Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung VI |
Dossiernummer: | F-5059/2019 |
Datum: | 15.12.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Ordentliche Einbürgerung |
Schlagwörter : | Aufenthalt; Einbürgerung; Bundes; Recht; Gesuch; Erteilung; Vorinstanz; Einbürgerungsbewilligung; Wortlaut; Auslegung; Kantons; Kurzaufenthaltsbewilligung; Bewilligung; Verfügung; Aufenthaltstitel; Bundesverwaltungsgericht; Gemeindeamt; Verfahren; Aufenthalte; Gesetzgeber; Regelung; Richter; Schweiz; Niederlassungsbewilligung; Praxis; Voraussetzungen; Aufenthaltsdauer; Anrechnung |
Rechtsnorm: | Art. 19 BV ;Art. 23 B?G;Art. 33 B?G;Art. 34 AIG ;Art. 47 B?G;Art. 48 VwVG ;Art. 50 VwVG ;Art. 62 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 132 V 74; 133 V 314; 134 V 208; 135 II 38; 137 V 167 |
Kommentar: | - |
Abteilung VI F-5059/2019
Besetzung Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz), Richter Yannick Antoniazza-Hafner, Richter Gregor Chatton,
Gerichtsschreiber Daniel Grimm.
vertreten durch Marc Spescha, Rechtsanwalt, Beschwerdeführer,
gegen
Quellenweg 6, 3003 Bern, Vorinstanz.
Gegenstand Ordentliche Einbürgerung.
Der Beschwerdeführer, geboren (…), ist russischer Staatsangehöriger und reiste am 20. August 2007 in die Schweiz ein. Vom 30. August 2007 bis
30. September 2008 hatte er eine Aufenthaltsbewilligung (B-Bewilligung) zu Studienzwecken inne. Nach Abschluss des Studiums erteilte ihm das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) zwecks Aufnahme der Erwerbstätigkeit eine vom 1. September 2008 bis 31. August 2009 gültige Kurzaufenthaltsbewilligung (L-Bewilligung), welche bis zum 31. August 2010 verlängert wurde. Anschliessend wurde die Kurzaufenthaltsbewilligung in eine Aufenthaltsbewilligung umgewandelt. Seit dem 20. Februar 2013 ist er im Besitze der Niederlassungsbewilligung (vgl. Akten der Vorinstanz [SEM act.] 4).
Mit Eingabe vom 12. Januar 2018 (beim Gemeindeamt des Kantons Zürich eingegangen am 15. Januar 2018) stellte der Beschwerdeführer für sich und seinen minderjährigen Sohn ein Gesuch um Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung nach Art. 13 des Bürgerrechtsgesetzes vom 20. Juni 2014 (BüG, SR 141.0). Die Erteilung des Kantonsbürgerrechts erfolgte – unter dem Vorbehalt der Erteilung der Einbürgerungsbewilligung – am 19. Juni 2019.
Gleichentags beantragte das Gemeindeamt des Kantons Zürich für den Beschwerdeführer und dessen Sohn bei der Vorinstanz die Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes. In einem Begleitschreiben legte das Gemeindeamt eingehender dar, weshalb es die für die Einbürgerung erforderliche Wohnsitzfrist von Art. 9 Abs. 1 Bst. b BüG als erfüllt erachte. In diesem Zusammenhang verwies es auf die Problematik von Aufenthalten mit L-Bewilligungen (einst unrechtmässige Praxis des AWA bei der Erteilung von Kurzaufenthaltsbewilligungen) und erläuterte, weshalb es die Aufenthalte des Gesuchstellers mit einer solchen Bewilligung im vorliegenden bürgerrechtlichen Verfahren angerechnet habe (SEM act. 4 und 5).
Das SEM teilte dem Gemeindeamt des Kantons Zürich am 1. Juli 2019 mit, dass die formellen Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 1 Bst. b BüG nicht erfüllt seien. Die Zeit vom 1. September 2008 bis 31. August 2010, während welcher der Gesuchsteller im Besitze einer Kurzaufenthaltsbewilligung ge-
wesen sei, könne ihm nicht an die für die ordentliche Einbürgerung erforderliche zehnjährige Aufenthaltsdauer angerechnet werden. Das Gemeindeamt hätte das Gesuch dem SEM gar nicht unterbreiten sollen, weshalb das Verfahren als gegenstandlos geworden abgeschrieben werde (SEM act. 6).
Am 8. Juli 2019 äusserte der Parteivertreter sein Befremden über das Antwortschreiben des SEM vom 1. Juli 2019, das direkt an ihn, als Rechtsvertreter des Gesuchstellers, hätte gerichtet werden müssen. Sodann erscheine schleierhaft, weshalb das Einbürgerungsverfahren als gegenstandslos geworden abgeschrieben worden sei. Vielmehr hätte die Vorinstanz auf der Basis des vom Gemeindeamt erteilten Kantonsbürgerrechts materiell über die Einbürgerungsbewilligung befinden und sich mit den Argumenten der kantonalen Einbürgerungsbehörde auseinandersetzen müssen. Sodann wies der Parteivertreter darauf hin, dass die Aufenthalte seines Mandanten mit L-Bewilligung im Verfahren um vorzeitige Erteilung der Niederlassungsbewilligung gestützt auf Art. 34 Abs. 4 und 5 des Ausländerund Integrationsgesetzes (AIG, SR 142.20) mitgezählt worden seien, weshalb sich bürgerrechtlich keine andere Praxis rechtfertige. Sollte das SEM die formellen Voraussetzungen für die ordentliche Einbürgerung nicht als erfüllt anerkennen, sei ein beschwerdefähiger Entscheid zu treffen (SEM act. 7, pag. 5759).
Parallel dazu gelangte der Rechtsvertreter an die Vizedirektorin des SEM und bat darum, der Meinung des Gemeindeamtes mit Blick auf eine kohärente Rechtspraxis Nachachtung zu verschaffen, um ein unnötiges Rechtsmittelverfahren zu vermeiden (SEM act. 7, pag. 60-62).
Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 teilte die zuständige Sektion der Vorinstanz dem Rechtsvertreter mit, nicht über seine Mandatsübernahme informiert gewesen zu sein und bat ihn um Zustellung einer Anwaltsvollmacht und Überweisung des Restbetrages von Fr. 200.– für die Verfahrensgebühren, worauf eine beschwerdefähige Verfügung erlassen werde (SEM act. 10). Die Vizedirektorin des SEM ihrerseits hielt daran fest, der im Rahmen der Totalrevision neu formulierte Art. 33 BüG zähle alle Aufenthaltstitel abschliessend auf und schliesse die Anrechnung der L-Bewilligung im Rahmen der Einbürgerung deshalb aus.
Am 18. Juli 2019 liess das Gemeindeamt gegenüber dem SEM verlauten, es erachte das vorinstanzliche Vorgehen als nicht korrekt und befremdlich. Das Staatssekretariat gehe in keiner Weise auf die Argumentation der kantonalen Einbürgerungsbehörde ein und verletze dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör. Zudem sei unverständlich, weshalb es das Gesuch als gegenstandlos abgeschrieben anstatt einen Entscheid in Form einer anfechtbaren Verfügung erlassen habe, wozu es verpflichtet gewesen wäre (SEM act. 11).
In der Folge bestätigte die Vorinstanz gegenüber dem Gemeindeamt, von dessen gegenteiliger Rechtauffassung Kenntnis genommen zu haben (SEM act. 12). Der Beschwerdeführer seinerseits ersuchte am 22. Juli 2019, unter Vorlage der entsprechenden Vollmacht, um Ausstellung einer anfechtbaren Verfügung (SEM act. 13).
Mit Verfügung vom 28. August 2019 trat das SEM auf das Gesuch um Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes an den Beschwerdeführer und dessen Sohn mangels Erfüllung der formellen Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 1 Bst. b BüG nicht ein (SEM act. 16).
Mit Rechtsmitteleingabe vom 30. September 2019 an das Bundesverwaltungsgericht beantragt der Beschwerdeführer, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, auf den Antrag um Erteilung der Einbürgerungsbewilligung einzutreten und diese zu erteilen (BVGer act. 1).
Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 21. November 2019 auf Abweisung der Beschwerde (BVGer act. 6).
Replikweise hält der Beschwerdeführer am 13. Dezember 2019 am eingereichten Rechtsmittel, den Rechtsbegehren und deren Begründung fest (BVGer act. 8).
Mit Eingaben vom 5. März 2020, 14. August 2020, 15. September 2020
und 1. Oktober 2020 wies der Rechtsvertreter auf die Dringlichkeit der Beschwerdesache hin und ersuchte jeweils um eine beförderliche Behandlung der Angelegenheit (BVGer act. 9, 12, 13 und 15). Antworten hierzu
erfolgten am 18. März 2020 und 17. September 2020 (BVGer act. 10 und
14).
Die unterzeichnende Richterin hat Mitte August 2020 vorliegendes Verfahren vom ursprünglich zuständigen Richter übernommen.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Verfügungen des SEM betreffend die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung sind mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar (Art. 47 Abs. 1 BüG i.V.m. Art. 31 ff. VGG).
Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).
Die Vorinstanz trat am 28. August 2019 auf den Antrag um Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes nicht ein. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist daher nur zu prüfen, ob das SEM zu Recht einen Nichteintretensentscheid gefällt hat bzw. ob ein Anspruch auf Eintreten und materielle Prüfung besteht (vgl. etwa BGE 135 II 38 E. 1.2 oder BGE 132 V 74 E. 1.1).
Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (vgl. Art. 50 und 52 VwVG) ist im vorstehend dargelegten Rahmen einzutreten.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Streitsache endgültig (Art. 83 Bst. b BGG).
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und – sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat – die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (vgl. BVGE 2014/1 E. 2 m.H.).
Gemäss Art. 9 Abs. 1 BüG erteilt der Bund die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn die Bewerberin oder der Bewerber bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung besitzt (Bst. a) und bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt zehn Jahren nachweist, wovon drei in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuches (Bst. b). Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerberin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten
8. und 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerechnet. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens sechs Jahre zu betragen (Art. 9 Abs. 2 BüG). Art. 33 BüG bestimmt, welche Aufenthaltstitel an die Aufenthaltsdauer angerechnet werden.
Die Vorinstanz trat mit Verfügung vom 28. August 2020 auf das Gesuch des Beschwerdeführers und dessen Sohn um Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes nicht ein. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf den Wortlaut von Art. 33 BüG. Gemäss Botschaft vom
4. März 2011 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (nachfolgend: Botschaft) sei die Aufzählung der anrechenbaren Aufenthaltstitel in Art. 33 Abs. 1 Bst. a - c BüG abschliessend. Der Gesetzgeber hätte die entsprechenden Voraussetzungen anders regeln können. Da er dies nicht getan habe, sei nicht von einem gesetzgeberischen Versehen auszugehen. Die abschliessende Aufzählung bezwecke die Herstellung der Kohärenz mit dem Ausländerrecht sowie eine verstärkte Harmonisierung der kantonalen Regelungen. An dieser Sichtweise ändere die
Abweichung vom klaren Gesetzeswortlaut bei der teleologischen Auslegung von Art. 34 Abs. 4 und 5 AIG nichts. Besagte Auslegung könne nicht analog für die Anrechnung der Aufenthaltstitel nach Art. 33 Abs. 1 BüG angewendet werden. Des Weiteren hielt das Staatssekretariat fest, es könne nicht seine Aufgabe sein, rechtsoder systemwidrige kantonale Praxen im ausländerrechtlichen Bereich unter Missachtung der bundesrechtlichen Mindestvorschriften zum Bürgerrecht zu korrigieren. Folglich bestehe weder aufgrund des klaren Wortlauts der Gesetzesbestimmung noch auf der Basis der entsprechenden Materialien Spielraum für die vorgeschlagene Anwendung von Art. 33 Abs. 1 BüG. Weil die Zeitspanne vom 1. September 2008 bis 31. August 2010, in welcher der Gesuchsteller im Besitze einer L- Bewilligung gewesen sei, vorliegend nicht berücksichtigt werden könne, vermöge er im Zeitpunkt der Gesuchstellung nur einen anrechenbaren Aufenthalt von acht Jahren, vier Monaten und vierzehn Tagen aufzuweisen. Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Einbürgerungsbewilligung des Bundes nach Art. 9 Abs. 1 BüG seien daher nicht erfüllt.
Der Beschwerdeführer hält unter Bezugnahme auf die allgemeinen Regeln zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen dagegen, Sinn und Zweck von Art. 33 Abs. 1 Bst. a BüG sei die Anrechnung von auf Dauer angelegten Aufenthalten. Die Zielsetzung des Gesetzgebers erfahre in den Buchstaben b und c derselben Bestimmung sowie durch die Regelung der Aufenthalte von Studentinnen und Studenten jedoch Relativierungen. Mit Blick auf die geregelten Abweichungskonstellationen erscheine nicht offensichtlich, dass der Gesetzgeber eine Kurzaufenthaltsbewilligung, wie sie in seinem Fall erteilt worden sei, nicht habe anrechnen wollen. Ebenfalls nicht vergegenwärtigt habe sich der Gesetzgeber die systemwidrige Praxis des AWA des Kantons Zürich. Hinzu komme, dass derartige Kurzaufenthaltsbewilligungen bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung mitberücksichtigt würden. Eine solche Anrechnungspraxis erweise sich aufgrund des Willkürverbots, des Rechtsgleichheitsgebots und des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes auch bürgerrechtlich als geradezu zwingend. Sie sei vom Bundesverwaltungsgericht, etwa im Urteil C-7435/2009 vom 19. Februar 2011, denn auch bestätigt worden. Eine andere Auslegungspraxis sei zudem im Kontext von Art. 33 Abs. 2 BüG i.V. Art. 16 der Bürgerrechtsverordnung vom 17. Juni 2016 (BüV, SR 141.01) stossend. Darüber hinaus liefe die vorinstanzliche Auffassung der in der Botschaft postulierten Kohärenz mit dem Ausländerrecht und der Harmonisierung kantonaler Regelungen zuwider. Eine teleologische und zeitgemässe Auslegung von Art. 33 Abs. 1 Bst. a BüG könne deshalb nur bedeuten, dass auf Dauer angelegte Auf-
enthalte zur Erwerbstätigkeit mit Kurzaufenthaltsbewilligung ebenfalls anzurechnen seien. Andernfalls wäre die fragliche Bestimmung in Anerkennung einer planwidrigen Unvollständigkeit entsprechend zu ergänzen. Schliesslich erweise sich die angefochtene Verfügung als unverhältnismässig, da sie die Stellung eines Einbürgerungsgesuches in den betroffenen Fällen nur mit einer zeitlichen Verzögerung von zwei Jahren ermögliche.
Nach den üblichen Regeln der Gesetzesauslegung (vgl. BGE 134 V 208 E. 2.2 oder BGE 133 V 314 E. 4.1) ist eine Bestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden, unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Dabei kommt es namentlich auf den Sinn und Zweck sowie die dem Rechtssatz zu Grunde liegende Wertung an. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, welcher einer Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt (vgl. BVGE 2013/18 E. 4.2 mit Hinweisen). Vom klaren Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, nämlich dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass er nicht den wahren Sinn des Textes wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 137 V 167 E. 3.1; 135 II 78 E. 2.2; 135 V 215 E. 7.1).
Strittig ist, wie erwähnt, die Auslegung von Art. 33 BüG. Dieser Artikel wurde per 1. Januar 2018 eingeführt (AS 2016 2574) und hat folgenden Wortlaut:
"1 An die Aufenthaltsdauer angerechnet wird der Aufenthalt in der Schweiz mit Aufenthaltstitel in Form:
einer Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung;
einer vorläufigen Aufnahme; die Aufenthaltsdauer wird zur Hälfte angerechnet; oder
einer vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten ausgestellten Legitimationskarte oder eines vergleichbaren Aufenthaltstitels.
2 Kurzfristiges Verlassen der Schweiz mit der Absicht auf Rückkehr unterbricht den Aufenthalt nicht.“
Aufgrund dieses an sich eindeutigen Wortlauts kann das SEM im Rahmen der ordentlichen Einbürgerung keine anderen Aufenthaltstitel anrechnen
als diejenigen, welche in Bst. a - c aufgelistet sind. Die Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einer «klaren und abschliessenden Regelung für die Art der anrechenbaren Aufenthalte an die erforderliche Aufenthaltsdauer» (BBl 2011 2860). Die Vorinstanz verfügt in dieser Hinsicht daher über keinen Ermessensspielraum.
Der Parteivertreter wendet hierzu ein, der Gesetzgeber habe mit Art. 33 Abs. 1 Bst. a BüG die Anrechnung von auf Dauer angelegten Aufenthalten bezweckt, dies in Art. 33 Abs. 1 Bst. b und c BüG sowie bei der Regelung der Aufenthalte von Studentinnen und Studenten, die ihrer Natur nach vorübergehenden Charakter hätten, indes gleich wieder relativiert. Dem ist zu entgegnen, dass der Gesetzgeber diese Frage auch anders hätte regeln können, beispielsweise durch eine nicht abschliessende Aufzählung der mitzuberücksichtigenden Aufenthaltstitel unter Verwendung von Begriffen wie «insbesondere» oder «namentlich». Wie oben dargetan, hat er sich bewusst dagegen entschieden. Dass damit eine Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen einhergeht, ist gewollt. Abgesehen davon wird die Anwesenheit von Studierenden in der Praxis längst nicht immer mit Aufenthaltsbewilligungen geregelt. Die angesprochenen «Abweichungskonstellationen» rechtfertigen keine Abweichung vom Wortlaut.
Auf Beschwerdeebene wird des Weiteren vorgebracht, der Gesetzgeber habe sich weder die Praxis des AWA des Kantons Zürich vergegenwärtigt, noch habe er an Bewilligungskonstellationen mit kontingentsbedingter systemwidriger Erteilung von Kurzaufenthaltsbewilligungen gedacht. Hierzu gilt es festzuhalten, dass die Totalrevision des BüG u.a. eine verstärkte Harmonisierung der kantonalen Regelungen bezweckte. Im Vernehmlassungsverfahren ging der Vorschlag zu der in Frage stehenden Norm einigen Kantonen zu wenig weit, andere lehnten die getroffene Lösung ab, weil sie eine zu grosse Verschärfung der Zulassung zur Einbürgerung mit sich bringe. Eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden befürwortete jedoch die heutige Regelung (zum Ganzen vgl. BBl 2011 2843). Als Ausfluss daraus sind nur noch diejenigen Aufenthaltstitel anrechenbar, die in Art. 33 Abs. 1 Bst. a - c BüG aufgelistet sind, weshalb mit Blick auf den Verzicht der Nennung weiterer Aufenthaltskategorien nicht von einem gesetzgeberischen Versehen ausgegangen werden kann. Dass eine rechtsund systemwidrige Bewilligungspraxis eines einzelnen Kantons (das AWA des Kantons Zürich hat seine diesbezügliche Praxis inzwischen geändert) im Bürgerrecht nicht über eine vom Wortlaut abweichende Auslegung mitberücksichtigt oder korrigiert werden kann, liegt auf der Hand.
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Abweichung vom Gesetzeswortlaut bei der teleologischen Auslegung von Art. 34 Abs. 4 und 5 AIG. Wohl strebt die fragliche Bürgerrechtsvorlage auch eine Kohärenz mit dem Ausländerrecht an, dennoch hat der Gesetzgeber die anrechenbaren Aufenthaltstitel in Art. 33 BüG bewusst abschliessend geregelt. Hätte er Kurzaufenthaltsbewilligungen oder zumindest besondere Umstände von deren Erteilung mitberücksichtigt haben wollen, hätte er eine andere Lösung getroffen. So wird im Falle staatenloser Kinder nach Art. 23 Abs. 2 BüG jeder Aufenthalt in der Schweiz «in Übereinstimmung mit den ausländerrechtlichen Vorschriften» angerechnet. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann mithin ebenso wenig die Rede sein wie davon, dass es keine sachlichen Gründe für den Wortlaut von Art. 33 BüG gebe (siehe E. 5.3 und 5.4 hiervor). Der zitierte Vergleichsfall C-7435/2009 befasst sich derweil mit der Frage der eingangs erwähnten Anrechnungspraxis bei der vorzeitigen Erteilung der Niederlassungsbewilligung, weshalb der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag. Ebenfalls nicht ersichtlich wird, weshalb sich die Nichtberücksichtigung von Kurzaufenthaltsbewilligungen im Kontext von Art. 33 Abs. 2 BüG i.V.m. Art. 16 BüV (Handhabung von kurzen Auslandaufenthalten) als stossend erweisen sollte. Im Gegenteil macht die Regelung solcher Ausnahmen bei Bewilligungskategorien längerer Dauer überhaupt erst Sinn. Somit kann auf den eine sachliche Lösung ergebenden Wortlaut abgestellt werden, mit welchem der wahre Rechtssinn erreicht wird. Aus dem gleichen Grund erübrigt sich eine grundrechtsbzw. verfassungskonforme Auslegung (Art. 190 BV), die zu einem anderen Ergebnis führen würde (vgl. hierzu Urteil des BVGer F-6185/217 vom 29. Januar 2020 E. 9.1. m.H.).
Schliesslich erweist sich die vergleichsweise geringe zeitliche Verzögerung als verhältnismässig. Im Übrigen sind von den Verschärfungen und Erleichterungen der Totalrevision alle Gesuchstellenden gleichermassen betroffen. Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, sein Verfahren betreffend ordentliche Einbürgerung gestützt auf Art. 9 Abs. 1 BüG mit einem neuen Gesuch an die zuständigen Behörden voranzutreiben, da die entsprechenden Voraussetzungen inzwischen erfüllt sind.
Zusammenfassend besteht kein Raum dafür, den erst anfangs 2018 in Kraft getretenen Art. 33 BüG, in Abweichung von dessen klarem Wortlaut, im Sinne des Beschwerdeführers «zeitgemäss» auszulegen.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene
Verfügung rechtmässig ist (Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 1 ff. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.32.]).
Dispositiv Seite 12
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'200.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den am 18. Oktober 2019 in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
Dieses Urteil geht an:
den Beschwerdeführer (Einschreiben)
die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. […] retour)
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Regula Schenker Senn Daniel Grimm
Versand:
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