E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Versicherungsgericht (AG)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2010 15: -

Das Versicherungsgericht musste über die Teilung der Freizügigkeitsleistungen nach einer Ehescheidung entscheiden. Es stellte fest, dass es dem Scheidungsrichter obliegt, das Teilungsverhältnis festzulegen, an das sich das Versicherungsgericht halten muss. Ein zwischen den Parteien geschlossener Vergleich über die Teilung muss dem im Scheidungsverfahren festgelegten Verhältnis entsprechen. Im vorliegenden Fall wollten die Parteien auf die Teilung verzichten, was jedoch dem vom Bezirksgericht Brugg festgelegten Teilungsverhältnis widersprach. Das Gericht ordnete trotzdem die hälftige Teilung an. Der Beklagte liess sein Freizügigkeitsguthaben auszahlen, was zu rechtlichen Fragen bezüglich des Vorsorgeausgleichs führte.

Urteilsdetails des Kantongerichts AGVE 2010 15

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2010 15
Instanz:-
Abteilung:Versicherungsgericht
- Entscheid AGVE 2010 15 vom 22.06.2010 (AG)
Datum:22.06.2010
Rechtskraft:-
Leitsatz/Stichwort:AGVE - Archiv 2010 Versicherungsgericht 63 15 Art. 142 Abs. 1 ZGB; Art. 30c Abs. 5 BVG; Art. 5 Abs. 2, 22 Abs. 2 FZG. Teilung...
Schlagwörter : Teilung; Vorsorge; Versicherungsgericht; Vergleich; Ehegatte; Parteien; Ehegatten; Vorbezug; Beklagten; Scheidungsverfahren; Freizügigkeitsleistung; Freizügigkeitsstiftung; Vorsorgeoder; Teilungsverhältnis; X-Bank; Zustimmung; Anspruch; Vorsorgeausgleich; Freizügigkeitseinrichtung; Schadenersatzpflicht; Hinweise; Rechtsanspruch; Freizügigkeitsleistungen; Scheidungsrichter; Vergleichs; Teilungsausgleich; Erwägungen
Rechtsnorm:Art. 141 ZGB ;Art. 142 ZGB ;Art. 30c BV ;Art. 331e OR ;
Referenz BGE:130 III 341; 132 V 337; 133 V 205; 135 V 424; 135 V 432;
Kommentar:
-

Entscheid des Kantongerichts AGVE 2010 15

2010 Versicherungsgericht 63

15 Art. 142 Abs. 1 ZGB; Art. 30c Abs. 5 BVG; Art. 5 Abs. 2, 22 Abs. 2 FZG.
Teilung der Freizügigkeitsleistungen im Anschluss an die Ehescheidung:
An das vom Scheidungsrichter festgelegte Teilungsverhältnis ist das Ver-
sicherungsgericht gebunden. Ein zwischen den Parteien geschlossener
Vergleich über die Teilung kann nur bewilligt werden, wenn er sich an
das im Scheidungsverfahren festgelegte Teilungsverhältnis hält. Wird die
Freizügigkeitsleistung einer Partei aufgrund eines gerichtlich nicht be-
willigten Vergleichs ausbezahlt, hat der Teilungsausgleich aus dem Pri-
vatvermögen der entsprechenden Partei zu geschehen.

Aus dem Entscheid des Versicherungsgerichts, 3. Kammer, vom 22. Juni 2010 in Sachen N.C. gegen E.C. (VKL.2007.23).
Aus den Erwägungen
3. Vorab ist in grundsätzlicher Hinsicht festzuhalten, dass es dem Scheidungsrichter obliegt, über das Teilungsverhältnis zu befinden (Art. 142 Abs. 1 ZGB). Das Versicherungsgericht ist an diesen Teilungsschlüssel gebunden (BGE 130 III 341) und kann deswegen weder von diesem Schlüssel abweichen noch ihn selber festlegen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, auf die Teilung ganz teilweise zu verzichten, doch hat dies im Scheidungsverfahren zu geschehen und ist im Dispositiv des Scheidungsurteils entsprechend festzuhalten. Demgemäss ist auch ein Vergleich zwischen den Parteien zu den Modalitäten der Teilung grundsätzlich im Scheidungsverfahren zu schliessen, da die Bestimmung des Verhältnisses, in welchem die Austrittsleistungen zu teilen sind, zwingend im Rahmen des Scheidungsverfahrens zu erfolgen hat (Art. 141 Abs. 3 ZGB; BGE 132 V 337 Erw. 2.3; Urteil des Bundesgerichts vom 3. Dezember 2009 [9C_943/2008] = SVR 2010 BVG Nr. 19 S. 73). Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Brugg als Scheidungsgericht die hälftige Teilung der Vorsorgeguthaben der Parteien festgelegt. Vor Versicherungsgericht erklärten die Parteien sodann, man wolle gegenseitig auf die Teilung verzichten; am 12. September
2010 Versicherungsgericht 64

2008 reichten sie einen entsprechenden Vergleich ein. Dieser Vergleich/Verzicht kann gemäss den vorstehenden Erwägungen vom Versicherungsgericht nicht genehmigt werden, widerspricht dieser doch der vom Bezirksgericht Brugg angeordneten hälftigen Teilung. Das Versicherungsgericht kann dem übereinstimmend geäusserten Willen der Parteien daher nicht Folge leisten und hat die Teilung trotz der Verzichtserklärung gemäss den gesetzlichen Bestimmungen und dem Teilungsschlüssel des Scheidungsgerichts (hälftige Teilung) zu berechnen und anzuordnen. (...) 4.4. Der Beklagte liess seine Freizügigkeitsleistungen von der Stiftung A. und der B. Pensionskasse anfangs des Jahres 2008 auf ein Freizügigkeitskonto bei der Freizügigkeitsstiftung der X-Bank überweisen. Durch Vorlage des Vergleichs vom 5. September 2008 und demzufolge mit Zustimmung der Klägerin liess er sich sein gesamtes Freizügigkeitsguthaben am 25. September 2008 zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit auszahlen. Die Freizügigkeitsleistung von Fr. 7'181.45, welche der Beklagte der Klägerin im Rahmen der Teilung der Vorsorgeguthaben nach Ehescheidung zu übertragen hat, ist mithin nicht mehr auf einem Konto einer BVG-Einrichtung vorhanden. 4.4.1. Der Anspruch auf Vorsorgeausgleich richtet sich grundsätzlich gegen den pflichtigen Ehegatten. Soweit die zu teilende Masse bei einer Vorsorgeoder Freizügigkeitseinrichtung liegt, wird der Anspruch so erfüllt, dass die Vorsorgeoder Freizügigkeitseinrichtung des schuldnerischen Ehegatten den entsprechenden Betrag an diejenige des Gläubigers überträgt. Soweit jedoch bei der Vorsorgeoder Freizügigkeitseinrichtung des pflichtigen Ehegatten infolge eines Vorbezugs nicht mehr genügend Mittel vorhanden sind, um den Anspruch des anderen Ehegatten zu befriedigen, kann sich der Teilungsanspruch vorbehältlich einer allfälligen Schadenersatzpflicht nicht mehr gegen die Einrichtung richten; vielmehr hat der pflichtige Ehegatte den geschuldeten Betrag auf die Vorsorgeoder Freizügigkeits-
2010 Versicherungsgericht 65

einrichtung des berechtigten Ehegatten zu übertragen (BGE 135 V 424 f. Erw. 3 mit Hinweisen). Während der Ehe ist der Vorbezug nur mit schriftlicher Zustimmung des Ehegatten zulässig (Art. 30c Abs. 5 BVG; Art. 331e Abs. 5 OR). Erfolgt ein Vorbezug ohne diese Zustimmung (Art. 5 Abs. 2 FZG), liegt darin eine nicht gehörige Erbringung der Austrittsleistung, welche zu einer Schadenersatzpflicht der Vorsorgeeinrichtung führt, wenn diese nicht nachzuweisen vermag, dass ihr kein Verschulden zur Last fällt (BGE 133 V 205 Erw. 4.3, 130 V 103 Erw. 3.3). 4.4.2. Im vorliegenden Fall erfolgte die Barauszahlung der Vorsorgegelder des Beklagten am 25. September 2008. In jenem Zeitpunkt war die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden. Im Weiteren stimmte die Klägerin der Auszahlung des gesamten Vorsorgevermögens des Beklagten zu (vgl. Vergleich vom 5. September 2008). Aufgrund dieser Gegebenheiten kann der auszahlenden Freizügigkeitseinrichtung (Freizügigkeitsstiftung der X-Bank) keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden. Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine Überprüfung des Scheidungsurteils im Hinblick auf den Vollzug einer darin allenfalls angeordneten Vorsorgeausgleichsteilung in den Fällen, in welchen ein geschiedener Versicherter einen Vorbezug von seiner Einrichtung der beruflichen Vorsorge beantragt. Auch aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen lässt sich eine solche Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtungen nicht rechtfertigen, zumindest dann nicht, wenn keine konkreten Hinweise auf eine Behinderung der Durchführung des Vorsorgeausgleichs durch den Vorbezug vorliegen (BGE 135 V 432 f. Erw. 6.6). Da im September 2008 die Ehe des Beklagten rechtskräftig geschieden war und zudem die auch im damaligen Zeitpunkt bereits anwaltlich vertretene - Klägerin ausdrücklich der Barauszahlung zustimmte, bestanden für die Freizügigkeitsstiftung der X-Bank keine solchen Hinweise. Eine Schadenersatzpflicht der Freizügigkeitsstiftung der X- Bank ist mithin zu verneinen.
2010 Versicherungsgericht 66

4.4.3. Durch den Vorbezug des Freizügigkeitsvermögens des Beklagten wurde nicht der Rechtsanspruch der Klägerin, sondern nur das Vollstreckungssubstrat für diesen Rechtsanspruch beeinträchtigt. Der Rechtsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten besteht nach wie vor. Entsprechend hat der Beklagte den Teilungsausgleich aus seinem Privatvermögen vorzunehmen.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.