BK 2018 503 - Beweisanträge, Verwertbarkeit von Beweismitteln
Obergericht
des Kantons Bern
Beschwerdekammer in Strafsachen
Cour suprême
du canton de Berne
Chambre de recours pénale
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Beschluss
BK 18 503
Bern, 8. Februar 2019
Besetzung Oberrichterin Schnell (Präsidentin), Oberrichter J. Bähler , Oberrichterin Bratschi
Gerichtsschreiberin Beldi
Verfahrensbeteiligte A.__
Beschuldigte
B.__
a.v.d. Fürsprecher C.__
Beschuldigter/Beschwerdeführer
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern
D.__
Strafund Zivilklägerin
Gegenstand Beweisanträge / Verwertbarkeit von Beweismitteln
Strafverfahren wegen Betrugs und Versuchs dazu, evtl. Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Altersund Hinterlassenenversicherung
Beschwerde gegen die Verfügung der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland vom 23. November 2018 (BM 16 20970)
Erwägungen:
1. Die Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) ermittelt gegen B.__ wegen Betrugs und Versuchs dazu, evtl. wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10). Ihm wird ungerechtfertigter Leistungsbezug vorgeworfen, indem er der Invalidenversicherung (IV) gegenüber unwahre Angaben zu seinem Gesundheitszustand, seinen Ressourcen und seiner Alltagsbewältigung gemacht haben soll, mit der Absicht, weiterhin die ganze Rente zu beziehen.
Im Rahmen der gemäss Art. 318 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) angesetzten Frist stellte B.__ am 8. Oktober 2018 diverse Beweisanträge. Ferner beantragte er innert gewährter Fristerstreckung, dass das IV-Observationsmaterial sowie die protokollierten IV-Befragungen aus den Akten zu weisen seien (Eingabe vom 5. November 2018). Eventualiter seien die Personen, welche die Observation durchgeführt hätten, zu befragen und es sei ein unabhängiger Gutachter mit der Auswertung des fraglichen Observationsmaterials zu beauftragen. Mit Verfügung vom 23. November 2018 nahm die Staatsanwaltschaft die vom Verteidiger eingereichten medizinischen Berichte zu den Akten. Soweit weitergehend wies sie die Beweisanträge und das Aktenentfernungsgesuch ab. Gegen diese Verfügung reichte B.__ (nachfolgend: Beschwerdeführer), amtlich verteidigt durch Rechtsanwalt C.__, am 7. Dezember 2018 Beschwerde ein. Darin wiederholte er die bereits am 8. Oktober 2018 und 5. November 2018 gestellten Anträge. Die Generalstaatsanwaltschaft schloss in ihrer Stellungnahme vom 27. Dezember 2018 auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit auf diese überhaupt eingetreten werden könne. Die Strafund Zivilklägerin liess sich nicht vernehmen. Mit Replik vom 31. Januar 2019 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
2.
2.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Staatsanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer in Strafsachen innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde geführt werden (Art. 393 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 396 Abs. 1 StPO, Art. 35 des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft [GSOG; BSG 161.1] i.V.m. Art. 29 Abs. 2 des Organisationsreglements des Obergerichts [OrR OG; BSG 162.11]). Die Beschwerde erfolgte fristund - unter Vorbehalt des nachfolgend zu den IV-Einvernahmeprotokollen Gesagten formgerecht.
2.1 Der Beschwerdeführer beantragt (u.a.) die Entfernung des IV-Observationsmaterials. Nach konstanter Praxis der Beschwerdekammer sind Beschwerden gegen die Nichtentfernung (angeblich) unverwertbarer Beweise aus den Strafakten zulässig (Beschlüsse des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 293 vom 3. Oktober 2017 E. 2, BK 17 266 vom 31. August 2017 E. 2, BK 16 379 vom 1. Mai 2017 E. 2, BK 16 44 vom 21. März 2016 E. 2.3 und BK 15 262 vom 9. November 2015 E. 2.1, mit weiteren Hinweisen). Der Ausschlussgrund von Art. 394 Bst. b StPO gelangt nicht zur Anwendung (dazu nachfolgend E. 2.3). Dies hat das Bundesgericht mittlerweile bestätigt (BGE 143 IV 475), weshalb sich weitere Ausführungen dazu erübrigen. Der Beschwerdeführer hat als beschuldigte Person insoweit ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung des angefochtenen Entscheids.
Nicht eingetreten werden kann jedoch auf das nicht weiter begründete Begehren, wonach sämtliche protokollierten IV-Befragungen aus den Akten zu entfernen seien. Der Beschwerdeführer macht in seinem Rechtsbegehren nur einen pauschalen Hinweis auf das am 5. November 2018 gegenüber der Staatsanwaltschaft gestellte Begehren. Damit kommt er den an ihn gestellten Begründungsanforderungen nicht nach. Art. 396 Abs. 1 StPO schreibt vor, dass eine Beschwerde schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen ist. Begründet ist ein Rechtsmittel nach Art. 385 Abs. 1 StPO u.a. dann, wenn die Person, die das Rechtsmittel ergreift, genau angibt, welche Gründe einen anderen Entscheid nahelegen (Bst. b vorgenannter Bestimmung). Der Beschwerdeführer ist anwaltlich vertreten, weshalb diese Begründungsanforderungen ohne Weiteres als bekannt vorausgesetzt werden können. In der Beschwerde wird mit keinem Wort ausgeführt, weshalb die staatsanwaltlichen Erwägungen nicht richtig sein sollten bzw. welche Gründe einen anderen Entscheid nahelegen würden.
2.2
2.2.1 Gegen die Ablehnung von Beweisanträgen durch die Staatsanwaltschaft ist die Beschwerde gemäss Art. 394 Bst. b StPO ausgeschlossen, wenn der Antrag ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden kann (Landshut/Bosshard, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 318 StPO, mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung ist der in Art. 394 Bst. b StPO genannte Rechtsnachteil gleichbedeutend mit dem nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 Bst. a des Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110; Urteile des Bundesgerichts 1B_55/2013 vom 7. März 2013 E. 1.2 sowie 1B_189/2012 vom 17. August 2012 E. 2.1). Ein solcher Rechtsnachteil liegt vor allem dann vor, wenn die Beweisabnahme keinen Aufschub verträgt, insbesondere weil sonst ein Beweisverlust droht (Urteil des Bundesgerichts 1B_73/2013 vom 21. Mai 2014 E. 1.4). Der Nachweis des drohenden Rechtsnachteils obliegt der beschwerdeführenden Person (Keller, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 394 StPO). Sie hat zu begründen, weshalb der beantragte Beweis von entscheidender Bedeutung für das Verfahren ist, sowie nachzuweisen, dass ein Zuwarten mit der Beweisabnahme aller Voraussicht nach zu einem Beweisverlust führen würde (Guidon, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 394 StPO). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss ein konkretes Risiko des Beweisverlusts bestehen; eine bloss theoretische Möglichkeit reicht nicht aus (Urteil des Bundesgerichts 1B_189/2012 vom 17. August 2012 E. 2.1). Ein solcher Rechtsnachteil wird beispielsweise dann zu bejahen sein, wenn eine hoch betagte, todkranke sich nur vorübergehend in der Schweiz aufhaltende Person einvernommen werden soll (Schmid/Jositsch, Schweizerische Strafprozessordnung Praxiskommentar, 3. Aufl. 2017, N. 3 zu Art. 394 StPO; Guidon, a.a.O., N. 6 zu Art. 394 StPO).
2.2.2 Der Beschwerdeführer macht zur Begründung des Rechtsnachteils geltend, die beantragten Beweise würden vom urteilenden Gericht wegen des Prozessaufwands wohl kaum abgenommen, selbst wenn er die gleichen Anträge formell und theoretisch nochmals stellen könnte. Die zu beweisenden Tatsachen würden aus zweckmässigen Gründen eindeutig in die Voruntersuchung gehören. Zudem stelle es eine Rechtsverletzung dar, das Recht auf Beweisabnahme im Stadium des Vorverfahrens nicht zu gewähren. Und eine Rechtsverletzung bedeute stets einen Rechtsnachteil.
2.2.3 Der Beschwerdeführer beantragte die Ernennung eines unabhängigen Gutachters zwecks Auswertung des Fotound Filmmaterials der IV, die Einvernahme der observierenden Personen, die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zum aktuellen Gesundheitszustand und eines medizinischen Berichts bei PD Dr. med. E.__ und PD. Dr. med. F.__ sowie die Befragung derselben. Inwiefern es zu spät sein sollte, wenn diese Beweisanträge erst im Hauptverfahren abgenommen würden, ist nicht ersichtlich. Ausserdem kann keine Rechtsverletzung ausgemacht werden. Anders als der Beschwerdeführer geltend macht, entspricht es nicht der Realität, dass die erstinstanzlichen Gerichte keine kaum Beweisverfahren durchführen. Auch wenn mit der Strafprozessordnung eine Verlagerung der Beweisabnahmen in das Stadium der Voruntersuchung vorgenommen worden ist, obliegt es letztlich dem erstinstanzlichen Sachgericht, ein Urteil zu fällen. Es wird bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung von sich aus und/oder auf Antrag der Parteien bestimmen, welche (zusätzlichen) Beweise in der Hauptverhandlung erhoben werden, falls es dies anders als die Strafverfolgungsbehörden doch für entscheidrelevant erachtet (Guidon, a.a.O., N. 7 zu Art. 394 StPO). Dass in diesem Prozessstadium noch Gutachten eingeholt und Sachverständige befragt werden, ist ebenso wenig selten und ungewöhnlich wie die Einvernahme weiterer Personen, auch wenn v.a. Ersteres unter Umständen grossen Aufwand bedingt. Dies gilt gleichermassen für das Hauptund Rechtsmittelverfahren. Dass die Einholung eines Gutachtens im Hauptverfahren allenfalls zu einer Verfahrensverzögerung führen kann, stellt ebenfalls keinen Rechtsnachteil im Sinn von Art. 394 Bst. b StPO dar, sondern ist lediglich ein sogenannter faktischer Nachteil (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1B_92/2013 vom 7. März 2013 E. 2.4; Beschluss der Beschwerdekammer BK 13 350 vom 17. Januar 2014 E. 2.3). Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein zu einem späteren Zeitpunkt bei einem unabhängigen Gutachter eingeholter Bericht betreffend Auswertung des vorhandenen Fotound Filmmaterials der IV im vorliegenden Fall derart an Aussagekraft verlieren würde, dass mit einem irreversiblen Nachteil für den Beschwerdeführer gerechnet werden müsste. Und schliesslich kann der Beschwerdeführer auch aus dem verfassungsmässig garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet gemäss Art. 107 Abs. 1 Bst. e StPO das Recht der Parteien, Beweisanträge zu stellen. Dieses Recht hat die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer eingeräumt. Ein weitergehender Anspruch, d.h. ein Anspruch auf Beweisabnahme, besteht nicht.
Der Beschwerdeführer vermag folglich nicht darzutun, inwiefern ihm ein Rechtsnachteil droht. Die entsprechenden Beweisanträge können ohne Weiteres vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden. Auf die Beschwerde ist insoweit nicht einzutreten.
3. In materieller Hinsicht umstritten ist die Verwertbarkeit des durch die D.__ (IV-Behörde) veranlassten Observationsberichts (inkl. Fotound Filmmaterial). Der für diese Frage relevante Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Beschwerdeführer erlitt am 31. März 1995 einen Arbeitsunfall, indem er 1,2 Meter tief in einen Liftschacht fiel und dabei mit dem Hinterkopf aufschlug. Gestützt auf die Abklärungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach die IV dem Beschwerdeführer in der Folge eine ganze Rente zu. Dieser Rentenanspruch wurde mehrfach überprüft und bestätigt. Gemäss dem in den Akten befindlichen neurologisch-neuropsychologischen Gutachten des Inselspitals Bern vom 9. April 1997 (Beilage 3 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016) hat der Beschwerdeführer ein Schädel-Hirn-Trauma mit traumatischer Subarachnoidalblutung erlitten. Den Gutachtern zufolge litt der Beschwerdeführer (zumindest im damaligen Zeitpunkt) unter persistierenden Zervikozephalgien, Schwindel, Nausea und neurasthenische Beschwerden. Ferner wurde eine pathologische Traumaverarbeitung mit Pseudodemenz, reaktiver Depression und regressivem Verhalten diagnostiziert. Die Experten bestätigten eine vollständige Arbeitsunfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten. Sie führten zudem aus, der Beschwerdeführer wohne bei seinem Bruder und dessen Familie, welche ihn auch betreue. Er benötige Hilfe beim Gehen, sich Kleiden, Duschen etc. und verbringe den Tag sitzend liegend in der Wohnung. Er schlafe oft, meide jeglichen Betrieb, spreche kaum und sei schwer zu motivieren, nach draussen zu gehen. Sowohl der Medikamentenkonsum als auch die Abhängigkeit von Fremdhilfe hätten zugenommen.
Im Zusammenhang mit der Rentenrevision 2011 führte der Beschwerdeführer im Fragebogen vom 13. Januar 2012 einen unveränderten Gesundheitszustand auf. Betreffend Hilflosigkeit hielt er fest, dass er in sämtlichen der sieben aufgeführten Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf die Hilfe Dritter angewiesen sei und auch sogenannte «lebenspraktische Begleitung» benötige. Aufgrund dieser Angaben klärte die IV mittels Abklärung vor Ort den Anspruch auf Hilflosenentschädigung ab. Dem Abklärungsbericht Hilflosenentschädigung vom 17. Oktober 2012 ist zu entnehmen, dass sich die Abklärung schwierig gestaltet hat (Beilage 7 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016, auch zum Folgenden). Den Ausführungen der Abklärungsfachperson zufolge habe der Beschwerdeführer zum vereinbarten Abklärungszeitpunkt noch geschlafen und habe von der Ehefrau geweckt werden müssen. Ausserdem habe der Beschwerdeführer die Fragen zeitweise nicht beantwortet, dies aus sprachlichen Gründen, aber auch deshalb, weil er nicht gewollt nicht gekonnt habe. Schliesslich hätten folgende Angaben zum Gesundheitszustand und der Hilflosigkeit erhoben werden können: Dem Beschwerdeführer gehe es immer gleich schlecht. Er habe ständig Kopfschmerzen, vergesse viel, schlafe den ganzen Tag, gehe manchmal mit Ehefrau und Kind spazieren, übernehme weder Haushaltsarbeiten noch Kinderbetreuung, gehe selten alleine nach draussen, aus Angst, dass er Kopfschmerzen bekomme. Die Ehefrau müsse ihm beim Ankleiden helfen, weil er viel vergesse, und sie müsse beim Duschen dabei sein, um ihn vor Stürzen zu schützen. Während der Versicherte angegeben habe, nie alleine ausser Haus zu gehen, habe seine Ehefrau angefügt, dass er in der Lage sei, alleine mit dem Tram nach Bern zu fahren.
Aufgrund der Schlussfolgerungen der Abklärungsfachperson, wonach die geltend gemachte Hilflosigkeit nicht nachvollziehbar sei, die Abklärung vor Ort diesbezüglich keine weiteren Ergebnisse gebracht habe und die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich seien, lehnte die IV den Antrag auf Hilflosenentschädigung mit Verfügung vom 2. Februar 2013 ab. Eine hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 29. Juli 2013 gut und wies die Sache zwecks weiterer medizinischer Abklärungen an die IV zurück.
Zeitlich nach der Abklärung vor Ort (Oktober 2012) und vor der vorgenannten Verfügung der IV betreffend Abweisung Antrag auf Hilflosenentschädigung (Februar 2013) ging bei der IV eine anonyme Meldung ein, gemäss welcher es nicht nachvollziehbar sei, dass der Versicherte eine Invalidenrente beziehe; es seien keine Einschränkungen erkennbar, er sei ständig unterwegs, sei es zum Einkaufen in Cafés usw. (Beilage 10 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016). Da diese Meldung im Widerspruch zu den zeitgleich im Rahmen der Rentenrevision und der Abklärung des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung geltend gemachten Beschwerden und Einschränkungen stand, stellte die IV die Anspruchsvoraussetzungen des Leistungsbezugs in Frage und veranlasste, eine erweiterte Sachverhaltsermittlung im Sinn einer Beweissicherung vor Ort (BvO). Diese fand an insgesamt 19 Tagen im Zeitraum vom 18. Februar 2013 bis 27. Mai 2013 statt. Gemäss Bericht der BvO vom 10. Juni 2013 (Beilage 11 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016) sei der Beschwerdeführer weder in physischer noch in psychischer Hinsicht eingeschränkt (vgl. auch zum Folgenden - Zusammenfassung in der Strafanzeige vom 11. Mai 2016, S. 8). Er habe alleine grössere Einkäufe getätigt, sei mit der Bahn alleine nach Bern gereist und sei dort diversen Erledigungen nachgegangen, wobei er Restaurants aber auch Kleiderund Schuhläden aufgesucht habe. Der Beschwerdeführer sei meistens alleine unterwegs gewesen und sei dabei sicher und adäquat aufgetreten. Er sei ohne Gangunsicherheiten gegangen, habe während dem Gehen das Handy bedient und habe sich auch in grösseren Menschenmengen zielorientiert bewegt. Wenn er auf andere Menschen getroffen sei, habe er sich angeregt mit ihnen unterhalten. Er sei auch mehrfach mit seinem Kleinkind unterwegs gewesen. Mit dem Kleinkind sei er zudem zum Flughafen Genf gereist und habe eine ältere Frau abgeholt. Anschliessend sei er wieder zurück an seinen Wohnort gereist, ohne dabei eine Pause benötigt zu haben. Der Beschwerdeführer habe während der ganzen Überwachungszeit nie den Eindruck hinterlassen, auf Hilfe Dritter angewiesen zu sein, habe oft telefoniert, selbständig Bahntickets gelöst und Parkscheine bezahlt.
Nachdem weitere medizinische Abklärungen getroffen worden waren, sistierte die IV am 16. Januar 2015 die laufende Invalidenrente mit sofortiger Wirkung. Am 13. März 2015 verfügte sie die Rentenaufhebung rückwirkend per 31. Januar 2013 und lehnte den Anspruch auf Hilflosenentschädigung ab (Beilagen 16 und 17 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016). Mit Verfügung vom 27. März 2015 forderte sie überdies CHF 64'355.00 zurück (Beilage 18 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016). Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies mit Urteil vom 10. Dezember 2015 die gegen vorgenannte Verfügungen erhobenen Beschwerden ab (Beilage 19 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016).
4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich des von der IV beschafften Observationsmaterials zusammengefasst ein Verwertungsverbot gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO geltend. Die Staatsanwaltschaft stütze sich auf nicht legal beschafftes Beweismaterial. Sie hätte die erforderliche verdeckte Ermittlung selber besorgen können und wäre dazu allein kompetent gewesen.
4.2 Die Erhebung von Beweisen (inkl. verbotene Beweiserhebungen und Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise) wird in der StPO geregelt. Die entsprechenden Bestimmungen gelten indessen nur für die durch die staatlichen Strafbehörden erhobenen bzw. zu erhebenden Beweise. Denen zufolge klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1 StPO) und setzen zur Wahrheitsfindung alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel ein, die rechtlich zulässig sind (Art. 139 Abs. 1 StPO). Der Untersuchungsgrundsatz (Art. 6 Abs. 1 StPO) begründet allerdings kein staatliches Monopol für Beweiserhebungen im Strafverfahren. Eigene Ermittlungen der Parteien und der anderen Verfahrensbeteiligten (somit von Privaten) sind zulässig, soweit sie sich darauf beschränken, Beoder Entlastungsmaterial beizubringen und entsprechende Beweise zu offerieren (Urteile des Bundesgerichts 6B_323/2013 vom 3. Juni 2013 E. 3.3 und 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.2).
Erkenntnisse eines Privatdetektivs, die dieser für ein sozialversicherungsrechtliches Verfahren durch Überwachung einer Person ermittelt hat, die mutmasslich zu Unrecht eine IV-Rente bezieht, sind unter den gleichen Bedingungen verwertbar wie Ermittlungen anderer Privatpersonen (Gless, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 44c zu Art. 141 StPO).
4.3 In seinem amtlich publizierten Urteil 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017 (BGE 143 I 377) hielt das Bundesgericht - unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) 61838/10 vom 18. Oktober 2016 i.S. Savjeta Vukota-Bojic gegen die Schweiz fest, dass eine genügend klare und detaillierte gesetzliche Grundlage für eine durch die IV veranlasste Observation von Bezügern einer IV-Rente fehle. Die daraufhin vom Parlament vorgeschlagene Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1), wonach der Versicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen eine versicherte Person verdeckt observieren und dabei Bildund Tonaufzeichnungen machen und technische Instrumente zur Standortbestimmung einsetzen darf, ist noch nicht in Kraft (vgl. BBl 2018 1491, Art. 43a ATSG). Somit fehlt(e) es damals wie heute an einer gesetzlichen Grundlage, welche den Sozialversicherungen gestatten würde, ihre Versicherten zu observieren.
Damit ist unbestritten, dass es sich beim hier umstrittenen Observationsmaterial um einen rechtswidrig erlangten Beweis handelt. Über dessen Schicksal im vorliegenden Strafverfahren ist damit aber noch nichts gesagt. Wieweit Beweisverbote auch greifen, wenn nicht staatliche Behörden, sondern Privatpersonen Beweismittel sammeln, wird in der Strafprozessordnung nicht geregelt. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht in Anlehnung an die Doktrin davon aus, dass von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur verwertbar sind, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können (nachfolgend E. 4.4) und kumulativ dazu eine Interessenabwägung (nachfolgend E. 4.5) für deren Verwertung spricht (Urteile des Bundesgerichts 6B_1241/2016 vom 17. Juli 2017 E. 1.2.2, 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.2, 6B_983/2013 und 6B_995/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2, 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012 E.2.4.4; ferner Urteil des Bundesgerichts 1B_75/2017 vom 16. August 2017 [143 IV 387], welches die Verwertbarkeit von privat erstellen Videoaufnahmen im Rahmen von Art. 141 Abs. 2 StPO prüft, was im Ergebnis indessen nichts daran ändert, dass so anders eine Interessenabwägung vorzunehmen ist). Bei von Privaten rechtswidrig erlangten Beweismitteln gilt somit kein prinzipielles Verwertungsverbot (Urteil des Bundesgerichts 1B_76/2016 vom 30. März 2016 E. 2.2 mit Hinweis auf Gless, a.a.O., N. 40c zu Art. 141 StPO). Dieser Rechtsprechung folgt auch die Beschwerdekammer (vgl. unter vielen: Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 293 vom 3. Oktober 2017)
4.4 Gemäss Art. 282 Abs. 1 StPO können die Staatsanwaltschaft und im Ermittlungsverfahren - die Polizei Personen und Sachen an allgemein zugänglichen Orten verdeckt beobachten und dabei Bildoder Tonaufzeichnungen machen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass Verbrechen Vergehen begangen worden sind (Bst. a) und die Ermittlungen sonst aussichtslos wären unverhältnismässig erschwert würden (Bst. b).
4.4.1 Der Betrug gemäss Art. 146 StGB sowie der ungerechtfertigte Leistungsbezug gemäss Art. 87 Abs. 1 AHVG, welcher auch im Rahmen der Invalidenversicherung zum Tragen kommt (Art. 70 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]), stellen Verbrechen bzw. Vergehen dar, weshalb die Strafverfolgungsbehörden gestützt auf Art. 282 Abs. 1 Bst. a StPO - unter Vorbehalt konkreter Anhaltspunkte (dazu nachfolgend E. 4.4.2) grundsätzlich zur Anordnung einer Observation befugt gewesen wären. Der Subsidiaritätsgrundsatz nach Art. 282 Abs. 1 Bst. b StPO ist im Rahmen der Verwertbarkeitsprüfung irrelevant und muss daher nicht geprüft werden. Bei der Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden das fragliche Beweismittel rechtmässig hätten erlangen können, sind nur gesetzliche Erfordernisse einzubeziehen, die sich abstrakt anwenden lassen, und keine Würdigung konkreter Umstände der jeweiligen Beweiserlangung erfordern (Urteil des Bundesgerichts 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.3.1 betreffend Art. 269 Abs. 2 Bst. c StPO; Urteile des Obergerichts des Kantons Bern SK 16 331 vom 7. Februar 2017 E. 10.2.1 und SK 16 296 vom 11. Mai 2017 E. 4.2.3; Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 293 vom 3. Oktober 2017 E. 6.3).
4.4.2 Soweit das Erfordernis konkreter Anhaltspunkte betreffend, hält die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend fest, dass die Anforderungen an die Verdachtsdichte angesichts des Umstands, dass die Observation allgemein kein schwerer Grundrechtseingriff darstellt, nicht hoch sind. Die zeitlichen Verhältnisse der hier interessierenden Observation ändern daran nichts. Die Beschwerdekammer hat sich in ihrem Beschluss BK 17 293 vom 3. Oktober 2017 ausführlich mit dem fraglichen Tatverdachtsgrad auseinandergesetzt und festgehalten, dass auch ein anonymer Hinweis die Rechtmässigkeit der Observation zu begründen vermag (genannter Beschluss E. 6.2). Davon ist auch vorliegend auszugehen. Hinweise, dass die anonyme Meldung vom 11. Dezember 2012 wider besseren Wissens erfolgt wäre, bestehen nicht. Ausserdem widersprach der Inhalt der Meldung den vom Beschwerdeführer bisher insbesondere anlässlich der Abklärung vor Ort (Beilage 7 zur Strafanzeige vom 11. Mai 2016) geltend gemachten Einschränkungen. Die anonyme Meldung vermochte somit einen Anfangsverdacht für einen ungerechtfertigten Leistungsbezug bzw. Betrug zu begründen. Die Einleitung einer Ermittlung und eine Observation nach Art. 282 StGB wären somit gerechtfertigt gewesen. Entsprechend hätten die umstrittenen Bildund Tonaufnahmen auch von den Strafbehörden rechtmässig erstellt werden können.
4.5 Auch die Interessenabwägung steht der Verwertbarkeit des von der IV gewonnenen Observationsmaterials im Strafverfahren nicht entgegen. Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend festhält, besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Wahrheitsfindung, um ungerechtfertigte Leistungsbezüge zu verhindern. Ungerechtfertigte Leistungsbezüge belasten die Gemeinschaft der Versicherten und die Allgemeinheit in erheblichem Mass. Sie schmälern die finanziellen Mittel, welche der Invalidenversicherung und letztlich den Versicherten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig erhöhen sie den Bedarf an finanziellen Mitteln zur Aufrechterhaltung des Leistungsniveaus und damit letztlich die Belastungen, welche die Gemeinschaft zu tragen hat (Müller, Observation von IV-Versicherten: Wenn der Zweck die Mittel heiligt, in: jusletter 19. Dezember 2011, Rz. 32). Ein gewichtiges öffentliches Interesse liegt auch darin begründet, dass die Verwirklichung eines schweren Delikts in Betracht gezogen werden muss (vgl. Anklageentwurf, pag. 326, wonach die [u.a. hypothetische] Deliktssumme mehrere hunderttausend Franken beträgt). Es wird nicht in Abrede gestellt, dass diesem öffentlichen Interesse private Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehen. Diese haben vorliegend jedoch vor dem erheblichen öffentlichen Interesse zurückzutreten. Zum einen ist der Eingriff in die Privatsphäre des Beschwerdeführers im unteren Bereich anzusiedeln, zum anderen bestehen keine Hinweise, dass das im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigende Fairness-Gebot nicht beachtet worden wäre (vgl. dazu Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 17 293 vom 3. Oktober 2017 E. 7.2). Gegenteiliges bringt der Beschwerdeführer denn auch nicht vor.
4.6 Gestützt auf das Ausgeführte steht der Verwertbarkeit des IV-Observationsmaterials nichts entgegen. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf diese eingetreten werden kann.
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die amtliche Entschädigung für das Beschwerdeverfahren wird am Ende des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft das urteilende Gericht festgesetzt.
Die Beschwerdekammer in Strafsachen beschliesst:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf CHF 1‘200.00, werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Die amtliche Entschädigung für das Beschwerdeverfahren wird am Ende des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft durch das urteilende Gericht festgesetzt.
4. Zu eröffnen:
• dem Beschuldigten/Beschwerdeführer, a.v.d. Fürsprecher C.__
• der Strafund Zivilklägerin
• der Generalstaatsanwaltschaft
Mitzuteilen:
• der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland, Staatsanwältin G.__ (mit den Akten)
Bern, 8. Februar 2019
Im Namen der Beschwerdekammer
in Strafsachen
Die Präsidentin:
Oberrichterin Schnell
Die Gerichtsschreiberin:
Beldi
i.V. Gerichtsschreiber Müller
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden durch die Beschwerdekammer in Strafsachen in Rechnung gestellt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.