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3 Art. 322 und 349a OR; Arbeitsrecht
Art. 349a Abs. 2 OR ist auch ausserhalb des Handelsreisendenvertrages
analog auf andere Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Abreden, dass der
Lohn ganz überwiegend aus Provision bestehen soll, sind daher nur
gültig, wenn die Provisionszahlungen ein angemessenes Entgelt für die
Leistungen des Arbeitnehmers darstellen.
Aus dem Entscheid des Obergerichts, 3. Zivilkammer, vom 6. Juni 2005,
i.S. S.N. ca. V. GmbH
2. a) (...)
b) Die Provision stellt als eine in der Regel in Prozenten
ausgedrückte Beteiligung des Arbeitnehmers am Wert der einzelnen
von ihm vermittelten abgeschlossenen Geschäfte eine besondere
Lohnart dar. In der Regel ist sie zusätzlicher Bestandteil des Lohnes,
sie kann aber auch als einzige Lohnart vereinbart sein (Staehelin/
Vischer, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1996, N 1 zu Art. 322b
OR; Streiff/von Kaenel, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5. A.,
Zürich 1992, N 5 zu Art. 322b OR; Geiser, Arbeitsrechtliche Aspekte
im Zusammenhang mit Leistungslohn, in: AJP 2001, S. 387). In
Bezug auf den Handelsreisendenvertrag hat der Gesetzgeber in Art.
349a OR als zwingende Bestimmung vorgesehen, dass eine Verein-
barung, welche als Lohn ausschliesslich vorwiegend eine Provi-
sion vorsieht, nicht zulässig ist, wenn damit kein angemessenes
Entgelt für die Tätigkeit erzielt wird. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung will diese Regelung sicherstellen, dass der auf
Provisionsbasis Angestellte nicht schlechter gestellt ist, als jener mit
einem festen Lohn (JAR 1987, S. 307 mit Hinweis auf BGE 83 II
78). Zwar findet sich eine entsprechende gesetzgeberische Regelung
im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen über das Arbeitsverhält-
nis nicht. Der im erwähnten Bundesgerichtsurteil ausgeführte Gedan-
ke lässt sich indes ohne weiteres auf weitere Arbeitsverhältnisse
übertragen, die mit Bezug auf die Entschädigung gleich ausgestaltet
sind wie ein Handelsreisendenvertrag, welcher als hauptsächlicher
oder ausschliesslicher Lohnanspruch Provisionsleistungen vorsieht.
Insofern rechtfertigt es sich, Art. 349a Abs. 2 OR analog auch auf
andere Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Abreden, dass der Lohn
ganz überwiegend aus Provision bestehen soll, sind daher nur
gültig, wenn die Provisionszahlungen ein angemessenes Entgelt für
die Leistungen des Arbeitnehmers darstellen (Rehbinder/Portmann,
Basler Kommentar, 3. A., Basel/Genf/München 2003, N 1 zu
Art. 322b OR und N 1 zu Art. 349a OR; Geiser, a.a.O., S. 387;
ähnlich Staehelin/Vischer, a.a.O., N 1 zu Art. 347 OR; de lege lata
zurückhaltender: Rehbinder, Berner Kommentar, Bern 1992, N 8 zu
Art. 349a OR).
c) Als ausreichend gilt ein Entgelt, das dem Arbeitnehmer unter
Berücksichtigung seines Arbeitseinsatzes, der Ausbildung, der
Dienstjahre, des Alters, der Verantwortung und sozialen Verpflich-
tungen eine anständige Lebensführung ermöglicht. Massgebend ist
allerdings nicht der tatsächliche Verdienst, sondern der bei angemes-
senen Anstrengungen erzielbare (Staehelin/Vischer, a.a.O., N 4 zu
Art. 349a OR; Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 4 zu Art. 349a OR; Reh-
binder/Portmann, a.a.O., N 1 zu Art. 349a OR; Geiser, a.a.O., S.
387). Erweist sich die Provision als unangemessen, so ist nicht die
ganze Provisionsabrede nichtig. Vielmehr ist die sogenannte modifi-
zierte Teilnichtigkeit anzunehmen, indem die Abrede durch Erhö-
hung des Provisionssatzes Festlegung eines zusätzlichen oder
erhöhten Fixums in eine gültige Vereinbarung umgewandelt wird
(Staehelin/Vischer, a.a.O., N 5 zu Art. 349a OR).
d) Die Klägerin war unbestrittenermassen vom 29. März bis
2. April 2004 zu 100 % und vom 5. April bis 27. April 2004 zu 50 %
bei der Beklagten als "Agent Directmarketing/Promotion" tätig und
im Wesentlichen mit der Besorgung von telefonischen Terminverein-
barungen betraut. Die Vorinstanz ist dabei zu Recht davon ausgegan-
gen, dass eine Entschädigung von insgesamt Fr. 136.10 kein ange-
messenes Entgelt für die gesamte Tätigkeit darstellt, zumal die Be-
klagte nie geltend gemacht hat, die Klägerin habe eine ungenügende
Arbeitsleistung erbracht, z.B. zu wenige Telefonanrufe getätigt oder
die Arbeitszeiten nicht eingehalten. Es ist deshalb anzunehmen, dass
die Klägerin trotz vollem Einsatz kein höheres Entgelt erzielen konn-
te. (...) Damit hat als erstellt zu gelten, dass aufgrund der ver-
einbarten Provisionsregelung die Erzielung eines angemessenen Ver-
dienstes nicht möglich war.
e) Die von den Parteien im Arbeitsvertrag vom 19. April 2004
vereinbarte Regelung bedarf daher der richterlichen Modifikation.
Die Vorinstanz hat zu Recht festgehalten, dass der Aufstellung über
die berufs- und ortsüblichen Mindestlöhne des Amts für Wirtschaft
und Arbeit keine für das Directmarketing- und Promotionsgewerbe
geltenden Ansätze entnommen werden können. In § 7 Abs. 3 des
Arbeitsvertrages vom 19. April 2004 wird indes ausgeführt, dass der
Arbeitnehmer monatlich "einen durchschnittlichen Bruttofixlohn von
CHF 3520.-" erhalte. Zwar wurde im Arbeitsvertrag darauf hinge-
wiesen, dass sich das Gehalt je nach Arbeitsleistung erhöhen oder
vermindern kann; aufgrund der Formulierung "durchschnittlicher
Bruttofixlohn" ist aber davon auszugehen, dass die Erzielung eines
solchen Einkommens nach Ansicht der Parteien der angemessenen
und durchschnittlichen Entlöhnung eines Mitarbeiters in der Position
der Klägerin entspricht.