau und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens von med. pract. H.________ keine relevanten Mängel. Ebenso seien die Schlussfolgerungen, die aus dem Kapitel Risikoeinschätzung abgeleitet wurden, in sich kohärent und med. pract. H.________ verfüge über eine ausgewiesene Expertise im Bereich der Therapie und Begutachtung von Sexualstraftätern (pag. 451 BK 22 280). Zudem folge die Risikoeinschätzung von med. pract. H.________ dem wissenschaftlich etablierten mehrstufigen Schema zur forensischen Risikoeinschätzung (pag. 453 BK 22 280). Im Weiteren ist festzuhalten, dass sich das Parteigutachten auf die Prüfung des Vorgehens bei der Risikoeinschätzung und die Plausibilisierung der einzelnen Schritte der Risikoeinschätzung beschränkte (pag. 451 BK 22 280) und darauf verzichtet wurde, die Summenwerte des PCL-R und des VRAG-R zu überprüfen (pag. 463 f. BK 22 280). Insofern ist das Parteigutachten in erster Linie im Zusammenhang mit der Frage der prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit basierend auf statistischen und empirischen Referenzbasisraten massgebend. Da das Verlaufsgutachten vom 9. Mai 2018 nicht als Informationsgrundlage vorgelegen hatte (pag. 451 BK 22 280), obwohl das Ergänzungsgutachten nur mit diesem voll aussagekräftig ist (vgl. pag. 121 PEN 21 287), scheint es in Übereinstimmung mit den Aussagen von med. pract. H.________ vor oberer Instanz auch schlüssig und nachvollziehbar, dass die Autoren des Parteigutachtens nicht in der Lage sind, seine Einschätzung eines moderaten bis deutlichen Rückfallrisikos richtig beurteilen zu können (pag. 519, Z. 41 ff. BK 22 280).
11.7 Das Parteigutachten kam zum Schluss, die Ausführungen von med. pract. H.________ zur Basisrate entsprächen nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bei den Statistiken aus Deutschland sei lediglich auf die allgemeine Rückfallrate und nicht die spezifische für sexuellen Missbrauch oder jene für Gewalt- und Sexualdelikte Bezug genommen worden. Spezifische Rückfallraten seien sowohl für Deutschland als auch für die Schweiz verfügbar. Die aus dem Jahr 1988 zitierte Studie sei sehr alt. Ferner werde das Alter des Beschwerdeführers nicht gewürdigt und somit die Basisrate für Rückfälligkeit überschätzt. Das Parteigutachten kommt im Zusammenhang mit den Basisraten zusammengefasst zum Schluss, dass veröffentlichte Basisraten für sexuellen Missbrauch bei Personen, die vor dem Indexdelikt nicht vorbestraft waren, zwischen 1% und 9% betragen würden. Berücksichtige man alterskorrigierte Daten sowie spezifisch für die Schweiz verfügbare Rückfallraten, so sei davon auszugehen, dass in einem Dreijahreszeitraum 1 von 30 Personen rückfällig werde, die wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden seien. Diese Basisrate liege nur unerheblich über der Rate, mit der bei anderen Straftäterpopulationen (Nicht-Sexualstraftäter) Sexualdelikte als Rückfall aufträten (pag. 463 BK 22 280). Im Zusammenhang mit dem strukturierten klinischen Urteil nach FOTRES weisen die Privatgutachter daraufhin, dass in der aktuellen vierten Ausgabe von FOTRES empfohlen werde, das aktuelle Risiko in Bezug zu einer klinisch relevanten Basisrate zu setzen. Als mögliche Referenzgruppen würden die Ergebnisse einer Metaanalyse sowie einer Therapiestudie aus der Schweiz vorgeschlagen. In der Schweizer Therapiestudie sei die Rückfallrate von 171 therapierten mit derjenigen von 241 unbehandelten Gewalt- und Sexualstraftätern verglichen worden. Die beiden Gruppen seien durchschnittlich über 6.4 Jahre (Therapiegruppe) sowie 8.5 Jahre (Kontrollgruppe) beobachtet worden. Für die Therapiegruppe habe eine Rückfallrate von 11.7% mit Gewalt- oder Sexualstraftaten beobachtet werden können. Gegenüber der Kontrollgruppe habe das Risiko um 15% im zeitlichen Verlauf gesenkt werden können. Beim Beschwerdeführer müsse als Referenzwert die Rückfallquote der Therapiegruppe verwendet werden, da er langjährig mit deliktpräventiven Methoden behandelt worden sei. Diese in FOTRES verwendete Therapiestudie zeige weiter, dass bei Schweizer Gewalt- und Sexualstraftätern das Alter einen stärker rückfallrisikosenkenden Effekt als die angeordnete Massnahme aufweise. Pro Altersjahr sei gegenüber dem Referenzwert von 40 Jahren eine fünfprozentige Risikosenkung zu verzeichnen. Es sei somit davon auszugehen, dass die von FOTRES vorgeschlagene Referenzbasisrate deutlich unter 10% liege. Da der Beschwerdeführer in FOTRES ein leicht überdurchschnittliches Rückfallrisiko aufweise, werde in der FOTRES-Bewertung eine Rückfallrate von Personen mit vergleichbarem Profil erwartet, die leicht über der Basisrate liege, welche sich im vorliegenden Fall deutlich unter 10% bewege. Da der Beschwerdeführer gemäss der FOTRES-Wertung von med. pract. H.________ einen gewissen Therapieerfolg aufweisen könne, sei davon auszugehen, dass die erwartete Abweichung von der Basisrate nur gering ausfalle. Zusammenfassend müsse unter Berücksichtigung der in FOTRES 4.0 referenzierten empirischen Literatur davon ausgegangen werden, dass weniger als 1 von 10 Personen mit einem vergleichbaren Profil in einem langjährigen Zeitraum rückfällig werde (pag. 477 f. BK 22 280). Das Parteigutachten führte im Zusammenhang mit der integrierten Risikoeinschätzung durch med. pract. H.________ weiter aus, dass aus wissenschaftlicher Sicht die Rückfallwahrscheinlichkeit massiv überschätzt worden sei. Aus empirisch forensisch-psychiatrisch/psychologischer Sicht gebe es beim Beschwerdeführer keine belastbaren Anhaltspunkte für die Annahme einer einschlägigen Rückfallwahrscheinlichkeit, die mehr als 10% betrage. Je nach empirischem Modell könne davon ausgegangen werden, dass 1 von 30 bzw. 1 von 10 Personen mit vergleichbarem Risikoprofil in einem mehrjährigen Zeitraum erneut einschlägig deliktisch in Erscheinung trete (pag. 479 BK 22 280). Im Sinne einer Gesamtwürdigung wurde festgehalten, das Kapitel der Risikoeinschätzung weise spezifische, eng umschriebene methodische Mängel auf. Diese führten dazu, dass die Schlussfolgerungen in Bezug auf die Höhe des Rückfallrisikos wissenschaftlich nicht belastbar seien. Das Rückfallrisiko des Beschwerdeführers werde massiv überschätzt. Das qualitative Risikoprofil in FOTRES sei hingegen sorgfältig hergeleitet worden. Die Höhe des Rückfallrisikos bilde zusammen mit der Diagnose und dem Therapieverlauf eine zentrale Grundlage für die Beurteilung des Beschwerdeführers respektive die daraus zu ziehenden Konsequenzen für das Gericht. Entsprechend müsse kritisch hinterfragt werden, ob die im Gutachten vorgenommenen Schlussfolgerungen weiter Bestand hätten. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es zu empfehlen, dem Gutachter die Möglichkeit zu geben, die spezifischen methodischen Mängel im Kapitel Risikobeurteilung zu korrigieren und gestützt auf die Bewertung zu entscheiden, ob Anpassungen in seiner Gesamtbeurteilung nötig seien (pag. 481 BK 22 280).
11.8 Med. pract. H.________ wurde bereits im Vorfeld zur Verhandlung mit einer Kopie des Parteigutachtens bedient und konnte im Rahmen seiner oberinstanzlichen Einvernahme Stellung dazu nehmen bzw. wurde gezielt zu den Schlussfolgerungen im Parteigutachten befragt. Er bestätigte, dass das Protokoll vor ersten Instanz korrekt abgefasst worden sei, führte aber bereits zu Beginn der Einvernahme aus, die Lehre sei im Moment sehr volatil (pag. 515, Z. 13 BK 22 280). In der Folge revidierte er seine Ausführungen zur prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit bzw. allgemein zu den Basisraten. Gemäss seinen Aussagen vor oberer Instanz hat das nicht in erster Linie mit der Anwendung bzw. den Resultaten des VRAG-R oder des Static 2002-R zu tun. Auch der PCL-R-Wert spielte nicht eine ausschlaggebende Rolle. Med. pract. H.________ begründete sein Vorgehen im Zusammenhang mit diesen Prognoseinstrumenten bzw. die Abweichungen zu den Ausführungen im Parteigutachten auch schlüssig und differenziert (vgl. pag. 515 ff., Z. 28 ff. bis pag. 519, Z. 32, vgl. auch E. 11.3 dieses Beschlusses). Die Korrektur der prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit ist vielmehr im Umstand begründet, dass die von med. pract. H.________ verwendeten Basisraten nicht (mehr) den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen und mittlerweile auch eine neue Version des auch von med. pract. H.________ verwendeten Forensischen Operationalisierten Therapie-Risiko-Systems (FOTRES) existiert, welches neu mit Basisraten und nicht mehr Risikokategorien mit dazugehörigen Standardtexten arbeite. Med. pract. H.________ schloss sich daher den diesbezüglichen Ausführungen im Parteigutachten an und führte aus, es liege eine ganz andere Ausgangslage vor. Er kam zum Schluss, dass seine Begutachtung, wäre sie drei Monate später und damit mit FOTRES 4 erfolgt, anders ausgefallen wäre. Zum damaligen Zeitpunkt sei sie aber korrekt gewesen. Wenn seine ehemaligen Kollegen, welche forschungsmässig im deutschsprachigen Raum führend seien, nachweisen könnten, dass beim Beschwerdeführer das rein statistische Rückfallrisiko max. 10% sein könne, dann nehme er das an. Ihre Wertung sei sicher besser als seine, zumal sie noch unter einer anderen fachlichen Prämisse ergangen sei. Gehe man nach jetzigen wissenschaftlichen Kenntnissen, müsse man sagen, max. 10% Risiko, zumindest über 7 bis 8 Jahre, vielleicht über 10 Jahre (pag. 521, Z. 1 ff. BK 22 280). Med. pract. H.________ revidierte damit seine ursprünglich angegebene Rückfallwahrscheinlichkeit von 30-50% und hielt fest, das Parteigutachten sei wissenschaftlich nach dem aktuellsten Stand hergeleitet und korrekt. Er habe keine Kritik an diesem Ergebnis. Seit Jahren habe man eine solche Stellungnahme gewollt und nun habe man sie (pag. 521, Z. 38-41 BK 22 280). Med. pract. H.________ bestätigte an der oberinstanzlichen Verhandlung, dass all das, was über Basisraten von ihm geschrieben oder an der vorinstanzlichen Hauptverhandlung diskutiert worden sei, jetzt wissenschaftlich überholt sei seit bzw. mit diesem Parteigutachten. Es sei das erste Mal, dass sich führende Wissenschaftler in der Schweiz dazu äusserten. Das sei so gut und mache Sinn (pag. 523, Z. 16 ff. BK 22 280). Auch betreffend risikosenkenden Effekt des Alters revidierte med. pract. H.________ seine Ausführungen im Ergänzungsgutachten und an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. Seit Sommer 2022 berücksichtige er das Alter konsequent risikosenkend. Man habe lange ein Problem gehabt mit der Studie von Herr Habermeyer und Herr Mokros, die gesagt hätten, das Risiko sinke im Alter bei den Sexualstraftätern, aber nicht bei denen, die Kinder missbrauchen. Inzwischen müsse man sagen, es gebe so viele Studien, die in eine andere Richtung gingen, dass die Forschung sich jetzt entschieden habe, dem Alter einen risikosenkenden Effekt zu geben. Der sei aber in der jetzigen Basisrate berücksichtigt. Nicht vom Risiko her, aber der Alterseffekt erkläre, dass man eine ganz andere Basisrate habe (pag. 523, Z. 6 ff. BK 22 280). Der Bezug des Risikos auf Basisraten sei wissenschaftlich gut abgestützt. Es sei einfach relativ lange gegangen nachzuwiesen, dass es funktioniere. Und die individuelle Prognose sei ausgehend von der Basisrate, welche durchschnittlich sei, und dann gehe man nach oben oder nach unten (pag. 535, Z. 9 ff. BK 22 280). Zusammengefasst ging med. pract. H.________ von einer Referenzbasisrate von unter 10% aus. Unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren und protektiven Faktoren ermittelte er für den Beschwerdeführer ein Rückfallrisiko von maximal 10%, wenn er sofort ohne flankierende Massnahmen entlassen werden würde. Das Rückfallrisiko bezeichnete er damit nach wie vor als moderat bis deutlich, weil es etwas über der Basisrate liege (pag. 523, Z. 31 ff. und Z. 41 ff.; vgl. pag. 521, Z. 43 ff.; vgl. auch pag. 535, Z. 6 ff. und Z. 18 ff. BK 22 280).
11.9 Es gilt zu prüfen, ob die revidierten Aussagen von med. pract. H.________ auch vor dem Hintergrund seines Ergänzungsgutachtens und seiner Aussagen vor erster Instanz schlüssig und in sich nachvollziehbar erscheinen und inwiefern das Parteigutachten bezüglich der Basisraten überhaupt als zuverlässige Quelle hinzugezogen werden kann.
Mit Blick auf die Aussagen von med. pract. H.________ vor erster Instanz scheint klar, dass sowohl das Alter als auch die Basisraten bereits Ende April 2022 Anlass von wissenschaftlichen Diskussionen waren und die Wissenschaft sich diesbezüglich nicht einig war. Med. pract. H.________ war diesbezüglich auf dem aktuellen Stand und hat die Ausgangslage auch transparent dargestellt. Offenbar hat sich der wissenschaftliche Forschungsstand seit Sommer 2022 akzentuiert, was den Alterseffekt anbelangt. Die Version FOTRES 4 liegt neu vor und es ist ganz allgemein davon auszugehen, dass die Basisraten für Sexualstraftäter tiefer geworden sind (pag. 521, Z. 12 f. BK 22 280). Gestützt darauf hat med. pract. H.________ seine Ausführungen angepasst. Einerseits führten aktuellere Studien sowie ein protektiver Effekt des Alters zur Annahme einer tieferen Basisrate, andererseits arbeitet FOTRES 4 neu mit diesen Basisraten, wobei die dem Parteigutachten gestützt auf eine Schweizer Therapiestudie zugrunde gelegte Basisrate für med. pract. H.________ überzeugend ist. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Autoren des Parteigutachtens um führende Wissenschaftler im deutschsprachigen Raum handelt. Das wurde auch von den BVD bestätigt. Das Parteigutachten äussert sich allgemein zur Bedeutung der Basisraten, deren Aussagekraft sowie den Anforderungen, welche für die Bezugnahme darauf gelten. Es wird auf verschiedene Basisraten Bezug genommen und dargelegt, ob und inwiefern auf Basisraten anderer Länder Bezug genommen werden kann und welches die internationalen Trends sind. Es wird auch sorgfältig und schlüssig dokumentiert, weshalb die von FOTRES vorgeschlagene Referenzbasisrate deutlich unter 10% liege.
Med. pract. H.________ ist ein erfahrener Gutachter, der selbst praktiziert und auf dem aktuellen Stand der Lehre ist. Die Erkenntnisse aus dem Parteigutachten waren für ihn nicht völlig neu und er ist auf dem Laufenden, was die aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen angeht. Entsprechend war es für ihn auch nicht erstaunlich, dass die Basisraten tiefer sind («Gefühlsmässig war das für mich schon seit Jahren so, dass wir zu streng sind» [pag. 523, Z. 23 f. BK 22 280]). Er gab an, der Beschwerdeführer wäre anders begutachtet worden, wenn die Begutachtung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt wäre. Neu wäre FOTRES 4 zur Anwendung gekommen. Med. pract. H.________ hat sich mit den Ausführungen zur prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit im Parteigutachten einverstanden erklärt bzw. diese Ausführungen aufgrund seines eigenen aktuellen Wissensstandes als Grundlage angenommen und bestätigt. Offenbar wurden diese wissenschaftlichen Erkenntnisse noch nie in dieser Form von ausgewiesenen Experten dokumentiert. Es gibt keine Anhaltspunkte, wonach die revidierte Beurteilung von med. pract. H.________, welche sich qualitativ nach wie vor auf seine Ausführungen im Ergänzungsgutachten vom 28. Februar 2022 stützt, fehlerhaft oder widersprüchlich ist. Auch das Parteigutachten hatte betreffend Herleitung des qualitativen Risikoprofis in FOTRES keine Beanstandungen. Med. pract. H.________ erklärte plausibel und schlüssig, weshalb er sich der prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit im Parteigutachten anschliesst und er insofern seine vorherigen Einschätzungen aktualisiert. Aufgrund der geänderten wissenschaftlichen Erkenntnisse revidierte med. pract. H.________ das quantitative Rückfallrisiko beim Beschwerdeführer auf maximal 10%, was sich nicht nur aus FOTRES bzw. der zugrundeliegenden Therapiestudie ergibt, sondern der allgemein tieferen Rückfallquote entspricht. Bei einer Basisrate von unter 10% ist nach wie vor ein moderates bis deutliches Rückfallrisiko zu berücksichtigen, was sich immer noch mit seiner Einschätzung im Ergänzungsgutachten deckt. Dies erscheint mit Blick auf die im Gutachten vorgenommene individuelle Analyse und die dargestellten Risikofaktoren sowie die deliktpräventiven Faktoren nach wie vor als schlüssig und das Gutachten sowie die Ausführungen von med. pract. H.________ bleiben in sich nachvollziehbar.
11.10 Der Generalstaatsanwaltschaft ist insofern zuzustimmen, dass FOTRES nur ein Hilfsmittel sein kann, eines von mehreren Werkzeugen, mit denen der Gutachter die Prognose erarbeitet. Die Einschätzung stützt sich vorliegend aber nicht allein auf dieses Prognoseinstrument, sondern es liegt nach wie vor eine fundierte und differenzierte Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen vor. Zudem trifft es nicht zu, dass alle anderen Ergebnisse ausgeblendet werden. Nach wie vor bestätigt der Gutachter ein moderates bis deutliches Rückfallrisiko. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass das strukturelle Grundrisiko deutlich tiefer ist, als bisher angenommen. Dies gilt nicht nur wegen der FOTRES 4 zugrundeliegenden Therapiestudie, sondern allgemein mit Blick auf die im Parteigutachten erwähnten deutlich tieferen Basisraten. Dies stimmt im Übrigen auch mit den Aussagen überein, wonach das Rückfallrisiko mit VRAG-R und Static 2002 deutlich überschätzt werde (pag. 517, Z. 17 ff., pag. 519, Z. 17 und Z. 21 ff. sowie pag. 521, Z. 12 f. BK 22 280).
Entgegen den Vorbringen der Generalstaatsanwaltschaft hat das methodenkritische Gutachten in Verbindung mit den Aussagen von med. pract. H.________ vor oberer Instanz daher genügend Aussagekraft für die Risikoeinschätzung. Es liegt nach wie vor ein individuelles Risikoprofil vor. Nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie des mittlerweile deliktpräventiv zu würdigenden Alters des Beschwerdeführers ist aber von einer tieferen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen, was durch die Aussagen von med. pract. H.________ schlüssig bestätigt wurde.
Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, weshalb ein Obergutachten notwendig sein sollte. Zwar haben Parteigutachten nach konstanter Praxis des Bundesgerichts nicht den gleichen Stellenwert wie ein Gutachten, das von der Untersuchungsbehörde oder von einem Gericht eingeholt wurde (vgl. BGE 141 IV 369 E. 6.2; Urteile 6B_1388/2021 vom 3. März 2022 E. 3.1; 6B_264/2020 vom 4. Februar 2021 E. 1.4.4; je mit Hinweisen). Allerdings gibt es vorliegend keinerlei Hinweise, dass es sich um ein Gefälligkeitsgutachten oder um eine einseitige Parteibehauptung handelt. Die Autoren des Parteigutachtens sahen sich denn auch in demselben Masse wie als amtliche Sachverständige zur Objektivität/Wissenschaftlichkeit verpflichtet. Zudem handelt es sich um ein sorgfältiges und in sich nachvollziehbares methodenkritisches Gutachten, welches gemäss med. pract. H.________ von führenden Wissenschaftlern erstellt worden ist, dem med. pract. H.________ sich als erfahrener Gutachter und Therapeut angeschlossen und plausibel begründet hat, inwiefern die darin enthaltenen Erkenntnisse zur Annahme einer tieferen prozentualen Rückfallwahrscheinlichkeit führen. Med. pract. H.________ machte sich die Ausführungen im Parteigutachten zu Eigen. Da dies auf eine Änderung der Ausgangslage hinsichtlich quantitativem Rückfallrisiko zurückzuführen ist, werden dadurch weder das methodische Vorgehen von med. pract. H.________ noch seine Ausführungen in qualitativer Hinsicht in Frage gestellt. Wie erwähnt, hat sich auch am Rückfallrisiko von moderat bis deutlich nichts geändert hat.
Auch die BVD und der Beschwerdeführer beantragten kein Obergutachten bzw. Letzterer nur «eventualiter», wenn das Gericht nicht auf die Ausführungen des Parteigutachtens abstellen würde. Allerdings vertreten die BVD die Ansicht, dass die Aussagen im Parteigutachten nirgends publiziert und wissenschaftlich nicht ausdiskutiert seien, weshalb darauf nicht abgestellt werden könne. Mit Blick darauf, dass auch die BVD bestätigen, dass es sich bei den Autoren des Parteigutachten um führende Wissenschaftler im Bereich Prognoseerstellung vor allem im Bereich FOTRES handelt, und nicht in Abrede stellen, dass med. pract. H.________ diese Überlegungen zum Bestandteil seines Gutachtens gemacht hat, erscheint es allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb die Erkenntnisse aus dem Parteigutachten nicht berücksichtigt werden sollten. Die Schweizer Therapiestudie ist veröffentlicht (vgl. Fussnote 4, pag. 477 BK 22 280) und diese Zahlen wurden von med. pract. H.________ aufgrund der ausführlichen Diskussion im Parteigutachten als überzeugend angesehen und übernommen. Der Umstand, dass es neben FOTRES noch weitere klinische Instrumente gibt, wie den HCR-20 3, stellt die im Parteigutachten und von med. pract. H.________ bestätigten Rückfallraten nicht in Frage. Insbesondere gibt es keine Hinweise, weshalb diese Schlussfolgerungen für den Fall des Beschwerdeführers nicht angewendet werden sollen. Die Kritik der BVD ist daher nicht geeignet, die Rückfallprognose in Frage zu stellen. Zudem geht es bei der Rückfallwahrscheinlichkeit, wie es bereits der Begriff sagt, nicht um die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer solchen Straftat in der Normalbevölkerung ist, sondern wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall ist. Insofern kann die Rückfallwahrscheinlichkeit auch nicht, wie von den BVD vorgeschlagen, in Bezug zu den Zahlen der Normalbevölkerung, welche noch nie delinquiert hat, gesetzt werden.
Aufgrund der Ausführungen im Parteigutachten sowie den Aussagen von med. pract. H.________ anlässlich der oberinstanzlichen Verhandlung ist zusammenfassend festzuhalten, dass die von ihm als Vergleich zugezogenen normalen Basisraten keine Geltung mehr haben. Neu ist von einer Rückfallwahrscheinlichkeit von max. 10% auszugehen. Dabei ist sowohl das Alter des Beschwerdeführers als auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer einen Beziehungsaufbau zum Kind für seine Taten benötigt, berücksichtigt (pag. 525, Z. 40 ff. BK 22 280).
11.11 Es gilt zu prüfen, ob bei dieser Ausgangslage die für eine Verwahrung qualifizierte Gefährlichkeit vorliegt. Ob 10% eine sehr hohe Rückfallwahrscheinlichkeit zu begründen vermögen, ist eine normative Frage und kann auch nicht allgemeingültig beantwortet werden. Es sind auch hier die Umstände des Einzelfalls sowie die Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen. Zweifelsfrei handelt es sich bei den zur Diskussion stehenden um grausame Taten. Es ist aber zu berücksichtigen, dass vom Beschwerdeführer bisher nie eine Gefahr für die allgemeine öffentliche Sicherheit ausging. Die Taten erfolgten in einer hochspezifischen Beziehungskonstellation. Es gibt keinerlei Hinweise auf Hands-on-Delikte an fremden Kindern. Auch zwischen den Inzestserien kam es nicht zu weiteren Taten. Und die bisherigen Vollzugslockerungen (auch unbegleitete Ausgänge) verliefen problemlos. Die sexuelle Ansprechbarkeit auf fremde Kinder ist noch nie auf der Handlungsebene relevant geworden, weshalb man hierfür kein Rückfallrisiko postulieren kann (pag. 525, Z. 30 ff. BK 22 280). Weder aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung oder seiner Pädophilie noch des Deliktmechanismus lassen sich konkrete Hinweise dafür ableiten, dass der Beschwerdeführer über Absichten oder Fähigkeiten verfügt, einen engeren Kontakt zu einem fremden Kind ausserhalb eines bereits vorhandenen Beziehungsnetzes aufzubauen. Eine qualifizierte Gefährlichkeit für den Missbrauch fremder Kinder ausserhalb eines Beziehungsnetzes liegt damit nicht vor. Mit Blick auf die Verurteilungen sowie die darin festgestellten Deliktzeiträume bestehen auch keine Hinweise, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Bekanntwerden der ersten Inzesttaten (er wurde am 20. Februar 2008 zum ersten Mal damit konfrontiert, vgl. pag. 18 S 08 92) weiterhin an seinen Töchtern vergriffen hat. Dies entgegen der Einschätzung der Konkordatlichen Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (nachfolgend: KoFaKO), welche in ihren Beurteilungen vom 20. Januar 2016 und 10. Februar 2021 ein Lockerungs- und Bewährungsversagen feststellte (pag. 1033 und pag. 2548 Vollzugsakten), weil sie wiederholt bedenklicherweise aktenwidrig annahm, der Beschwerdeführer habe nach seiner Verurteilung 2009 erneut delinquiert. Der Beschwerdeführer gilt aber nicht als vorbestraft (vgl. auch Aussagen von med. pract. H.________ anlässlich der oberinstanzlichen Hauptverhandlung, pag. 533, Z. 32 ff.; pag. 525, Z. 24 f. BK 22 280). Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Persönlichkeitsstruktur massgeblich verändert hat. Immerhin gibt es aber gewisse Verbesserungen (zum Bsp. Opferempathie) und insbesondere muss ausgehend von den Aussagen von med. pract. H.________ nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer erneut hypersexuell wird (pag. 529, Z. 3 ff. BK 22 280). Betreffend Wahrscheinlichkeit eines Beziehungsaufbaus zu einem Kind ist festzuhalten, dass er zwar Enkel zu haben scheint, aber es keinerlei Hinweise gibt, dass er Kontakt zu diesen hat. Mit Ausnahme der Erbschaftsregelung, welche entgegen den Ausführungen von Advokat B.________ durch den Beschwerdeführer initiiert wurde (vgl. pag. 150 PEN 19 287), gibt es auch keine Bezugspunkte mehr zu den Opfern, welche mittlerweile alle erwachsen sind. Die Zeugung eigener Kinder, auch wenn es biologisch nicht ausgeschlossen sein dürfte, erscheint unwahrscheinlich, ebenso dass es in seinem Alter und nach 14 Jahren Straf- bzw. Massnahmenvollzug zu einer Beziehung mit einer Frau mit minderjährigen Kindern kommt. Zwar ist ein erneuter Beziehungsaufbau zu einer Frau mit Enkelkindern möglich, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Stellung als Stiefgrossvater zu einer ähnlich engen Beziehungskonstellation kommt, erscheint eher gering. Zudem ist der Beschwerdeführer strafempfindlich, was sich auch im bereits erwähnten Umstand zeigt, dass er nach Eröffnung der Untersuchung aufgrund der ersten Inzesttaten keine weiteren sexuellen Handlungen mit Kindern vorgenommen hat. Bei dieser Ausgangslage kann zwar die Rückfallgefahr nicht ausgeschlossen werden, was sich auch im moderat bis deutlichen Rückfallrisiko wiederspiegelt, aber eine qualifizierte Gefährlichkeit für Inzesttaten bzw. Taten an potentiellen Stiefenkeln oder eigenen Enkeln kann nicht begründet werden, zumal das Rückfallrisiko von max. 10% in Freiheit gilt und durch ein entsprechendes Setting weiter gesenkt werden kann (pag. 531, Z. 3 BK 22 280).
11.12 Die für eine Verwahrung erforderliche hohe Rückfallgefahr ist folglich nicht gegeben, weshalb die Beschwerde insofern gutzuheissen ist, als beantragt wird, Ziffer 1 des Beschlusses des Regionalgerichts vom 17. April 2022 sei aufzuheben bzw. der Antrag der BVD vom 30. August 2021 auf Anordnung der Verwahrung sei abzuweisen. Soweit der Beschwerdeführer beantragt, es sei festzustellen, dass die Verwahrung bundesrechtswidrig sei, kann auf seine Beschwerde hingegen nicht eingetreten werden. Dieses Feststellungsbegehren stellt die Grundlage für das Leistungsbegehren dar (vgl. Ziffer 2 des oberinstanzlich gestellten Antrags). Wer ein Leistungsbegehren stellen kann, hat kein rechtlich geschütztes Interesse an einem Feststellungsbegehren (BGE 137 IV 87 E. 1; Urteil des Bundesgerichts 6B_1459/2019 vom 15. Juni 2020 E. 2.2 auch zum Folgenden; Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Bern BK 21 98 vom 27. Mai 2021 E. 4. 2 und BK 18 204 vom 10. August 2018 E. 2.2). Gleiches gilt betreffend das Verhältnis zwischen Gestaltungs- und Feststellungsanträgen (Urteil des Bundesgerichts 1B_125/2021 vom 15. April 2021 E. 3.3). Ausnahmen, welche ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen, existieren nicht. So zeigen die Ausführungen des Beschwerdeführers, dass das Feststellungsbegehren einzig die Grundlage für die verlangte Aufhebung der Verwahrung darstellt. Darüber hinaus wird kein Feststellungsinteresse geltend gemacht. Die sich im Zusammenhang mit dem Feststellungsbegehren stellenden Rechtsfragen werden aber im Zusammenhang mit der Frage der Aufhebung der Verwahrung behandelt.
5. Möglichkeit der Anordnung einer anderen Massnahme
12.1 Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Abweisung des Antrags auf nachträgliche Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 StGB nicht automatisch zu einer Haftentlassung führt, sondern dass anschliessend auch «andere Massnahmen» im Sinne von Art. 62c Abs. 3 StGB zu prüfen sind (Urteil des Bundesgerichts 6B_746/2016 vom 8. Dezember 2016 E. 2). Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme hat das in der Sache zuständige Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Rechtsfolgen zu befinden. Es besteht damit Raum für eine Umwandlung der ursprünglich angeordneten Massnahme, also für Korrekturen hinsichtlich der Behandlung und Sicherungsintensität. Dem Gericht obliegt es mithin, darüber zu entscheiden, ob die Reststrafe zu vollziehen (Art. 62c Abs. 2 StGB), eine andere Massnahme (Art. 62c Abs. 3 StGB; siehe auch Art. 62c Abs. 6 StGB) oder gegebenenfalls gar die Verwahrung (Art. 62c Abs. 4 StGB) anzuordnen ist (vgl. BGE 134 IV 246 E. 3.4 für die ambulante Massnahme; Urteil 6B_685/2014 vom 25. September 2014 E. 2.1 mit Hinweis). Das Gericht ist dabei nicht an den Antrag bzw. die Empfehlung der Vollzugsbehörde gebunden (BGE 141 IV 49 E. 2.5).
Jede Behandlung bezweckt die Besserung des Täters und steht damit im Dienste der Gefahrenabwehr. Sie stellt lediglich ein Mittel dar, mit welchem das Ziel einer Verhinderung oder Verminderung künftiger Straftaten erreicht werden soll. Deshalb sollen Massnahmen nach dem in BGE 143 IV 1 E. 5.4 mit Hinweis auf BGE 123 IV 100 E. 3b. bestätigten Grundsatz des Massnahmenrechts flexibel, einzelfall- und situationsgerecht angeordnet und geändert werden können. Es gilt das Prinzip der Austauschbarkeit. Es muss daher a maiore minus auch zulässig sein, anstelle der als aussichtslos aufgehobenen stationären Massnahme eine mildere ambulante Massnahme anzuordnen, sei es anstelle des Strafvollzugs, sei es nach Verbüssung der Strafe (Urteil des Bundesgerichts 6B_82/2019 vom 1. Juli 2019 E. 2.3.6 mit zahlreichen Hinweisen).
Mit Blick darauf kann die Beschwerdekammer anstelle der Verwahrung auch eine andere Massnahme anordnen.
12.2 Das Gericht kann gemäss Art. 59 Abs. 1 bzw. Art. 63 Abs. 1 StGB eine stationäre bzw. ambulante Massnahme anordnen, sofern der Täter psychisch schwer gestört ist, er eine mit Strafe bedrohte Tat verübt hat, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht, und zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. Die Voraussetzungen sind damit insoweit identisch. Ob im konkreten Fall eine ambulante oder stationäre Massnahme indiziert ist, beurteilt sich nach medizinischen Kriterien und ist Gegenstand der psychiatrischen Begutachtung. Es hängt vom Zustand des Täters ab, ob auf eine ambulante Therapie oder auf eine stationäre Behandlung zu erkennen ist; massgebend ist, welche Form der Behandlung für die Erreichung des Massnahmenzwecks notwendig und am besten geeignet ist. Der Begriff der schweren psychischen Störung deckt sich mit jenem von Art. 59 (Trechsel/Pauen Borer, a.a.O., Rz 1 zu Art. 63 StGB). Die Anordnung einer stationären Massnahme ist unverhältnismässig und folglich unzulässig, wenn eine ambulante Behandlung als mildere Massnahme für die Erreichung des verfolgten Ziels ebenfalls geeignet ist und in einer vernünftigeren Zweck-Mittel-Relation steht (Urteil des Bundesgerichts 6B_946/2019 vom 24. Januar 2020 E. 1.2.2).
Mit Blick auf vorangehende Ausführungen kann sowohl die psychische Störung als auch der Zusammenhang zu den Taten bejaht werden. Zwar besteht keine qualifizierte Gefährlichkeit, welche zur Anordnung einer Verwahrung ausreicht, aber nach wie vor eine Rückfallgefahr, welche die Anordnung einer Massnahme rechtfertigt. Mit Blick auf das konkrete Rückfallrisiko sowie den Umstand, dass beim Beschwerdeführer keine Fluchtgefahr besteht und er einen Beziehungsaufbau für seine Taten benötigt, scheint das sichernde Setting einer stationären Massnahme nicht mehr erforderlich. Auch aus den Aussagen von med. pract. H.________ vor oberer Instanz ergeben sich keine Hinweise, dass nach wie vor ein Setting im stationären Rahmen erforderlich ist. Dieses scheint auch nicht geeignet, um weitere Therapiefortschritte erreichen zu können (vgl. bereits Austrittsbericht der UPK Basel vom 23. März 2016, pag. 1019 und 1021 Vollzugsakten). Es reicht damit eine ambulante Massnahme aus. Eine solche kann angeordnet werden, wenn die Therapierbarkeit bejaht werden kann.
6. Therapierbarkeit
13.1 Die Therapierbarkeit wurde vom Regionalgericht verneint. Auch die BVD verneinten eine solche, andernfalls hätte es auch gar nicht zu einer Verwahrung bzw. einem Antrag dazu kommen dürfen.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 28. April 2010 und somit seit rund 13 Jahren im Massnahmenvollzug. Betreffend Vollzugs- und Therapieverlauf kann vorab auf die Verlängerungsentscheide des Regionalgerichts vom 10. Juni 2015 (PEN 14 354) und 19. August 2019 (PEN 19 57), den Antrag der BVD auf Verwahrung vom 30. August 2021 sowie den angefochtenen Beschluss verwiesen werden. Es wird darauf verzichtet, den bisherigen Therapieverlauf nochmals detailliert zu schildern, zumal keine Hinweise bestehen und auch nicht geltend gemacht wird, der Vollzugs- und Therapieverlauf sei falsch dargestellt worden.
In Anbetracht der langen Wartezeiten bis zur Aufnahme in die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (nachfolgend: UPK) erklärte sich das Psychiatriezentrum Münsingen (nachfolgend: PZM), in welchem sich der Beschwerdeführer seit dem 1. Mai 2009 im Rahmen eines fürsorgerischen Freiheitsentzugs befunden hatte, bereit, mit der stationären Massnahme nach Art. 59 StGB zu beginnen (28. April 2010). Die Verlegung in die UPK erfolgte am 14. März 2012. Diese stellten den Beschwerdeführer der Vollzugsbehörde per 29. Januar 2016 zur Verfügung, weil sie keine Möglichkeiten mehr sahen, den Beschwerdeführer in ihrer Institution lege artis zu behandeln. Ein Grund dafür war die Tatsache, dass die BVD aufgrund der Beurteilung der KoFaKo vom 20. Januar 2016 alle unbegleiteten Ausgänge sistiert hatten und damit die Umsetzung eines integralen Bestandteils des Resozialisierungskonzepts der UPK nicht mehr möglich war. Der zweite Grund für den Behandlungsabbruch lag in der vom Beschwerdeführer gezeigten defizitären Persönlichkeitsstruktur, wobei die UPK nicht davon ausgingen, dass beim Beschwerdeführer in absehbarer Zeit eine Verbesserung zu erreichen sei. Die Komplexität wie auch die Chronifizierung der bei ihm bestehenden Persönlichkeitsstörung stellten sich deutlich dar. Einerseits könne er sich auf der Abteilung angepasst, hilfsbereit und einsichtig präsentieren; allerdings liessen Beobachtungen daran zweifeln, inwieweit wirklich eine Internalisierung des mit ihm Erarbeiteten stattgefunden oder ob er lediglich eine oberflächliche Anpassungsleistung gezeigt habe (pag. 1018 f. Vollzugsakten). Der Beschwerdeführer wurde vorübergehend in das Regionalgefängnis Burgdorf verlegt und trat am 4. März 2016 in die Justizvollzugsanstalt Solothurn (nachfolgend: JVA) ein. Auch im Gutachten von Dr. med. O.________ vom 25. Mai 2014 wurde davon ausgegangen, dass die deliktrelevanten Persönlichkeitsanteile des Beschwerdeführers auch mit einer intensiven Psychotherapie nicht soweit bearbeitet werden könnten, dass eine selbständige Lebensführung sowie ein längerfristig günstiges Rückfallrisiko erzielt werden könnten (pag. 667 Vollzugsakten).
13.2 Im Verlaufsgutachten vom 9. Mai 2018 wurde unter Berücksichtigung der Führungs- und Therapieberichte der JVA bzw. der Psychiatrischen Dienste Solothurn festgehalten, dass davon ausgegangen werde, dass beim Beschwerdeführer auch bei einem längeren Verbleib in der JVA keine relevanten Therapiefortschritte mehr möglich seien. Dies liege daran, dass er eine schwere Persönlichkeitsstörung aufweise, mit der Versetzung in die JVA nicht wirklich einverstanden gewesen sei und unter diesen Umständen den in den UPK begonnen therapeutischen Prozess nicht habe fortsetzen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer die Massnahme eines Tages erfolgreich werde beenden können und mit vertretbaren Risiken nach Hause entlassen werden könne, müsse als sehr gering bezeichnet werden. Da die Aussichten auf ein erfolgreiches Beenden der Massnahme sehr gering und nur im Falle einer Versetzung in eine andere Institution als die JVA überhaupt vorhanden seien, stelle sich die Frage, ob ein weiterer Behandlungsversuch in einer anderen Institution und damit eine Verlängerung der Massnahme vorgenommen werden soll, was aber, da es eine Frage der Verhältnismässigkeit sei, juristisch beantwortet werden müsse (pag. 1450 Vollzugsakten). Ob auch in einer anderen Institution keine Therapiefortschritte mehr erzielt werden können, konnte im Gutachten vom 9. Mai 2018 nicht abschliessend beurteilt werden; das müsse ausprobiert werden. Die Chancen, dass noch wesentliche Therapiefortschritte möglich seien, seien als sehr gering zu bezeichnen (pag. 1453 Vollzugsakten). Sämtliche prognoserelevanten Aspekte hätten in der bisherigen therapeutischen Arbeit die notwendige Beachtung gefunden. Weder die störungsspezifische noch die deliktpräventive Behandlung könnten jedoch als erfolgreich abgeschlossen angesehen werden (pag. 1454 Vollzugsakten).
Die JVA Solothurn stellte den BVD entsprechend Antrag, den Beschwerdeführer bis spätestens 31. August 2018 zu versetzen (pag. 1534 Vollzugsakten). Aus dem Austrittsbericht des Psychiatrischen Dienstes Solothurn vom 4. September 2018 geht hervor, dass im Zeitraum vom 4. März 2016 bis 30. August 2018 insgesamt 73 Einzeltherapiesitzungen mit deliktspezifischem und psychodynamischem Hintergrund stattgefunden haben. Die Deliktarbeit verharre auf der Stufe, wie sie schon in Berichten der UPK, dem Gutachten von Dr. O.________ und den früheren Berichten geschildert worden sei. Es hätten keine bedeutsamen psychotherapeutischen Fortschritte erzielt werden können. Sie müssten feststellen, dass ihre therapeutischen Möglichkeiten ausgereizt seien. Gleichzeitig seien sie der Ansicht, dass angesichts des Alters des Beschwerdeführers, der Schwere und Chronifizierung der Störung und des Ausmasses der strukturellen Defizite eine bedeutsame legalprognostische Belastung vorliege (pag. 1633 Vollzugsakten). Nachdem sich der Beschwerdeführer seit dem 30. August 2018 im Regionalgefängnis Burgdorf befunden hatte, wurde er am 24. September 2018 in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies versetzt (pag. 145 ff. Vollzugsakten).
13.3 Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau hielt in seinem Verlängerungsentscheid vom 19. August 2019 unter Berücksichtigung des bisherigen Vollzugsverlaufs fest, dass der Beschwerdeführer in den vier Jahren seit der vormaligen Verlängerung nur sehr geringe Therapiefortschritte gemacht habe. Der Beschwerdeführer befinde sich mittlerweile knapp ein Jahr in der JVA Pöschwies, wobei in den nächsten zwei Jahren zu klären sein werde, ob messbare Therapiefortschritte erreicht werden könnten. Mit einem Zeitfenster von zwei Jahren – und einer Behandlungsdauer von knapp drei Jahren in der JVA Pöschwies – sollte eine klare Aussage zur Frage einer allfälligen Aussichtslosigkeit der stationären Massnahme möglich sein (S. 36 des Beschlusses). Das Obergericht des Kantons Bern hielt in seinem Beschluss vom 3. Februar 2020 (SK 19 257) fest, dass die mit Beschluss vom 1. November 2018 verfügten Vollzugslockerungen bis anhin nicht umgesetzt worden seien. Es hätten bisher keine begleiteten Ausgänge in der JVA Pöschwies stattgefunden. Nach dem stufenweisen Vollzugskonzept der JVA Pöschwies würden solche Ausgänge nach einem guten Therapieverlauf erst nach einer ca. einjährigen Behandlungsdauer geprüft. Ein solcher Zeitplan sei mit dem Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 1. November 2018 (SK 18 140), mit welchem dem Beschwerdeführer umgehend begleitete Ausgänge zugesprochen worden seien, nicht vereinbar. Das Obergericht des Kantons Bern kam daher zum Schluss, dass bereits zum aktuellen Zeitpunkt gesagt werden könne, dass eine weitere Behandlung des Beschwerdeführers in der JVA Pöschwies nicht zielführend sei, zumindest nicht in einem Zeithorizont, welcher sich aufgrund der konkreten Umstände für den Beschwerdeführer aufdränge. Aufgrund des in der JVA Pöschwies angewendeten starren Vollzugsregimes, welches Vollzugslockerungen offenbar ausschliesslich nach Durchlaufen festgelegter, nicht modifizierbarer Vollzugsstufen kenne, sei die gewünschte Verbesserung des Zustandes des Beschwerdeführers bis zum erneuten Ablauf der therapeutischen Massnahme am 13. September 2021 nicht zu erwarten. Dem Beschwerdeführer müsse aber die Möglichkeit gegeben werden, sich vor der neuerlichen richterlichen Überprüfung seiner Massnahme im Rahmen von Vollzugslockerungen über einen längeren Zeitraum hinweg zu bewähren (pag. 2284 f. Vollzugsakten). Es gehe nicht an, ihm in Anbetracht des bisherigen Vollzugsverlaufs nun nochmals über einen längeren Zeitraum jegliche Vollzugslockerungen zu verwehren, welche potentiell geeignet wären, seine Legalprognose zu verbessern. Die Zeit dazu sei nach dem Gerichtsentscheid über die Verlängerung der stationären Massnahme um nur zwei Jahre knapp bemessen, wenn davon ausgegangen werde, dass in 1 ½ Jahren der Entscheid über den Abbruch der Massnahme wegen Aussichtslosigkeit und damit über eine allfällige Verwahrung gefällt werden solle (pag. 2286 Vollzugsakten). Das Obergericht des Kantons Bern hiess daher die Beschwerde des Beschwerdeführers gut und ordnete an, den Beschwerdeführer spätestens zwei Monate ab Rechtskraft des Beschlusses in eine offene oder halboffene Vollzugsanstalt zu verlegen (pag. 2287/2292 Vollzugsakten).
13.4 Mit Verfügung der BVD vom 29. April 2020 wurde der Beschwerdeführer in die offene Betreuungsabteilung des Massnahmenzentrums Bitzi per frühestmöglichem Eintrittszeitpunkt versetzt (pag. 2329 Vollzugsakten). Aus dem Abschlussbericht der JVA Pöschwies vom 10. Juni 2020 geht im Zusammenhang mit dem Therapieverlauf bezogen auf Risikoeigenschaften hervor, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erarbeitung des Deliktmechanismus im Hinblick auf beide Persönlichkeitsanteile und deren Risikorelevanz ein hohes theoretisches Verständnis zeige. In der therapeutischen Arbeit sei es ihm aber nur selten gelungen, dieses Verständnis für das eigene Handeln und diesem zugrundeliegenden Motive in den jeweils aktuellen Alltag zu übertragen und somit auf praktischerer Ebene bearbeitbar zu machen (pag. 2371 sowie pag. 2373 Vollzugsakten). Eine intensivere Auseinandersetzung mit deliktspezifischen Inhalten sei nicht möglich gewesen. Einerseits weil die Aufnahmeplanung durch den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 3. Februar 2020 sistiert worden sei, andererseits wegen des den Beschwerdeführer phasenweise absorbierenden Methadonabbauprozesses sowie der krankheitsbedingten Abwesenheit des Referenten (pag. 2374 Vollzugsakten). Die Massnahme wurde aber weiterhin als zweckmässig und notwendig angesehen (pag. 2375 Vollzugsakten). Der Eintritt in das MZB erfolgte schliesslich am 10. Juni 2020.
Mit Verfügung der BVD vom 16. Juli 2020 wurden dem Beschwerdeführer begleitete Ausgänge und Urlaube bewilligt (pag. 2387 ff. Vollzugsakten). Aus dem Bericht über den Behandlungsverlauf des MZB vom 6. Januar 2021 geht aus der Stellungnahme der Abteilung soziale Integration betreffend milieutherapeutische Deliktbearbeitung und risikoorientierte Bezugspersonenarbeit hervor, dass eine delikt- und risikoorientierte Auseinandersetzung im eigentlichen Sinne in dem halben Jahr des Aufenthaltes des Beschwerdeführers nicht stattgefunden habe. Der Beschwerdeführer habe in den Gesprächen immer wieder neue Gründe präsentiert, um sich nicht mit seiner Grundproblematik bzw. seiner Delinquenz beschäftigen zu müssen: verschiedene körperliche Gebrechen, Sterben und Tod seiner Lebensgefährtin, Erinnerungsmängel, Verlust seines Vertrauens in die Justiz, Redundanz der Thematik, Scham etc. In inhaltlicher Hinsicht habe der Beschwerdeführer bislang nahezu keinen Einblick in den Stand seiner Risikoarbeit gewährt. Das ihm noch im Behandlungsbericht der JVA Pöschwies attestierte theoretische Wissen über seinen Deliktsmechanismus sowie seine diesbezüglichen Risikofaktoren seien in der Arbeit im MZB bestenfalls rudimentär zum Tragen gekommen. Die bisher anberaumten 20 Gesprächssitzungen könnten daher auch nicht als Gespräche im eigentlichen Sinn bezeichnet werden, sondern eher als Form eines zähflüssigen Frage-Antwort-Spiels, bei dem die Antworten bis auf wenige Ausnahmen eher einsilbig und inhaltlich wenig ergiebig ausgefallen seien (pag. 2467 f. Vollzugsakten). Es habe sich der Eindruck erhärtet, dass der Beschwerdeführer gar kein echtes Interesse an Vollzugsöffnungen in Form von Ausgängen resp. Urlauben habe. Weder habe er von sich aus und rechtzeitig entsprechende Anträge eingereicht, noch sei er motiviert gewesen, zusammen mit der Bezugsperson mögliche Ideen der Ausgangsgestaltung zu erarbeiten, noch sei er in der Lage gewesen, die notwendige Bürokratie zu erledigen (pag. 2472 Vollzugsakten). Auch die inhaltliche Vor- und Nachbereitung der Ausgänge habe sich eher zäh gestaltet. Zum einen habe der schriftliche Bericht regelmässig aktiv eingefordert werden müssen; zum anderen hätten seine Ausführungen kaum Einblick in seine gedankliche, emotionale und risikotechnische Disposition während der Ausgangszeit geboten. Auch im Vorfeld sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen anzugeben, welche Ziele er bei seinem Ausgang verfolge bzw. worauf er besonders achten wolle. Vielmehr habe er in einer irritierenden Weise taktisch gedacht: Wenn er etwa berichte, eine Situation mit Kindern habe bei ihm etwas ausgelöst, dann werde eben dieser Umstand herangezogen, um seinen Zustand weiter zu problematisieren (pag. 2473 Vollzugsakten). Die Abteilung Forensik erachtete den Therapiebedarf als gegeben an, eine Motivierbarkeit zum aktiven Mitwirken in der Massnahme im MZB habe bis zum Berichtszeitpunkt nicht erkannt werden können (pag. 2479 Vollzugsakten). Weiter wird festgehalten, dass der bisherige Verlauf der therapeutischen Zusammenarbeit vor allem durch den dramatischen Krankheitsverlauf und das Sterben seiner Partnerin bestimmt gewesen sei. Eine Voraussage in Bezug auf die bevorstehenden Vollzugslockerungen sei aufgrund des Behandlungsverlaufs noch nicht möglich. Zum aktuellen Stand der Therapie wurde ausgeführt, dass sich auch nach sechs Monaten Aufenthalt keine Anzeichen erkennen liessen, welche auf eine baldige günstige Entwicklung des Beschwerdeführers in der Therapie im MZB hinweisen würden. Es könne nicht von einem günstigen Therapieverlauf im MZB gesprochen werden. Für eine Empfehlung von weiteren Vollzugslockerungen entsprechend den Erwartungen bzw. dem Auftrag der einweisenden Behörden und Vorinstanzen fehle bis jetzt die Basis von ausreichend gefestigten therapeutischen Beziehungen, in welchen mit dem Beschwerdeführer mit der nötigen Offenheit über seine Wahrnehmungen, Empfindungen, Überlegungen und Pläne zur Umsetzung in Handlungen hätte gesprochen werden können, so dass eine Einschätzung seiner deliktpräventiven Ressourcen möglich gewesen wäre und ein erfolgreicher Verlauf hinsichtlich Deliktprävention und Verbesserung der Legalprognose hätte präsentiert werden können (pag. 2482 f. Vollzugsakten). Am 25. Februar 2021 erfolgte seitens des MZB eine Gefahrenmeldung an die BVD, weil eines der Opfer (Tochter M.________) als Erbin der verstorbenen Partnerin des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer selber als Nutzniesser eingesetzt worden waren. Die neuen Berührungspunkte zwischen Opfer und Täter wurden von der Zentrumsleitung als höchst problematisch erachtet. Diese Einsetzungen produzierten eine erneute Abhängigkeit mit Kontakt und Berührungspunkten, die nicht nur fragwürdig seien, sondern erneut missbrauchend. Es werde auch als problematisch erachtet, dass der Beschwerdeführer die Einsetzung der Tochter als Erbin und die damit gemachten Berührungspunkte nicht transparent und proaktiv kommuniziert habe (pag. 2519 Vollzugsakten). Die KoFaKo hielt in ihrer Beurteilung vom 10. Februar 2021 fest, dass der Beschwerdeführer ihrer Ansicht nach zwar verbal eine gewisse Einsicht in seine problematischen Persönlichkeitsanteile zeige, eine vertiefte und nachhaltige Störungseinsicht sei allerdings trotz jahrelanger therapeutischer Behandlung nicht erkennbar (pag. 2549 Vollzugsakten). Es lägen insgesamt keine Hinweise vor, die auf eine vertiefte Deliktbearbeitung mit Erlernen nachhaltiger Copingstrategien schliessen liessen. Seine Schilderungen der Taten erfolgten nach wie vor affektlos, er zeige kognitive Verzerrungen und berichte in einer unangemessenen Ausdrucksweise (Vulgärsprache) über «pikante» Details seiner Übergriffe. Er besuche zwar das therapeutische Angebot und lasse sich mindestens vordergründig darauf ein; ungünstig falle allerdings ins Gewicht, dass er eine medikamentöse Triebdämpfung ablehne und in den Gesprächen immer wieder neue Gründe präsentiere, um sich nicht mit seiner Grundproblematik bzw. seiner Delinquenz auseinanderzusetzen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine deliktorientierte Therapiebereitschaft vorliege (pag. 2550 f. Vollzugsakten).
13.5 Aus dem Bericht des MZB vom 23. Juli 2021 geht hervor, dass seit der letzten Berichtserstattung vom 6. Januar 2021 wenig Veränderung festzustellen war. Weiterhin seien seine kontinuierliche Artikulation verschiedener körperlicher Beschwerden sowie sein regelmässiges, wiederholtes Klagen über die Rahmenbedingungen des MZB und der Wohngruppe in seiner Alltagsbewältigung zentral (pag. 2578 Vollzugsakten). Er habe auf weitere zehn mögliche begleitete Ausgänge verzichtet. Es habe weiterhin der Eindruck bestanden, dass er gar kein echtes Interesse an Vollzugsöffnungen habe. Habe man auf einem gewissen Mass an Eigenleistung bei gruppendienlichen und administrativen Aufgaben beharrt, habe der Beschwerdeführer inzwischen auch deutliche Gefühlsregungen gezeigt, welche von Selbstmitleid und Verzweiflung und immer häufiger bis hin zur Wut gereicht hätten. Da er letztendlich die meisten Aufgaben mehr oder weniger selbständig und zufriedenstellend erledigt habe, habe den Gefühlsregungen ein gewisser manipulativer Charakter und Dominanzanspruch angehaftet. Dieser Mechanismus sei in der aktuellen Berichtsperiode auch immer mehr von Mitinsassen wahrgenommen worden. Erst die letzte Berichterstattung des MZB und die Beurteilung der KoFaKO hätten punktuell eine im weitesten Sinne grössere Gesprächs- und Auskunftsbereitschaft gefördert. So habe der Beschwerdeführer nach einem Hinauszögern von annähernd acht Monaten die Arbeitsvereinbarung des RISK-Programms unterschrieben, wodurch dieses habe gestartet werden können. In den bisher acht RISK-Gesprächen habe es Gesprächsbeiträge des Beschwerdeführers gegeben, welche in einem risikoorientierten Sinne anknüpfungsfähig seien. Obwohl er damit ein gewisses Wissen um seine Deliktdynamik an den Tag gelegt habe, hätten diese nicht in einer intensivierten Auseinandersetzung und Selbsterforschung, von der Entwicklung alternativer Handlungsstrategien ganz zu schweigen, resultiert. Auf vertiefende, hinterfragende und motivierende Fragen der Bezugsperson habe er meist mit einem floskelhaften «ich weiss nicht», mit Repetition von bereits Gesagtem, Themensprüngen, Verstimmung oder mit Anbringen seines Vertrauensverlustes in die Justiz reagiert (pag. 2579 f.). Auch der Beschwerdeführer gab im Rahmen der letzten Begutachtung gegenüber med. pract. H.________ an, er habe nichts Neues in der Therapie gelernt. Er wisse nicht mehr so genau, welches die Themen gewesen seien (pag. 157 PEN 21 287). Er widerspreche den Berichten des MZB, wonach sich seit seinem Eintritt nichts geändert habe, nicht (pag. 158 PEN 21 287).
13.6 Auch aus dem aktuellsten Behandlungsbericht des MZB vom 25. Januar 2023 geht hervor, dass sich seit der letzten Berichterstattung kaum Veränderungen ergeben haben. Zwar wurde der Beschwerdeführer insgesamt nahbarer und dem Personal zugewandter erlebt, was jedoch mehr einer zunehmenden Abhängigkeit und einem Gewöhnungseffekt zuzuschreiben sei. Dennoch habe es auch in der aktuellen Berichtsperiode immer wieder Situationen gegeben, in welchen der Beschwerdeführer unter Beweis gestellt habe, dass er zu mehr in der Lage sei, als er angebe, weshalb dieser Besonderheit etwas Egozentrisches, Manipulatives, Ängstliches und Vermeidendes anhafte (pag. 423 BK 22 280). Weiter geht aus dem Bericht hervor, dass die RISK-Gespräche und somit die risikoorientierte Auseinandersetzung mit seinen Risikofaktoren, Problembereichen und seinem Veränderungsbedarf weiterhin durch Störungen im Wohngruppenmilieu oder Arbeitsbereich, die erneute Beantragung der AHV, die regelmässige Administration im Zuge seiner finanziellen Verpflichtungen, somatische Beschwerden und durch die mit alldem verbundene Klagehaltung des Beschwerdeführers überlagert worden seien. Da der Beschwerdeführer auf vertiefende, hinterfragende und motivierende Fragen der Bezugsperson nach wie vor meist mit einem floskelhaften «ich weiss nicht», mit Repetition von bereits Gesagtem, Themensprüngen oder mit Anbringen seines Vertrauensverlustes in die Justiz reagiert habe, seien die RISK-Gespräche ab August 2022 in gegenseitigem Einvernehmen eingestellt worden (pag. 391 BK 22 280). Trotz positiver Entwicklung auf der zwischenmenschlichen Ebene habe die Bezugspersonenarbeit mehr als stabilisierende und unterstützende Intervention, denn als risikoorientierte Straftäterbehandlung fungiert (pag. 395 BK 22 280). Der Verzicht des Beschwerdeführers auf das Sammeln und Horten von Dingen wird im Behandlungsbericht durch den Verzicht auf Ausgänge und Kioskbestellungen sowie das Pflegen nur weniger Aussenkontakte erklärt (pag. 397 BK 22 280). Zudem nahm der Beschwerdeführer in der Berichtsperiode von Februar 2022 bis Januar 2023 keinen Ausgang wahr (pag. 401 BK 22 280).
13.7 Mit Blick auf diesen Massnahmenverlauf ist der im Verlaufsgutachten vom 9. Mai 2018 empfohlene letzte Behandlungsversuch nicht erfolgreich verlaufen. Die Verlängerung der Massnahme am 19. August 2019 erfolgte gestützt auf dieses Gutachten auch vor dem Hintergrund, dass in den nächsten zwei Jahren zu klären sein werde, ob messbare Therapiefortschritte erzielt werden könnten. Diese letzte dem Beschwerdeführer im Rahmen der stationären Massnahme gewährte Chance hat er bisher nicht gepackt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund des Entscheids des Obergerichts des Kantons Bern vom 1. November 2018 bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt Vollzugslockerungen im Sinne von begleiteten und später allenfalls unbegleiteten Ausgängen und Urlauben hätten gewährt werden müssen. Eine Versetzung in eine geeignete halboffene oder offene Vollzugsanstalt wurde aber erst nach dem weiteren Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 3. Februar 2020 umgesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde daher die Möglichkeit, sich im Rahmen von Vollzugslockerungen über einen längeren Zeitraum hinweg zu bewähren, genommen bzw. eingeschränkt. Abgesehen davon, dass diese Verzögerungen nicht nachvollziehbar und rechtsstaatlich bedenklich sind, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass diese zumindest einen Einfluss auf die Therapiebereitschaft hatten, unabhängig davon, ob und welche relevanten Therapiefortschritte tatsächlich hätten erzielt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines Aufenthaltes in den UPK Basel (2012 bis 2016) bereits unbegleitete Ausgänge absolvieren konnte (pag. 1012 Vollzugsakten) und geplant gewesen wäre, den Vollzug in einem gelockerten Setting fortzusetzen (pag. 1021 Vollzugsakten), was durch den Entscheid der KoFaKo vom 20. Januar 2016 und die gestützt darauf erfolgte Rückstufung durch die BVD verhindert wurde. Dies war neben der defizitären Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers ein massgeblicher Grund, weshalb der Beschwerdeführer aus den UPK austreten musste. Ihm wurde damit die Möglichkeit, sich in absehbarer Zeit durch weitere Vollzugslockerungen zu gewähren, verwehrt. Diese Wendung im Vollzugsverlauf wurde durch eine Beurteilung der KoFaKO, welche dem Beschwerdeführer dabei zu Unrecht ein Bewährungsversagen attestiert und sich diametral gegen die Einschätzungen der behandelten Therapeuten gestellt hatte, eingeleitet. Es ist fraglich, inwieweit durch die BVD eine kritische Auseinandersetzung mit der KoFaKo-Beurteilung erfolgt ist. Es scheint jedenfalls naheliegend und nachvollziehbar, dass diese kaum verständliche Wendung einen Einfluss auf die Therapiefortschritte und Therapiebereitschaft gehabt hat. So geht aus dem Abschlussbericht der JVA Solothurn hervor, dass die fehlenden relevanten Therapiefortschritte mit der schweren Persönlichkeitsstörung zu tun hätten, aber auch mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Versetzung in die JVA nicht wirklich einverstanden gewesen sei und man unter diesen Umständen den in den UPK begonnen therapeutischen Prozess nicht habe fortsetzen können (pag. 1450 Vollzugsakten). Mit Blick auf die Rückstufung scheint auch nachvollziehbar, dass es dem Beschwerdeführer schwerfiel, sich auf die weitere Therapie einzustellen, zumal ihm in der Folge entgegen den gerichtlichen Anweisungen weiterhin Vollzugslockerungen verwehrt blieben. Vor diesem Hintergrund ist auch der geltend gemachte Verlust des Vertrauens in die Justiz verständlich. Der Vollzugsverlauf wurde zudem auch immer wieder durch verschiedene äussere Faktoren erschwert, was bei der Frage Therapierbarkeit ebenfalls zu berücksichtigen ist. So geht aus dem Abschlussbericht der JVA Pöschwies hervor, dass eine intensivere Auseinandersetzung mit deliktspezifischen Inhalten u.a. auch nicht möglich gewesen sei wegen des den Beschwerdeführer phasenweise absorbierenden Methadonabbauprozesses sowie der krankheitsbedingten Abwesenheit des Referenten (pag. 2374 Vollzugsakten). Die Massnahme wurde aber weiterhin als zweckmässig und notwendig angesehen (pag. 2375 Vollzugsakten). Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in der Folge während seines Aufenthalts von gut einem Jahr in der offenen Vollzugsanstalt MZB und mit Gewährung von begleiteten Ausgängen ebenfalls keine massgeblichen Fortschritte gezeigt hat, ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass in diese Zeit (Mitte bis Ende November 2020) die Erkrankung und der Tod seiner Partnerin fiel, womit es verständlich ist, dass bei der deliktpräventiven Behandlung dieses Thema und nicht die Auseinandersetzung mit den Straftaten im Vordergrund stand (vgl. auch pag. 181 PEN 21 287).
13.8 Auch wenn die von med. pract. H.________ in seinem Gutachten vom 28. Februar 2022 erwähnten Fortschritte hinsichtlich des mit der unreifen Persönlichkeitsstruktur zusammenhängenden zwanghaften Verhaltens sowie der verbesserten Sprache im Bereich der Sexualität und Deliktschilderung die Rückfallgefahr nicht zu beeinflussen vermochten, kann immerhin festgestellt werden, dass gewisse deliktpräventive Fortschritte erzielt werden konnten. Diese bestätigte med. pract. H.________ auch anlässlich der oberinstanzlichen Hauptverhandlung (pag. 515, Z. 15 ff. BK 22 280).
Zudem ist aus juristischer Sicht zu berücksichtigen, dass es das Bundesgericht auch schon zugelassen hat, die Frage der Therapierbarkeit bei einem Verurteilten mit deutlich eingeschränkter Behandelbarkeit nicht mit Blick auf ein Leben in Freiheit zu beurteilen, sondern am Ziel zu messen, dass eine Person in einer weniger geschlossenen Einrichtung untergebracht werden kann. Hierfür kann sich eine erneute Verlängerung der stationären Therapie ebenfalls rechtfertigen (Urteil des Bundesgerichts 6B_296/2021 vom 23. Juni 2021 E. 1.4.5). Das muss auch für die Anordnung einer ambulanten Behandlung gelten. Therapierbarkeit im juristischen Sinne ist denn vorliegend vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der Verhältnismässigkeit unter Umständen dereinst gänzlich aus einem Massnahmenvollzug zu entlassen sein wird, selbst wenn dies mit einem zivilrechtlichen Setting einhergehen sollte. Die Behörden sind in dieser besonderen Konstellation in der Pflicht, für den Beschwerdeführer ein ambulantes Setting zu schaffen, welches dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerecht wird, aber auch den Schutz der sexuellen Unversehrtheit von Minderjährigen berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund ist unter dem Stichwort der Therapierbarkeit angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu prüfen, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, durch eine ambulante Therapie lasse sich die Gefahr weiterer Straftaten durch den Beschwerdeführer im für ihn zu findenden oder schaffenden Setting deutlich verringern. Betreffend die deutliche Verringerung der Rückfallgefahr ist als Vergleichsgrösse die hypothetische Annahme beizuziehen, der Beschwerdeführer werde zum betreffenden Zeitpunkt aus dem Massnahmenvollzug entlassen, ohne bis dahin weiter therapiert zu werden. Die Therapierbarkeit misst sich vorliegend mit anderen Worten nicht an einer absoluten Verbesserung des aktuellen Zustandes, sondern an einem hypothetischen Vollzugsverlauf ohne Therapie bis zur allfälligen Freilassung.
Aus dieser Optik lässt sich eine Therapierbarkeit nach wie vor begründen, zumal die Ausgestaltung und das Setting nun anders sein werden als im Rahmen einer stationären Massnahme. Zudem bejahte auch med. pract. H.________ nach wie vor ein Therapiebedürfnis (vgl. pag. 529, Z. 7 ff. BK 22 280). Entsprechend präsentiert sich das Rückfallrisiko auch tiefer, als wenn der Beschwerdeführer ohne weitere Massnahme in Freiheit entlassen werden würde.
7. Verhältnismässigkeit
14.1 Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gilt im gesamten Massnahmenrecht, sowohl bei der Anordnung von Massnahmen als auch bei den Folgeentscheidungen. Er wird im Strafgesetzbuch konkretisiert. Die Anordnung einer Massnahme setzt nach Art. 56 Abs. 2 StGB voraus, dass der mit ihr verbundene Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig ist. Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Sicherheitsbelange der Allgemeinheit und der Freiheitsanspruch des Betroffenen als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (BGE 142 IV 105 E. 5.4 mit Hinweisen). Im Rahmen der Verhältnismässigkeit ist auch der Dauer des bereits erfolgten Freiheitsentzugs Rechnung zu tragen (BGE 137 IV 201 E. 1.2). Bei langandauernder Unterbringung gewinnt der Freiheitsanspruch des Eingewiesenen zunehmend an Gewicht (Urteile 6B_889/2019 vom 6. November 2019 E. 1.6.1; 6B_643/2018 vom 5. September 2018 E. 1.2.2; 6B_930/2018 vom 21. Januar 2019 E. 1.2.3; je mit Hinweisen; 6B_109/2013 vom 19. Juli 2013 E. 4.4.2).
14.2 Es liegt nach wie vor eine moderate bis deutliche Rückfallgefahr vor, welche ausgehend von der anwendbaren Basisrate einer Rückfallwahrscheinlichkeit von etwa 10% entspricht. Betroffen sind die hochwertigen Rechtsgüter der sexuellen Integrität und ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern. Die fraglichen Taten wiegen schwer und sind geeignet, die psychische und sexuelle Integrität der Opfer erheblich zu beeinträchtigen bzw. die sexuelle Entwicklung der Opfer massiv zu stören. Die ambulante Massnahme ist erforderlich und geeignet, um diesem Rückfallrisiko zu begegnen. Ein Abwägen der Gefährlichkeit des Beschwerdegegners und des Anliegens der Öffentlichkeit am Schutz der ungestörten (sexuellen) Entwicklung von Kindern einerseits mit dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers andererseits führt zum Schluss, dass eine ambulante Massnahme aus Verhältnismässigkeitsgründen anzuordnen ist. Sie erweist sich als erforderlich, geeignet und das mildeste Mittel. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers scheidet die Anordnung von erwachsenenschutzrechtlichen Massnahmen aus. Das Gericht kann solche nicht selber anordnen (vgl. Art. 62c Abs. 5 StGB). Allein wegen der vom Beschwerdeführer ausgehenden Fremdgefährdung darf eine fürsorgerische Unterbringung nach geltendem Recht ohnehin nicht angeordnet werden (BGE 145 III 441 mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Zudem bleibt das Strafrecht autonom. Eine im Strafgesetzbuch vorgesehene Massnahme ist immer anzuordnen, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind. Der Strafrichter ist nicht befugt, von der strafrechtlichen Massnahme abzusehen, weil er eine Massnahme erwachsenenschutzrechtlicher oder administrativer Natur im konkreten Fall für geeigneter oder zweckmässiger hält (Urteil des Bundesgerichts 6B_90/2020 vom 22. April 2020 E. 4.2 u.a. mit Verweis auf BGE 92 IV 77 E. 3). Im Strafrecht stehen derzeit genügend Möglichkeiten zur Verfügung, um der vom Beschwerdeführer ausgehenden Rückfallgefahr für Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern Rechnung zu tragen (Urteil des Bundesgerichts 6B_82/2021 vom 1. April 2021 E. 4.5 mit weiterem Hinweis), zumal dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz mit Anordnung einer ambulanten Massnahme sowie der Ausgestaltung deren Vollzugsmodalitäten Rechnung getragen werden kann. Etwas anderes kann auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Urteil des Bundesgerichts 6B_232/2011 vom 17. November 2011, E. 3.2.3, abgeleitet werden, zumal diesem Urteil eine ganz andere Ausgangslage zugrunde liegt. Es ging um die Würdigung des Gutachtens und nicht um die Frage, ob das Gericht unter Verhältnismässigkeitsaspekten anstelle einer strafrechtlichen eine erwachsenenschutzrechtliche Massnahme anordnen kann. Aufgrund des Fehlens einer erheblichen Gefahr erfolgte denn auch gar keine Prüfung der Verhältnismässigkeit.
14.3 Folglich ist eine ambulante Massnahme anzuordnen und der Antrag des Beschwerdeführers, er sei unverzüglich zu Handen der Erwachsenenschutzbehörde aus der vollzugsrechtlichen Sicherheitshaft zu entlassen, abzuweisen. Aufgrund der nach wie vor moderaten bis deutlichen Rückfallgefahr ist weiterhin eine Therapie sowie ein forensisches Monitoring sicherzustellen (vgl. Ergänzungsgutachten pag. 183 und 186 PEN 21 287 sowie Aussagen von med. pract. H.________ vor oberer Instanz, pag. 529 Z. 7 ff., pag. 533 Z. 4 ff. BK 22 280). Zudem wird für die Dauer der ambulanten Massnahme Bewährungshilfe sowie ein Kontaktverbot zu Minderjährigen angeordnet (Art. 63 Abs. 2 StGB i.V.m. Art. 93 f. StGB, vgl. zur Zulässigkeit eines Kontaktverbotes auch Urteil des Bundesgericht 6B_173/2018 vom 5. Juli 2018 E. 2.2.5). Die Bewährungshilfe soll neben der ambulanten Therapie dazu dienen, den Beschwerdeführer vor Rückfällen zu bewahren und ihm die übrige notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.
Die Beschwerde wird damit teilweise gutgeheissen. Der Antrag der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern vom 30. August 2021 auf Anordnung der Verwahrung wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
III. Kosten- und Entschädigung
1. Bei diesem Ausgang des Verfahrens gilt der Beschwerdeführer als teilweise obsiegend (Art. 428 Abs. 1 StPO), weshalb die Verfahrenskosten bestimmt auf CHF 4'453.00 (Gebühren CHF 3'000.00 sowie Auslagen CHF 1'453.00), im Umfang von 4/5, ausmachend CHF 3'562.40, vom Kanton Bern getragen werden. Im Umfang von 1/5, ausmachend CHF 890.60, sind sie dem Beschwerdeführer zur Bezahlung aufzuerlegen.
2. Gemäss Art. 42 Abs. 1 des kantonalen Anwaltsgesetzes (KAG; BSG 168.11) bezahlt der Kanton Bern den amtlich bestellten Anwälten eine angemessene Entschädigung, die sich nach dem gebotenen Zeitaufwand bemisst und höchstens dem Honorar gemäss der Tarifordnung für den Parteikostenersatz (Art. 41 KAG) entspricht. Gemäss Art. 17 Abs. 1 Bst. f i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Bst. c der Verordnung über die Bemessung des Parteikostenersatzes (PKV; BSG 168.811) beträgt der Tarifrahmen im vorliegenden Beschwerdeverfahren CHF 200.00 bis CHF 25'000.00 (10 bis 50% des Tarifrahmens von CHF 2'000.00 bis 50'000.00). Bei der Festsetzung des gebotenen Zeitaufwands sind die Bedeutung der Streitsache und die Schwierigkeit des Prozesses zu berücksichtigen (Art. 42 Abs. 1 KAG).
Die von Advokat B.________ eingereichte Honorarnote vom 7. Februar 2023 gibt mit Ausnahme der Auslagen für Fotokopien, welche mit CHF 0.40 anstatt den beantragten CHF 0.50 entschädigt werden (Kreisschreiben Nr.15 des Obergerichts vom 21. Januar 2022 betreffend die Entschädigung der amtlich bestellten Anwältinnen und Anwälte und Nachforderungsrecht [nachfolgend: Kreisschreiben], Ziffer 3.4 Bst. b), keinen Anlass zur Beanstandung und erscheint mit Blick auf den gebotenen Zeitaufwand, die Bedeutung der Streitsache und die Schwierigkeit des Prozesses als angemessen. Unter Berücksichtigung des Aufwands für die Teilnahme an der oberinstanzlichen Hauptverhandlung im Umfang von 6.5 Stunden sowie einem Reisezuschlag und Spesen für die Hin- und Rückreise (CHF 0.70 pro km, Ziffer 3.4 Bst. a des Kreisschreibens) ergibt sich damit ein amtliches Honorar von CHF 6’869.10. Der Beschwerdeführer hat dem Kanton Bern die für das oberinstanzliche Verfahren ausgerichtete Entschädigung im Umfang von 1/5, ausmachend CHF 1’373.80, zurückzuzahlen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO). Eine Nachzahlungspflicht an Advoakt B.________ entfällt, weil dieser einzig das amtliche Honorar geltend gemacht hat.
3. Der Beschwerdeführer beantragt zudem eine Entschädigung für die Kosten des Parteigutachtens, da dieses eine massgebliche Entscheidgrundlage und damit notwendiger Aufwand gewesen sei. Gemäss Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 429 Abs. 1 Bst. a StPO hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Entschädigung seiner Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte. Die Kosten für das Parteigutachten belaufen sich gemäss eingereichter Rechnung auf CHF 7'722.10. Das Parteigutachten war zusammen mit der Einvernahme des Gutachters ein wesentliches Beweismittel und kann mit Blick auf die sich stellenden forensisch-psychologischen Fragen grundsätzlich als notwendiger Aufwand bezeichnet werden, zumal auch der Experte vor Gericht darauf abgestellt hat und ihm dadurch eigene Recherchen erspart geblieben sind (vgl. pag. 521, Z. 34 ff. BK 22 280). Allerdings erscheint es nicht erforderlich, dass drei Experten an der Verfassung eines solchen Gutachtens beteiligt waren. Mit Blick darauf, dass med. pract. H.________ seinen Aufwand für die Hauptverhandlung mit einem Stundenansatz von CHF 200.00 abrechnet, erscheint zudem auch der Tarif von CHF 340.00 als zu hoch. Unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Umstände erscheint eine Entschädigung von pauschal CHF 4'000.00 als angemessen.
4.
18.1 Der Beschwerdeführer beantragt weiter eine angemessene Entschädigung für den unrechtmässigen staatlichen Freiheitsentzug im Umfang von CHF 111'800.00 zuzüglich Zins (559 Tage à CHF 200.00; gerechnet vom 29. Juli 2021 bis am 8. Februar 2023). Vorab ist festzuhalten, dass es vorliegend nicht um eine Entschädigung aufgrund rechtswidriger Haft, sondern um die Entschädigung von Überhaft gemäss Art. 431 Abs. 2 StPO geht. Überhaft liegt vor, wenn die Untersuchungs- und/oder Sicherheitshaft rechtmässig angeordnet wurde, diese Haft den im Entscheid ausgesprochenen Freiheitsentzug aber überschreitet, also länger dauert als die tatsächlich ausgefällte Sanktion. Bei Überhaft nach Art. 431 Abs. 2 StPO ist also nicht die Haft per se, sondern nur die Haftlänge ungerechtfertigt. Sie wird erst im Nachhinein, das heisst nach Fällung des Urteils, übermässig (BGE 145 IV 359 E. 2.5).
18.2 Die stationäre Massnahme ist mit ihrer Aufhebung am 28. Juli 2021 weggefallen. Allerdings wurde Sicherheitshaft bis zum Urteil der Vorinstanz angeordnet, weshalb sich der Freiheitsentzug auf einen Hafttitel stützte und es sich damit nicht um rechtswidrige Haft handelte. In der Folge ordnete die Vorinstanz am 27. April 2022 die Verwahrung an. Aufgrund der fehlenden aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ist die Verwahrung vollstreckbar und begründet nach bisheriger Praxis der Beschwerdekammer einen Hafttitel für den weiteren Freiheitsentzug, weshalb die Anordnung von Sicherheitshaft nicht erforderlich ist (vgl. Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 20 82 vom 9. März 2020). Aufgrund des Urteils des Bundesgerichts 1B_375/2022 vom 4. August 2022 beantragte der Präsident der Beschwerdekammer am 23. August 2022 zwar (vorsorglich) Sicherheitshaft bei der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts, welche mit Verfügung vom 25. August 2022 auch bewilligt wurde. Das ändert aber nichts daran, dass sich der Freiheitsentzug bis zum vorliegenden Beschluss der Beschwerdekammer auf die vorinstanzlich angeordnete Verwahrung stützte und damit während der ganzen Dauer des Beschwerdeverfahrens ein Hafttitel vorlag. Entgegen dem soeben zitierten (nicht publizierten) Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Dreierbesetzung kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Einführung von Art. 364a und Art. 364b StPO der Art. 387 StPO, wonach Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben (vorbehalten abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes oder Anordnungen der Verfahrensleitung der Rechtsmittelinstanz), hinter diese beiden Bestimmungen zurücktritt. Es kann auf die Ausführungen in der Verfügung der 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern SK 22 496 vom 25. August 2022 E. 15 ff. verwiesen werden, in welcher über die Sicherheitshaft im vorliegenden Beschwerdeverfahren entschieden wurde. Die Art. 364a und 364b StGB traten am 1. März 2021 in Kraft (vgl. AS 2021 75) und entsprechen der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Anordnung von Sicherheitshaft während der Dauer des gerichtlichen Nachverfahrens nach Art. 363 ff. StPO auch ohne gesetzliche Grundlage in analoger Anwendung von Art. 221 und Art. 229 ff. StPO zulässig war (statt vieler: BGE 146 I 115 E. 2.3 ff.). Bezüglich Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der neuen Bestimmungen Art. 364a und 364b StPO ergibt sich Folgendes: Gemäss der Botschaft zur Änderung der Strafprozessordnung vom 28. August 2019 waren verschiedene Anpassungen bezüglich des nachträglichen Verfahrens vorgesehen. So sollten bzw. werden nachträgliche Entscheide neu mit Berufung anfechtbar sein und in den Art. 364a und 364b StPO neu die Haftverfahren im Rahmen von nachträglichen Verfahren gesetzlich geregelt werden. Während sich Art. 364a StPO mit Sicherheitshaft im Hinblick auf ein nachträgliches Verfahren befasst, regelt Art. 364b StPO gemäss der Marginalie die Sicherheitshaft während des Gerichtsverfahrens. Die Botschaft hält fest, dass Sicherheitshaft während des Nachverfahrens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zulässig sei. Aus der Rechtsprechung ergebe sich auch die Frage der Zuständigkeit. Angesichts der Eingriffsschwere der Zwangsmassnahme sei eine fehlende explizite Regelung rechtsstaatlich bedenklich. Es sei deshalb vorgesehen, die Sicherheitshaft während der Dauer des Verfahrens basierend auf der Rechtsprechung des Bundesgerichts gesetzlich in der StPO zu verankern. Die Verfahrensleitung des Gerichts führe nach Absatz 2 in sinngemässer Anwendung von Art. 224 StPO ein Haftverfahren durch. Da Bund und Kantone gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO Abweichungen von der Zuständigkeit des Gerichts, welches das erstinstanzliche Urteil gefällt habe, vorsehen könnten (z.B. ein kantonales letztinstanzliches Gericht), sei die Sicherheitshaft entweder beim Zwangsmassnahmengericht (analog Art. 229 Abs. 2 StPO) oder bei der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts (analog Art. 232 StPO) zu beantragen (vgl. BBl 2019 6765 f.).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 3. Dezember 2019 entschieden, dass die StPO keine genügende gesetzliche Grundlage für Sicherheitshaft im Hinblick auf ein nachträgliches Verfahren enthält und eine analoge Anwendung der vorhandenen Haftbestimmungen nicht zulässig ist. Dies war der (einzige) Grund, weshalb die Art. 364a und 364b StPO vor den übrigen Bestimmungen der revidierten StPO in Kraft gesetzt wurden (AB 2020 N 601 ff.; AB 2020 S 688 ff.).
Gestützt darauf wird ersichtlich, dass weder eine historische noch eine Auslegung nach Sinn und Zweck den Schluss aufdrängen, mit dem Inkrafttreten von Art. 364b StPO komme der Beschwerde insoweit nunmehr aufschiebende Wirkung zu; eine solche tiefgreifende Konsequenz hat der Gesetzgeber denn auch nicht ansatzweise diskutiert, zumal er diese Bestimmung im Hinblick auf das Rechtsmittel der Berufung so erlassen hat. Vielmehr sollte die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung kodifiziert werden und der Verweis auf das Berufungsgericht erfolgte einzig im Hinblick auf kantonale Regelungen, welche das (erstinstanzliche) nachträgliche Verfahren an einem letztinstanzlichen Gericht angliedern. Sobald – was noch nicht der Fall ist – Entscheide in nachträglichen Verfahren mit Berufung anfechtbar sein werden, wird auch oberinstanzlich eine Haftanordnung bzw. (häufiger)
-verlängerung notwendig sein. Diese wird gestützt auf Art. 364b Abs. 4 StPO i.V. mit Art. 230-233 StPO zu erfolgen haben. Ein Vorgehen nach Art. 364b Abs. 2 fällt schon deshalb ausser Betracht, weil ansonsten die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts bei der Verfahrensleitung des Berufungsgerichts – mithin bei sich selbst – Haft beantragen müsste. Mithin wird die zuständige Verfahrensleitung – wie in den übrigen Berufungssachen – selbst über die Haft zu entscheiden haben.

Mit Blick darauf ist auch nicht ersichtlich, inwiefern (zukünftig) der Regelungsgehalt von Art. 364b StPO komplett seines Gehalts entleert wäre, sobald im gerichtlichen Nachverfahren ein erstinstanzlicher Entscheid ergangen ist (vgl. Argumentation des Beschwerdeführers in Urteil des Bundesgerichts 1B_375/2022 vom 4. August 2022 E. 2.3). Bei dieser Sichtweise wird gerade übersehen, dass diese Bestimmung wie erwähnt mit Blick auf das neu zuständige Rechtsmittel der Berufung, welcher gemäss Art. 402 StPO und damit von Gesetzes wegen im Umfang der Anfechtung aufschiebende Wirkung zukommt, so erlassen wurde. Im Übrigen ging es eben um die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Sicherheitshaft, sofern Sicherheitshaft überhaupt nötig ist. Ordnet, wie vorliegend, das erstinstanzliche Gericht aber eine Massnahme an und kommt einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zu, liegt ein vollstreckbarer Vollzugstitel vor, weshalb sich die Anordnung der Sicherheitshaft erübrigt. Es kann in diesem Zusammenhang auch auf BGE 142 IV 105 E. 5.7 verwiesen werden, wonach ab dem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid im nachträglichen Verfahren ein gültiger Vollzugstitel vorliegt. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht nachvollziehbar, weshalb sich ein Freiheitsentzug bis zur Rechtskraft des Beschlusses während der Dauer des gesamten gerichtlichen Nachverfahrens in der Konstellation wie der vorliegenden (Aufhebung der stationären Massnahme und Antrag auf Verwahrung), das heisst von dessen Einleitung bis zur Rechtskraft des neuen Entscheids, in jedem Fall auf strafprozessuale Sicherheitshaft zu stützen hat. Mit der Anordnung der Verwahrung wurden zudem implizit alle Voraussetzungen einer Sicherheitshaft geprüft und bejaht. Darin liegt weder ein Nachteil noch eine Verletzung von Verfahrensrechten, zumal die Sicherheitshaft ohnehin im bisherigen Vollzugsregime vollzogen wird und es für den Beschwerdeführer keinen Unterschied macht, ob ihm unter dem Titel der Sicherheitshaft oder des Verwahrungsvollzugs die Freiheit entzogen ist.

Es ist daher zusammenfassend davon auszugehen, dass sich der Freiheitsentzug seit dem erstinstanzlichen Urteil auf die Verwahrung stützte, welche durch den Beschluss der Beschwerdekammer nun nachträglich weggefallen bzw. durch eine ambulante Massnahme ersetzt worden ist. Damit ist die vom Beschwerdeführer beantragte Entschädigung einzig unter dem Titel der Überhaft zu prüfen, da dem Beschwerdeführer entweder unter dem Titel Sicherheitshaft oder Massnahmenvollzug die Freiheit entzogen wurde.

18.3 Art. 431 Abs. 2 StPO stellt die Grundregel auf, dass Überhaft nur zu entschädigen ist, wenn sie nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann (BGE 141 IV 236 E. 3.3). Das Bundesgericht hat in BGE 141 IV 236 entschieden, dass Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft an freiheitsentziehende Massnahmen gemäss Art. 56 ff. StGB, konkret an stationäre therapeutische Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB, grundsätzlich anzurechnen ist (E. 3). In BGE 145 IV 359 hat es weiter entschieden, dass Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft an eine ambulante Massnahme (Art. 63 ff. StGB) grundsätzlich anzurechnen ist, soweit dieser im konkreten Einzelfall freiheitsentziehende Wirkung zukommt (E. 2.7). Während es bei stationären Massnahmen als richtig erscheint, die Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft an freiheitsentziehende Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB im gleichen Umfang wie an eine Freiheitsstrafe anzurechnen, bietet es sich im Bereich der ambulanten Massnahmen nach Art. 63 StGB an, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Anrechnung der ambulanten Massnahme auf die Strafe beizuziehen. Gemäss Art. 63b Abs. 4 StGB entscheidet das Gericht darüber, inwieweit der mit der ambulanten Behandlung verbundene Freiheitsentzug auf die Strafe angerechnet wird. Die ambulante Massnahme ist in dem Masse anrechenbar, wie eine tatsächliche Beschränkung der persönlichen Freiheit vorliegt. Von Bedeutung ist hierfür im Wesentlichen, mit welchem Zeit- und Kostenaufwand die Massnahme für den Betroffenen verbunden war. Wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit von ambulanter Massnahme und Strafvollzug kommt in der Regel nur eine beschränkte Anrechnung der ambulanten Behandlung in Frage. Dem Gericht steht beim Entscheid, ob und in welchem Umfang die Behandlung anzurechnen ist, ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Ein fester Umrechnungsmassstab besteht nicht. Auf einen dem Beschuldigten infolge Überhaft zustehenden Entschädigungsanspruch bezogen bedeutet dies, dass eine Genugtuung demnach nur in Frage kommen kann, wenn sich ex post zeigen sollte, dass das Gesamtmass des mit der ambulanten Behandlung einhergehenden Freiheitsentzugs von der Dauer her im Einzelfall kürzer ist, als die erstandene Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft (E. 2.8).

Diese Ausgangslage in BGE 145 IV 359 kann auch auf den vorliegenden Fall angewendet werden. Zwar wurde ursprünglich eine Strafe angeordnet, diese wurde aber zugunsten der Massnahme aufgeschoben. Im nachträglichen Verfahren wurde erneut eine Massnahme angeordnet und es steht nicht fest, wann diese endet. Sowohl die ambulante als auch die stationäre Behandlung von psychischen Störungen sind zeitlich nicht absolut limitiert. Ihre Dauer hängt vom Behandlungsbedürfnis des Massnahmeunterworfenen und den Erfolgsaussichten der Massnahme (vgl. Art. 56 Abs. 1 Bst. b StGB), letztlich also von den Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten, ab. Sie dauern grundsätzlich so lange an, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich eine Zweckerreichung als aussichtslos erweist (Urteil des Bundesgerichts 6B_1456/2020 vom 10. März 2021 E. 2.4.3). Da somit nicht feststeht, zu welchem Gesamtmass an Freiheitsentzug die ambulante Massnahme führen wird und sich entsprechende Feststellungen erst nach Aufhebung bzw. Beendigung und unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen ambulanten Massnahme treffen lassen, erscheint eine hypothetische Analyse, in welcher der mit der ambulanten Massnahme verbundene Freiheitsentzug kürzer bzw. geringer ausfallen könnte als die erstandene Haft, im jetzigen Zeitpunkt nicht als angebracht. Die Frage, ob Überhaft vorliegt, welche nach Art. 431 Abs. 2 StPO zu entschädigen ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich nach Ablauf der ambulanten Massnahme, zu beurteilen sein, allenfalls im Rahmen eines weiteren selbstständigen nachträglichen Verfahrens im Sinne von Art. 363 StPO oder eines separaten Entschädigungsverfahrens (vgl. Urteil 6B_375/2018 vom 12. August 2019 E .2.9; nicht publ. in BGE 145 IV 359).
IV. Sicherheitshaft
1. Gestützt auf Art. 231 i.V.m. Art. 379 StGB ist Sicherheitshaft anzuordnen. Im konkreten Fall sind die materiellen Voraussetzungen zur Anordnung von Sicherheitshaft nach wie vor erfüllt. Mit Blick auf die nach wie vor bestehende Rückfallgefahr ist von Wiederholungsgefahr auszugehen, unabhängig davon, wie unmittelbar diese ist. Auch wenn der Beschwerdeführer aktuell nicht mehr auf ein sicherndes Setting im Rahmen einer stationären Massnahme angewiesen ist, kann er nicht unvorbereitet und ohne Aufgleisung des risikosenkenden ambulanten Settings und Monitorings aus dem Massnahmenvollzug entlassen werden. Dies wäre auch mit dem Massnahmenzweck nicht vereinbar. Zur Aufgleisung der ambulanten Massnahme und Bewährungshilfe durch die BVD hat der Beschwerdeführer daher bis am 31. März 2023 in Sicherheitshaft zu verbleiben. Die Sicherheitshaft ist dabei im Rahmen der bisherigen Vollzugsplanung zu vollziehen. Das heisst, dass sich an der Art und dem Ort des Vollzugs durch die Anordnung der Sicherheitshaft nichts ändert.

Die Beschwerdekammer in Strafsachen beschliesst:
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Antrag der Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern vom 30. August 2021 auf Anordnung der Verwahrung abgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2. Es wird eine ambulante therapeutische Massnahme gemäss Art. 63 StGB angeordnet. Für deren Dauer wird Bewährungshilfe sowie ein Kontaktverbot zu Minderjährigen angeordnet.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf CHF 4'453.00 (Gebühren CHF 3'000.00 sowie Auslagen CHF 1'453.00), werden im Umfang von 1/5, ausmachend CHF 890.60, dem Beschwerdeführer zur Bezahlung auferlegt. Im Umfang von 4/5, ausmachend CHF 3'562.40, werden sie vom Kanton Bern getragen.
4. Die Entschädigung des amtlichen Vertreters des Verurteilten, Advokat B.________, wird für das vorliegende Beschwerdeverfahren wie folgt bestimmt.

Der Beschwerdeführer hat dem Kanton Bern die für das oberinstanzliche Verfahren ausgerichtete Entschädigung im Umfang von 1/5, ausmachend CHF 1’373.80, zurückzuzahlen, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (Art. 135 Abs. 4 StPO). Eine Rück- sowie eine Nachzahlungspflicht an Advoakt B.________ entfallen.
5. Dem Beschwerdeführer wird für seine Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte im Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von CHF 4'000.00 ausgerichtet.
6. Bis zum effektiven Antritt der ambulanten Massnahme, längstens aber bis zum 31. März 2023, wird Sicherheitshaft angeordnet. Diese ist im Massnahmenzentrum Bitzi zu vollziehen.
7. Zu eröffnen:
• dem Verurteilten/Beschwerdeführer, a.v.d. Advokat B.________ (per Einschreiben)
• der Generalstaatsanwaltschaft (per Kurier)
• den Bewährungs- und Vollzugsdiensten des Kantons Bern, v.d. Fürsprecher C.________ (per Einschreiben)

Mitzuteilen:
• dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau, Gerichtspräsidentin U.________
(mit den Akten – per Einschreiben)
• der Regionalen Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau, Staatsanwalt V.________ (per B-Post)



Bern, 24. Februar 2023
Im Namen der Beschwerdekammer
in Strafsachen
Der Präsident:
Oberrichter Bähler
Die Gerichtsschreiberin:
Kurt
i.V. Gerichtsschreiberin Lauber



Die Entschädigung für das Beschwerdeverfahren wird durch die Beschwerdekammer in Strafsachen entrichtet. Es wird um Zustellung eines Einzahlungsscheins ersucht.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden durch die Beschwerdekammer in Strafsachen in Rechnung gestellt.

Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.

Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung innert 10 Tagen seit Zustellung bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, Viale Stefano Franscini 7, 6500 Bellinzona schriftlich und begründet Beschwerde führen (Art. 135 Abs. 3 Bst. b, Art. 396 Abs. 1 StPO).
Quelle: https://www.zsg-entscheide.apps.be.ch/tribunapublikation/
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