Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-7135/2016 |
Datum: | 25.11.2016 |
Leitsatz/Stichwort: | Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren) |
Schlagwörter : | ändig; Dublin-III-VO; Italien; Mitgliedstaat; Verfahren; Recht; Antrag; Asylgesuch; Staat; Verfügung; Bundesverwaltungsgericht; Schweiz; Akten; Schutz; Wegweisung; Vorinstanz; Zuständigkeit; Antrags; Verfahrens; Nichteintreten; Annahme; Gefahr; Behörden; Ermessen; Nichteintretensentscheid; Italiens |
Rechtsnorm: | Art. 48 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-7135/2016
Besetzung Einzelrichterin Gabriela Freihofer,
mit Zustimmung von Richterin Nina Spälti Giannakitsas; Gerichtsschreiberin Petra Vonschallen.
Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des SEM vom 8. November 2016 / N ( ).
dass der Beschwerdeführer seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge am 20. Dezember 2015 verliess und via Äthiopien und Ägypten nach Italien gelangte, von wo aus er am 15. Juli 2016 illegal in die Schweiz einreiste und am nächsten Tag im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) Vallorbe um Asyl nachsuchte,
dass das SEM dem Beschwerdeführer anlässlich der Befragung zur Person ([BzP] vgl. Akten SEM A5 Rz. 8.01) vom 4. August 2016 das rechtliche Gehör zu einem möglichen Nichteintretensentscheid gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) und zur Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens beziehungsweise zu einer allfälligen Überstellung dorthin gewährte,
dass der Beschwerdeführer diesbezüglich ausführte, dass er in der Schweiz einen Freund habe, mit welchem er gerne zusammen professionellen Radsport betreiben möchte, er deshalb hier in der Schweiz um Asyl nachsuche und nicht in ein anderes Land gehen möchte,
dass das SEM mit Verfügung vom 8. November 2016 - eröffnet am 14. November 2016 - in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch nicht eintrat, die Wegweisung aus der Schweiz nach Italien anordnete und den Beschwerdeführer aufforderte, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen,
dass es gleichzeitig feststellte, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und die Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an den Beschwerdeführer verfügte,
dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 15. November 2016 (Poststempel 18. November 2016) gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und dabei sinngemäss beantragte, die Verfügung des SEM sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, sich für das vorliegende Asylgesuch für zuständig zu erachten,
dass auf die Beschwerdegründe - soweit entscheidrelevant - in den Erwägungen eingegangen wird,
dass die vorinstanzlichen Akten am 22. November 2016 beim Bundesverwaltungsgericht eintrafen (Art. 109 Abs. 1 AsylG),
dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls - in der Regel und auch vorliegend - endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des SEM entscheidet (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 3133 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG),
dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),
dass somit auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG),
dass über offensichtlich unbegründete Beschwerden in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden wird (Art. 111 Bst. e AsylG) und es sich, wie nachfolgend aufgezeigt wird, um eine solche handelt, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG),
dass gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG auf einen Schriftenwechsel verzichtet wurde,
dass mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden können (Art. 106 Abs. 1 AsylG),
dass bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 13 AsylG), die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt ist, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2012/4 E. 2.2 m.w.H.),
dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG),
dass diesbezüglich die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (nachfolgend: Dublin-III-VO) zur Anwendung kommt,
dass gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III (Art. 8-15 Dublin-III-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird, wobei die einzelnen Bestimmungskriterien in der Reihenfolge ihrer Auflistung im Kapitel III Anwendung finden (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO),
dass gemäss Art. 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Dublin-III-VO der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wird, falls es sich als unmöglich erweist, einen Antragssteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragssteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364/1 vom 18. Dezember 2000, nachfolgend: EU-Grundrechtcharta) mit sich bringen, und nach den Regeln der Dublin-III-VO kein anderer zuständiger Mitgliedstaat bestimmt werden kann,
dass der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet ist, einen Antragssteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Massgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. a Dublin-III-VO),
dass jeder Mitgliedstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO),
dass dieses sogenannte Selbsteintrittsrecht im Landesrecht durch Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 (AsylV 1, SR 142.311)
konkretisiert wird und das SEM das Asylgesuch gemäss dieser Bestimmung "aus humanitären Gründen" auch dann behandeln kann, wenn dafür gemäss Dublin-III-VO ein anderer Staat zuständig wäre,
dass den vorliegenden Akten zu entnehmen ist, dass sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in die Schweiz in Italien aufgehalten hatte,
dass durch Abgleich der Fingerabdrücke mit der Zentraleinheit Eurodac nachgewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer am 17. Juni 2016 in Italien illegal in das Hoheitsgebiet der Dublin-Staaten eingereist ist,
dass gestützt darauf das SEM am 11. August 2016 die italienischen Behörden um Übernahme im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO ersuchte,
dass die italienischen Behörden das Übernahmeersuchen innert der in Art. 22 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Frist von zwei Monaten unbeantwortet liessen, womit sie die Zuständigkeit Italiens gemäss Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO implizit anerkannten,
dass das SEM bei dieser Sachlage entgegen den anderslautenden Beschwerdevorbringen zu Recht von der Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens ausging,
dass der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmitteleingabe im Wesentlichen ausführte, dass durch die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt werde, da für ihn bei einer Wegweisung nach Italien die Gefahr von Willkür und existentieller Not bestehe,
dass entgegen den in der angefochtenen Verfügung aufgeführten Zusicherungen keine Hilfe bei der Suche nach Unterkunft und Arbeit sowie keine Rechtssicherheit in Italien gewährleistet sei,
dass es keine wesentlichen Gründe für die Annahme gibt, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Italien würden systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtcharta mit sich bringen,
dass Italien Signatarstaat der EMRK, des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK,
SR 0.142.30) sowie des Zusatzprotokolls der FK vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) ist und seinen diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt,
dass auch davon ausgegangen werden darf, dieser Staat anerkenne und schütze die Rechte, die sich für Schutzsuchende aus den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) sowie 2013/33/EU vom
26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (sog. Aufnahmerichtlinie) ergeben,
dass der Beschwerdeführer kein konkretes und ernsthaftes Risiko dargetan hat, die italienischen Behörden würden sich weigern, ihn aufzunehmen und seinen Antrag auf internationalen Schutz unter Einhaltung der Regeln der Verfahrensrichtlinie zu prüfen,
dass den Akten auch keine Gründe für die Annahme zu entnehmen sind, Italien werde in seinem Fall den Grundsatz des Non-Refoulement missachten und ihn zur Ausreise in ein Land zwingen, in dem sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder indem er Gefahr laufen würde, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden,
dass der Beschwerdeführer keine konkreten Hinweise für die Annahme dargetan hat, Italien würde ihm dauerhaft die ihm gemäss Aufnahmerichtlinie zustehenden minimalen Lebensbedingungen vorenthalten, und er sich bei einer vorübergehenden Einschränkung im Übrigen nötigenfalls an die italienischen Behörden wenden und die ihm zustehenden Aufnahmebedingungen auf dem Rechtsweg einfordern könnte (vgl. Art. 26 Aufnahmerichtlinie),
dass im Übrigen auch keine Gründe für die Anwendung der Ermessensklausel von Art. 17 Dublin-III-VO ersichtlich sind und an dieser Stelle festzuhalten bleibt, dass die Dublin-III-VO den Schutzsuchenden kein Recht einräumt, den seinen Antrag prüfenden Staat selber auszuwählen (vgl. auch BVGE 2010/45 E. 8.3), weshalb das Vorbringen, in der Schweiz bleiben zu wollen, unerheblich ist,
dass dem SEM bei der Anwendung von Art. 29a Abs. 3 AsylV 1 Ermessen zukommt (vgl. BVGE 2015/9 E. 7 f.) und den Akten keine Hinweise auf eine
gesetzeswidrige Ermessensausübung (vgl. Art. 106 Abs. 1 Bst. a AsylG) durch die Vorinstanz zu entnehmen sind,
dass das Bundesverwaltungsgericht sich unter diesen Umständen weiterer Ausführungen zur Frage eines Selbsteintritts enthält,
dass das SEM demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist und
- weil der Beschwerdeführer nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung ist - in Anwendung von Art. 44 AsylG die Überstellung nach Italien angeordnet hat (Art. 32 Bst. a AsylV 1),
dass unter diesen Umständen allfällige Vollzugshindernisse gemäss Art. 83 Abs. 3 und 4 AuG nicht mehr zu prüfen sind, da das Fehlen von Überstellungshindernissen bereits Voraussetzung des Nichteintretensentscheides gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG ist (vgl. BVGE 2010/45 E. 10),
dass die Beschwerde aus diesen Gründen abzuweisen ist,
dass bei diesem Ausgang des Verfahrens die Kosten von Fr. 600.- (Art. 1 3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) dem Beschwerdeführer aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die Verfahrenskosten von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Gabriela Freihofer Petra Vonschallen
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