ABS 2018 292 - Provisorische Pfändung (Art. 83 SchKG)
Obergericht
des Kantons Bern
Aufsichtsbehörde in Betreibungsund Konkurssachen
Cour suprême
du canton de Berne
Autorité de surveillance
en matière de poursuite
et de faillite
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Entscheid
ABS 18 292
Bern, 15. Oktober 2018
Besetzung Oberrichter Studiger (Präsident), Oberrichter Hurni und Oberrichterin Grütter
Gerichtsschreiberin Niederhauser
Verfahrensbeteiligte A.__
Beschwerdeführer
gegen
Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, Poststrasse 25, 3071 Ostermundigen
Gegenstand Beschwerde (SchKG 17)
Regeste:
Provisorische Pfändung (Art. 83 SchKG)
Die Beschwerde nach Art. 325 Abs. 1 ZPO hemmt weder die Rechtskraft noch die Vollstreckbarkeit, weshalb bereits der lediglich im Dispositiv eröffnete provisorische Rechtsöffnungsentscheid sofort vollstreckbar wird. Die provisorische Pfändung kann daher verlangt werden, sobald der Rechtsöffnungsentscheid eröffnet und die Vollstreckbarkeit nicht durch die Rechtsmittelinstanz aufgeschoben wurde.
Erwägungen:
I.
1. Rechtsanwalt A.__ (nachfolgend: Beschwerdeführer) wird von der B.__ (nachfolgend: Gläubigerin), vertreten durch Fürsprecher C.__, für eine Forderung von CHF 3‘290.00 nebst Zins zu 5% seit 1. Mai 2018 (Mietzins + NK Akonto 05.2018 gemäss Mietvertrag vom 30. März 2015) betrieben. Der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. __ des Betreibungsamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland (nachfolgend: Vorinstanz), wurde dem Beschwerdeführer am 14. Mai 2018 persönlich zugestellt (Beschwerdeantwortbeilage [BAB] 1), worauf dieser am 23. Mai 2018 Rechtsvorschlag erhob (BAB 2).
2. Mit Entscheid vom 7. August 2018 (BAB 3) erteilte das Regionalgericht Bern-Mittelland der Gläubigerin in der Betreibung Nr. __ des Betreibungsamtes Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, für den Betrag von CHF 3‘290.00 nebst Zins zu 5% seit 1. Mai 2018 die provisorische Rechtsöffnung. Die Gerichtskosten von CHF 300.00 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt. Weiter wurde dieser verurteilt, der Gläubigerin eine Parteientschädigung von CHF 861.60 zu bezahlen.
3. Die Gläubigerin stellte am 8. August 2018 per Fax bei der Vorinstanz das Fortsetzungsbegehren sowie das Begehren um provisorische Pfändung gemäss Art. 83 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1; BAB 4). Sie merkte zudem an, dass der Rechtsöffnungsentscheid zwar vom Schuldner noch angefochten werden könne, dieser aber ohne weiteres rechtskräftig und vollstreckbar sei (Art. 325 ZPO). Die Pfändung wurde dem Beschwerdeführer am Folgetag auf Montag, 27. August 2018, angekündigt (Pfändungsgruppe Nr. ___).
4. Am 17. August 2018 bestätigte das Gericht den Parteien im Rechtsöffnungsverfahren (CIV___), dass der Beschwerdeführer die schriftliche Begründung des Entscheides vom 7. August 2018 verlangt hat (Beschwerdebeilage 5).
5. Mit Eingabe vom 22. August 2018 (Postaufgabe am selben Tag) gelangte der Beschwerdeführer an die kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungsund Konkurssachen und stellte folgende Rechtsbegehren:
1. Es sei in der Betreibung __ die Pfändungsankündigung zur Pfändungsgruppe ___ vom 09. August 2018 ersatzlos aufzuheben.
Prozessuale Anträge:
2. Es wird die von der Zivilabteilung des Obergerichts des Kantons Bern bestimmte Besetzung des Spruchkörpers wegen eines Verstosses gegen Art. 6 EMRK in seiner Ausprägung als Anspruch «auf ein unabhängiges und unparteiliches auf Gesetz beruhendes Gericht» abgelehnt.
- unter Kostenund Entschädigungsfolge -
Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer vor, die Vorinstanz habe die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung vorgenommen, ohne im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Entscheides zu sein, weshalb die Pfändungsankündigung eine Gesetzesverletzung im Sinne von Art. 17 SchKG darstelle. Das unbegründete Dispositiv im Rechtsöffnungsverfahren könne keinesfalls vor Erhalt der Entscheidbegründung vollstreckt werden. Die Pfändungsankündigung sei somit aufzuheben, wenn diese nicht gar nichtig sei. Der Beschwerdeführer rügt weiter einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK sowie Art. 8 EMRK allein in Verbindung mit Art. 18 EMRK. Die Folgen der gerichtsnotorischen Vorkommnisse und der vorenthaltenen Zahlungen manifestierten sich gemäss seinen Ausführungen im vorliegenden Verfahren. Es liege zumindest eine erniedrigende Behandlung vor, welche gegen Art. 3 EMRK verstosse. In prozessualer Hinsicht wurde vom Beschwerdeführer ein Verstoss gegen Art. 6 EMRK geltend gemacht, insbesondere eine Verletzung des Anspruchs auf ein auf Gesetz beruhendes Gericht sowie des Anspruchs auf Rechtssicherheit.
6. Mit prozessleitender Verfügung vom 23. August 2018 (Ziff. 2) wurde ausgeführt, dass auf den prozessualen Antrag gemäss Ziff. 2 der Rechtsbegehren nicht näher eingegangen wird. Dieser bildet daher nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Entscheides.
7. Die Vorinstanz beantragte mit Beschwerdeantwort vom 5. September 2018, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.
Sie bringt vor, dass im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren lediglich Verfahrensfehler in der Zwangsvollstreckung gerügt werden könnten. Über materiellrechtliche formellrechtliche Fragen könne im Beschwerdeverfahren nach Art. 17 SchKG nicht entschieden werden.
8. Nachdem der Gläubigerin mit prozessleitender Verfügung vom 6. September 2018 ebenfalls die Möglichkeit gegeben wurde, eine allfällige Stellungnahme einzureichen, beantragte diese mit Eingabe vom 10. September 2018 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde, sofern und soweit darauf eingetreten werde.
Die Gläubigerin führt zur Begründung aus, dass sich der vorliegenden Beschwerde nicht entnehmen lasse, inwiefern die Pfändungsankündigung gesetzeswidrig sein soll. Es gebe keinen Grund, die provisorische Pfändung abzusetzen nochmals zu verschieben.
9. Gleichzeitig mit der vorliegenden Beschwerde, d.h. am 22. August 2018, stellte der Beschwerdeführer ein separates Gesuch um Aufschub der Vollstreckbarkeit des Entscheides vom 7. August 2018 im Verfahren CIV___ des Regionalgerichts Bern-Mittelland. Dieses Verfahren wird bei der 1. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Bern unter der Verfahrensnummer ZK 18 410 geführt. Am 17. September 2018 wies die 1. Zivilkammer das Gesuch ab, die Vollstreckbarkeit wurde nicht aufgeschoben.
II.
1. Die Zuständigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörde als Beschwerdeinstanz ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 SchKG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (EGSchKG; BSG 281.1).
2. Eine Beschwerde muss nach Art. 17 Abs. 2 SchKG innert zehn Tagen nach Kenntnisnahme der Verfügung eingereicht werden. Die Pfändungsankündigung vom 9. August 2018 wurde dem Beschwerdeführer gestützt auf seine Angaben am 13. August 2018 per A-Post zugestellt. Da der genaue Zeitpunkt der Zustellung bei einer A-Post-Sendung nicht ermittelt werden kann, ist diesbezüglich von den Angaben des Beschwerdeführers auszugehen. Die Beschwerde vom 22. August 2018 erfolgte somit rechtzeitig.
3. Auf die formund fristgerechte Beschwerde ist betreffend Ziff. 1 der Rechtsbegehren einzutreten.
III.
1. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Eingabe vor, das Betreibungsamt habe die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung vorgenommen, ohne im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Entscheides zu sein. Die Pfändungsankündigung stelle daher eine Gesetzesverletzung im Sinne von Art. 17 SchKG dar und sei ersatzlos aufzuheben.
Gemäss Art. 83 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, nach Ablauf der 20-tägigen Zahlungsfrist (Art. 88 Abs. 1 SchKG), je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen. Wird die provisorische Rechtsöffnung für die in Betreibung gesetzte Forderung vollumfänglich teilweise bewilligt, besteht für den Gläubiger vorerst eine Phase der Ungewissheit. Unabhängig davon, ob eine Aberkennungsklage eingereicht wurde, eine solche noch eingereicht werden kann, kann der Gläubiger als sichernde Massnahme unter anderem die provisorische Pfändung beantragen (Staehelin, Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Aufl. 2010, N. 3 zu Art. 83 SchKG). Die provisorische Pfändung kann somit verlangt werden, sobald der Rechtsöffnungsentscheid eröffnet wurde. Sie ist hingegen ausgeschlossen
oder wird aufgehoben, wenn die Rechtsmittelinstanz die Vollstreckbarkeit vorläufig hemmt (Staehelin, a.a.O., N. 5 zu Art. 83 SchKG).
2. Der Gläubigerin wurde in der Betreibung Nr. __ mit Entscheid vom 7. August 2018 für den Betrag von CHF 3‘290.00 nebst Zins zu 5% seit 1. Mai 2018 die provisorische Rechtsöffnung erteilt. Da durch eine allfällige Beschwerde weder die Rechtskraft noch die Vollstreckbarkeit gehemmt werden (Art. 325 Abs. 1 ZPO), wurde der Rechtsöffnungsentscheid sofort vollstreckbar. Das Obergericht des Kantons Bern wies das Gesuch des Beschwerdeführers um Aufschub der Vollstreckbarkeit am 17. September 2018 ebenfalls ab. Nebst dem Ablauf der 20-tägigen Zahlungsfrist sind somit auch die übrigen Voraussetzungen für den Erlass einer (provisorischen) Pfändungsankündigung resp. für den Vollzug einer provisorischen Pfändung gemäss Art. 83 SchKG erfüllt. Die Entgegennahme des Fortsetzungsbegehrens sowie die Pfändungsankündigung durch das Betreibungsamt sind daher nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist diesbezüglich abzuweisen.
3. Der Beschwerdeführer rügt weiter einen Verstoss gegen Art. 3 EMRK sowie gegen Art. 8 EMRK allein in Verbindung mit Art. 18 EMRK.
Das Betreibungsamt hat nach Eingang eines Fortsetzungsbegehrens gemäss Art. 88 SchKG lediglich die formellen Voraussetzungen (formgültiges Fortsetzungsbegehren, Einhaltung der Fristen gemäss Art. 88 Abs. 1 und 2 SchKG, richtiger Betreibungsort, Vorliegen eines rechtskräftigen Zahlungsbefehls) zu prüfen, bevor es eine Pfändungsankündigung erlässt (Lebrecht, Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I, 2. Aufl. 2010, N. 6 zu Art. 88 SchKG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist das Betreibungsamt verpflichtet, die Pfändung unverzüglich zu vollziehen.
Dass die formellen Voraussetzungen in casu erfüllt sind, wurde vorstehend bereits ausgeführt. Mit der betreibungsrechtlichen Beschwerde kann nur die richtige Handhabung des Zwangsvollstreckungsverfahrens überprüft werden. Inwiefern dem Betreibungsamt ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, welches gegen die geltend gemachten Artikel der EMRK verstösst, geht aus der Beschwerde nicht hervor. Der Beschwerdeführer beanstandet damit kein Fehlverhalten des Betreibungsamtes, weshalb seine diesbezüglichen Ausführungen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gehört werden können.
4. Im betreibungsund konkursrechtlichen Beschwerdeverfahren werden weder Gerichtskosten erhoben noch Parteientschädigungen gesprochen (Art. 20a SchKG und Art. 61 Abs. 2 sowie Art. 62 Abs. 2 der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [GebV SchKG; SR 281.35]).
Die Aufsichtsbehörde entscheidet:
1. Die Beschwerde wird in Bezug auf Ziff. 1 der Rechtsbegehren abgewiesen.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
3. Zu eröffnen:
• dem Beschwerdeführer
• der Gläubigerin, v.d. Fürsprecher C.__
• dem Betreibungsund Konkursamt Bern-Mittelland
Bern, 15. Oktober 2018
Im Namen der Aufsichtsbehörde
in Betreibungsund Konkurssachen
Der Präsident:
Oberrichter Studiger
Die Gerichtsschreiberin:
Niederhauser
Rechtsmittelbelehrung
Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungsund Konkurssachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung beim Bundesgericht Beschwerde erhoben werden. Wegen Rechtsverweigerung Rechtsverzögerung durch die kantonale Aufsichtsbehörde ist die Beschwerde jederzeit zulässig (Art. 72 Abs. 2 Bst. a, Art. 95 ff., Art. 100 des Bundesgerichtsgesetzes [BGG; SR 173.110]). Die Beschwerden sind an die folgende Adresse einzureichen: Schweizerisches Bundesgericht, 1000 Lausanne 14.