BK 2018 386 - Zwangsmassnahmen im Rahmen von Gutachtenerstellung (Leitentscheid)
Obergericht
des Kantons Bern
Beschwerdekammer in Strafsachen
Cour suprême
du canton de Berne
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Beschluss
BK 18 386
Bern, 19. November 2018
Besetzung Oberrichterin Schnell (Präsidentin), Oberrichterin Bratschi, Oberrichterin Hubschmid
Gerichtsschreiberin Beldi
Verfahrensbeteiligte A.__
v.d. Rechtsanwalt B.__
Beschuldigter/Beschwerdeführer
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250, 3001 Bern
Gegenstand Gutachten
Strafverfahren wegen grober Verkehrsverletzung
Beschwerde gegen die Verfügung der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland vom 27. August 2018 (O 16 11241)
Regeste:
Art. 7 Abs. 1 StPO; staatsanwaltliche Ermittlungen
Strafbehörden sind zur Durchund Weiterführung eines Strafverfahrens verpflichtet, sofern ein genügender Anfangsverdacht besteht. Ein von der beschuldigten Person eingereichtes Geständnis einer Drittperson lässt den gegen sie erhobenen Tatverdacht nicht per se untergehen, weshalb die Staatsanwaltschaft auch nicht gehalten ist, zwingend erst mal gegen die «geständige» Person vorzugehen, bevor Zwangsmassnahmen gegen die beschuldigte Person geprüft und ergriffen werden. Durch Einreichen von Beweismitteln vermag die beschuldigte Person somit nicht ein anderes Vorgehen bei den Ermittlungen zu erzwingen (E. 6.1).
Erwägungen:
1. Die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) führt gegen A.__ eine Strafuntersuchung wegen grober Verkehrsregelverletzung. Am 25. Juni 2018 erteilte sie C.__ des Forensischen Instituts Zürich den Auftrag, ein Gesichtserkennungsgutachten zu erstellen. Die Gutachterin bot daraufhin A.__ zur Vergleichsbilderstellung auf.
Mit Verfügung vom 27. August 2018 stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass A.__ an beiden von der Gutachterin vorgeschlagenen Terminen nicht habe erscheinen können (Ziff. 1). Gleichzeitig forderte sie ihn auf, der Verfahrensleitung innert einer Frist von 5 Tagen drei ihm mögliche Termine zu bezeichnen, an welchen er in der Lage sei, einen ca. 30-minütigen Termin in Zürich wahrzunehmen. Die Staatsanwaltschaft werde anschliessend eine Vorladung zu einem der drei genannten Termine erlassen. Sollte innert Frist keine Termine genannt werden sollte er der Vorladung keine Folge leisten, werde eine polizeiliche Vorführung geprüft werden müssen (Ziff. 2). Weiter forderte sie den Verteidiger von A.__ auf, direkte Fragen an die Gutachterin zu unterlassen (Ziff. 3). Gegen diese Verfügung erhob A.__ (nachfolgend: Beschwerdeführer), verteidigt durch Rechtsanwalt B.__, am 4. September 2018 Beschwerde. Darin beantragte er u.a. die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Zusprechung einer angemessenen Entschädigung. Ferner verlangte er, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt werde. Diesem Antrag gab die Verfahrensleitung der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Bern mit Verfügung vom 5. September 2018 statt. Mit Stellungnahme vom 21. September 2018 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten sei; eventualiter sei diese abzuweisen. Der Beschwerdeführer replizierte innert gewährter Fristerstreckung am 6. November 2018 und hielt an seinen Anträgen fest.
2.
2.1 Gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft kann bei der Beschwerdekammer in Strafsachen innert 10 Tagen schriftlich und begründet Beschwerde geführt werden (Art. 393 Abs. 1 Bst. a i.V.m. Art. 396 Abs. 1 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO; SR 312], Art. 35 des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft [GSOG; BSG 161.1] i.V.m. Art. 29 Abs. 2 des Organisationsreglements des Obergerichts [OrR OG; BSG 162.11]). Zur Beschwerde legitimiert ist jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung Änderung eines Entscheids hat (Art. 382 Abs. 1 StPO). Das Rechtsschutzinteresse bzw. die Beschwer muss im Zeitpunkt des Entscheids über die Beschwerde aktuell sein. Zur abstrakten Beantwortung einer Rechtsfrage steht die Beschwerde nicht zur Verfügung. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass die Beschwerdeinstanz konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und dient damit der Prozessökonomie (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, 2011, N. 244).
Der Beschwerdeführer verlangt die Aufhebung der staatsanwaltlichen Verfügung. In seiner Begründung bezieht er sich indessen mit keinem Wort auf die verfügte Aufforderung, wonach sein Rechtsvertreter direkte Fragen an die Gutachterin zu unterlassen habe (Ziff. 3). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Ziff. 3 der angefochtenen Verfügung nicht Streitgegenstand bildet. Ebenfalls nicht erfasst von der Beschwerde ist die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer an beiden von der Gutachterin vorgeschlagenen Terminen (offenbar aus terminlichen Gründen) nicht habe erscheinen können (Ziff. 1).
Der Beschwerdeführer moniert indessen, dass ihm in der angefochtenen Verfügung die zwangsweise Vorführung von G.__ nach Zürich sowie die dortige erkennungsdienstliche Behandlung angedroht werde (Ziff. 2). Soweit die Generalstaatsanwaltschaft diesbezüglich ausführt, in der angefochtenen Verfügung sei keine Zwangsmassnahme angeordnet, sondern lediglich deren Prüfung in Aussicht gestellt worden, weshalb der Beschwerdeführer nicht beschwert sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Hinweis, wonach eine polizeiliche Vorführung geprüft werden müsse, wenn der Beschwerdeführer keine Termine nenne der Vorladung keine Folge leiste, ist bereits als Androhung zu bezeichnen. Gestützt auf die Akten kann ungeachtet der gewählten Formulierung nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass die Staatsanwaltschaft im Fall der Nichtbefolgung die Vorführung anordnen wird. Die Androhung ist vorliegend ausreichend real und unmittelbar, so dass der Beschwerdeführer begründeten Anlass hat, eine polizeiliche Vorführung nach Zürich und eine erkennungsdienstliche Behandlung (worunter die fotografische Vergleichsbilderstellung fällt) zu befürchten. Vor diesem Hintergrund kann dem Beschwerdeführer die Beschwerdelegitimation nicht abgesprochen werden (vgl. Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern BK 14 149 und 150 vom 18. September 2014, E. 2). Auf die formund fristgerechte Beschwerde ist einzutreten.
2.2 Der Vollständigkeit wegen ist festzuhalten, dass aus Sicht der Beschwerdekammer aus der Beschwerdebegründung nicht geschlossen werden kann, der Beschwerdeführer verlange im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die Einstellung der gegen ihn geführten Strafuntersuchung.
3. Sachverhaltsmässig ergibt sich aus den Akten was folgt:
Am 28. August 2016 um 08.25 Uhr wurde auf der Hauptstrasse zwischen I.__ und J.__ ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 118 km/h (statt der erlaubten 80 km/h) geblitzt. Die Lenkerabklärung der Polizei ergab, dass das fragliche Fahrzeug auf die Firma des Beschwerdeführers eingelöst war. Daraufhin lud die Polizei den Beschwerdeführer telefonisch zur Einvernahme als Auskunftsperson vor. Anlässlich dieses Telefonats soll der Beschwerdeführer spontan ohne vorgängige Belehrung erwähnt haben, dass er zum fraglichen Zeitpunkt das Fahrzeug gelenkt habe. Als ihm diese Äusserung anlässlich der polizeilichen Befragung vom 13. September 2016 auf der Polizeiwache H.__ vorgehalten wurde, verweigerte der Beschwerdeführer die Aussage (Notiz des damaligen Polizeibeamten D.__ vom 13. September 2016; Einvernahme von D.__ vom 28. Juni 2018 Z. 56 ff.; beides auch zum Folgenden). Mit Strafbefehl vom
7. November 2016 wurde der Beschwerdeführer wegen grober Verkehrsregelverletzung (Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausserorts nach Abzug der Sicherheitsmarge um 32 km/h) zu einer bedingten Geldstrafe von 24 Tagessätzen zu je CHF 570.00 (ausmachend CHF 13‘680.00; Probezeit: 4 Jahre) sowie zu einer Verbindungsbusse von CHF 2‘850.00 verurteilt. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 17. November 2016 Einsprache.
Anlässlich der staatsanwaltlichen Einvernahme vom 16. Januar 2018 machte der Beschwerdeführer von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Gleichzeitig reichte sein Verteidiger eine schriftliche Erklärung von E.__, wohnhaft in K.__ (USA), vom 7. Januar 2018 ein. In dieser führte Letzterer aus, am Morgen des 28. August 2018 das fragliche Fahrzeug gefahren zu sein und vermutlich die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen zu haben. Anschliessend erklärte sich der Beschwerdeführer mit der Erstellung von Fotos seiner Person einverstanden. Die entsprechenden Aufnahmen wurden zusammen mit zehn Jahre alten Fotografien von E.__ zu den Akten genommen. Ferner stellte der Verteidiger die Zustellung von Adresse, Telefonnummer, E-Mailadresse und eines aktuellen Fotos von E.__ in Aussicht (Einvernahmeprotokoll vom 16. Januar 2018 Z. 34 f.; ferner Mail des Verteidigers vom 19. März 2018).
Mit Verfügung vom 30. Mai 2018 teilte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer mit, dass C.__ des Forensischen Instituts Zürich mit einem Gesichtserkennungsgutachten beauftragt werde und er sich innert einer Frist von 10 Tagen zur sachverständigen Person und zu den Fragen (Handelt es sich bei der Person auf dem Radarbild um den Beschwerdeführer Handelt es sich bei der Person auf dem Radarbild um E.__ Gibt es weitere sachdienliche Bemerkungen) äussern und eigene Anträge stellen könne. Gleichzeitig hielt sie fest, dass der Beschwerdeführer selber und durch seinen Rechtsanwalt (auf entsprechende mündliche Nachfrage hin bereits mehrfach) angeboten habe, ein aktuelles Foto von E.__ einzureichen. Diese Mitwirkung sei freiwillig. Indessen werde er aufgefordert, innert gleicher Frist das angebotene Bild beizubringen aber die nämliche Mitwirkung zu verweigern. Mit Mail vom 18. Juni 2018 äusserte der Verteidiger sein Erstaunen ob diesem Vorgehen bzw. der Tatsache, mit welcher Leichtigkeit die Staatsanwaltschaft Steuergelder verschwende. Er habe bewusst nicht innert Frist auf die vorgenannte Verfügung reagiert, wolle der Staatsanwaltschaft aber mit auf den Weg geben, dass ein Vergleichsgutachten mit Bildern, welche unterschiedliche Daten tragen, nicht möglich sei.
Am 25. Juni 2018 beauftragte die Staatsanwaltschaft C.__ mit dem Gesichtserkennungsgutachten. Nachdem der Beschwerdeführer weder das Aufgebot vom 2. Juli 2018 noch dasjenige vom 23. Juli 2018 hat wahrnehmen können, erliess die Staatsanwaltschaft die hier interessierende Verfügung.
4. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Garantie der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung [BV; SR 101]) und Art. 113 StPO (Nemo-tenetur-Grundsatz) und macht zusammengefasst geltend, dass die Voraussetzungen für eine Einschränkung dieser Rechte nicht gegeben seien. Ihm gegenüber dürften erst dann Zwangsmassnahmen angedroht und umgesetzt werden, wenn Ermittlungen gegenüber der geständigen Drittperson zum Ergebnis geführt hätten, dass diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Lenker ausgeschlossen werden müsse. Vorher sei die Androhung und Umsetzung von Zwangsmassnahmen ihm gegenüber grob rechtswidrig.
5. Polizeiliche Vorführung (Art. 207 StPO) und erkennungsdienstliche Erfassung (Art. 260 StPO; Werlen, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 260 StPO]) sind Zwangsmassnahmen und stellen einen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV dar (BGE 136 I 87 E. 5.1, 128 II 259 E. 3.2). Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung handelt sich lediglich um einen leichten Grundrechtseingriff (BGE 134 III 241 E. 5.4.3, 128 II 259 E. 3.3; Urteile des Bundesgerichts 1B_111/2015 vom 20. August 2015 E. 3.1 und 2C_257/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 6.7.3). Demgegenüber stellt die Vorführung als eine Form der Inhaftierung einen schweren Eingriff dar (Rüegger, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 207 StPO).
Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 BV). Dies konkretisiert Art. 197 Abs. 1 StPO für Zwangsmassnahmen in Strafverfahren dahingehend, dass solche nur ergriffen werden können, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind (Bst. a), ein hinreichender Tatverdacht vorliegt (Bst. b), die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können (Bst c) und die Bedeutung der Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (Bst. d).
Dass Art. 207 StPO (polizeiliche Vorführung) und Art. 260 StPO (erkennungsdienstliche Erfassung) die notwendigen gesetzlichen Grundlagen im formellen Sinn bilden, kann ebenso wenig bestritten werden wie das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an einem ungestörten und beförderlichen Gang von Strafuntersuchungen. Näher einzugehen ist nachstehend auf die Voraussetzungen von Art. Art. 197 Abs. 1 Bst. b-d StPO.
6.
6.1 Gemäss Art. 197 Abs. 1 Bst. b StPO dürfen Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt.
6.1.1 Ein strafprozessualer Tatverdacht entsteht, wenn konkrete Anhaltspunkte beziehungsweise Tatsachen aufgrund besonderer Kenntnisse und Erfahrungen zum Schluss führen, dass wahrscheinlich eine verfolgbare strafbare Handlung Unterlassung vorliegt (vgl. Ackermann, Tatverdacht und Cicero in dubio contra suspicionen maleficio, in: Festschrift für Franz Riklin, 2007, S. 325). Bestreitet der von strafprozessualen Zwangsmassnahmen Betroffene das Vorliegen eines ausreichenden Tatverdachts, ist zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat vorlagen, die Strafverfolgungsbehörden somit das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften.
6.1.2 Der Beschwerdeführer verneint einen gegen ihn bestehenden Tatverdacht mit Hinweis auf das Geständnis von E.__. Der Umstand, dass eine Drittperson die Tatbegehung eingeräumt habe, müsse zwingend zu einer Strafuntersuchung gegenüber dieser Drittperson führen. Auch allfällige Zweifel an der Echtheit des Geständnisses müssten im Zusammenhang mit Ermittlungshandlungen gegenüber der Drittperson geklärt werden. Erst wenn entsprechende Abklärungen gegen die Drittperson negativ verlaufen seien, dürften die Ermittlungen gegen ihn, den Beschwerdeführer, wieder aufgenommen werden. Mit dem von der Staatsanwaltschaft gewählten Vorgehen, mit welchem sie die Fahrereigenschaft des Beschwerdeführers belegen möchte, verkenne sie die Grundsätze des Ermittlungsverfahrens und der Beweisführung.
6.1.3 Die Argumentation des Beschwerdeführers geht fehl. Trotz des angeblichen Geständnisses von E.__ ist die Staatsanwaltschaft nicht gehalten, auch gegenüber E.__ zu ermitteln und vor Vorliegen entsprechender Ermittlungsergebnisse von weiteren - den Beschwerdeführer treffenden - Abklärungen abzusehen.
Art. 7 Abs. 1 StPO verpflichtet die Strafbehörden zur Durchund Weiterführung eines Strafverfahrens, sofern ein genügender Anfangsverdacht besteht. Es gilt mithin Verfolgungszwang. Ist ein ausreichender Anfangsverdacht gegeben, haben die Behörden dem Grundsatz nach alles Erforderliche zu unternehmen, um den massgeblichen Sachverhalt aufzuklären und bei hinreichendem Tatverdacht das Untersuchungsverfahren zu eröffnen (Riedo/Fiolka, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 28 zu Art. 7 StPO; Art 309 Abs. 1 Bst. a StPO). Bei der Sachverhaltsermittlung sind die Strafbehörden verpflichtet, alle nach dem Stand von Wissenschaft und Erfahrung geeigneten Beweismittel einzusetzen, die rechtlich zulässig (insbesondere grundrechtskonform) und weder unerheblich noch offenkundig den Strafbehörden bereits bekannt rechtsgenüglich erwiesen sind (Art. 139 StPO). Einen numerus clausus der Beweismittel kennt die StPO nicht.
6.1.4 Ermittelt wird wegen einer am 28. August 2016 auf der Hauptstrasse zwischen I.__ und J.__ begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von netto 32 km/h (112 km/h anstatt der erlaubten 80 km/h). Wie die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht ausführt, ist der Tatverdacht gegenüber dem Beschwerdeführer aufgrund der Ähnlichkeit seiner Person mit derjenigen, die auf dem Radarbild erkennbar ist, und der Zeugenaussage von D.__, klar zu bejahen. Es kann insoweit auf die Ausführungen in der Stellungnahme vom 21. September 2018 verwiesen werden. Der fehlbare Lenker ist auf dem Radarbild relativ deutlich zu erkennen. Gestützt auf die im Zusammenhang mit der Lenkerabklärung erstellten Notizen von D.__ vom 13. September 2016 sowie dessen Aussagen anlässlich der Einvernahme vom 28. Juni 2016 vermögen die replicando vorgebrachten Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er nie gesagt habe, in die Radarfalle geraten zu sein, sondern nur ausgeführt habe, an jenem Sonntag das Auto benutzt zu haben, den Tatverdacht nicht zu entkräften. Anhaltspunkte, dass die Ausführungen von D.__ unglaubhaft wären, sind zumindest derzeit keine erkennbar. Ferner ist der Generalstaatsanwaltschaft darin beizupflichten, dass das vom Beschwerdeführer zu den Akten gereichte Schreiben von E.__ vom 7. Januar 2018 (Ausdruck eines von diesem an den Beschwerdeführer gemailten PDF) die vorgenannten, deutlichen Verdachtselemente nicht zu entkräften vermag. Weder lässt ein Geständnis eines Dritten per se den Tatverdacht gegen die (bisher) beschuldigte Person untergehen, noch verpflichtetet es die Staatsanwaltschaft, zwingend erstmal gegen die «geständige» Person vorzugehen, andernfalls es für eine beschuldigte Person ein Leichtes wäre, allein durch Einreichen eines angeblichen Geständnisses einer Drittperson die Ermittlungen gegen sich abzuwenden. Die Staatsanwaltschaft ist zwar verpflichtet, nicht nur be-, sondern auch entlastende Umstände einer Prüfung zu unterziehen. Wie sie dies indessen macht, liegt in den Grenzen von Art. 3 StPO in ihrem Ermessen. Dass die Staatsanwaltschaft in der hier interessierenden Konstellation betreffend den gegen den Beschwerdeführer erhobenen Tatverdacht weitere Abklärungen trifft, konkret ein objektives Beweismittel erheben lassen will, ist nicht zu beanstanden (hinsichtlich Tauglichkeit nachstehend E. 6.3). Anders als der Beschwerdeführer meint, kann nicht davon gesprochen werden, die Staatsanwaltschaft erhebe keine Zweifel an der Echtheit des angeblichen Geständnisses. Aus dem Umstand, dass sie ein Gesichtserkennungsgutachten erstellen lässt, geht implizit hervor, dass sie Zweifel hegt.
6.2 Mit Blick auf Art. 197 Abs. 1 Bst. c StPO, wonach Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden dürfen, wenn die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können, hält der Beschwerdeführer erneut dafür, dass vor Androhung und Durchführung einer polizeilichen Vorführung und einer erkennungsdienstlichen Behandlung alle Schritte zu unternehmen seien, welche eine Beweisführung ohne die Anwendung von Zwangsmassnahmen ermöglichen, sprich, dass zunächst gegen die Drittperson zu ermitteln sei. Dazu kann zunächst auf das bereits zum Tatverdacht Ausgeführte verwiesen werden. Die Staatsanwaltschaft ist nicht gehalten, zunächst gegen die angeblich «geständige» Person zu ermitteln und erst nach einem negativen Ergebnis das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer weiterzuführen. Ferner hat die Staatsanwaltschaft in der angefochtenen Verfügung hinsichtlich polizeilicher Vorführung zunächst das mildere Mittel gewählt, räumt sie doch dem Beschwerdeführer Gelegenheit ein, selber drei Termine zu nennen, an denen er sich einrichten könnte, für das Erstellen von Vergleichsfotografien nach Zürich zu fahren.
6.3 Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die angedrohten Zwangsmassnahmen hielten den weiteren Teilgehalten des Verhältnismässigkeitsgebots nicht stand (Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 Bst. d und 393 Abs. 2 Bst. c StPO), kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden.
Ermittelt wird wegen einer groben Verkehrsregelverletzung. Bei einer gemessenen Nettogeschwindigkeit von 112 km/h statt der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h kann nicht mehr von einer geringfügigen Geschwindigkeitsübertretung gesprochen werden. Als beschuldigte Person muss der Beschwerdeführer, auch wenn ihn keine Mitwirkungspflicht trifft, Zwangsmassnahmen wie vorliegend die erkennungsdienstliche Behandlung - und damit einen Eingriff in seine Rechtstellung dulden (Art. 113 Abs. 1 StPO). Gleiches gilt hinsichtlich der polizeilichen Vorführung, für den Fall, dass er sich der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht von sich aus unterziehen will bzw. dem Aufgebot/der Vorladung nicht folgen sollte. Eine Verletzung von Art. 113 StPO (Nemo-tenetur-Grundsatz) kann nicht ausgemacht werden. Zudem ist daran zu erinnern, dass die für die Erstellung des Gesichtserkennungsgutachtens erforderliche erkennungsdienstliche Behandlung lediglich einen leichten Eingriff darstellt. Sie ist taugliches Mittel, um die Voraussetzungen für die Erstellung eines Gesichtserkennungsgutachten zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit wegen festzuhalten, dass hinsichtlich des fraglichen Gutachtens, auf welche die angedrohten Zwangsmassnahmen abzielen, nicht von vorneherein auf Untauglichkeit der Beweisführung geschlossen werden kann. Das angestrebte Ermittlungsziel kann entgegen den beschwerdeführerischen Ausführungen sehr wohl erreicht werden. Zumindest mit Blick auf den Beschwerdeführer ist die Erstellung eines Gesichtserkennungsgutachtens bei Vorliegen von Vergleichsaufnahmen möglich. Darüber hinaus wird es Sache der Gutachterin sein, festzustellen, ob und mit welchen Schlussfolgerungen die Fragen der Staatsanwaltschaft beantwortet werden können. Die Behauptung, dass die Gutachterin ihren Auftrag eigenmächtig und damit unzulässigerweise erweitert habe, indem sie Vergleichsaufnahmen erstellen lassen wolle, ist mit Blick auf den entsprechenden Auftrag der Staatsanwaltschaft klar aktenwidrig.
Auch kann in keiner Weise davon gesprochen werden, die angedrohten Zwangsmassnahmen wären nicht zumutbar bzw. stünden in einem Missverhältnis zur untersuchenden Straftat. Bereits im Rahmen des mit Verfügung vom 30. Mai 2018 gewährten rechtlichen Gehörs wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass die Gutachterin ihn zur Erstellung von Vergleichsfotos aufbieten dürfe. Abgesehen davon, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung in Zürich mit Blick auf den für den Beschwerdeführer hierfür verbundenen Aufwand als zumutbar zu bezeichnen ist, kann vor dem Hintergrund, dass das Forensische Institut Zürich mit der Begutachtung beauftragt werden sollte, nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, man habe nicht mit einer «Vorladung» nach Zürich gerechnet. Unter Berücksichtigung der bisherigen Aufforderungsbemühungen ist die angedrohte polizeiliche Vorführung nicht zu beanstanden bzw. verhältnismässig. Dass der Beschwerdeführer abgesehen von bereits verfügten Führerausweisentzügen angeblich über einen guten Leumund verfügt und sich in hohem Mass für das Gemeinwohl verdient gemacht haben soll, steht dem nicht entgegen.
6.4 Zusammengefasst ist die angefochtene Verfügung, mit welcher im Hinblick auf die Erstellung eines Gesichtserkennungsgutachten Zwangsmassnahmen angedroht wurden, nicht zu beanstanden. Sie hält den Anforderungen an eine Grundrechtseinschränkung stand. Die Beschwerde erweist sich demzufolge als unbegründet und ist abzuweisen.
7. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die Kosten des Verfahrens werden bestimmt auf CHF 1‘200.00.
Die Beschwerdekammer in Strafsachen beschliesst:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, bestimmt auf CHF 1‘200.00, werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Zu eröffnen:
• dem Beschuldigten/Beschwerdeführer, v.d. Rechtsanwalt B.__
• der Generalstaatsanwaltschaft
Mitzuteilen:
• der Regionalen Staatsanwaltschaft Oberland, Staatsanwalt F.__
(mit den Akten)
Bern, 19. November 2018
Im Namen der Beschwerdekammer
in Strafsachen
Die Präsidentin:
Oberrichterin Schnell
Die Gerichtsschreiberin:
Beldi
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden durch die Beschwerdekammer in Strafsachen in Rechnung gestellt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Zustellung beim Bundesgericht, Av. du Tribunal fédéral 29, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 39 ff., 78 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) geführt werden. Die Beschwerde muss den Anforderungen von Art. 42 BGG entsprechen.