Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-6623/2016 |
Datum: | 22.03.2018 |
Leitsatz/Stichwort: | Einreiseverbot |
Schlagwörter : | Einreise; Einreiseverbot; Recht; Schweiz; Bundes; Sicherheit; AG-act; Beschwerdeführers; Sinne; Obergericht; Person; Urteil; Tötung; Gefährdung; Aufenthalt; Vorinstanz; Bundesverwaltungsgericht; Freizügigkeit; Familie; Gefahr; Staat; Entscheid; Verordnung; Kanton; Verhalten; Mitgliedstaat; Migration |
Rechtsnorm: | Art. 13 BV ;Art. 180 StGB ;Art. 22 StGB ;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 66a StGB ; |
Referenz BGE: | 136 II 447; 137 II 233; 137 II 266; 139 II 121 |
Kommentar: | - |
Entscheid bestätigt durch BGer mit Urteil vom 01.04.2019 (2C_365/2018)
Abteilung VI F-6623/2016
Besetzung Richter Andreas Trommer (Vorsitz), Richter Martin Kayser,
Richterin Jenny de Coulon Scuntaro, Gerichtsschreiber Julius Longauer.
Parteien A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Patrick Stutz, Rechtsanwalt,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Einreiseverbot.
Der kosovostämmige Beschwerdeführer (geb. 1963) gelangte im November 1995 in die Schweiz und heiratete hier am 2. Februar 1996 die Schweizer Bürgerin B. (geb. 1963) (Akten der Migrationsbehörde des Kantons Aargau [AG-act.] 19). In der Folge erhielt er im Kanton Aargau zum Verbleib bei seiner Ehefrau eine Aufenthaltsbewilligung (AG-act. 25), die am 21. Juni 2001 in eine Niederlassungsbewilligung umgewandelt wurde (AG-act. 42). Die Ehe des Beschwerdeführers blieb kinderlos und wurde am 14. August 2007 geschieden (AG-act. 295, 298).
Am 20.März 2009 heiratete der Beschwerdeführer die polnische Staatsan-
gehörige C.
(geb. 1982) (AG-act. 300). Aus dieser Beziehung
stammen die Kinder D.
(geb. 27. September 2003) und
E. (geb. 7. Januar 2011). F. (geb. 6. Mai 1999), ein weiteres in der Schweiz lebendes Kind der Ehefrau, stammt aus deren früherer Beziehung. Wie die Ehefrau und die beiden Kinder erhielt auch der Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung EG/EFTA (AG-act. 303).
In den Jahren 1996 bis 2005 erwirkte der Beschwerdeführer wegen Zuwiderhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz (SVG) und das damalige Ausländergesetz insgesamt sieben Verurteilungen zu Bussen sowie zu bedingten und unbedingten Freiheitsstrafen von zwei Wochen bis sechs Monaten Dauer (AG-act. 27, 30, 34, 52, 62). Deswegen wurde er bereits am 19. Juli 2002 von der Migrationsbehörde des Kantons Aargau förmlich verwarnt (AG-act. 60), und mit einer weiteren Verfügung vom 6. Juni 2005 wurde ihm förmlich die Ausweisung angedroht (AG-act. 211). Beide Anordnungen erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 4. Juni 2015 wurde der Beschwerdeführer der versuchten vorsätzlichen Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB), der Drohung (Art. 180 Abs. 1 StGB), des Missbrauchs von Ausweisen und Schildern (Art. 97 SVG [SR 741.01]) sowie der Übertretung im Sinne von Art. 143 Ziff. 3 der Verkehrszulassungsverordnung vom 27. Oktober 1976 (VZV, SR 741.51) schuldig gesprochen und zu einer Freiheitstrafe von 5 ½ Jahren, einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.00 und einer Busse von Fr. 70.00 verurteilt (AG-act. 494).
Dieser Verurteilung vorangegangen war ein erstes Durchlaufen des Instanzenzugs, in dessen Rahmen - bezogen auf das schwerste Delikt - das Bezirksgericht Zurzach am 25. September 2013 als erste Instanz zunächst auf versuchte schwere Körperverletzung und Raufhandel, das Obergericht des Kantons Aargau als zweite Instanz am 20. November 2014 dagegen auf versuchte vorsätzliche Tötung erkannte (AG-act. 494). Das Bundesgericht bestätigte mit Urteil 6B_1240/2014 vom 26. Februar 2015 im Wesentlichen das Urteil des Obergerichts (AG-act. 644). Wegen eines untergeordneten Punktes - vom Obergericht zu Unrecht angenommene Zuwiderhandlung gegen Art. 147 VZV - wies es die Sache gleichwohl zum neuen Entscheid an das Obergericht zurück.
Der Beschwerdeführer befand seit dem 9. März 2012, dem Datum des versuchten Tötungsdeliktes, in Untersuchungshaft und ab 7. Januar 2013 im vorzeitigen und später im ordentlichen Strafvollzug. Am 7. November 2015 wurde der Beschwerdeführer unter Auferlegung einer zweijährigen Probezeit aus dem Strafvollzug entlassen (AG-act. 512).
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs widerrief die kantonale Migrationsbehörde am 4. Januar 2016 die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers und wies ihn unter Ansetzung einer Ausreisefrist von 90 Tagen ab Rechtskraft des Entscheids aus der Schweiz weg (AG-act. 549). Eine dagegen gerichtete Einsprache lehnte der Rechtsdienst der kantonalen Migrationsbehörde mit Entscheid vom 4. Juli 2016 ab (AG-act. 660). Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft, nachdem der Beschwerdeführer seinen dagegen beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau erhobenen verspäteten Rekurs zurückgezogen hatte und das Rechtsmittelverfahren daher am 22. September 2016 abgeschrieben werden konnte (AG-act. 697).
Mit Schreiben vom 15. August 2016 machte die kantonale Migrationsbehörde den Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass er die Schweiz bis zum 4. November 2016 unter Verwendung der beigelegten Ausreisekarte, die er bei der Ausreise dem schweizerischen Grenzposten abzugeben habe, verlassen müsse (AG-act. 663). Ein Gesuch um Erstreckung der Ausreisefrist lehnte die kantonale Migrationsbehörde am 6. Oktober 2016 ab (AG-act. 702). Daraufhin meldete sich der Beschwerdeführer am 9. November 2016 bei der Einwohnerkontrolle seiner Wohngemeinde per
11. November 2016 nach Polen ab (AG-act. 705). Die Ausreisekarte wurde der kantonalen Migrationsbehörde nicht retourniert.
Bereits mit Schreiben vom 15. August 2016 hatte die kantonale Migrationsbehörde dem Beschwerdeführer unter Gewährung des rechtlichen Gehörs mitgeteilt, sie erwäge, der Vorinstanz einen Antrag auf Erlass eines Einreiseverbots nach Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG (SR 142.20) für den gesamten Schengen-Raum zu unterbreiten (AG-act. 665). Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Eingabe vom 19. September 2016 Stellung (AG-act. 692). Er ersuchte darum, die Dauer der Massnahme nach Ermessen möglichst niedrig anzusetzen und die Massnahme nur für das Territorium der Schweiz zu erlassen.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2016 erliess die Vorinstanz gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot von 12 Jahren Dauer. Einer allfälligen Beschwerde entzog sie bei gleicher Gelegenheit die aufschiebende Wirkung (Akten der Vorinstanz [SEM-act.] 7/141).
Mit Rechtsmitteleingabe vom 26. Oktober 2016 und Nachtrag vom 2. Dezember 2016 gelangte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter an das Bundesverwaltungsgericht und stellte die folgenden Rechtsbegehren: Die Verfügung der Vorinstanz sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei das Einreiseverbot auf höchstens 3 Jahre zu begrenzen. Auf seine Ausschreibung im Schengener Informationssystem SIS II sei zu verzichten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte der Beschwerdeführer um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege mit Bestellung seines gewillkürten Rechtsvertreters zum unentgeltlichen Rechtsbeistand (Akten des BVGer [Rek-act.] 1 und 6)
Mit Zwischenverfügung vom 20. Dezember 2016 lehnte das Bundesverwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab (Rek-act. 7)
Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 21. Februar 2017 die Abweisung der Beschwerde (Rek-act. 12).
Mit Replik vom 1. Mai 2017 hielt der Beschwerdeführer an seinen Anträgen und deren Begründung fest (Rek-act. 16).
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Verfügungen des SEM, die ein Einreiseverbot im Sinne von Art. 67 AuG zum Gegenstand haben, unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 112 Abs. 1 AuG i.V.m. Art. 31 ff. VGG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die im Übrigen fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - soweit nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).
Vorweg ist auf die Rüge des Beschwerdeführers einzugehen, die Vorinstanz habe die Begründungspflicht verletzt.
Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe in der angefochtenen Verfügung lediglich eine Kurzbegründung abgeliefert. Sie habe nicht rechtsgenüglich und nachvollziehbar dargetan, aus welchen konkreten und individualspezifischen Gründen er dem qualifizierten Tatbestand des Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG unterworfen sei und inwiefern es sich rechtfertigen solle, ihm ein 5 Jahre übersteigendes Einreiseverbot aufzubürden. Es fehlten insbesondre auch Hinweise darauf, wie die Vorinstanz die Umstände des konkreten Einzelfalles gewichtet habe. Die Anforderungen an die Begründung seien in diesem Zusammenhang schon deshalb hoch und die exakte Begriffsverwendung unerlässlich, weil ein längerfristiges Einreiseverbot schwer wiege und der Ermessensspielraum der Behörde erheblich sei. Die Vorinstanz müsse daher im Einzelfall eine Gefährdungsprognose erstellen und diese in nachvollziehbarer Weise begründen. Der Betroffene müsse erkennen können, weshalb die Behörde von einer aktuellen und schwer wiegenden Gefahr ausgehe. Von einer Gefährdungsprognose sei in der kurz gefassten Verfügung der Vorinstanz nicht einmal ansatzweise etwas zu lesen. Damit sei die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen und habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in nicht heilbarer Weise verletzt.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst eine Anzahl verschiedener verfassungsrechtlicher Garantien (vgl. etwa MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, 2000, S 202 ff., MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., 2008, 846 ff.). Eine davon ist die Begründungspflicht (Art. 35 VwVG), die der rationalen und transparenten Entscheidfindung der Behörden dient und die Betroffenen in die Lage versetzen soll, den Entscheid sachgerecht anzufechten. Die Behörde hat daher kurz die wesentlichen Überlegungen zu nennen, von denen sie sich leiten liess und auf die sie ihren Entscheid stützt. Je weiter der Entscheidungsspielraum, je komplexer die Sachund Rechtslage und je schwerwiegender der Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen Person, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung zu stellen (vgl. zum Ganzen BGE 137 II 266 E. 3.2; 136 I 229 E. 5.2; BVGE 2012/24 E. 3.2; 2009/35 E. 6.4.1;
KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., 2013, N 629 ff.; LORENZ KNEUBÜHLER, Die Begründungspflicht, 1998, S. 26 ff. u. S. 178 ff.).
Das Bundesverwaltungsgericht hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass das SEM bei einem Einreiseverbot von mehr als 5 Jahren Dauer eine Gefährdungsprognose zu erstellen und nachvollziehbar darzulegen
hat, weshalb von einer aktuellen und schwerwiegenden Gefahr auszugehen ist (vgl. Urteil des BVGer C-4898/2012 vom 1. Mai 2014 E. 3.3; vgl. auch KILIAN MEYER, Anforderungen an die erstinstanzliche Begründung von Einreiseverboten, in: dRSK, publiziert am 9. Juli 2015). Dieser Verpflichtung ist, wenn auch in knapper Form, nachgelebt worden. Die in der Begründung enthaltene Darstellung der Deliktsserie des Beschwerdeführers, die ungeachtet der ausländerrechtlichen Verwarnung und der Androhung der Ausweisung in ein schweres Gewaltdelikt gegen das Leben gemündet hatte, spricht für sich. Da die Vorinstanz zudem unter Hinweis auf die entsprechende Rechtsprechung den strengen Beurteilungsmassstab bei Gewaltdelikten kurz skizzierte, war es für den Beschwerdeführer ohne weiteres erkennbar, aus welchen Gründen von einer qualifizierten Gefährdung nach Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG ausgegangen wurde. Dies gilt umso mehr, als sich die kantonalen Behörden kurz zuvor im Verfahren auf Widerruf der Niederlassungsbewilligung ausführlich mit eng verwandten Rechtsfragen auseinandergesetzt hatten und der Beschwerdeführer damals wie heute durch denselben Anwalt vertreten wird (vgl. dazu Urteil des BVGer F-3419/2014 vom 16. Januar 2017 E. 3.4).
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurückzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer ist Kosovare und damit nicht Angehöriger einer Vertragspartei des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA, SR 0.142.112.681). Seine in der Schweiz lebende Ehefrau und die gemeinsamen Kinder gehören jedoch als polnische Staatsangehörige einer Vertragspartei des Freizügigkeitsabkommens an. Gemäss Art. 2 Abs. 2 AuG ist daher das ordentliche Ausländerrecht - bestehend aus dem AuG und seinen Ausführungsverordnungen - nur soweit anwendbar, als das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthält oder die Bestimmungen des ordentlichen Ausländerrechts günstiger sind.
Landesrechtliche Grundlage der angefochtenen Verfügung bildet Art. 67 AuG, der in den Absätzen 1 und 2 eine Reihe von Tatbeständen vorsieht, welche ein Einreiseverbot nach sich ziehen oder nach sich ziehen können. Ein solches fällt unter anderem gegen ausländische Personen in Betracht, welche gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der
Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden (Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG). Das Einreiseverbot wird für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verhängt (Art. 67 Abs. 3 erster Satz AuG). Die Anordnung eines Einreiseverbots von mehr als fünf Jahren Dauer ist zulässig, wenn von der ausländischen Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG). Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Grundsatzurteil vom 26. August 2014 (BVGE 2014/20) entschieden, dass Einreiseverbote, die auf der Grundlage von Art. 67 Abs. 1 oder 2 AuG ergehen, zwingend auf eine bestimmte Dauer zu befristen sind. Die Verbotsdauer kann dabei bis maximal 15 Jahre, im Wiederholungsfall 20 Jahre betragen. Aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen kann die zuständige Behörde von der Verhängung eines Einreiseverbots absehen oder ein Einreiseverbot vollständig oder vorübergehend aufheben (Art. 67 Abs. 5 AuG).
Das Einreiseverbot dient der Abwendung künftiger Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (BBl 2002 3709, 3813). Soweit Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG mit dem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar an vergangenes Verhalten des Betroffenen anknüpft, steht die Gefahrenabwehr durch Generalprävention im Sinne der Einwirkung auf das Verhalten anderer Rechtsgenossen im Vordergrund (zur Generalprävention im Ausländerrecht vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_282/2012 vom 31. Juli 2012 E. 2.5 mit Hinweisen). Die Spezialprävention im Sinne der Einwirkung auf das Verhalten des Betroffenen selbst kommt zum Tragen, soweit Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG als alternativen Fernhaltegrund die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Betroffenen selbst nennt. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, ist gestützt auf die gesamten Umstände des Einzelfalles im Sinne einer Prognose zu beurteilen, die sich in erster Linie auf das vergangene Verhalten des Betroffenen abstützen muss.
Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG bildet den Oberbegriff für die Gesamtheit der polizeilichen Schutzgüter. Sie umfasst unter anderem die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung und der Rechtsgüter Einzelner (vgl. BBl 2002 3709, 3813). Ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt unter anderem vor, wenn gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen missachtet werden (Art. 80 Abs. 1 Bst. a der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE, SR 142.201]). Der Schluss auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung setzt dagegen konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass der
Aufenthalt der betroffenen Person in der Schweiz mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen wird (Art. 80 Abs. 2 VZAE).
Eine schwerwiegende Gefahr für die öffentlich Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG setzt mehr voraus als eine einfache Gefährdung nach Art. 67 Abs. 2 Bst. a zweiter Halbsatz AuG. Verlangt wird eine qualifizierte Gefährdungslage, über deren Vorliegen nach Massgabe aller Umstände des Einzelfalles zu befinden ist. Eine solche Gefährdungslage darf nicht leichthin angenommen werden. Nach der Rechtsprechung kann sie sich beispielsweise aus der Hochwertigkeit des deliktisch bedrohten Rechtsguts ergeben (z.B. Leib und Leben, körperliche und sexuelle Integrität, Gesundheit), aus der Zugehörigkeit des drohenden Delikts zur besonders schweren Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension (z.B. Terrorismus, Menschenund Drogenhandel, organisierte Kriminalität), aus der wiederholten Delinquenz und ihrer zunehmenden Schwere oder aus der Abwesenheit einer günstigen Prognose (vgl. BGE 139 II 121 E. 6.3; Urteil des BGer 2C_270/2015 vom 6. August 2015 E. 4.2; BVGE 2013/4 E. 7.2.4; Urteil des BVGer C-5602/2012 vom 16. Januar 2015 E. 6.1 m.H.).
Gemäss Art. 3 FZA in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 FZA haben Angehörige von Vertragsstaaten des Freizügigkeitsabkommens ein Recht auf Einreise im Sinne einer originären Berechtigung. Machen sie davon tatsächlich Gebrauch, kommt dasselbe Recht ihren Familienangehörigen ungeachtet der Staatsangehörigkeit als abgeleitete Rechtsposition zu (vgl. dazu Urteil des BGer 2C_1092/2013 vom 4. Juli 2014 E. 6.2.3; ferner GIULIA SANTANGELO, Kein abgeleitetes Recht auf Freizügigkeit ohne Ausübung des Freizügigkeitsrechts durch den originär Berechtigten, in: dRSK, publiziert am 5. Dezember 2014). Das Einreiseverbot nach Art. 67 AuG, das das vertraglich zugesicherte Recht auf Einreise einschränkt, ist gemäss Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA nur zulässig, wenn es aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist (Ordre-Public-Vorbehalt). Im Interesse einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Ordre-Public-Vorbehaltes auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union (EU) verweist das Freizügigkeitsabkommen auf die Richtlinien 64/221/EWG, 72/194/EWG und 75/35/EWG in ihrer Fassung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung (Art. 16 Abs. 1 FZA in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA) und auf die vor diesem Zeitpunkt bestandene,
einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Gerichthof, EuGH) (Art. 16 Abs. 2 FZA). In diesem Sinne schränkt das Freizügigkeitsabkommen die ausländerrechtlichen Befugnisse nationaler Behörden bei der Handhabung landesrechtlicher Massnahmen wie des Einreiseverbots ein.
Abweichungen vom Grundsatz des freien Personenverkehrs sind nach der Rechtsprechung eng auszulegen. Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA setzt ausser der Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wie sie jede Gesetzesverletzung darstellt, eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ob das der Fall ist, beurteilt sich gemäss Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG ausschliesslich nach dem persönlichen Verhalten der betreffenden Person, wobei gemäss Abs. 2 der genannten Bestimmung eine strafrechtliche Verurteilung für sich allein nicht genügt. Sie kann nur insoweit herangezogen werden, als die ihr zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt. Art. 5 Anhang I FZA steht mit anderen Worten Massnahmen entgegen, die im Sinne eines Automatismus an vergangenes Fehlverhalten anknüpfen, und solchen, die aus Gründen der Generalprävention angeordnet werden. Insoweit kommt es im Unterschied zum Landesrecht auf das Rückfallrisiko an, wobei die in Kauf zu nehmende Rückfallgefahr desto geringer ist, je schwerer die möglichen Rechtsgüterverletzungen wiegen (vgl. BGE 139 II 121 E. 5.3 m.H.).
Innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen sind die Vertragsstaaten grundsätzlich frei festzulegen, welche Verhaltensweisen sie als Störung ihrer Grundinteressen betrachten. Eine solche gemeinschafsrechtliche Schranke erblickt der Gerichtshof im primärrechtlichen Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (heute: Art. 18 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union; vgl. die analoge Bestimmung des Art. 2 FZA). Ein Mitgliedstaat kann daher das Verhalten des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates nicht als hinreichend schwerwiegend betrachten, wenn er gegenüber dem gleichen Verhalten eigener Staatsangehöriger keine Zwangsoder andere tatsächliche und effektive Massnahmen zur Bekämpfung dieses Verhaltens ergreift (Urteile des EuGH vom 18. Mai 1989, Kommission/Deutschland, 249/86, Slg. 1989 1263, EU:C:1989:204, Rn. 19, und vom 18. Mai 1982,
Adoui und Cornuaille, 115/81 und 116/81, Slg. 1982 1665, EU:C:1982:183, Rn. 8). Ansonsten kann auch einfacher Konsum von Betäubungsmitteln eine Gefährdung darstellen, die besondere Massnahmen zum Schutz der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegen Angehörige anderer Mitgliedstaaten rechtfertigen kann (Urteil des EuGH vom 19. Januar 1999, Calfa, C-348/96, Slg. 1999 I-11, EU:C:1999:6, Rn. 22).
Art. 67 Abs. 3 AuG gilt auch im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens: Die Dauer der Fernhaltemassnahme gegen eine aus dem FZA berechtigte ausländische Person darf daher fünf Jahre nicht überschreiten, es sei denn, es liegt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor. Die Anforderungen an eine solche qualifizierte Gefährdungslage sind enger gefasst als diejenigen des Art. 5 Anhang I FZA und zugleich unabhängig davon, ob das FZA zur Anwendung gelangt oder nicht. Besteht daher eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG, besteht keine Beschränkung des Einreiseverbots auf fünf Jahre, gleichgültig ob die betroffene ausländische Person aus dem FZA berechtigt ist oder nicht (BGE 139 II 121 E. 5.1 - E. 5.4 m.H.; Urteil des BGer 2C_270/2015 vom 6. August 2015 E. 4.1 m.H.).
Die Ehefrau des Beschwerdeführers macht als aus dem Freizügigkeitsabkommen originär Berechtigte der Schweiz gegenüber von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch. Das gegen den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot stellt sich daher als Eingriff in sein abgeleitetes Recht auf Freizügigkeit dar, der sich an Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA im Sinne der obenstehenden Erwägungen messen lassen muss.
Der Beschwerdeführer erwirkte eine Reihe von Strafen, vorwiegend wegen Zuwiderhandlungen gegen das SVG. Bei weitem am schwersten ins Gewicht fällt die am 4. Juni 2015 erfolgte Verurteilung durch das Obergericht des Kantons Aargau zu einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren, einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen und einer Busse wegen der versuchten vorsätzlichen Tötung, wegen Drohung und einer Reihe von SVG-Delikten. Der Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Am 9. März 2012, nach einer verbalen Auseinandersetzung um eine Geldforderung seines Stiefschwiegervaters gegenüber dem späteren Opfer, dem Inhaber eines Restaurantund Barbetriebs, steckte der Beschwerdeführer noch zuhause für alle Fälle ein Messer ein und begab sich zusammen mit seinem Stiefschwiegervater in das Restaurant des Opfers, wo er dieses zur Rede stellen wollte. Der Beschwerdeführer traf sein Opfer dort mit zwei Begleitern an. In der Folge kam es zu einer
verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Beschwerdeführer das mitgeführte Messer zog. Anschliessend verlagerte sich die nun auf alle Beteiligten ausgeweitete und tätlich gewordene Auseinandersetzung nach draussen. Während der Auseinandersetzung rutschte das Opfer aus und ging zu Boden. Der Beschwerdeführer kniete sich über sein Opfer, holte mit dem Messer aus und stach wuchtig zu. Er wollte seinem Kontrahenten in den Bauch stechen, traf jedoch die Brust. Das 12.5 cm lange und 2.7 cm breite Messer durchstach die Brustmuskulatur, drang tief in dem Brustraum ein und verursachte einen zweifachen Lungenkollaps. Das Risiko eines tödlichen Ausgangs war sehr gross. Dass entlang des 9.6 cm langen Stichkanals der Herzbeutel und die grossen Gefässe knapp verfehlt wurden und das Opfer mit einigermassen geringfügigen Verletzungen davonkam, ist nur einer glücklichen Fügung zu verdanken. Das Obergericht würdigte das Geschehen als versuchte eventualvorsätzliche Tötung. Zwar konnte dem Beschwerdeführer ein direkter Tötungsvorsatz nicht nachgewiesen werden. Es wurde ihm jedoch vorgeworfen, dass er mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs rechnen musste und den Tod seines Kontrahenten billigend in Kauf nahm.
Das Tatverschulden des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der versuchten vorsätzlichen Tötung als schwerstem Delikt wertete das Obergericht zusammenfassend als mittelschwer. Das Vorgehen (vorsorgliche Mitnahme eines Messers, ohne dass zu diesem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden hätte, spontanes Vorgehen, Einstechen auf den wehrlos auf dem Boden liegenden Gegner) und das Motiv des Beschwerdeführers (Streit um Geld aus einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Stiefschwiegervater und dem Opfer, an dem der Beschwerdeführer nicht beteiligt war) sowie das Ausmass der herbeigeführten Gefahr für das Leben des Opfers wirkte sich dabei je mittelschwer straferhöhend aus. Leicht verschuldensmindernd berücksichtigte das Obergericht, dass bei der Auseinandersetzung beidseitig Schläge ausgeteilt und eingesteckt wurden und dem Beschuldigten eine gewisse Angst zuzugestehen war. Ebenfalls leicht verschuldensmindernd wurde berücksichtigt, dass der Beschuldigte keinen direkten Tötungsvorsatz hatte, sondern eventualvorsätzlich handelte. Daraus resultierte eine Einsatzstrafe für das vollendete Tötungsdelikt von 9 Jahren Freiheitsstrafe (innerhalb eines Strafrahmens von bis zu 20 Jahren). Dass es beim Versuch blieb, führte zu einer Reduktion auf 4.5 Jahre. Angesichts der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer auch der Drohung schuldig machte, erhöhte das Obergericht die Einsatzstrafe um ein halbes Jahr. Strafverschärfend zog das Obergericht die Vorstrafen des Beschwerdeführers in Betracht, ferner seine während des Strafverfahrens an
den Tag gelegte Uneinsichtigkeit, und gelangte so zu einer Freiheitsstrafe für versuchte vorsätzliche Tötung und Drohung von insgesamt 5.5 Jahren.
Wie bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf Widerruf der Niederlassungsbewilligung will der Beschwerdeführer das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau auch im vorliegenden Verfahren nicht uneingeschränkt gegen sich gelten lassen. Um die im Rahmen der prognostischen Beurteilung des Gefährdungspotentials nicht unerheblichen Besonderheiten des Falles korrekt und dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz entsprechend beurteilen zu können, sei ein Beizug der gesamten Strafakten, bestehend aus den Strafakten des Bezirksgerichts Zurzach, des Obergerichts des Kantons Aargau und des Bundesgerichts, unerlässlich. Zu beachten sei nämlich, dass er vom Bezirksgericht Zurzach als der ersten Instanz nur des Raufhandels schuldig gesprochen worden sei (und, was er mit Schweigen übergeht, der versuchten schweren Körperverletzung). Erst vor dem Obergericht des Kantons Aargau und dem Bundesgericht als den beiden Folgeinstanzen habe sich die Qualifikation des Sachverhalts hin zur versuchten vorsätzlichen Tötung bewegt. Dies zu Unrecht. Leider sei es ihm, dem Beschwerdeführer, nicht gelungen, die Folgeinstanzen von den wahren Abläufen zu überzeugen, da die Zeugen, die allesamt im Haus des Geschädigten lebten und bei ihm angestellt seien, nicht zur Aussage gegen ihn hätten bewegt werden können. Entsprechend der strafrechtlichen Qualifikation durch die Folgeinstanzen sei das Strafmass in Beachtung der unteren Strafrahmens für eine versuchte vorsätzliche Tötung ergangen. Daran zeige sich, dass im ausländerrechtlichen Verfahren nicht blind und unbesehen auf das Strafmass abgestellt werden könne.
Die Administrativbehörde ist zwar grundsätzlich nicht an die Erkenntnis des Strafrichters gebunden. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit weicht sie jedoch nicht ohne Not vom Strafrichter ab. Diese Selbstbeschränkung gilt in erster Linie für die Feststellung des Sachverhalts, aber auch für die rechtliche Würdigung, soweit diese in besonderem Masse von der Kenntnis des Sachverhalts abhängig ist. Ihre Berechtigung findet diese Rechtsprechung in der Tatsache, dass das kontradiktorische Strafverfahren mit den ausgebauten Verfahrensgarantien besondere Gewähr für die Ermittlung der materiellen Wahrheit bietet (zur Bindung der Administrativbehörde an die Erkenntnis der strafurteilenden Behörde vgl. BVGE 2013/33 E. 4.3 oder BGE 136 II 447 E. 3.1 je m.H.). Das Strafmass bildet dabei rechtsprechungsgemäss den Ausgangspunkt für die Beurteilung der Schwere der dem Betroffenen zurechenbaren Rechtsverletzung (vgl. statt vieler Urteil des BGer 2C_642/2016 vom 20. Juli 2017 E. 3.1 und 3.2 m.H.).
Nun begründete das Obergericht des Kantons Aargau in seinem Urteil sorgfältig und ausführlich, warum es davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer seinen auf dem Boden liegenden, wehrlosen Kontrahenten in Verletzungsund nicht in Verteidigungsabsicht eine Stichwunde zufügte und warum es die Aussagen der anderen Verfahrensbeteiligten als glaubhaft erachtet, die Aussagen des Beschwerdeführers jedoch nicht, und warum es den gesamten Vorgang als versuchte eventualvorsätzliche Tötung bewertet. Das Bundesgericht bestätigte auf Beschwerde hin diese Feststellungen und Wertungen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich wie schon im Verfahren vor der kantonalen Migrationsbehörde darauf, der Würdigung durch das Obergericht knapp seine eigene Sicht der Dinge entgegenzusetzen, wonach es sich „eigentlich“ um einen Raufhandel handelte. Für das Bundesverwaltungsgericht besteht in dieser Situation von vornherein kein Anlass, von der Erkenntnis des Obergerichts und den ihm zugrundliegenden Wertungen und Feststellungen abzuweichen. In Ermangelung triftiger Gründe für eine andere Beurteilung des Vorfalls vom 9. März 2012 kann auch der beantragte Beizug der Strafakten unterbleiben.
Der vom Obergericht festgestellte Sachverhalt, seine rechtliche Würdigung und die verhängte Freiheitsstrafe von 5.5 Jahren implizieren eine schwere Rechtsverletzung und beträchtliches Verschulden, zumal die Straftat des Beschwerdeführers gegen das Leben als das höchstwertige Rechtsgut überhaupt gerichtet war. Aus spezifisch ausländerrechtlicher Sicht treten weitere Elemente hinzu, die sich zu Lasten des Beschwerdeführers auswirken: Dass es beim Versuch der vorsätzlichen Tötung blieb, mag zwar zu einer erheblichen Reduktion der strafrechtlichen Sanktion geführt haben. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr ist dieser Umstand jedoch nicht von Belang, solange der Erfolg - wie im vorliegenden Fall geschehen - durch Umstände verhindert wurde, die sich der Beschwerdeführer nicht als eigenes Verdienst zurechnen kann. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr kommt ferner der Tatsache besonderes Gewicht zu, dass der Beschwerdeführer mit den abgeurteilten Straftaten nicht das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, sondern bereits zuvor sieben Verurteilungen vornehmlich wegen schwerwiegender Zuwiderhandlungen gegen das SVG erwirkt hatte (u.a. wiederholtes Fahren in teilweise stark alkoholisiertem Zustand, wiederholtes Fahren trotz Führerausweisentzugs), ohne dass er sich von den bedingt und unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen von insgesamt rund 11 Monaten (die längste Freiheitsstrafe betrug 6 Monate und erging am 14. Februar 2005) und Bussen von insgesamt 4‘300 Franken hätte beeindrucken lassen.
Auch eine förmliche Verwarnung und eine förmliche Androhung der Ausweisung durch die kantonale Migrationsbehörde für den Fall weiterer Straffälligkeit blieben ohne Wirkung. Selbst die Verantwortung für seine Ehefrau und seine beiden Kinder hielten den Beschwerdeführer nicht von weiterer Delinquenz ab. Zu Gunsten des Beschwerdeführers ist mit dem Obergericht immerhin zu berücksichtigen, dass ihm beim versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikt kein direkter Tatvorsatz vorgeworfen werden kann und sich der Vorfall im Rahmen einer beidseitigen tätlichen Auseinandersetzung ereignete. Der Beschwerdeführer kann hingegen kaum etwas daraus ableiten, dass es sich bei seinen anderen Delikten vorwiegend „nur“ um SVGDelikte handelte und er vor dem am 9. März 2012 verübten versuchten Tötungsdelikt rund 8 ½ Jahre deliktsfrei war (mehrfaches Führen eines Motorfahrzeuges trotz Führerausweisentzug im September 2003, vgl. AG-act. 173).
Angesichts der dargelegten Umstände besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel daran, dass vom Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Festnahme eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausging, die im Lichte von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA geeignet war, ein Einreiseverbot zu rechtfertigen. Damit ist zugleich gesagt, dass die weniger restriktiven Anforderungen des Landesrechts an ein Einreiseverbot, wie sie in Art. 67 Abs. 2 AuG niedergelegt sind, ebenfalls erfüllt waren. Des Weiteren ist das Bundesverwaltungsgericht davon überzeugt, dass die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung angesichts seines Vorlebens, seiner Motive, der Natur der Delikte, der Art und Weise ihrer Begehung im Sinne von Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG qualifiziert war. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass sich das schwerste Delikt des Beschwerdeführers gegen das Leben als das höchstwertigste Rechtsgut überhaupt richtete und zu den Anlasstaten gehört, die vom Verfassungsgeber als besonders verwerflich betrachtet werden und zum Verlust eines jeden Aufenthaltsrechts sowie zu einem obligatorischen Einreiseverbot von 5 bis 15 Jahren Dauer führen soll (Art. 121 Abs. 3 Bst. b und Abs. 4 BV; vgl. auch Art. 66a Abs. 1 Bst. a StGB, der in Konkretisierung der genannten Verfassungsbestimmung auf den 1.Oktober 2016 in Kraft gesetzt wurde). Dieser Wertung ist in den Schranken des übrigen Verfassungsund des Völkerrechts Rechnung zu tragen (vgl. Urteil des BGer 2C_861/2016 vom 21. Dezember 2016 E. 2.2.2 m. H.). Das bedeutet unter anderem, dass die Anforderungen an die Wiederholungsgefahr herabgesetzt sind. Die oben aufgeführten, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Beurteilungselemente sind weder einzeln noch in
ihrer Gesamtheit geeignet, die Gefährdungslage unter das qualifizierende Mass des Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG zu senken.
Zur weiteren Entwicklung der Gefährdungslage ist zu bemerken, dass sich der Beschwerdeführer zwischen seiner Festnahme am 9. März 2012 bis zu seiner bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug am 7. November 2015 in Unfreiheit befand und als Folge des Widerrufs seiner Niederlassungsbewilligung am 11. November 2016 die Schweiz verlassen musste. Über das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers ist nichts Näheres bekannt. Selbst wenn er sich während dieser Zeit tadellos verhalten hätte, könnte er daraus nichts Besonderes zu seinen Gunsten ableiten. Denn im ausländerrechtlichen Administrativverfahren kommt weder dem Wohlverhalten während des eng überwachten und betreuten Strafvollzugalltags noch der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug eine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. dazu eingehend BGE 137 II 233 E. 5.2.2 m.H.). Aus spezifisch ausländerrechtlicher Perspektive ist entscheidend, dass die seit März 2012 vergangenen gut 6 Jahre zu kurz bemessen sind, als dass unter den gegebenen Umständen davon ausgegangen werden könnte, die beim Beschwerdeführer zuvor bejahte qualifizierte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei weggefallen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer sein Verhalten bis zuletzt bagatellisierte und nach wie vor bagatellisiert, vor dem Strafrichter keine Anzeichen für echte Reue und Einsicht in das begangene Unrecht erkennbar waren und über seine Lebensumstände nach der Ausreise im November 2016 nichts Konkretes bekannt ist.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass im Falle des Beschwerdeführers nicht nur der Fernhaltegrund einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a zweiter Halbsatz AuG vorliegt, der nach Massgabe von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA grundsätzlich geeignet ist, ein Einreiseverbot gegen eine aus dem FZA berechtigte ausländische Person zu rechtfertigen. Vom Beschwerdeführer geht darüber hinaus auch zum heutigen Zeitpunkt noch eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 3 zweiter Satz AuG aus. Das gegen ihn verhängte Einreiseverbot darf daher ohne Verletzung von Art. 67 Abs. 3 erster Satz AuG die Regelmaximaldauer von fünf Jahren übersteigen.
Den Entscheid darüber, ob ein Einreiseverbot anzuordnen und wie es zeitlich auszugestalten ist, legen Art. 67 Abs. 2 und 3 AuG in das pflichtgemässe Ermessen der Behörde. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu, der eine wertende Abwägung zwischen den berührten öffentlichen und privaten Interessen verlangt. Ausgangspunkt der Überlegungen bilden die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen ausländischen Person (Art. 96 AuG; ferner statt vieler HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 2016, Rz. 555 ff.).
Vom Beschwerdeführer geht eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Darauf wurde unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsvoraussetzungen ausführlich eingegangen, sodass an dieser Stelle auf Wiederholungen verzichtet werden kann. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit den Zuwiderhandlungen gegen das SVG und dem versuchten Tötungsdelikt eine erschreckende Rücksichtslosigkeit anderen Menschen gegenüber unter Beweis stellte. Jenes Mass an Gefährlichkeit, das die volle Ausschöpfung der rechtsprechungsgemässen Maximaldauer eines Einreiseverbots rechtfertigen könnte, offenbarte sein Verhalten jedoch gleichwohl nicht. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das Obergericht des Kantons Aargau für das Tötungsdelikt, wäre es vollendet worden, eine Einsatzstrafe von 9 Jahren und somit knapp die Hälfte der hierfür vorgesehenen Maximalstrafe von 20 Jahren für angemessen hielt. Es besteht daher zwar ein erhebliches öffentliches Interesse an einer langfristigen Fernhaltung des Beschwerdeführers. Dieses ist jedoch nicht so dominant, dass sich ihm jedes private Interesse gänzlich unterordnen müsste.
Dem öffentlichen Fernhalteinteresse gegenüber beruft sich der Beschwerdeführer auf wesentliche Lebensinteressen in der Schweiz. Zum einen verweist er auf seinen langjährigen Aufenthalt in der Schweiz, wo er seit dem Jahr 1995 ununterbrochen gelebt habe. Zum anderen beruft er sich auf sein unter den Schutz von Art. 8 EMRK fallendes Familienleben. Denn er sei mit einer in der Schweiz aufenthaltsberechtigten polnischen Staatsangehörigen verheiratet und habe mit dieser zusammen zwei Kinder. Sodann lebe eine Tochter der polnischen Ehefrau aus einer früheren Beziehung im Kreis seiner Familie hier in der Schweiz. Er hätte seine Stieftochter adoptiert, um eine einheitliche Familie zu bilden, wäre ihm dies bürokratisch in Polen nicht zu kompliziert gewesen. Immerhin trage sie jetzt
seinen Familiennahmen. Er sei also ein Familienmensch und in der Schweiz verwurzelt. Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug habe er sofort eine Anstellung gefunden, was zeige, in welchem Mass er in der Schweiz beruflich integriert sei. Ein Einreiseverbot von der verfügten Dauer, das nahe am rechtsprechungsgemässen Limit von 15 Jahren liege, würde im Übrigen zur Folge haben, dass er infolge Erreichung des AHVAlters keine Möglichkeit hätte, wieder in die schweizerische Arbeitswelt zurückzukehren. Das wäre für ihn und seine Familie völlig unmenschlich und unverhältnismässig. Mit Blick auf seine Einwendungen und Vorbringen erachte er ein Einreiseverbot von maximal drei Jahren Dauer als angemessen.
Vorweg ist festzuhalten, dass Einschränkungen des Privatund Familienlebens aufgrund sachlicher und funktioneller Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nicht Verfahrensgegenstand sein können, soweit sie auf das Fehlen eines dauerhaften Aufenthaltsrechts in der Schweiz zurückzuführen sind. Denn die Niederlassungsbewilligung wurde dem Beschwerdeführer als Folge seiner Straftaten rechtskräftig entzogen, und er musste die Schweiz in Nachachtung der gleichzeitig angeordneten Wegweisung verlassen. Eine erneute Wohnsitznahme in der Schweiz wie auch die Pflege regelmässiger Kontakte zu in der Schweiz wohnhaften Personen scheitert daher bereits am fehlenden Aufenthaltsrecht hierzulande. Eine allfällige neue Bewilligung im Rahmen des Familiennachzugs ist aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Hierfür ist der Kanton zuständig, wobei das Einreiseverbot im Falle einer Bewilligungserteilung aufzuheben wäre (vgl. BVGE 2013/4 E. 7.4.1 m.H.). Soweit sich das Interesse des Beschwerdeführers auf einen Daueraufenthalt in der Schweiz bezieht, kann er daher im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht gehört werden.
Nach dem Gesagten stellt sich im Folgenden einzig die Frage, ob die über die Verweigerung des Aufenthaltsrechts hinausgehende, durch das Einreiseverbot zusätzlich bewirkte Beeinträchtigung des Familienund Privatlebens einer rechtlichen Prüfung standhält. Als ausländische Person ohne Aufenthaltsbewilligung dürfte sich der Beschwerdeführer ohne Einreiseverbot nur im Rahmen von bewilligungsfreien Kurzaufenthalten in der Schweiz aufhalten, wofür er als Staatsangehöriger Kosovos grundsätzlich ein Visum benötigt (vgl. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung [VEV, SR 142.204] i.V.m. Art. 1 Abs. 1 erster Unterabsatz der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 [Abl. L 81/1 vom 21.03.2001] i.V.m. ihrem Anhang I Ziff. 2). Der mit dem Einreiseverbot verbundene zusätzliche Malus besteht nicht darin, dass dem Beschwerdeführer jede Einreise in die Schweiz schlichtweg untersagt ist, sondern darin, dass der Beschwerdeführer für bewilligungsfreie Kurzaufenthalte zusätzlich zum Visum eine Suspension des Einreiseverbots einholen muss. Eine solche Suspension kann auf Gesuch hin für kurze, klar begrenzte Zeit ausnahmsweise gewährt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen (Art. 67 Abs. 5 AuG). In diesem - wenn auch stark eingeschränkten
Rahmen hat der Beschwerdeführer grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit, Beziehungen zu Personen in der Schweiz auf schweizerischem Hoheitsgebiet zu pflegen. Kontakte ausserhalb des Schengenraums bzw. auf andere Weise als durch persönliche Treffen werden durch die Massnahme nicht beeinträchtigt (vgl. zum Ganzen BVGE 2014/20 E. 8.3.4 m.H.).
Zur Aufenthaltsdauer und der damit verbundenen Integration ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer im Alter von 32 Jahren in die Schweiz gelangte. Seine Lage unterscheidet sich daher wesentlich von der eines Ausländers der zweiten Generation. In der Folge hielt er sich bis zu seiner Ausreise im November 2016 ununterbrochen 26 Jahre in der Schweiz auf, sodass durchaus von bedeutsamen Bindungen zu diesem Land ausgegangen werden kann. Es sind jedoch deutliche Integrationsdefizite festzustellen. Zwar mag der Beschwerdeführer beruflich integriert gewesen sein. Andrerseits konnte bereits im Rahmen des letzten Strafverfahrens festgestellt werden, dass er ausserhalb der eigenen Familie nur über ein beschränktes Beziehungsnetz in der Schweiz verfügt und wegen ungenügenden Deutschkenntnissen einen Dolmetscher benötigt (z.B. AG-act. 371). Im vorliegenden Zusammenhang negativ zu vermerken sind ferner der getrübte finanzielle Leumund des Beschwerdeführers - ein Auszug aus dem Betreibungsregister des zuständigen Betreibungsamtes vom 23. Juli 2015 verzeichnet unter anderem 15 offene Verlustscheine in Höhe von Fr. 44'657.00 - sowie die an den Tag gelegte Missachtung der Rechtsordnung, auf die bereits ausführlich eingegangen wurde (vgl. dazu etwa Art. 4 Bst. a und b der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern [VIntA, SR 142.205]). Ansonsten werden konkrete Integrationsleistungen weder geltend gemacht noch sind solche ersichtlich.
Was das Familienleben des Beschwerdeführers anbetrifft, so ist nicht zu verkennen, dass dieses durch das Einreiseverbot insoweit beeinträchtigt wird, als Besuche auf schweizerischem Hoheitsgebiet eine vorgängige Suspension der Massnahme voraussetzen. Besuche ausserhalb des
Schengenraums und namentlich im Kosovo werden durch das Einreiseverbot nicht beeinträchtigt. Nicht beeinträchtigt wird ferner die Pflege der Kontakte auf andere Weise als durch persönliche Treffen namentlich mittels moderner Kommunikationsmittel. Die nachteiligen Auswirkungen des Einreiseverbots auf die Möglichkeiten, ein Familienleben zu führen, sind daher in einer Konstellation wie der vorliegenden begrenzt. Es tritt hinzu, dass dem Beschwerdeführer durch die Verwarnung und die Androhung der Ausweisung durch die kantonale Migrationsbehörde mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt wurde, was er riskiert, wenn er sein Verhalten nicht ändert. Dennoch delinquierte er nicht nur weiter. Die schwersten Straftaten beging er erst nach diesen Warnungen. Die nachteiligen Folgen für sich und seine Familie hat er daher zuallererst selbst zu verantworten. Anzumerken bleibt, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einreise in die Schweiz im Jahr 1995 vier Kinder im Alter von drei bis acht Jahren aus einer ersten geschiedenen Ehe im Kosovo zurückliess (AG-act. 69) und damit unter Beweis stellte, dass er Familienleben durchaus auch aus der Ferner führen kann.
Trotz der erwähnten Einschränkungen und Relativierungen verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass das dem Einreiseverbot eigene besondere Kontrollregime den Beschwerdeführer und seine Ehefrau erheblich trifft. Angesichts der besonderen Umstände der schwersten Straftat und der Deliktsstruktur in sachlicher und zeitlicher Hinsicht gelangt das Bundesverwaltungsgericht daher im Rahmen einer wertenden Gewichtung der sich entgegenstehenden öffentlichen und privaten Interessen zum Schluss, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Einreiseverbot dem Grundsatz nach zwar nicht beanstandet werden kann. Die Dauer des Einreiseverbots von 12 Jahren erscheint jedoch als nicht verhältnismässig. Angesichts der gesamten Umstände erachtet es das Bundesverwaltungsgericht als verhältnismässig und angemessen, das Einreiseverbot auf acht Jahre zu befristen. Damit wird den auf dem Spiel stehenden öffentlichen und privaten Interessen ausreichend Rechnung getragen. Insbesondere ist die mit dem Einreiseverbot von acht Jahren Dauer einhergehende Erschwerung der familiären und privaten Kontakte zur Schweiz, soweit diese überhaupt unter den Schutz von Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV fallen, im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt.
Zu prüfen bleibt die von der Vorinstanz angeordnete Ausschreibung des Einreiseverbots im SIS II.
Eine Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU oder der EFTA besitzt (Drittstaatsangehörige), kann im SIS II zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung ausgeschrieben werden, wenn die
„Angemessenheit, Relevanz und Bedeutung des Falles“ eine solche Massnahme rechtfertigen (Art. 3 Bst. d und Art. 21 der Verordnung [EG] Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation [SIS-II-Verordnung, Abl. L 381/4 vom 28.12.2006]). Voraussetzung der Ausschreibung im SIS ist eine nationale Ausschreibung, die gestützt auf eine Entscheidung der zuständigen nationalen Instanzen ergeht (Art. 24 Ziff. 1 SIS-II-Verordnung). Die Ausschreibung erfolgt, wenn die nationale Entscheidung mit der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit begründet wird, die die Anwesenheit der betreffenden Person in einem Mitgliedstaat darstellt. Das ist insbesondere der Fall, wenn die betreffende Person in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt wurde, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist (Art. 24 Ziff. 2 Bst. a SIS-II-Verordnung), oder wenn gegen sie der begründete Verdacht besteht, dass sie schwere Straftaten begangen hat, oder wenn konkrete Hinweise bestehen, dass sie solche Taten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats plant (Art. 24 Ziff. 2 Bst. b SIS-II-Verordnung). Als Drittstaatsangehörige im Sinne der SIS-II-Verordnung gelten auch drittstaatsangehörige Familienangehörige eines Unionsbürgers.
Die Wirkungen der Ausschreibung eines Drittstaatsangehörigen im SIS II zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung gestützt auf ein nationales Einreiseverbot hängen davon ab, ob er als Familienangehöriger eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht, selbst abgeleitet freizügigkeitsberechtigt ist.
Ist der Drittstaatsangehörige nicht freizügigkeitsberechtigt, werden die Wirkungen des Einreiseverbots über die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein hinaus (vgl. Art. 10 Abs. 1 des Rahmenvertrags vom 3. Dezember 2008 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Zusammenarbeit im Bereich des Visumverfahrens, der Einreise und des Aufenthalts sowie über die polizeiliche Zusammenarbeit im Grenzraum, SR 0.360.514.2) auf alle Schengen-Staaten ausgedehnt (vgl. Art. 6 Abs. 1 Bst. d sowie Art. 14 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [Kodifizierter Text] [Schengener Grenzkodex, SGK, Abl. L
77/1 vom 23.03.2016). Die Mitgliedstaaten können der betroffenen Person aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen die Einreise in das eigene Hoheitsgebiet gestatten (vgl. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 5 Bst. c SGK) bzw. ihr, falls sie der Visumspflicht untersteht, ein Schengen-Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit ausstellen (vgl. Art. 25 Abs. 1 Bst. a [ii] der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex, Abl. L 243/1 vom 15.09.2009]). Sie können ihr ferner nach Konsultation des ausschreibenden Staates aus wichtigen Gründen, insbesondere aus humanitären Gründen oder aufgrund internationaler Verpflichtungen, eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, worauf die Ausschreibung zurückgenommen wird (Art. 25 Abs. 1 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen [Schengener Durchführungsübereinkommen, SDÜ, Abl. L 239/19 vom 22.09.2000] in der Fassung Verordnung [EU] Nr. 265/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.03.2010 [ABl. L 85/1 vom 31.03.2010]).
Verfügt der Drittstaatsangehörige jedoch als Angehöriger eines Unionsbürgers, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch macht, selbst über ein abgeleitetes Recht auf Freizügigkeit, so sind die Wirkungen der Ausschreibung im SIS II zur Einreiseund Aufenthaltsverweigerung gestützt auf ein Einreiseverbot begrenzt. Andere Schengen-Mitgliedstaaten dürfen dem Drittstaatsangehörigen nämlich nicht allein deswegen die Einreise und den Aufenthalt verweigern, weil er im SIS II ausgeschrieben ist. Vielmehr müssen sie in eigener Zuständigkeit und Verantwortung prüfen, ob Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 FZA bzw. - ausserhalb des Geltungsbereichs des Freizügigkeitsabkommens - des Art. 27 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürgerrichtlinie, ABl. L 158/77 vom 30.04.2004) bestehen, die einen Eingriff in das abgeleitete Freizügigkeitsrecht rechtfertigen. Die hierzu notwendigen Informationen sind dem Staat, der über die Einreise oder Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen zu entscheiden hat, vom ausschreibenden Schengen-Mitgliedstaat innert angemessener Frist zur Verfügung zu stellen. Die Ausschreibung im SIS II hat somit lediglich die Wirkungen einer Warnung an die Adresse der anderen Schengen-Mitgliedstaaten und eines ersten Indizes für das Vorliegen von Gründen, die eine freizügigkeitsrechtsbeschränkende Massnahme rechtfertigen können (vgl.
dazu Art. 24 SIS-II-Verordnung, die entsprechenden Regelungen des SIRENE-Handbuchs sowie grundlegend Urteil des EuGH vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien, C-503/03, EU:C:2006:74).
Der Beschwerdeführer kann als Drittstaatsangehöriger grundsätzlich zur Einreisebzw. Aufenthaltsverweigerung im SIS II ausgeschrieben werden. Die von ihm zu verantwortenden Straftaten erfüllen sodann den von Art. 24 Ziff. 2 Bst. a SIS-II-Verordnung verlangten Schweregrad bei Weitem. Die Schweiz ist sodann als Folge des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit bei der Administration des gemeinsamen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, auf dem das Schengen-System beruht, zur getreuen Wahrung der Interessen der Gesamtheit der SchengenStaaten verpflichtet (vgl. BVGE 2011/48 E. 6.1). Hinzu tritt, dass wegen des Wegfalls systematischer Personenkontrollen an den Schengen-Innengrenzen Einreiseverbote und ähnliche Massnahmen ihre volle Wirksamkeit nur entfalten können, wenn sich ihre Geltung und ihre Durchsetzbarkeit nicht auf einzelne Schengen-Staaten beschränken. Angesichts der festgestellten, vom Beschwerdeführer ausgehenden qualifizierten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die sich zudem nicht von vornherein auf das Territorium der Schweiz beschränkt, liegt die Ausschreibung des Einreiseverbots im zwingenden gemeinsamen Interesse der Schweiz und der übrigen Schengen-Staaten. Eine mit der Ausschreibung des Einreiseverbots einhergehende, zusätzliche Beeinträchtigung seiner persönlichen Bewegungsfreiheit, deren Mass entscheidend davon abhängt, ob er sich zum gegebenen Zeitpunkt in einer Situation befindet, in der er im Sinne der vorstehenden Erwägungen abgeleitet freizügigkeitsberechtigt ist, hat er in erster Linie selbst zu verantworten. Eine Verletzung von Art. 8 EMRK ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, denn die übrigen Schengen-Mitgliedstaaten sind ungeachtet der Ausschreibung im SIS II verpflichtet, die EMRK zu beachten, wenn sie über die Einreise oder den Aufenthalt des Beschwerdeführers zu befinden haben, wozu ihnen das Schengen-Recht auch dann den notwendigen Spielraum gibt, wenn sich die betroffene Person auf kein Freizügigkeitsrecht berufen kann.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass das auf 12 Jahre befristete Einreiseverbot Bundesrecht verletzt (vgl. Art. 49 VwVG). Es ist hinsichtlich seiner Dauer aufzuheben und auf 8 Jahre, d.h. bis zum 3. November 2024 zu befristen. In diesem Sinne ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen.
Entsprechend dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens sind dem Beschwerdeführer im Umfang des Unterliegens reduzierte Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Diese sind in Anwendung von Art. 1, 2 und 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) auf Fr. 800.- festzusetzen.
Dem Beschwerdeführer ist ferner zu Lasten der Vorinstanz im Umfang des Obsiegens eine gekürzte Parteientschädigung für notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 VwVG, Art. 7 Abs. 4 VGKE). Mangels Kostennote ist die Höhe der Parteientschädigung auf Grund der Akten festzulegen. Mit Blick auf den aktenkundigen Aufwand und die Komplexität des Falles sowie in Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien von Art. 8 ff. VGKE erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 900.- als angebracht. Darin ist der Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE eingeschlossen.
Dispositiv S. 25
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und das Einreiseverbot wird bis zum 3. November 2024 befristet.
Die Kosten des Verfahrens im Betrag von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und von dem geleisteten Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1‘200.- in Abzug gebracht. Der Restbetrag von Fr. 400.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
Die Vorinstanz wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 900.- auszurichten.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer ( )
die Vorinstanz ( )
die Migrationsbehörde des Kantons Aargau
Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Andreas Trommer Julius Longauer
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff., 90 ff. und 100 BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42 BGG).
Versand:
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.