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Bundesverwaltungsgericht Urteil E-4824/2014

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-4824/2014

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-4824/2014
Datum:16.02.2016
Leitsatz/Stichwort:Asylwiderruf
Schlagwörter : Quot;; Sinne; Schweiz; Handlung; Recht; Delikt; Taten; Delikte; Körperverletzung; Beschwerdeführers; Akten; Verfügung; Urteil; Asylwiderruf; Freiheit; Freiheitsstrafe; Deutschland; Handlungen; Verwerflichkeit; Flüchtling; Bundesverwaltungsgericht; Urteil; Reihe; Recht; Vorinstanz; Asyls; ältnismässig
Rechtsnorm: Art. 10 StGB ;Art. 12 StGB ;Art. 123 StGB ;Art. 126 StGB ;Art. 13 StGB ;Art. 180 StGB ;Art. 25 BV ;Art. 31 SVG ;Art. 32 SVG ;Art. 51 SVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;Art. 90 SVG ;Art. 92 SVG ;Art. 93 SVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung V E-4824/2014

U r t e i l  v o m  1 6.  F e b r u a r  2 0 1 6

Besetzung Richter Markus König (Vorsitz),

Richter Fulvio Haefeli, Richter Jean-Pierre Monnet, Richter François Badoud, Richter David R. Wenger, Gerichtsschreiber Nicholas Swain.

Parteien A. , geboren am ( ), Irak,

amtlich verbeiständet durch lic. iur. Max Imfeld, Rechtsanwalt, ( ),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM; zuvor Bundesamt für Migration, BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Asylwiderruf;

Verfügung des SEM vom 25. Juli 2014 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer reiste am ( ) 1995 im Rahmen eines Sonderprogramms für vom Bundesrat bezeichnete Flüchtlingsgruppen (so genannte Kontingentsflüchtlinge) zusammen mit seinem Vater und seinen Geschwistern in die Schweiz ein. Mit Verfügung vom 12. Oktober 1995 anerkannte das SEM den Beschwerdeführer als Flüchtling und gewährte ihm Asyl.

B.

    1. Der Beschwerdeführer wurde vom Kreisamt B. mit Strafmandat vom ( ) November 2001 wegen einfacher Körperverletzung (gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB; Körperverletzung unter Verwendung von Gift, einer Waffe oder eines gefährlichen Gegenstands) zu einer Gefängnisstrafe von ( ) Tagen verurteilt, dies unter Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe.

    2. Mit Strafmandat des Kreisamts B.

      vom ( ) Februar 2003

      wurde der Beschwerdeführer wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln (gemäss Art. 31 Abs. 1 SVG [SR 741.01], Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11] i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG), pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (gemäss Art. 51 Abs.1 und 3 SVG i.V.m. Art. 92 Abs. 1 SVG) sowie wegen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeuges (gemäss Art. 29 SVG

      i.V.m. Art. 93 Ziff. 2 Abs. 1 SVG) mit einer Busse von Fr. ( ) bestraft.

    3. Mit Strafmandat des Kreispräsidenten B.

      vom ( ) Januar

      2004 wurde der Beschwerdeführer wegen Tätlichkeiten (gemäss Art. 126 Abs. 1 StGB) zu einer Haftstrafe von ( ) Tagen sowie einer Busse von Fr. ( ) verurteilt.

    4. Mit Strafmandat vom ( ) Juni 2006 verurteilte der Kreispräsident B. den Beschwerdeführer wegen einfacher Körperverletzung (gemäss Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) zu einer Gefängnisstrafe von ( ) Tagen.

    5. Mit Urteil des C. vom ( ) Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen Angriffs (gemäss Art. 134 StGB) zu einer Geldstrafe von ( ) Tagessätzen zu Fr. ( ) als Zusatzstrafe zum Strafmandat vom ( ) Juni 2006 verurteilt.

    6. Am ( ) Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer wegen Drohung (gemäss Art. 180 Abs. 1 StGB) vom Kreispräsidenten B. mit einem Strafmandat zu einer Geldstrafe von Fr. ( ) verurteilt.

C.

Am ( ) Mai 2013 wurde der Beschwerdeführer in der Schweiz gestützt auf ein Auslieferungsersuchen des bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom ( ) April 2013 verhaftet. Die Auslieferung nach Deutschland erfolgte am ( ) Mai 2013. Mit Urteil des Landgerichts D. vom ( ) Dezember 2013 wurde der Beschwerdeführer wegen gefährlicher Körperverletzung in Anwendung der Strafvorschriften §§ 223 Abs. 1 (Tatbestand der Körperverletzung), 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 (Tatbestand der Körperverletzung mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs respektive gemeinschaftlich mit einem anderen Beteiligten begangen), 46a Nr. 1, 49 und 56 des deutschen Strafgesetzbuches (Strafzumessungsbzw. Strafmilderungsbestimmungen) zu einer Freiheitsstrafe von ( ) Jahren und ( ) Monaten verurteilt.

D.

    1. Mit Verfügung vom 1. Mai 2014 gewährte das SEM dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu einem allfälligen Widerruf des Asyls.

    2. Mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters vom 11. Juni 2014 beantragte der Beschwerdeführer, es sei vom Asylwiderruf abzusehen. Er führte zur Begründung aus, die von ihm in der Schweiz begangenen Straftaten vermöchten einen Asylwiderruf nicht zu rechtfertigen, da es sich nur um geringfügige Delikte gehandelt habe. Auch die Verurteilung durch das Landgericht D. sei für einen Asylwiderruf nicht relevant, da durch die von ihm in Deutschland begangene Straftat die innere und äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet worden sei und es sich nicht um eine besonders verwerfliche Tat gehandelt habe. Es sei zu beachten, dass es um ein Beziehungsdelikt gegangen sei und er Schadenswiedergutmachung in erheblicher Höhe geleistet habe. Zudem habe die geschädigte Person eine Erklärung des Desinteresses an der Strafverfolgung abgegeben. Die Schwere der Tat sei nach schweizerischen Mass-stäben zu beurteilen. Er wäre wegen der in Deutschland begangenen Tat in der Schweiz nur wegen einfacher Körperverletzung zu einer gering-fügigen Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Eine solche Straftat sei aber praxisgemäss nicht als besonders verwerfliche Tat zu qualifizieren, weshalb die Voraussetzungen von Art. 63 Abs. 2 AsylG (SR 142.31) für den Widerruf des Asyls nicht erfüllt seien.

E.

Mit Eingabe vom 23. Juni 2014 stellte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem SEM einen Ausweisungsentscheid des Kreisverwaltungsreferates D. vom ( ) Juni 2014 zu und ersuchte das Bundesamt, gegenüber der erwähnten Behörde eine Rückübernahmeerklärung abzugeben.

F.

Mit Verfügung vom 20. Mai 2014 stellt das Amt für ( ) fest, dass die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers von Gesetzes wegen erloschen sei.

G.

Mit Verfügung vom 25. Juli 2014 - eröffnet am 29. Juli 2014 - widerrief das SEM gestützt auf Art. 63 Abs. 2 AsylG das dem Beschwerdeführer gewährte Asyl.

H.

Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht vom 28. August 2014 liess der Beschwerdeführer beantragen, die Verfügung des SEM vom

25. Juli 2014 sei aufzuheben und es sei ihm weiterhin Asyl zu gewähren. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung sowie um Gewährung einer Frist zur Beschwerdeergänzung.

Zum Beleg seiner Begehren reichte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seiner Erwerbstätigkeit in der Schweiz (Einverständniserklärungen der kantonalen Behörden zu Stellenantritten vom 9. August 1999 und 28. März 2000, Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 2007, Lohnabrechnungen des Zeitraums Dezember 2007 - April 2008, Arbeitszeugnis vom 12. April 2013, Anstellungsbestätigung vom 22. Mai 2014), ein Gesuch um Familiennachzug vom 27. März 2008 betreffend seine Ehefrau, einen Familienstammbaum, Kopien eines Akteneinsichtsgesuchs seines Rechtsvertreters an das SEM vom 18. August 2014 sowie eines Schreibens des Amts für ( ) vom 21. August 2014, einen Strafregisterauszug sowie mehrere Zeitungsartikel in Kopie zu den Akten.

I.

Mit Instruktionsverfügung vom 4. September 2014 verzichtete der Instruktionsrichter vorderhand auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und

forderte den Beschwerdeführer auf, seine Mittellosigkeit zu belegen. Ferner wurde festgestellt, dass über die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens befunden werde. Schliesslich wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, innert Frist eine Beschwerdeergänzung einzureichen.

J.

Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 18. September 2014 machte der Beschwerdeführer ergänzende Ausführungen und wies darauf hin, er habe bisher vom SEM trotz mehrmaligem Ersuchen keine vollumfängliche Akteneinsicht erhalten. Ferner stellte er sich auf den Standpunkt, seine Mittellosigkeit sein offensichtlich, da er aufgrund des Strafvollzugs kein Einkommen erziele und auch über kein Vermögen verfüge.

K.

Mit Instruktionsverfügung vom 22. Oktober 2014 hiess der Instruktionsrichter die Gesuche um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG beziehungsweise Art. 110a Abs. 1 Bst. b AsylG gut und ordnete dem Beschwerdeführer seinen bisherigen Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Max Imfeld, als amtlichen Rechtsbeistand bei. Ferner wurde dem Beschwerdeführer eine Kopie des Aktenverzeichnisses zugestellt und er wurde ersucht, die ihm noch nicht offengelegten Dokumente zu bezeichnen, auf welche sich sein Akteneinsichtsgesuch beziehe.

L.

Mit Eingabe vom 3. November 2014 ersuchte der Beschwerdeführer um Zustellung der SEM-Aktenstücke E3/2, E11/13, E12/3, E13/3, E15/5, E17/2, E22/2, E24/2, E26/1, E27/3, E28/2, E29/1, E30/6 sowie allenfalls um Einsicht in die Akten der Asylgewährung.

M.

Mit Instruktionsverfügung vom 6. November 2014 stellte der Instruktionsrichter dem Beschwerdeführer Kopien der Aktenstücke E3/2, E22/2, E24/2 und E29/1 sowie die letzten zwei Seiten des Aktenstücks E15/5 zu und gewährte ihm Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung. Im Übrigen wurde das Akteneinsichtsgesuch abgewiesen.

N.

Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 21. November 2014 äusserte sich der Beschwerdeführer ergänzend zur Sache und reichte einen Beschluss des Landgerichts E. vom ( ) November 2014 betreffend

die Aussetzung des letzten Drittels der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung sowie ein psychologisches Prognosegutachten vom

3. November 2014 zu den Akten.

O.

In ihrer Vernehmlassung vom 11. Dezember 2014 hielt die Vorinstanz an ihrer Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

P.

Mit Eingabe vom 30. Dezember 2014 machte der Beschwerdeführer von dem ihm mit Instruktionsverfügung vom 15. Dezember 2014 eingeräumten Recht zur Replik Gebrauch und hielt an seinen Anträgen fest.

Q.

Mit Eingabe vom 23. November 2015 liess der Beschwerdeführer das Gericht über seine persönliche Situation informieren und sein Scheidungsurteil sowie die Zusicherung einer Anstellung durch einen Arbeitgeber zu den Akten reichen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

    2. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die

      angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG).

    4. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Im Geltungsbereich des Asylgesetzes kann mit Beschwerde die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

Gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG widerruft das SEM das Asyl, wenn Flüchtlinge die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden oder wenn sie besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen haben.

4.

    1. Das SEM führte zur Begründung seiner Verfügung aus, unter verwerflichen Handlungen würden in der Praxis Straftaten verstanden, die unter den Begriff des Verbrechens gemäss Art. 10 Abs. 2 StGB fallen würden und mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht seien. Besondere Verwerflichkeit im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG sei gegeben, wenn die in Frage stehende Straftat mit einer erheblichen Strafe bedroht sei und eine gewisse Intensität aufweise. Die besondere Intensität könne sowohl im Fall einer einzelnen, besonders schweren Tat als auch bei einer Reihe von kleineren Delikten gegeben sein, wenn diese auf Renitenz oder eine schlechte Gesinnung schliessen lassen würden. Der Beschwerdeführer habe in der Schweiz über einen langen Zeitraum eine Reihe geringfügiger Straftaten begangen, von denen eine (Angriff gemäss Art. 134 StGB) mit einer Höchststrafe von mehr als drei Jahren bedroht sei. Er sei für diese Delikte mit Geldund Freiheitsstrafen bis zu 30 Tagen Dauer verurteilt worden. Die in Deutschland begangene Straftat (gefährliche Körperverletzung gemäss § 224 des deutschen Strafgesetzbuchs) wäre gemäss schweizerischem Strafrecht zwar eher nicht als schwere Körperverletzung qualifiziert worden und somit wohl mit einer Höchststrafe von weniger als drei Jahren bedroht gewesen. Jedoch weise die ausgesprochene Freiheitsstrafe von ( ) Jahren und ( ) Monaten sowie der Umstand, dass das Landgericht

      D. keinen "minder schweren Fall" angenommen, sondern dem Beschwerdeführer ein "massives Vorgehen" attestiert habe, darauf hin, dass die Straftat doch eher als eine von hoher Intensität eingestuft worden sei. Die vom Beschwerdeführer geleistete Wiedergutmachung sowie die Desinteresseerklärung der geschädigten Person seien bei der Festlegung des Strafmasses bereits berücksichtigt worden. Für die Annahme, dass im Ausland begangene Straftaten für den Asylstatus in der Schweiz nicht relevant seien, gebe es keine rechtliche Grundlage. Es sei davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer verübte Reihe von Delikten dem Kriterium der besonders verwerflichen Handlungen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG entspreche, zumal sein Verhalten seit der Einreise in die Schweiz von Renitenz gegenüber behördlichen Ermahnungen und Gerichtssanktionen geprägt sei.

      Der Asylwiderruf erscheine im Weiteren auch als verhältnismässig, da dieser nicht zu einer automatischen Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führe und per se keine unmittelbare Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers in der Schweiz habe. Das Verfahren betreffend das Erlöschen seiner Niederlassungsbewilligung sei noch hängig und er könne sich weiterhin - auch gegenüber den deutschen Behörden - auf das flüchtlingsrechtliche Non-Refoulement-Gebot berufen. Angesichts des Gewaltpotenzials des Beschwerdeführers und der wiederholten Delikte gegen die körperliche Integrität überwiege das öffentliche Interesse des Staats am Asylwiderruf das private Interesse des Beschwerdeführers an der Beibehaltung seines Asylstatus'.

    2. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seiner Beschwerde vor, ein Asylwiderruf setze gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG eine qualifizierte Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG voraus, mithin müsse die besonders verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG qualitativ eine Stufe über verwerflichen Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG stehen. Die in Frage stehende Straftat müsse mit einer erheblichen Strafe bedroht sein und eine gewisse Intensität aufweisen. Eine besonders verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG könne auch dann vorliegen, wenn mehrere kleine verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG vorliegen würden. Als verwerfliche Handlungen im Sinne dieser Bestimmung würden nach aktueller Praxis diejenigen Taten gelten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht seien. Einzig die Tat, für welche er wegen Angriffs gemäss Art. 134 StGB zu einer Geldstrafe von ( ) Tagesätzen verurteilt worden sei, stelle eine verwerfliche Handlung im

      Sinne von Art. 53 AsylG dar. Im Übrigen habe er in der Schweiz nur geringfügige Straftaten begangen. Die von ihm in Deutschland verübte Straftat müsse in ein schweizerisches Urteil umgedeutet werden. Die Vorinstanz habe dies vorliegend unterlassen, habe sie doch nicht geprüft, ob eine einfache oder eine schwere Körperverletzung gemäss schweizerischem Strafgesetzbuch vorliege. Die in Deutschland begangene Tat sei als einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 123 StGB zu qualifizieren, für welche ein Strafmass von bis zu drei Jahren vorgesehen sei. Somit stelle dieses Vergehen keine verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG dar. Insgesamt habe er somit nur eine verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG begangen. Auch bei einer Kumulation der in der Schweiz und in Deutschland verübten Taten liege keine besonders verwerfliche Handlung im Sinne des Asylgesetzes vor, da die geforderte "gewisse Intensität" auch bei gesamthafter Betrachtung nicht gegeben sei.

      Im Weiteren erscheine der Asylwiderruf auch als unverhältnismässig. Die Vorinstanz habe mit dem blossen Verweis auf die weiter bestehende Flüchtlingseigenschaft und die fehlenden Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht keine Prüfung der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne vorgenommen. Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip müsse eine behördliche Anordnung geeignet und erforderlich sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen und hinsichtlich der Eingriffsschwere und dem Gewicht des öffentlichen Interesses ausgewogen sein. Es müssten die Begleitumstände der Tat, namentlich der individuelle Tatbeitrag, das Motiv sowie allfällige Rechtfertigungsund Schuldmilderungsgründe berücksichtigt werden. Von Bedeutung sei auch, wie lange die Tat zurückliege und ob sich der Betroffene glaubhaft von ihr distanziert habe. Das letzte vom Beschwerdeführer in der Schweiz begangene Delikt datiere vom ( ) 2009 und liege mithin mehr als fünf Jahre zurück. Es müssten im Weiteren auch die persönlichen Verhältnisse einbezogen werden. Er habe vor dem in Deutschland vollzogenen Strafvollzug in B. gelebt, wo er sehr gut mit den lokalen Gegebenheiten vertraut sei. Seine ( ) Geschwister und seine Ehefrau würden in B. leben, und er verfüge dort über lokale Bekanntheit als ( ). Seit der letzten Tatbegehung in der Schweiz habe er sich einsichtig gezeigt und keine Delikte mehr begangen. Es könne deshalb nicht von einer Renitenz oder schlechter Gesinnung gesprochen werden. Dem im Auftrag des Landgerichts F. erstellten psychologischen Prognosegutachten vom 3. November 2014 könne entnommen werden, dass er zu keinen Klagen Anlass gegeben habe, und es sei ihm eine positive Prognose gestellt worden. Er sei am 18. November 2014 aufgrund der zu erwartenden zukünftigen Straffreiheit sowie des stabilen sozialen Umfelds vorzeitig

      aus der Haft entlassen worden und daraufhin wieder in die Schweiz zurückgekehrt. Gemäss dem zu den Akten gereichten Arbeitszeugnis habe er sich als zuverlässiger Angestellter erwiesen und deshalb bereits für die Zeit nach seiner Haftentlassung eine neue Arbeitsstelle gefunden. Er habe sich, abgesehen von seinem Leumund, gut an die Verhältnisse in der Schweiz angepasst. Die Niederlassungsbewilligung sei ihm inzwischen entzogen worden, weshalb der Widerruf des Asyls sehr wohl unmittelbare Auswirkungen auf sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz habe. Er sei wegen der in der Schweiz begangenen Delikte nur zweimal zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt lediglich ( ) Tagen verurteilt worden. Eine Betrachtung der einzelnen Urteile ergebe keinesfalls eine schlechte Gesinnung, sondern dass er oft unüberlegt und im Affekt gehandelt habe. Sein Verschulden sei jeweils als leicht beurteilt worden. Die einzige Straftat, welche eine verwerfliche Handlung gemäss Art. 53 AsylG darstelle, habe nur zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von ( ) Tagessätzen geführt, wobei der Straftatbestand von Art. 134 StGB einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsehe. Die ausgesprochene Strafe lasse einen Asylwiderruf wegen dieser Tat als unverhältnismässig erscheinen. Schliesslich würden die von ihm begangenen Straftaten bis zu 13 Jahre zurückliegen und seien teilweise bereits aus dem Strafregister gelöscht worden. Die in Deutschland begangene Straftat stelle ein einmaliges Delikt dar, und es bestehe keine Rückfallgefahr. Im Übrigen habe er gemäss Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Achtung seines Privatund Familienlebens. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass seine Ehefrau in der Schweiz über eine Aufenthaltsbewilligung B verfüge und gut integriert sei. Schliesslich sei der Asylwiderruf nicht zumutbar, weil sein gesamtes Beziehungsnetz in der Schweiz sei und die jüngsten Ereignisse in seinem Herkunftsland Irak eine Verschlechterung für die nahe Zukunft erwarten liessen.

    3. Das SEM stellte in seiner Vernehmlassung insbesondere fest, der Beschwerdeführer lebe seit Jahren von seiner Ehefrau getrennt und sei nunmehr mit einer anderen Frau befreundet. Da seine Ehe demnach seit längerer Zeit nicht mehr gelebt werde, liege kein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben vor.

    4. Der Beschwerdeführer wies in seiner Replik darauf hin, die Scheidung seiner Ehe sei zwar aufgrund des Strafvollzugs in Deutschland noch nicht erfolgt, jedoch sei er mit seiner in der Schweiz lebenden Freundin verlobt. Somit sei eine familienrechtliche Verankerung gegeben und demnach ein

sich aus Art. 8 EMRK ergebender Anspruch absehbar. Diese Umstände seien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen.

5.

    1. Art. 53 AsylG bestimmt, dass Flüchtlingen kein Asyl gewährt wird, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen dessen unwürdig sind oder die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (ursprüngliche Asylunwürdigkeit). Nach der Rechtsprechung gelten als "verwerfliche Handlungen" im Sinne von Art. 53 AsylG grundsätzlich solche Delikte, die dem abstrakten Verbrechensbegriff des Strafrechts nach Art. 10 Abs. 2 StGB entsprechen, das heisst mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind (vgl. dazu BVGE 2012/20 E. 4 und statt vieler die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts E-3664/2015 vom 24. November 2015 E. 3.2, E-4201/2015 vom 16. Juli 2015 E. 4.1 und

      D-1261/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 4.1; zu der im zitierten BVGE-Urteil offen gelassenen - und sich auch vorliegend nicht stellenden - Frage, ob auch gewisse Delikte "verwerfliche Handlungen" sein könnten, die nach altem Strafrecht mit Zuchthaus von weniger als drei Jahren bedroht waren und deshalb gemäss aArt. 9 Abs. 1 StGB ebenfalls als Verbrechen galten: vgl. BVGE 2012/20 E. 4.4 f.).

      Der Asylwiderruf setzt gemäss konstanter Rechtsprechung eine qualifizierte Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG voraus; mithin müssen die "besonders verwerflichen Handlungen" (actes délictueux particulièrement répréhensibles; reati particolarmente riprensibili) gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG qualitativ eine Stufe über den "verwerflichen Handlungen" (actes répréhensibles; atti riprensibili) im Sinne von Art. 53 AsylG stehen. Die in Frage stehende Straftat muss demnach mit einer erheblichen Strafe bedroht sein und eine gewisse Intensität aufweisen. Bei der Beurteilung der Intensität der Straftat müssen die verletzten Rechtsgüter, der Umfang des Schadens und das Verhalten des Täters berücksichtigt werden (vgl. BVGE 2012/20 E. 5.2). Zudem muss bei der Würdigung einer strafbaren Handlung als "besonders verwerflich" im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. bereits Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2003 Nr. 11).

      Der Beschwerdeführer wurde mehrfach wegen verschiedener Straftaten verurteilt. Von seinen Verurteilungen betrifft allerdings einzig jene wegen Angriffs (Urteil des C. vom [ ] Juni 2007) einen Straftatbestand, der als Verbrechen ausgestaltet ist. Gemäss Art. 134 StGB steht Angriff

      unter der abstrakten Strafandrohung von Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Diese Straftat ist somit als verwerflich im Sinne von Art. 53

      AsylG zu qualifizieren. In der Urteilsbegründung des C.

      wurde

      festgestellt, das Verschulden des Beschwerdeführers wiege nicht leicht, wobei namentlich auf seine Vorstrafen, den getrübten Leumund und seine Uneinsichtigkeit verwiesen wurde. Entsprechend erachtete das Gericht die Voraussetzungen für einen bedingten Strafvollzug als nicht gegeben. Andererseits ist dem Strafurteil zu entnehmen, dass die den Opfern des Angriffs zugefügten Verletzungen nicht besonders schwerwiegend waren. Zudem liegt die allerdings als Zusatzstrafe zu einem Strafmandat vom ( ) Juni 2006 gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Strafe von ( ) Tagessätzen à Fr. ( ) im unteren Bereich des möglichen Strafrahmens. Angesichts dieser Umstände weist diese Straftat des Beschwerdeführers nicht eine hinreichende Intensität auf um per se schon eine Qualifikation als "besonders verwerfliche" Handlung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG zu rechtfertigten.

    2. Die übrigen vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten (einfache Körperverletzung, Tätlichkeiten, Drohung, SVG-Delikte) führten zu Verurteilungen wegen Straftatbeständen mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Gefängnis, weshalb sie - als Vergehen im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StGB - die Voraussetzung der Verwerflichkeit gemäss Art. 53 AsylG und damit auch der besonderen Verwerflichkeit im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG für sich genommen nicht erfüllen. Der Umstand, dass eine der Straftaten im Ausland begangen und beurteilt wurde, hindert die Anwendung von Art. 63 Abs. 2 AsylG praxisgemäss nicht (vgl. Urteil des BVGer D-2604/2012 vom 31. Mai 2012). Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts D. vom ( ) Dezember 2013 wegen gefährlicher Körperverletzung in Anwendung der Strafvorschriften

      §§ 223 Abs. 1 und 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 des deutschen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von ( ) Jahren und ( ) Monaten verurteilt. In der Schweiz wäre dieses Delikt höchstwahrscheinlich als qualifizierte einfache Körperverletzung unter Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Gegenstands gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB qualifiziert worden, weil das Opfer keine bleibenden oder lebensgefährlichen Schäden davontrug. Art. 123 StGB sieht eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vor. Diese Straftat erfüllt also per se das Kriterium der Verwerflichkeit im Sinne von Art. 53 AsylG ebenfalls nicht.

    3. Das SEM erwog in der angefochtenen Verfügung, bei einer Gesamtschau der vom Beschwerdeführer begangenen Reihe von Delikten sei davon auszugehen, dass diese insgesamt dem Kriterium der "besonderen Verwerflichkeit" entsprechen würden, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sein Verhalten als Renitenz gegenüber gerichtlichen Sanktionen und behördlichen Ermahnungen interpretiert werden müsse. Zur Begründung dieser Auffassung stützte sich die Vorinstanz auf die Materialien, namentlich eine Aussage des damaligen Ständerats Bruno Frick als Berichterstatter anlässlich der Beratung des Asylgesetzes im Ständerat, wonach es sich bei einer "besonders verwerflichen Handlung" einerseits um eine "einzelne, besonders schwere Tat" handeln könne, aber auch um eine "Reihe von kleineren Delikten, wenn sie auf Renitenz oder eine schlechte Gesinnung schliessen lassen" (vgl. AB 1998 S 671). Die Vorinstanz stellte sich demnach mit ihrer Argumentation implizit auf den Standpunkt, die "besondere Verwerflichkeit" im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG könne auch gegeben sein im Falle des Vorliegens mehrerer Delikte, die das Kriterium der Verwerflichkeit gemäss Art. 53 AsylG nicht erfüllen. Der Beschwerdeführer bestreitet zwar nicht, dass eine Reihe geringere Delikte als "besonders verwerflich" qualifiziert werden könnten, vertritt jedoch die Ansicht, dass diese mindestens die Voraussetzung der Verwerflichkeit im Sinne von Art. 53 AsylG erfüllen müssten.

6.

    1. Es stellt sich demnach im Folgenden die Frage, ob das Kriterium der "besonderen Verwerflichkeit" auch bei einer Reihe geringfügigerer Delikte erfüllt sein kann und bejahendenfalls, ob diese zumindest dem Niveau der Verwerflichkeit im Sinne von Art. 53 AsylG entsprechen müssen oder auch eine Reihe geringfügigerer Delikte kumuliert als "besonders verwerflich" bezeichnet werden kann.

    2. Ständerat Frick sprach sich als Berichterstatter der Kommission im Rahmen der Beratungen der Änderungen des Asylgesetzes im Ständerat mehrfach dafür aus, dass "eine Reihe kleinerer Straftaten in der Gesamtheit kumulativ, ebenfalls eine besonders verwerfliche Handlung darstellen könne" (AB 1997 S 1348., Ab 1998 S 533, AB 1998 S 671). Der damalige

      Vorsteher des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements (EJPD), Bundesrat Arnold Koller, stimmte dieser interpretativen Erklärung des Kommissionsberichterstatters ausdrücklich zu, wobei er ausführte, dies entspreche einer grammatikalischen Auslegung der Bestimmung von Art. 63 Abs. 2 AsylG, da in dieser der Plural (Handlungen) verwendet werde

      (vgl. AB 1998 S 672). Diese Interpretation des Begriffs "verwerfliche Handlungen" blieb sowohl im Ständeals auch im Nationalrat unwidersprochen. Im Übrigen ist diese Auslegung auch mit der "ratio legis" von Art. 63 Abs. 2 AsylG vereinbar. Mit diesem Widerrufsgrund sollen Personen von den mit der Asylgewährung verbundenen Vorteilen ausgeschlossen werden, die gravierend und rücksichtslos gegen die Rechtsnormen der Schweiz verstossen, deren Verhalten mithin auf Renitenz oder eine schlechte Gesinnung schliessen lässt (vgl. AB 1998 N 529, AB 1998 S 671). Es ist denkbar, dass eine derartige, einen Widerruf rechtfertigende Situation auch dann vorliegt, wenn eine Person zahlreiche Delikte begeht,

      die zwar nicht unter den Verbrechensbegriff fallen, aberauf einen dauerhaft

      fehlenden Willen der Rücksichtnahme gegenüber den schweizerischen Rechtsnormen schliessen lassen.

    3. Demnach ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass auch eine Reihe von geringfügigeren Straftaten, welche für sich genommen das Kriterium der besonderen Verwerflichkeit nicht erfüllen, jedenfalls in Kombination mit einer verwerflichen Handlung (Verbrechen) einen Asylwiderruf gemäss Art. 63 Abs. 2 AsylG rechtfertigen können.

7.

    1. Eine genauere Definition der Anforderungen, welchen diese geringfügigeren Straftaten für die Annahme einer "besonderen Verwerflichkeit" zu genügen haben, lässt sich den Materialien - abgesehen von der Feststellung, dass einzelne Bagatelldelikte nicht genügen (vgl. AB 1998 S 1348) - nicht entnehmen.

      Bei der Beurteilung im konkreten Anwendungsfall ist im Blick zu behalten, dass die Straftaten insgesamt qualitativ eine Stufe höher anzusetzen sein müssen, als die "unqualifiziert verwerflichen" im Sinne von Art. 53 AsylG.

    2. Der Beschwerdeführer ist gemäss Akten über einen längeren Zeitraum (2001-2013) insgesamt siebenmal straffällig geworden, wobei sich die von ihm begangenen Straftaten zumeist gegen die körperliche Integrität der Opfer (Körperverletzung, Tätlichkeiten, Angriff) sowie gegen die Freiheit (Drohung) richteten. Wie oben ausgeführt, ist eine der Straftaten als verwerflich im Sinne von Art. 53 AsylG zu qualifizieren, während die übrigen die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllen, weil die den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftatbestände Strafandrohungen von höchstens drei Jahren Gefängnis vorsehen. Die in Deutschland begangene Körperverletzung kann jedoch in Anbetracht der ausgesprochenen

      Gefängnisstrafe von ( ) Jahren und ( ) Monaten auf keinen Fall als Bagatelle eingestuft werden. In den übrigen Strafverfahren waren die verhängten Strafen - gemessen am zur Verfügung stehenden Strafrahmen - jeweils relativ geringfügig. In den Strafmandaten vom ( ) November 2001, ( ) Februar 2003, ( ) Juni 2006 und ( ) Juni 2009 sowie dem Urteil des C. vom ( ) Juli 2007 wurde aber das Verschulden des Beschwerdeführers jeweils als "nicht leicht" beziehungsweise "schwer" bezeichnet. Die Anzahl und Häufigkeit der Straftaten des Beschwerdeführers sowie die (bisherige) Dauer der Straffälligkeit von mehr als einem Jahrzehnt lassen auf eine erhebliche kriminelle Energie schliessen. Er hat sich zudem durch die Verurteilungen nicht von weiteren Straftaten abhalten lassen, was darauf schliessen lässt, dass er nicht gewillt ist, die schweizerische Rechtsordnung zu beachten (vgl. hierzu Urteil des BVGer E-5715/2006 vom 14. Dezember 2009 E. 7.2.2). Die letzte, in Deutschland begangene Tat des Beschwerdeführers datiert vom ( ) Februar 2013 und liegt zeitlich somit noch nicht sehr lange zurück. Zwar wurde er aufgrund eines positiven psychologischen Prognosegutachtens am 17. November 2014 vorzeitig aus der Haft in Deutschland entlassen. Da die vorzeitige Entlassung erst rund fünfzehn Monate zurückliegt und die Bewährungsfrist (drei Jahre ab November 2014) noch nicht abgelaufen ist, kann derzeit noch nicht von einer erfolgreichen Bewährung gesprochen werden. Im psychologischen Prognosegutachten vom 3. November 2014 wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe Einsicht und Reue gezeigt (vgl. Gutachten S. 23). Es wird aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass allenfalls mit weiteren Straftaten zu rechnen sei (vgl. a.a.O. S. 25). Ob der Beschwerdeführer in der Schweiz, entsprechend der gegenüber der Gutachterin gemachten Zusage, an einer Behandlungsmassnahme für Gewalttäter beziehungsweise zur Förderung der sozialen Kompetenz teilnimmt, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Schliesslich sind aus den Strafakten keine besonderen Rechtfertigungsoder Schuldminderungsgründe bei den von ihm begangenen Straftaten zu erblicken.

    3. Unter Berücksichtigung dieser Umstände gelangt das Gericht zum Schluss, dass es sich in Anbetracht der fortgesetzten Delinquenz des Beschwerdeführers, der von ihm gezeigten Missachtung der körperlichen Integrität anderer, sowie des nicht leichten Verschuldens rechtfertigt, die von ihm begangenen Straftaten als besonders verwerflich im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG zu qualifizieren.

8.

    1. Schliesslich ist nach der Würdigung der betreffenden Delikte als besonders verwerflich im Sinne von Art. 63 Abs. 2 AsylG das Kriterium der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen. Der mit einer behördlichen Anordnung verbundene Eingriff darf demnach für den Betroffenen im Vergleich zur Bedeutung des verfolgten öffentlichen Interesses nicht unangemessen schwer wiegen (vgl. EMARK 2003 Nr. 11 E. 7 S. 75; Urteil BVGer

      D-1171/10, E. 6.3).

    2. Der Widerruf des Asyls führt nicht zu einer automatischen Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nachdem das SEM die Flüchtlings-eigenschaft des Beschwerdeführers in der hier zu beurteilenden Verfügung nicht widerrufen hat, wirkt sich der Verlust des Asylstatus' nicht unmittelbar nachteilig für den Beschwerdeführer aus. Er wird vorderhand weiterhin über ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz (zumindest eine vorläufige Aufnahme als Flüchtling) und über die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit verfügen. Als Flüchtling verfügt er nach wie vor über den Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) sowie Art. 25 Abs. 2 und 3 BV und ist zudem besser gestellt als andere vorläufig Aufgenommene. An diesen Feststellungen ändert auch das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers nichts. In Anbetracht dieser Feststellungen sowie unter Berücksichtigung der Umstände der Tatbegehung der Delikte des Beschwerdeführers (vgl. E. 7.2), teilt das Gericht die Auffassung der Vorinstanz, dass dem öffentlichen Interesse an einem Asylwiderruf wegen der Verübung besonders verwerflicher Straftaten und damit der Bekämpfung und Prävention strafrechtlichen Verhaltens keine überwiegenden privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers vermögen keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Er wies namentlich auf seine fortgeschrittene Integration in der Schweiz, sein hier bestehendes familiäres Beziehungsnetz und die allgemeine Situation in seinem Heimatstaat Irak hin und brachte vor, dass das Verhältnis zu seiner Verlobten als ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben zu qualifizieren sei. Da der Asylwiderruf vorderhand nicht zur Folge hat, dass der Beschwerdeführer die Schweiz verlassen muss, sind diese Argumente jedoch nicht ausschlaggebend.

    3. Der Widerruf des Asyls erweist sich daher als verhältnismässig.

9.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung

Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

10.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da indessen mit Instruktionsverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2014 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gutgeheissen wurde und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich seine finanzielle Lage seither entscheidrelevant verändert hätte, ist auf das Erheben von Verfahrenskosten zu verzichten.

11.

Mit Instruktionsverfügung vom 22. Oktober 2014 wurde ausserdem das Gesuch um amtliche Verbeiständung (Art. 110a Abs. 1 Bst. b AsylG) gutgeheissen und dem Beschwerdeführer sein Rechtsvertreter als Rechtsbeistand zugeordnet. Demnach ist diesem ein amtliches Honorar für seine notwendigen Aufwendungen im Beschwerdeverfahren auszurichten. Der Rechtsbeistand hat keine Kostennote eingereicht, weshalb das Honorar aufgrund der Akten festzusetzen ist (vgl. Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). Unter Berücksichtigung der massgebenden Berechnungsfaktoren (Art. 12 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2] i.V.m. Art. 8 ff. VGKE) ist das amtliche Honorar auf Fr. 2'300.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) festzusetzen und durch die Gerichtskasse zu vergüten.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.

Rechtsanwalt Max Imfeld wird durch das Bundesverwaltungsgericht ein amtliches Honorar in der Höhe von insgesamt Fr. 2'300.- ausgerichtet.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Markus König Nicholas Swain

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