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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-6466/2015

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-6466/2015

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-6466/2015
Datum:12.02.2016
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Quot;; Beschwerdeführers; Herkunft; Tibet; Recht; Bundesverwaltungsgericht; Vorinstanz; Aussagen; Gehör; Verfügung; Akten; Sachverhalt; Anhörung; Kenntnisse; Ausreise; Antworten; Fragen; Verfahren; Raupenpilze; Sachverhalts; Person; Chinesisch; Vater; Polizist
Rechtsnorm: Art. 28 BV ;Art. 29 BV ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-6466/2015

U r t e i l  v o m  1 2.  F e b r u a r  2 0 1 6

Besetzung Richterin Christa Luterbacher (Vorsitz),

Richter Gérard Scherrer, Richter Walter Stöckli, Gerichtsschreiberin Natasa Stankovic.

Parteien A. , geboren am ( ),

Staatszugehörigkeit unbekannt (gemäss eigenen Angaben: Volksrepublik China),

vertreten durch MLaw Silke Scheer, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM; zuvor Bundesamt für Migration, BFM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asyl und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 8. September 2015 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer verliess eigenen Angaben zufolge sein Heimatland am 16. Mai 2014 und reiste über Nepal sowie ein unbekanntes Land am

29. Oktober 2014 in die Schweiz ein, wo er gleichentags um Asyl nachsuchte. Anlässlich der Befragung zur Person (BzP) am 10. November 2014 im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) ( ) sowie der einlässlich Anhörung vom 4. Dezember 2014 trug er zu seinen Ausreiseund Asylgründen im Wesentlichen Folgendes vor:

Er sei chinesischer Staatsangehöriger tibetischer Ethnie und stamme aus dem Dorf B. , Gemeinde C. , Bezirk D. , Präfektur E. , Provinz Sichuan, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Im Alter von sechs respektive sieben Jahren sei er für eine Woche in die Schule gegangen, habe allerdings wegen einer (...)krankheit die Schule abbrechen müssen. Selbst als es ihm in der Folge besser gegangen sei, sei er nicht mehr zur staatliche Schule gegangen, weil dort nur auf Chinesisch unterrichtet worden sei. Stattdessen habe er einige Zeit lang den Tibetisch-Unterricht in einer Klosterschule besucht. Sein Vater sei [Beruf] gewesen und habe dadurch die Familie ernähren können. Er selber habe gelegentlich Raupenpilze gesammelt, jedoch im Jahr 2010 damit aufgehört. Danach sei er bis zu seiner Ausreise im Mai 2014 keiner besonderen Tätigkeit nachgegangen; er sei körperlich schwach gewesen, habe sich hauptsächlich zu Hause aufgehalten und seiner Mutter gelegentlich geholfen.

Am 8. Mai 2014 sei er mit einem Kollegen auf dem Heimweg gewesen, als er mitbekommen habe, wie ein Mann beziehungsweise ein Polizist eine Frau bedrängt habe. Er habe dem Polizisten, welcher einen Holzstock auf sich getragen habe, auf Chinesisch zugerufen, er solle damit aufhören, woraufhin dieser auf Tibetisch geantwortet habe, er solle ihn nicht stören. Anschliessend sei es zu einer verbalen sowie handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen, wobei der Beschwerdeführer gesagt habe, alle Tibeter seien Anhänger des Dalai Lama, dessen Rat sie befolgen sollten; zudem habe er "Freies Tibet; Tibet gehört nicht den Chinesen; ihr sollt unser Land verlassen" und "Lang lebe der Dalai Lama" gerufen. Der Polizist habe darauf zu ihm gesagt, dass er bald Probleme bekomme und ins Gefängnis gesteckt werde, woraufhin der Kollege des Beschwerdeführers in das Geschehnis eingegriffen habe und er mit dessen Hilfe habe fliehen können. Nachdem er wieder zu Hause gewesen sei, habe er auf Anraten seines

Vaters, welcher zu ihm gesagt habe, er solle nach Lhasa fliehen, das Elternhaus noch am selben Abend verlassen. Er sei von B. aus teils zu Fuss, teils per Fahrzeug/Lastwagen via [verschiedene Ortschaften] gelangt. Von dort aus sei er zuerst kurz zu Fuss gegangen und habe dann den Bus nach Lhasa genommen, wo er einen Kollegen seines Vaters getroffen habe. Anschliessend sei er in einem Auto nach Dram gefahren, von wo aus er am 16. Mai 2014 die nepalesische Grenze passiert habe. Nach einem fünfmonatigen Aufenthalt sei er am 28. Oktober 2014 von Nepal aus an einen ihm unbekannten Ort geflogen und von dort aus mit dem Zug in die Schweiz gekommen. Während seines Aufenthalts in Nepal habe er über eine Kontaktperson erfahren, dass der Kollege seines Vaters aus Lhasa erzählt habe, Polizisten seien beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen; er habe Glück gehabt, einer Festnahmen entkommen zu sein.

Vor dem Vorfall am 8. Mai 2014 habe er weder mit den Behörden noch mit Drittpersonen jemals Probleme gehabt und sei auch nie politisch aktiv gewesen.

B.

Am 13. November 2015 erteilte das SEM der Fachstelle "Lingua" einen Auftrag zur Herkunftsabklärung des Beschwerdeführers. Dieser Auftrag wurde jedoch am 18. November 2015 seitens der "Lingua"-Dienststelle aus Kapazitätsgründen annulliert.

C.

Anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs am 28. Mai 2015 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seine Aussagen in den bisherigen Befragungen diverse Lücken in seinem Lebenslauf hinterlassen hätten (namentlich betreffend Chinesisch-Kenntnisse, Schulbesuch beziehungsweise Ausbildung, Behandlung der Krankheit als Kind, Tätigkeit [insbesondere im Zeitraum von 2010 bis 2014]) und es schwer nachvollziehbar sei, dass er trotz fehlender Schulbildung und Chinesisch-Kenntnisse seinen Reiseweg auf die geschilderte Art beschritten habe. Das SEM bot ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hielt dabei an seinen Aussagen fest, dass er in Tibet aufgewachsen sei beziehungsweise bis zu seiner Ausreise dort gelebt habe und seine Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich des Reisewegs korrekt sei.

D.

Mit Verfügung vom 8. September 2015 - eröffnet am 11. September 2015 - verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers,

lehnte sein Asylgesuch ab, verfügte seine Wegweisung aus der Schweiz und ordnete den Vollzug - unter Ausschluss des Wegweisungsvollzugs nach China - an.

Zur Begründung seines Entscheid erwog es insbesondere, dass der Beschwerdeführer zwar einige geographische Angaben zu seinem angeblichen Geburtsort habe machen können; diese Kenntnisse hätte er sich aber ohne Weiteres im Vorfeld zu den Befragungen gezielt aneignen können. Insbesondere erstaune in diesem Zusammenhang auch, dass er zwar erklärt habe, sein Geburtsort gehöre zur Präfektur E. , ohne jedoch zu wissen, ob E. Teil der Autonomen Region Tibet oder einer chinesischen Provinz sei (A10/25 S. 12). Zudem habe er sich widersprüchlich dazu geäussert, ob er jemals [im] Bezirkshauptort gewesen sei. Er habe zuerst angegeben, dort die Identitätskarte erhalten zu haben (A10/25 S. 3), während er später behauptet habe, nie dort gewesen zu sein (A10/25 S. 11). Ferner habe er zu Protokoll gegeben, er sei im Alter von sechs oder sieben Jahren für eine Woche zur Schule gegangen, habe diese aber abbrechen müssen, weil er an einer (...)krankheit gelitten habe (A3/12 S. 4). Auf die Frage, wie seine Krankheit behandelt worden sei, habe er in der Anhörung geantwortet, sich nicht mehr daran erinnern zu können beziehungsweise wohl einmal bei einem Arzt in "(...)" gewesen zu sein (A10/25

S. 13). Im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs behauptete er demgegenüber, in einem einfachen, tibetischen Krankenhaus im Dorf gewesen zu sein sowie im Kloster Ritualgebete durchgeführt zu haben (A15/7

S. 2). Er sei ein Jahr krank gewesen und habe danach nicht mehr den regulären Schulunterricht, sondern stattdessen den Unterricht im Kloster besucht. Gemäss seinen Aussagen in der BzP sei er mit ungefähr acht Jahren ins Kloster gegangen, um Tibetisch zu lernen und habe dort drei Jahre lang den Unterricht besucht (A3/12 S. 4). In der Anhörung habe er hingegen angegeben, im Alter von acht oder neun Jahren für den Unterricht ins Kloster gegangen zu sein, den er schätzungsweise ein Jahr besucht habe (A10/25 S. 14). Auf die abweichenden Angaben angesprochen, habe er erklärt, zwischendurch immer wieder mit dem Unterricht im Kloster aufgehört zu haben und nicht genau zu wissen, wie lange er diesen insgesamt besucht habe (A10/25 S. 14). Überdies habe er im Rahmen der Anhörung zu Protokoll gegeben, unregelmässig beziehungsweise etwa zwei bis drei Mal pro Woche dorthin gegangen zu sein (A10/25 S. 14). Hingegen habe er anlässlich des ihm gewährten rechtlichen Gehörs behauptet, regelmässig und wenn er gesund gewesen sei, gar an fünf Tagen in der Woche zum Unterricht gegangen zu sein (A15/7 S. 3). Weiter seien seine Angaben zu seiner Tätigkeit nicht nachvollziehbar. Er habe insbesondere ausgeführt,

ab dem Alter von zehn oder elf Jahren bis im Jahr 2010 gelegentlich Raupenpilze gesammelt zu haben (A10/25 S. 15). Danach habe er bis zu seiner Ausreise im Mai 2014 nichts Besonderes gemacht (A3/12 S. 4) beziehungsweise er sei bei der Mutter zu Hause gewesen und habe ihr hin und wieder geholfen (A10/25 S. 15). Auf die Frage, ob er sein Leben in den letzten Jahren beschreiben könne, habe er lediglich gesagt, er stamme aus einem kleinen Dorf und sein Vater habe als [Beruf] sein Leben finanziert, weswegen er keine Schwierigkeiten gehabt habe (A10/25 S. 16). Auf Nachfrage hin habe er ergänzt, er sei stets zu Hause gewesen und manchmal mit Kollegen im Fluss schwimmen oder in den Bergen spazieren gegangen (A10/25 S. 16). Auch im Rahmen des ihm gewährten rechtlichen Gehörs habe er seine Angaben wiederholt und nichts Substantielles erwidern können, als ihm vorgehalten worden sei, es sei schwer vorstellbar, dass er vier Jahre lang praktisch nichts getan habe (A15/7 S. 5).

Vor dem Hintergrund der unplausiblen Angaben zur Herkunft erstaune es ferner nicht, dass auch seine Ausführungen zur Ausreise aus dem Tibet nicht zu überzeugen vermöchten. Im Einzelnen falle auf, dass er seine Reiseschilderung jeweils mit einer Aufzählung verschiedener Stationen und der unterschiedlichsten Transportarten beginne (A3/12 S. 7; A10/25 S. 17). Die einzelnen Orte habe er aber auch auswendig lernen können. Selbst auf Nachfrage hin seien seine Aussagen stereotyp geblieben. Den Ausführen mangle es sowohl an Details als auch an persönlichem Bezug, etwa bei der Beschreibung der Umgebung auf der Reise nach Lhasa (A10/25

S. 20) oder wie es in Dram aussehe (A10/25 S. 21). Da er behauptet habe, vor dieser Reise praktisch immer zu Hause gewesen zu sein, sei es nicht nachvollziehbar, dass er es problemlos geschafft haben wolle, sich alleine über mehrere Tage sowie mehr als [viele] Kilometer bis nach Lhasa durchzuschlagen. Dies auch wenn er angegeben habe, dass sein Vater, der als [Beruf] immer wieder nach Lhasa gegangen sei, von der Strecke erzählt habe (A10/25 S. 18). Nicht zuletzt sei auch die Grenzüberquerung an sich in einer stereotypen Weise geschildert worden, der jegliche persönliche Färbung fehle (A10/25 S. 17; A15/7 S. 6).

Überdies habe er keine Ausweispapiere eingereicht, welche die geltend gemachte Staatsangehörigkeit belegen würden. In der BzP habe er zwar in Aussicht gestellt, jeweils eine Kopie der Identitätskarte und des Familienbüchleins zu beschaffen (A3/12 S. 6 f.); dennoch habe er bis heute keine Identitätspapiere zu den Akten gereicht.

Sodann vermöchten auch seine Asylgründe nicht zu überzeugen. Seine Ausreise führe er auf ein Allerweltsereignis - eine verbale sowie handgreifliche Auseinandersetzung - zurück, das ortsunabhängig und aus den verschiedensten Gründen habe passieren können. Dass das Ereignis in der vom Beschwerdeführer geschilderten Art und Weise sowie in dem von ihm behaupteten Kontext stattgefunden habe, sei jedoch aufgrund der Aktenlage unplausibel. Namentlich sei es ihm nicht gelungen überzeugend zu beschreiben, wie der Ort, an dem die Auseinandersetzung stattgefunden habe, ausgesehen habe. Er habe lediglich erklärt, es habe dort keine Häuser gehabt und es sei ein leerer Ort gewesen (A10/25 S. 6). Weiter sei es ihm nicht gelungen, detailliert aufzuzeigen, was für eine Szenerie er angetroffen habe, als er mit seinem Kollegen auf den Heimweg gewesen sei. Er habe zu Protokoll gegeben, Schreie gehört zu haben und dann zum Ort des Geschehens gelaufen zu sein (A10/25 S. 4). Auf Nachfrage hin, was er vor Ort genau wahrgenommen habe, sei er äusserst vage geblieben und habe lediglich behauptet, der Mann habe die Frau festgehalten und zu vergewaltigen versucht (A3/12 S. 8). Auf die Aufforderung detaillierter zu beschreiben, was er sonst noch vernommen habe, habe er lediglich gesagt, er habe gedacht, diese Frau sei Tibeterin, weshalb er ihr habe helfen müssen (A10/25 S. 7). Währendem er in der BzP noch davon gesprochen habe, dass der Mann die Frau vergewaltigt habe (A3/12 S. 8), habe er in der Anhörung erklärt, der Mann habe die Frau einfach festgehalten, indes die Frau gesagt habe, er solle aufhören (A10/25 S. 7). Auf diese Diskrepanz angesprochen, habe der Beschwerdeführer ausgeführt, mit "vergewaltigen" sei nicht nur eine physische, sondern auch eine verbale Tat gemeint. Dies sei zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, scheine aber im Kontext seiner sonstigen Aussagen doch eher eine Ausflucht zu sein. Ferner sei es ihm nicht gelungen, den Mann und die Frau - er habe lediglich gesagt, die Frau habe eine tibetische Tracht und der Mann eine Polizeiuniform getragen, und dass er sich an nicht mehr erinnern könne (A10/25 S. 7) - zu beschreiben. Zudem habe er behauptet, es hätten sich im Laufe der Auseinandersetzung Leute um sie herum versammelt; jedoch habe er keine weiteren Angaben hierzu machen können (A10/25 S. 10). Weiter erscheine es nicht nachvollziehbar, dass er im Rahmen einer Auseinandersetzung, bei der er einer Frau zu Hilfe geeilt sei, plötzlich politische Parolen rufe. Auch wenn der Mann ein Polizist und somit auch als Tibeter Repräsentant der chinesischen Behörden gewesen sei, seien seine Ausführungen diesbezüglich abenteuerlich ausgefallen und würden den Eindruck erwecken, dass er dem Ereignis politische Brisanz verleihen wolle. Nicht zuletzt seien auch seine Schilderungen, wie es nach der Auseinandersetzung weitergegangen sei - er sei nach Hause gegangen und auf Anraten seines Vaters

hin sofort geflohen (A 10/17 S. 5) -, allgemein und vage geblieben. Was im Übrigen mit seinem Kollegen, der sich immerhin schützend zwischen ihn und den Polizisten gestellt habe (A10/17 S. 5), geschehen sei, wisse er nicht, da er keine Gelegenheit gehabt habe, sich danach zu erkundigen (A10/17 S. 10).

Obschon der Beschwerdeführer unbestrittenermassen tibetischer Ethnie sei, würden die unsubstantiierten Angaben zu seinem Leben und Alltag in Tibet, die mangelnden Chinesisch-Kenntnisse, die fehlenden Identitätspapiere, der unglaubhaft geschilderte Reiseweg sowie die ebenfalls unglaubhaft vorgetragenen Asylgründe nahelegen, dass er nicht in der von ihm angegebenen Region sozialisiert worden sei. Da er auch keine konkreten Hinweise auf einen längeren Aufenthalt in einem Drittstaat geliefert habe, komme die Vorinstanz in Anwendung von BVGE 2014/12 zum Schluss, dass vorliegend keine flüchtlingsoder wegweisungsrechtlichen Gründe gegen eine Rückkehr an den bisherigen Aufenthaltsort des Beschwerdeführers sprechen würden. Schliesslich sei der Wegweisungsvollzug zulässig, zumutbar und möglich, solange der Vollzug in die Volksrepublik China ausgeschlossen werde.

E.

Mit Eingabe vom 9. Oktober 2015 erhob die Rechtsvertreterin namens und im Auftrag des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung des Sachverhalts an das SEM zurückzuweisen; eventualiter sei die vorinstanzliche Verfügung aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen und ihm Asyl zu gewähren; subeventualiter seien die Dispositiv-Ziffern 1 bis 4 sowie 6 aufzuheben und das SEM sei anzuweisen, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers anzuerkennen und ihn wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufzunehmen. In prozessualer Hinsicht wurde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie Rechtsverbeiständung (unter Beilage einer Kostennote) und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen festgehalten, das SEM habe den der Verfügung zugrundeliegenden Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt. So fehle es im Entscheid an der Berücksichtigung der Sachumstände, welche für den Beschwerdeführer sprechen würden, sowie an der Bejahung der Rechtserheblichkeit von Tatsachen. Es stimme beispielsweise nicht, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Herkunftsabklärung lediglich geografische Kenntnisse gehabt habe. Vielmehr habe er ebenfalls die Einheiten des Yuan genannt, erklärt, was Raupenpilze seien, korrekt beschrieben, wie man eine Identitätskarte erhalte, wie diese aussehe und wie lange sie in seinem Alter gültig sei. Zudem habe er viele Ortsnamen, Bezirke, Dörfer und Gemeinden genannt, ohne lange nachdenken zu müssen. Im Übrigen sei vorliegend das rechtliche Gehör verletzt worden, indem sich die Sachverhaltsfindung in wesentlichen Punkten nicht im Entscheid niedergeschlagen habe. Das SEM habe die neu eingeführte Herkunftsanalyse für tibetische Asylsuchende angewendet und auf eine Analyse der Fachstelle "Lingua" verzichtet. Dem Beschwerdeführer hätte dabei ermöglicht werden müssen, zu den als falsch oder unzureichend erachteten Antworten Stellung zu nehmen. Zwar sei am 28. Mai 2015 eine Befragung unter dem Titel "rechtliches Gehör" durchgeführt worden; jedoch sei deren Inhalt nicht als rechtliches Gehör zu werten, da es sich einzig auf Fragen beziehe, die eine vertiefte Sachverhaltsabklärung ermöglichen würden, aber weder Fragen zu den angeblichen Widersprüchen noch zu den als unzureichend oder als falsch erachtenden Antworten aus den Anhörungen zuvor beinhalte. Nur in Bezug auf die Lücken im Lebenslauf und die Behandlung der (...)krankheit habe der Beschwerdeführer ansatzweise die Gelegenheit erhalten, sich zu äussern. Da weder unplausible beziehungsweise unsubstantiierte noch offensichtlich widersprüchliche Aussagen des Beschwerdeführers vorliegen würden, sei im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BVGE 2015/10 E. 5.2.3.1) die Verfügung des SEM aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Weiter sei die Annahme des SEM, der Beschwerdeführer verfüge über praktisch keine Chinesisch-Kenntnisse, falsch. Beim Gespräch zwischen der Rechtsvertretung und dem Beschwerdeführer habe die Dolmetscherin festgestellt, dass er die chinesischen Wörter für Bus, Lastwagen und Polizei benutze (die Dolmetscherin selber habe bei diesen Wörtern jeweils nachfragen müssen, da sie selbst kein Chinesisch spreche). Auch bei der Schilderung seiner Asylgründe habe er chinesische Begriffe verwendet. Sodann werfe ihm das SEM vor, die geografischen Ortsangaben nur angelernt zu haben. Dies stelle jedoch lediglich eine Mutmassung dar. Zudem sei aus den Akten nicht ersichtlich, inwiefern Fehler bezüglich der Angaben vorliegen würden. Vielmehr habe der Beschwerdeführer detaillierte Aussagen zu der geografischen Umgebung seines Heimatortes gemacht. Hinsichtlich seines Besuchs in [Bezirkshauptort] sei festzuhalten, dass er nur einmal dort gewesen sei, um seine Identitätskarte ausstellen zu lassen. Er habe G. als grösste Ortschaft im Bezirk D. genannt, wo

er allerdings nie gewesen sei. Folglich würden keine widersprüchlichen Angaben bestehen. Ferner sei es bei der Anhörung, obschon die Verständigung mit dem Dolmetscher grösstenteils nicht zu beanstanden sei, aufgrund einer phonetischen Unklarheit in der Aussprache zu einem Missverständnis gekommen, indem der Beschwerdeführer im "(...)", was Dorf bedeute, - und nicht "(...)" - zum Arzt gegangen sei. Als Begleitmassnahme sei man ins Kloster, um Gebete zu sprechen. Überdies habe er wegen der Schulpflicht keine Probleme mit den chinesischen Behörden gehabt. Seine Familie hätte im Falle einer Nachfrage seitens der chinesischen Behörden angegeben, dass der Beschwerdeführer ein Mönch sei und deshalb nicht zur Schule gehe.

Bezüglich der Verfolgungsvorbringen sei es seitens des SEM widersprüchlich, dass es zwar glaube, es habe eine verbale und handgreifliche Auseinandersetzung mit dem Polizisten stattgefunden, dennoch aber verneine, dass diese in dem geschilderten Kontext erfolgt sei. Ausserdem sei es zum Zeitpunkt des Vorfalls dunkel gewesen, weshalb der Beschwerdeführer nicht alles genau habe erkennen können. Ferner habe er die Leute, welche sich um ihn herum versammelt hätten, zuerst gar nicht wahrgenommen, weil er vom Streit völlig eingenommen gewesen sei. Die pro-tibetischen Parolen habe er im Affekt geäussert, weil er wütend und aufgebracht gewesen sei. Die Argumentation des SEM, wonach dieses Verhalten abenteuerlich sei, könne man nicht gelten lassen, da eine sehr aufgebrachte Person wohl weniger vorsichtig sei. Im Übrigen sei es in diesem Zusammenhang zu einer weiteren phonetischen Unklarheit gekommen: So habe der Beschwerdeführer von verbaler Vergewaltigung nichts gesagt, sondern habe erklären wollen, dass der Polizist lediglich diese Absicht gehabt habe (auch die von der Rechtsvertretung eingesetzte Dolmetscherin habe in diesem Punkt mehrmals nachfragen müssen). Weiter habe er hinsichtlich seiner Ausreise weder undetaillierte Angaben gemacht noch seine Wahrnehmungen ohne persönlichen Bezug beschrieben. Um genauere Angaben zur Beschreibung von Dram zu erhalten, hätte man während der Anhörung nachfragen können. Im Übrigen habe er mit seinem Vater von Nepal aus per "WeChat" Kontakt gehabt; jener habe ihn informiert, dass er am Tag nach seiner Ausreise von der Polizei gesucht worden sei. Das SEM sei in seinem Entscheid jedoch überhaupt nicht auf diesen Umstand eingegangen. Aufgrund des Gesagten sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführ im Falle einer Rückkehr einer politisch begründeten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Zur Stützung der Vorbringen wurden zwei Bestätigungsschreiben eingereicht sowie Telefonnummern angegeben.

F.

Mit Zwischenverfügung vom 21. Oktober 2015 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung werde gutgeheissen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses werde verzichtet. Den Entscheid hinsichtlich der Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung schob es bis zur Stellungnahme der vom Beschwerdeführer mandatierten Rechtsvertreterin zu den vom Gericht festgesetzten Bedingungen bezüglich der Einsetzung als unentgeltliche Rechtsbeiständin auf. Zudem wurde die Rechtsvertreterin darauf hingewiesen, dass sie unaufgefordert eine (aktuelle) Kostennote einzureichen habe.

G.

Mit Eingabe vom 23. Oktober 2015 erklärte sich die Rechtsvertreterin einverstanden, unter den vom Gericht genannten Konditionen als amtliche Rechtsbeiständin im vorliegenden Verfahren beigeordnet zu werden.

H.

Mit Zwischenverfügung vom 27. Oktober 2015 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dem Beschwerdeführer werde in der Person von MLaw Silke Scheer, [Rechtsberatungsstelle], eine amtliche Rechtsbeiständin beigestellt, und lud die Vorinstanz ein, sich vernehmen zu lassen.

I.

In seiner Vernehmlassung vom 11. November 2015 führte das SEM an, dass es sich bei den erwähnten Punkten - Notenunterteilung des Yuan, Ausführungen bezüglich der Raupenpilze, Beschreibung des Erhalts der Identitätskarte - um allgemeine Angaben handle, welche sich der Beschwerdeführer ohne Weiteres aus Erzählungen oder durch eigene Recherchen habe aneignen können und die somit wenig Rückschlüsse auf eine tatsächliche Sozialisation im angegebenen Herkunftsort zulassen würden. Dafür spreche nicht zuletzt der in der Beschwerdeschrift angeführte Link betreffend Raupenpilze.

Ausserdem habe der Beschwerdeführer in den Befragungen in Bezug auf persönliche Erlebnisse und seine Biografie keine substantiierten Angaben machen können; auch nicht, als ihm im Rahmen des rechtlichen Gehörs

die Möglichkeit gegeben worden sei, hierzu Stellung zu nehmen. In der Aktennotiz des SEM vom 3. September 2015 (A16) sei in Bezug auf BVGE 2015/10 festgehalten worden, dass aus diesem Grund im vorliegenden Fall auf das Erstellen einer Hintergrundinformation zu Handen des Bundesverwaltungsgerichts verzichtet worden sei. Auch die Beschwerdeschrift enthalte keine Hinweise, welche die in der Aktennotiz formulierte Einschätzung des SEM umstossen könnte. Vielmehr sei festzuhalten, dass die Vorbringen gänzlich unplausibel und substanzarm ausgefallen seien, weshalb keine weiteren fachlichen Abklärungen nötig seien. Im Übrigen würden auch die in der Beschwerdeschrift aufgeführten Hinweise betreffend Erfüllung der Flüchtlingseigenschaft keine Anhaltspunkte enthalten, welche die Einschätzung der Vorinstanz umzustossen vermöchten.

J.

Mit Zwischenverfügung vom 17. November 2015 stellte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Vorinstanz zur Kenntnisnahme zu und räumte ihm Frist zur Einreichung einer Replik ein.

K.

Mit Replik vom 2. Dezember 2015 führte die Rechtsvertreterin aus, dass das SEM in seiner Vernehmlassung implizit festhalte, seine eigene Herkunftsbefragung sei nicht aussagekräftig. Wenn es davon ausgehe, dass die Antworten auf seine Fragen auswendig gelernt seien oder im Internet nachgeschaut werden könnten, sei es äusserst fraglich, weshalb es diese Fragen zur Herkunftsabklärung überhaupt verwende. Insofern liege eine untaugliche Herkunftsabklärung vor. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien weder gänzlich unplausibel noch substanzarm, weshalb das SEM dem Bundesverwaltungsgericht die Hintergrundinformationen, auf die es sich stütze, offenzulegen habe.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher

      für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG und das AsylG nichts anderes bestimmen (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG)..

4.

    1. Die Vorinstanz hat einerseits die Pflicht, für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen (Art. 12 VwVG

      i.V.m. Art. 6 AsylG) und hierzu alle für das Verfahren rechtlich relevanten Umstände abzuklären sowie ordnungsgemäss darüber Beweis zu führen. Dabei hat sie alle sachund entscheidwesentlichen Tatsachen und Ergebnisse in den Akten festzuhalten (vgl. BVGE 2012/21 E. 5.1 m.w.H.). Andererseits ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) das Recht der Parteien auf vorgängige Äusserung und Anhörung, welches den Betroffenen Einfluss auf die Ermittlung des wesentlichen Sachverhalts sichert, sowie die Pflicht der Behörde, die Vorbringen der Parteien sorgfältig und ernsthaft zu prüfen sowie in der Entscheidfindung zu berücksichtigen. Unerlässliches Gegenstück dazu bildet die Pflicht der Parteien, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken (Art. 8 AsylG).

    2. Das Bundesverwaltungsgericht hat in BVGE 2015/10 festgehalten, dass die Vorinstanz eine neue Methode der Herkunftsabklärung für Asylsuchende tibetischer Ethnie eingeführt hat. Dabei wird nicht mehr eine Analyse der Fachstelle "Lingua" ("Lingua-Analyse" respektive "Lingua-Alltagswissensevaluation") durchgeführt, sondern es werden im Rahmen der eingehenden Anhörung durch die jeweiligen Mitarbeitenden des SEM vertiefte Fragen zu den Länderkenntnissen und zum Alltagswissen der asylsuchenden Person gestellt. Auch bei diesem Vorgehen ist das SEM - um dem Untersuchungsgrundsatz und dem Anspruch auf rechtliches Gehör gerecht zu werden - verpflichtet, die Vorbringen der Betroffenen in einer auch für die Beschwerdeinstanz nachvollziehbaren Weise sorgfältig und ernsthaft zu prüfen (vgl. a.a.O., E. 5.2.2.1).

Dazu muss für das Bundesverwaltungsgericht - im Sinne einer ersten Mindestanforderung - aus den vorinstanzlichen Akten nicht nur erkennbar sein, welche Fragen das SEM der asylsuchenden Person gestellt hat und wie diese darauf geantwortet hat, sondern auch, wie diese Fragen hätten beantwortet werden müssen. Da bei der neuen Methode der Herkunftsabklärung durch die Vorinstanz kein amtsexterner Sachverständiger mitwirkt, sind die zutreffenden Antworten zudem mit Informationen zu belegen, bei deren Beschaffung, Aufbereitung und Präsentation sich die Vorinstanz an den für Informationen über Herkunftsländer (Country of Origin Information [COI]) geltenden Standards zu orientieren hat (vgl. a.a.O., E. 5.2.2.2).

Im Sinne einer zweiten Mindestanforderung muss der asylsuchenden Person zudem der wesentliche Inhalt der Herkunftsabklärung - entweder in einer zu protokollierenden mündlichen Anhörung oder in einer aktenkundigen schriftlichen Notiz - zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt werden, sich insbesondere zu den als unzureichend eingestuften

Antworten zu äussern. Dabei sind ihr die als tatsachenwidrig, falsch oder unzureichend erachteten Antworten unter Angabe der dazugehörigen Fragen so detailliert aufzuzeigen, dass sie hierzu konkrete Einwände anbringen kann (vgl. a.a.O., E. 5.2.2.4).

Sind die genannten Mindestanforderungen nicht erfüllt, verletzt das SEM die Untersuchungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör, weshalb die Sache in der Regel zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Davon ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Vorbringen der asylsuchenden Person - aufgrund gänzlicher Unplausibilität, Substanzarmut oder Widersprüchlichkeit - offensichtlich unzulänglich und somit derart haltlos sind, dass deren Beurteilung keiner weiteren fachlichen Abklärungen mehr bedarf (vgl. a.a.O., E. 5.2.3.1).

5.

5.1 Im vorliegenden Verfahren kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Sozialisation des Beschwerdeführers in Tibet nicht geglaubt werden könne. Das SEM ging davon aus, die Aussagen des Beschwerdeführers seien derart unzulänglich und unsubstanziiert, dass sich weitere Abklärungen erübrigen würden. Bei dieser Einschätzung stütze sich das SEM kaum auf Wissenslücken des Beschwerdeführers, sondern vielmehr auf eine unplausible, substanzlose und widersprüchliche Schilderung seines Lebenslaufes. Dem ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - wie sich aus dem Folgenden erhellt - nicht zuzustimmen.

5.2

      1. Das SEM erachtete die Antworten des Beschwerdeführers über die angegebene Herkunftsregion weder als tatsachenwidrig beziehungsweise falsch noch als unzureichend. Folglich geht es davon aus, dass die von ihm gelieferten Auskünfte den vorinstanzlichen Ländererkenntnissen entsprechen. Aus diesem Grund hat es in seinem als "Hintergrundinformation" bezeichneten Dokument (A16/1) denn auch keine weiteren dazugehörigen Quellen aufgeführt, da es seine Schlussfolgerung, die Sozialisation des Beschwerdeführers in Tibet sei unglaubhaft, nicht auf Wissenslücken im Zusammenhang mit dem länderspezifischen Kontext, sondern auf eine anderweitige Argumentation stützt. Dem Beschwerdeführer musste daher auch nicht die Möglichkeit eröffnet werden, konkrete Einwände zu allenfalls bestehenden Wissenslücken anzubringen; eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt in diesem Zusammenhang nicht vor.

        Auch das Bundesverwaltungsgericht gelangt zum Schluss, dass die Aussagen des Beschwerdeführers zu seiner Herkunftsregion - [konkrete Themenkreise] - plausibel erscheinen und wohl dem Länderkontext entsprechen, zumal weder aus der angefochtenen Verfügung noch aus den Hintergrundinformationen des SEM explizit hervorgeht, inwiefern diese Auskünfte nicht zutreffend sind. Zudem spricht der Umstand, dass der Beschwerdeführer erkannt hat, welchen Dialekt der Dolmetscher in der BzP gesprochen hat (A3/12 S. 2), für seine Kenntnisse hinsichtlich der regionalen Sprachvarietät in Tibet, welche als solche nicht auswendig gelernt sein können. Im Übrigen ist auch die Beschreibung seines Reisewegs (A3/12

        S. 7; A10/25 S. 17 ff.; A15/7 S. 6) weder widersprüchlich noch unsubstantiiert ausgefallen.

        Schliesslich wurde das Aktenstück A16/1 dem Beschwerdeführer zwar nicht ediert (angesichts überwiegender öffentlicher Geheimhaltungsinteressen besteht kein Anspruch auf vollumfängliche Einsicht in dieses Aktenstück, vgl. Art. 27 VwVG), jedoch wurde der wesentliche Inhalt auf Vernehmlassungsstufe offengelegt (vgl. Art. 28 VwVG sowie BVGE 2015/10 E. 5.2.2.3).

      2. Das SEM hält dem Beschwerdeführer vielmehr vor, aufgrund der vorgetragenen Biographie und persönlichen Erlebnisse würden Zweifel an der von ihm behaupteten Herkunft aus Tibet bestehen. Zu den einzelnen Aspekten wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten, konkret Stellung zu nehmen. So wurde ihm im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit eingeräumt, sich zum Schulunterricht (A15/7 S. 1 ff.), zu seiner Beschäftigung als junger Erwachsener (A15/7 S. 4 ff.) und zu seinen geringen Kenntnissen der chinesischen Sprache (A15/7 S. 1) zu äussern. Dass im Aktenstück 16/1 im Übrigen hierzu keine Quellen aufgeführt wurden, auf welche sich das SEM stützt, liegt auf der Hand, da es sich diesbezüglich überwiegend um Angaben zum Werdegang und den Asylgründen des Beschwerdeführers handelt.

Dass freilich die Aussagen des Beschwerdeführers gänzlich unzulänglich und geradezu haltlos seien, kann aufgrund der Befragungsprotokolle nicht bestätigt werden.

Neben den diversen Aussagen des Beschwerdeführers zu Gegebenheiten seiner geltend gemachten Herkunftsregion (vgl. oben E. 5.2.1) ist vorliegend weiter festzuhalten, dass der Beschwerdeführer immerhin über rudimentäre Chinesisch-Kenntnisse zu verfügen scheint (A3/12 S. 4). Inwiefern er mit seinem biografischen Hintergrund über darüberhinausgehende Kenntnisse verfügen müsste, wurde vom SEM nicht schlüssig dargelegt (in Bezug auf die Schwierigkeiten hinsichtlich allgemeingültiger Aussagen betreffend Kenntnis der chinesischen Sprache von Tibeterinnen und Tibeter vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe [SFH], ADRIAN SCHUSTER, China/Tibet: Tibetische Sprachen und Kenntnis der chinesischen Sprache Bern, 10. Dezember 2015; vgl. auch Entscheid E-5846/2014 vom 4. August 2015

E. 6.3.2). Weiter erscheinen seine Angaben zum Sammeln von Raupenpilzen nicht abwegig (A3/12 S. 4; A15/7 S. 4 f.). Dabei wurde seitens des Beschwerdeführers zu Recht gerügt, weshalb das SEM hierzu überhaupt Fragen stelle, wenn es später behaupte, dass die Antworten allesamt auswendig gelernt seien oder im Internet nachgeschaut werden könnten. Die Erwähnung einer Internetseite in der Beschwerdeschrift als Indiz dafür zu betrachten, dass der Beschwerdeführer sich seine Kenntnisse über die Raupenpilze aus dem Internet beschafft habe, ist ohnehin unzulässig: Aus der Nennung eines Links kann nur gerade geschlossen werden, dass die Rechtsvertreterin sich beim Schreiben der Rechtsschrift über Raupenpilze kundig machen wollte, zumal es sich bei der angeführten Website um den prominenten Link handelt, wenn man das deutsche Wort "Raupenpilze" in ein Suchprogramm eingibt. Gleichwohl ist nicht von der Hand zu weisen und somit dem SEM beizupflichten, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers betreffend den Schulunterricht sowie seine Tätigkeit im Zeitraum von 2010 bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 unsubstantiiert ausgefallen sind beziehungsweise er diesbezüglich nur vage Auskunft geben konnte (A15/7 S. 5). Die aus den Aussagen des Beschwerdeführers gezogenen Schlussfolgerungen erweisen sich jedoch nicht als derart unglaubhaft, dass daraus auf eine Verschleierung der Herkunft zu schliessen ist. Sodann sind im Gegensatz hierzu seine Antworten auf die herkunftsspezifischen Fragen - wie oben festgehalten wurde - grundsätzlich korrekt ausgefallen. Korrekte Antworten sind bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Herkunftsangabe gebührend zu berücksichtigen. So hat eine Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen von Asylsuchenden nach Lehre und konstanter Praxis in einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen, wobei eine sorgfältige Abwägung zwischen den für oder gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Argumenten und Indizien vorzunehmen ist (vgl. etwa BVGE 2010/57 E. 2.3 m.w.H.). Im Übrigen lässt sich auch aus den Asylvorbringen des Beschwerdeführers entgegen der Ansicht des SEM noch nicht schliessen, dass er seine wahre Herkunft zu verschleiern versucht (wobei das SEM selbst den Vorfall vom 8. Mai 2014 nicht in Frage stellt, sondern lediglich den Hintergrund dieses Ereignisses nicht glaubt).

5.3 In Würdigung sämtlicher Umstände kann anhand der vorliegenden Aktenlage eine Sozialisation des Beschwerdeführers in Tibet nicht ausgeschlossen werden. Die Aussagen des Beschwerdeführers sind entgegen der vorinstanzlichen Einschätzung nicht geradezu haltlos im Sinne von BVGE 2015/10 E. 5.2.3.1. Aufgrund der ungenügenden Sachverhaltsabklärung ist der vorliegende Fall daher an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Vornahme der erforderlichen ergänzenden Abklärungen hinsichtlich der Herkunft und Sozialisation des Beschwerdeführers (wie namentlich Erteilung eines Auftrags an die Fachstelle "Lingua" zur Herkunftsabklärung). Sollten diese Abklärungen die in der angefochtenen Verfügung gezogenen Schlüsse einer Herkunftsverschleierung nicht erhärten, wäre das SEM gehalten, das Vorliegen subjektiver Nachfluchtgründe zu prüfen.

6.

Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen. Die vorinstanzliche Verfügung vom 8. September 2015 ist aufzuheben und die Sache (samt Akten) in Anwendung von Art. 61 Abs. 1 in fine VwVG zur vollständigen Sachverhaltsermittlung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen ans SEM zurückzuweisen.

7.

    1. Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens sind keine Verfahrenskosten aufzuerlegen (vgl. Art. 63 Abs. 1 VwVG).

    2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist von einem Obsiegen des Beschwerdeführers auszugehen. Es ist ihm in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG eine Parteientschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen Vertretungskosten zuzusprechen.

In der Kostennote vom 2. Dezember 2015 wird ein zeitlicher Aufwand von sieben Stunden ausgewiesen, welcher als angemessen erachtet wird. Der geltend gemachte Stundenansatz von Fr. 200.- ist reglementskonform (vgl. Art. 10 Abs. 2 VGKE). Die ausgewiesenen Auslagen sind in Höhe von Fr. 107.50 (inkl. Dolmetscherkosten) zu vergüten. Das SEM hat dem Beschwerdeführer demnach eine Parteientschädigung von Fr. 1'507.50 (inkl. Auslagen) auszurichten.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung des SEM vom 8. September 2015 wird aufgehoben und die Sache zur vollständigen Sachverhaltsermittlung sowie Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen ans SEM zurückgewiesen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das SEM hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung in Höhe von Fr. 1'507.50 auszurichten.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Christa Luterbacher Natasa Stankovic

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