E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil E-3301/2006

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts E-3301/2006

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung V
Dossiernummer:E-3301/2006
Datum:21.05.2007
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung
Schlagwörter : Mutter; Beschwerdeführers; Kinder; Recht; Vorinstanz; Verfügung; Wegweisung; Schweiz; Anhörung; Vollzug; Flüchtling; Vorbringen; Behandlung; Ukraine; Asylgesuch; Befragung; Person; Verfahren; Polizei; Flüchtlingseigenschaft; ürden
Rechtsnorm: Art. 12 KRK ;Art. 18 KRK ;Art. 22 KRK ;Art. 48 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
Schweizer, Trechsel, zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 41 StGB, 1997

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abtei lung V E- 3301/2006

kom/ st k/scb

{T 0/ 2}

Urteil vom 21. Mai 2007

Mitwirkung: Richter König, Tellenbach, Huber Gerichtsschreiberin Steiner

A._______ , Ukraine, vertreten durch B._______,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz

betreffend

Verfügung vom 1. Oktober 2000 i.S. Asyl und Wegweisung / N._______
Sachverhalt:
  1. Der minderjährige Beschwerdeführer reiste am 30. Juli 2003 in die Schweiz zu seiner Mutter, welche sich im Rahmen eines Asylverfahrens in der Schweiz aufhält, und reichte am 14. Oktober 2003 beim C._______ ein selbständiges Asylgesuch ein. Am 16. Juni 2004 wurde er in Anwesenheit seiner Mutter und seines Rechtsvertreters von der kantonalen Behörde zu seinen Asylgründen befragt.

    Der Beschwerdeführer machte zur Begründung seines Asylgesuchs im Wesentlichen geltend, er sei bei seinen Grosseltern aufgewachsen, weil die Mutter gemäss den Angaben der Grossmutter politische Probleme gehabt habe. Wegen ihrer politischen Probleme habe die Mutter nie Kontakt mit ihm aufnehmen können. Die Polizei sei mehrere Male zum Wohnort seiner Grosseltern gekommen und habe nach dem Aufenthaltsort der Mutter gefragt. Einmal sei der Beschwerdeführer auch mitgenommen, geschlagen und misshandelt worden. Die Grosseltern seien von der Polizei aus der Wohnung vertrieben und der Beschwerdeführer sei gewaltsam in ein Internat gebracht worden, wo er misshandelt und von der Polizei unter Anwendung von Gewalt fast täglich nach dem Aufenthaltsort seiner Mutter gefragt worden sei. Auch von den Kindern im Internat sei er gequält und erniedrigt worden. Ein älterer Nachtwächter habe ihm schliesslich zur Flucht verholfen.

    Der Beschwerdeführer reichte die Kopie seiner Geburtsurkunde zu den Akten.

  2. Mit Verfügung vom 18. Februar 2004 wies das BFF (Bundesamt für Flüchtlinge, seit dem 1. Januar 2005 Bundesamt für Migration [BFM]) das Gesuch der Mutter um Wiedererwägung ab und bezog in diesen Entscheid auch den Beschwerdeführer mit ein. Die Mutter des Beschwerdeführers liess gegen diesen Entscheid mit Eingabe vom 2. März 2004 Beschwerde erheben und machte unter anderem geltend, der Sohn habe am 14. Oktober 2003 ein selbständiges Asylgesuch eingereicht und könne nicht einfach in den Entscheid der Mutter einbezogen werden. Aufgrund dieser Eingabe - in welcher auf das selbständige Asylgesuch des Beschwerdeführers verwiesen wurde - hob das BFF seine nunmehr vor der Schweizerischen Asylrekurskommission (ARK) angefochtene Verfügung vom 18. Februar 2004 mit Verfügung vom 22. März 2004 auf. Mit Beschluss vom 21. April 2004 schrieb die ARK die Beschwerde als gegenstandlos geworden ab. Daraufhin stellte das BFF fest, das Gesuch um Wiedererwägung vom 11. Februar 2004 - betreffend die Mutter des Beschwerdeführers - bleibe zu prüfen.

  3. Mit Schreiben vom 5. August 2004 forderte das BFF einen detaillierten Arztbericht ein. Bezug nehmend auf den Arztbericht vom 2. September 2004 machte der Rechtsvertreter mit Schreiben vom 3. September 2004 geltend, die kantonale Anhörung vom 16. Juni 2004 habe den anerkannten Grundlagen des Kindesschutzes nicht entsprochen und beantragte eine erneute, kindsgerechte Anhörung.

  4. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2004 lehnte das BFF das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete gleichzeitig dessen Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug derselben an. Zur Begründung führte es einerseits aus, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht genügen würden. Ausserdem sei der Vollzug der Wegweisung zulässig, zumutbar und möglich.

    Mit separater Verfügung des BFF vom 1. Oktober 2004 wurde auch das Wiedererwägungsgesuch der Mutter abgelehnt.

  5. Die Verfügung vom 1. Oktober 2004 liess der Beschwerdeführer mit Eingabe vom

    3. November 2004 bei der ARK anfechten. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Gewährung von Asyl, eventualiter die Anordnung der vorläufigen Aufnahme in der Schweiz. Ausserdem wurden die Einholung eines ärztlichen Gutachtens zur Frage der kindsgerechten Durchführung der Befragung, die Einholung eines solchen zur Ursache einer Verbrennung am Oberarm des Beschwerdeführers sowie die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens beantragt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und um Gewährung der unentgeltliche Rechtsverbeiständung.

    Auch die Mutter liess mit Eingabe vom 3. November 2004 Beschwerde gegen den ablehnenden Entscheid des BFF vom 1. Oktober 2004 erheben.

  6. Mit Zwischenverfügung vom 17. November 2004 teilte der zuständige Instruktionsrichter der ARK dem Beschwerdeführer mit, er könne den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und wies die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG ab.

  7. Das BFF hielt in seiner Vernehmlassung vom 29. November 2004 an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 und 34 VGG genannten Behörden. Dazu gehören Verfügungen des BFM gestützt auf das Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31); das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in diesem Bereich endgültig (Art. 105 AsylG, Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

    2. Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt, sofern es zuständig ist, die Beurteilung der am 1. Januar 2007 bei der ehemaligen ARK hängigen Rechtsmittel. Das neue Verfahrensrecht ist anwendbar (vgl. Art. 53 Abs. 2 VGG).

    3. Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessen-

heit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

2. Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingereicht; der Beschwerdeführer ist legitimiert (Art. 6 AsylG i.V.m. Art. 48 und 50 ff. VwVG). Auf die Beschwerde ist mithin einzutreten.

3.

    1. Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz grundsätzlich Flüchtlingen Asyl.

      Als Flüchtling wird eine ausländische Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken; den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 AsylG).

    2. Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

4.1 Das BFF macht in seiner ablehnenden Verfügung vorab bezüglich des geltend gemachten Verstosses gegen die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Kinder vom 11. August 1999 (Kinderrechtskonvention, KRK, SR 0.107) anlässlich der kantonalen Anhörung folgende Ausführungen: Im Asylverfahren gelte es, besondere Verfahrensaspekte bei minderjährigen Asylsuchenden zu berücksichtigen. Das Asylverfahren von Minderjährigen solle den Anforderungen, welche aus dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes fliessen würden, gerecht werden - dies insbesondere auch bei Anhörungen. Im vorliegenden Fall kämen Art. 12 KRK, Art. 17 Abs. 2 AsylG sowie Art. 7 Abs. 7 der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen vom 11. August 1999 (AsylV 1) zur Anwendung. Die Urteilsfähigkeit vorausgesetzt, werde eine asylsuchende minderjährige Person in Gegenwart ihrer gesetzlichen Vertretung, der Vertrauensperson oder einer beauftragten Rechtsvertretung gemäss Art. 29 Abs. 2 AsylG befragt. Die Vormundschaftsbehörde, die Vertrauensperson oder die Rechtsvertretung der minderjährigen asylsuchenden Person könnten sich nicht gegen die Durchführung einer Anhörung zu den Asylgründen stellen, wenn diese gemäss der Auffassung der kantonalen Behörden durchführbar sei oder zwecks Beurteilung der Urteilsfähigkeit der minderjährigen asylsuchenden Person durchgeführt werden müsse. Gemäss Art. 7 Abs. 7 AsylV 1 sei die mit der Durchführung der Anhörung beauftragte Person verpflichtet, für eine den Umständen angepasste Atmosphäre zu sorgen und darauf zu achten, dass alle spezifischen Aspekte der Minderjährigkeit in adäquater Weise erörtert oder vervollständigt würden.

Vorliegend ergäben sich keine Hinweise darauf, dass die Anhörung nicht regelkonform verlaufen sei. So seien bei der Anhörung Vertrauenspersonen zugegen ge4.2

wesen, nämlich sowohl die Mutter des Beschwerdeführers wie auch der Rechtsvertreter. Diese - sowie im Übrigen auch die Hilfswerksvertretung - hätten keine Einwände gegen das Protokoll vorgebracht. Aus dem Gesagten würden sich somit insgesamt keine Verstösse gegen Art. 12 KRK, Art. 17 Abs. 2 AsylG und Art. 7 Abs. 7 AsylV 1 ergeben. Die Anhörung sei somit nicht zu beanstanden.

Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer gemäss Arztbericht durch die Erinnerung an das Erlebte stark belastet und retraumatisiert worden sei, erscheine eine neuerliche Anhörung schliesslich auch unter diesem Aspekt nicht opportun, zumal die rechtsrelevanten Gegebenheiten hinreichend abgeklärt worden seien und nicht ersichtlich sei, inwiefern eine weitere Anhörung für die Erstellung des Sachverhalts hilfreich wäre.

      1. Bezüglich Glaubhaftigkeit, beziehungsweise asylrechtlicher Relevanz der Ausführungen des Beschwerdeführers hält die Vorinstanz im Wesentlichen Folgendes fest:

      2. Vorbringen seien dann unglaubhaft, wenn sie in wesentlichen Punkten der allgemeinen Erfahrung oder der Logik des Handelns wiedersprächen. Der Beschwerdeführer stütze seine Vorbringen massgeblich auf den Vorbringen seiner Mutter ab, indem er geltend mache, die Mutter habe sich politisch betätigt. Deshalb sei er von der Polizei massiv behelligt und gewaltsam ins Kinderheim gebracht worden. Die Mutter habe eine asylrechtlich relevante Verfolgung wegen politischen Tätigkeiten nicht glaubhaft darlegen können. Somit sei den Vorbringen des Beschwerdeführers die Grundlage entzogen, und die geltend gemachte Reflexverfolgung könne nicht geglaubt werden. Namentlich ergäbe sich kein Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen politischen Engagement seiner Mutter in den Neunzigerjahren und einer aktuellen Verfolgung des Beschwerdeführers deswegen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer gerade zu diesem Zeitpunkt ins Visier der Polizei geraten sein sollte. Es sei ebenso wenig einzusehen, weshalb die Polizei den jungen Beschwerdeführer, der offensichtlich keinen Kontakt zur Mutter unterhalten habe, derart massiv verfolgt habe, nicht aber dessen Grosseltern.

      3. Eine asylrechtlich relevante Verfolgung liege nicht vor, wenn staatliche Massnahmen rechtsstaatlich legitimen Zwecken dienen würden. Wie dargelegt, könne nicht geglaubt werden, dass der Beschwerdeführer aus den genannten Gründen ins Kinderheim gekommen sei. Es sei jedoch nicht auszuschliessen, dass er tatsächlich eine gewisse Zeit in einem Kinderheim, beziehunsweise einem Internat verbracht habe, zumal er offensichtlich ohne seine Eltern habe aufwachsen müssen. Allfällige in diesem Zusammenhang stehende vormundschaftliche Massnahmen seien jedoch grundsätzlich als legitim zu erachten und vermöchten keine asylrechtliche Relevanz zu begründen.

        Befürchtungen, künftig staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt zu sein, seien nur dann asylrechtlich relevant, wenn begründeter Anlass zur Annahme bestehe, dass sich die Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft verwirklichen werde.

        Angesichts des Umstands, dass der junge Beschwerdeführer mit seiner Mutter zusammen in die Ukraine zurückkehren und fortan bei ihr leben könne, sei die Befürchtung, wieder ins Kinderheim zurückkehren zu müssen, unbegründet.

      4. Die Vorbringen des Beschwerdeführers hielten somit teils den Anforderungen an die Glaubwürdigkeit gemäss Art. 7 AsylG, teils denen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht stand. Demzufolge erfülle er die Flüchtlingseigenschaft nicht, so dass das Asylgesuch abzulehnen sei.

      5. Die Vorinstanz qualifiziert den Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers als zulässig. Betreffend Zumutbarkeit wird festgestellt, die psychischen Probleme des Beschwerdeführers würden den Wegweisungsvollzug nicht unzumutbar erscheinen lassen. Gemäss gesicherten Erkenntnissen des Bundesamtes seien entsprechende medizinische Einrichtungen, auch kinderpsychologischer Art, in der Ukraine vorhanden, dies namentlich auch in D._______, dem Wohnort des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer sei somit nicht auf die medizinische Infrastruktur der Schweiz angewiesen. Auch sei er im Falle einer Rückkehr nicht mit einer Situation konfrontiert, die er nicht bewältigen könne, sei doch auch das Wiedererwägungsgesuch der Mutter abgewiesen und die Ausreisefrist mit derjenigen des Beschwerdeführers koordiniert worden. Mutter und Sohn könnten somit die Schweiz gemeinsam verlassen und würden über die nötigen Voraussetzungen verfügen, um in der Ukraine eine neue Existenz aufzubauen. Ausserdem sei der Vollzug technisch möglich und praktisch durchführbar.

5. In der Beschwerde wird den Ausführungen der Vorinstanz im Wesentlichen entgegengehalten, die Anhörung sei nicht kindsgerecht durchgeführt worden. Es sei zu bemängeln, dass betreffend der Anhörung kein kinderpsychiatrisches Gutachten eingeholt worden und bei der Befragung kein Kinderpsychologe anwesend gewesen, beziehungsweise diese nicht von einem speziell dafür ausgebildeten Kinderpsychologen durchgeführt worden sei. Der starke psychische Stress, unter dem der Beschwerdeführer während der Anhörung gestanden habe, wirke sich negativ auf die Qualität der Befragungsresultate und somit auch auf den Entscheid aus. Ausserdem habe das Kind nach der Befragung Symptome einer Retraumatisierung aufgewiesen.

Entgegen den Ausführungen in der angefochtenen Verfügung sei die Polizei nicht nur gegen den Beschwerdeführer sondern auch gegen die Grosseltern vorgegangen. Es sei falsch, aus dem Umstand, dass er nichts davon erzählt habe, zu schliessen, Behelligungen der Grosseltern hätten nicht stattgefunden, zumal der Beschwerdeführer gar nicht danach gefragt worden sei. Gegen die Mutmassungen der Vorinstanz, wonach der Beschwerdeführer aus vormundschaftlichen Gründen in ein Kinderheim gekommen sei, spreche die Tatsache, dass er anders behandelt worden sei als die übrigen Kinder. Noch heute sei der Beschwerdeführer stark traumatisiert wegen den schlimmen Vorkommnissen im Kinderheim und deshalb auch in psychiatrischer Behandlung. Wenn er die Schweiz verlassen müsste, wäre die dringend notwendige Weiterführung der Behandlung verunmöglicht. Entgegen der Behauptung der Vorinstanz gebe es in D._______, dem Wohnort des Beschwerdeführers, keine kinderpsychologische medizinische Hilfe, ebenso wenig anderswo in der Ukraine.

6.

    1. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurde geltend gemacht, die Anhörung des traumatisierten minderjährigen Beschwerdeführers sei aus kinderpsychiatrischer Sicht unangemessen gewesen und habe anerkannte Grundlagen des Kindesschutzes missachtet. Insbesondere die Dauer, die Form sowie die Anzahl der anwesenden Personen wurden kritisiert. Nach der Anhörung sei eine psychotherapeutische Krisenintervention notwendig gewesen. Auf Beschwerdeebene wird diesbezüglich ausgeführt, die Befragung hätte durch einen speziell dafür ausgebildeten Kinderpsychologen durchgeführt werden sollen; es wird auf Art. 18 Abs. 1 KRK verwiesen. Diesbezüglich sei ein ärztliches Gutachten einzuholen.

      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der kantonalen Befragung des Beschwerdeführers sowohl dessen Mutter wie auch der Rechtsvertreter anwesend waren. Den Protokollen lassen sich keine Hinweise darauf entnehmen, dass es während der Befragung zu Interventionen ihrerseits gekommen wäre. Auch die Hilfswerksvertretung hat keine Beanstandungen formuliert. Die in der Beschwerde enthaltenen Rügen erweisen sich als wenig substanziiert, es bleibt unklar, was genau bemängelt wird. Soweit auf Art. 18 Abs. 1 KRK Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass diese Bestimmung den Grundsatz enthält, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich seien; die Bestimmung erlangt im konkreten Fall keine weitergehende Bedeutung. Vielmehr finden vorliegend Art. 12 Abs. 1 KRK i.V.m. Art. 17 Abs. 2 AsylG und Art. 7 Abs. 7 AsylV 1 Anwendung. Demzufolge haben Personen, die minderjährige asylsuchende Personen anhören, den besonderen Aspekten der Minderjährigkeit Rechnung zu tragen. Inwiefern diese Vorschriften verletzt worden sein sollen, lässt sich aus den wenig konkreten Ausführungen in der Beschwerde nicht entnehmen. Jedenfalls ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass Befragungen von minderjährigen Asylsuchenden in der Schweiz nur im Beisein von Kinderpsychologen durchgeführt werden können. Aufgrund dieser Ausführungen kann darauf verzichtet werden, ein Gutachten zur kindsgerechten Durchführung der Befragung einzuholen. Dieser Antrag ist demnach abzuweisen.

    2. Bezüglich der Glaubhaftigkeit beziehungsweise der asylrechtlichen Relevanz der Vorbringen des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die Vorbringen des Beschwerderführers teils den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 AsylG, teils denjenigen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht genügen. Sie hat in der angefochtenen Verfügung die Gründe, die zu diesem Schluss geführt haben, einlässlich und nachvollziehbar dargelegt. Darauf braucht an dieser Stelle nicht mehr im Einzelnen eingegangen zu werden, zumal für die Begründung vollumfänglich auf die entsprechenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden kann. Vielmehr ist erneut darauf hinzuweisen, dass die geltend gemachten Behelligungen, die in den politischen Aktivitäten der Mutter begründet sein sollen, nicht geglaubt werden können. Denkbar ist zwar, dass der Beschwerdeführer - allenfalls in einem Heim - unter unbekannten Umständen und aus anderen als den vorgebrachten Gründen Schlimmes erlebt hat. Vorliegend ist indessen aufgrund der klaren Aktenlage auszuschliessen, dass diese Behelligungen und Misshandlungen im Zusammenhang mit den völlig unglaubhaften Vorbringen der Mutter stehen könnten. Aus diesem Grund kann darauf verzichtet werden, ein ärztliches Gutachten zu der Ursache der Verbrennung auf dem Oberarm des Beschwerdeführers und ein solches zur Glaubwürdigkeit seiner Aussagen anzufordern. Auch diese Beweisanträge sind abzuweisen.

    3. Zusammenfassend ist in Überinstimmung mit der Vorinstanz festzustellen, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 3 AsylG nicht erfüllt. Die Vorinstanz hat daher das Asylgesuch zu Recht abgelehnt.

7.

    1. Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; dabei ist der Grundsatz der Einheit der Familie zu berücksichtigen (Art. 44 Abs. 1 AsylG).

    2. Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine fremdenpolizeiliche Aufenthaltsbewilligung noch einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission / EMARK 2001 Nr. 21).

  1. Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so regelt das Bundesamt das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (Art. 44 Abs. 2 AsylG; Art. 14a Abs. 1 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 [ANAG, SR 142.20]).

    1. Der Vollzug ist nicht möglich, wenn der Ausländer weder in den Herkunftsoder in den Heimatstaat noch in einen Drittstaat verbracht werden kann. Er ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise des Ausländers in seinen Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen. Der Vollzug kann insbesondere nicht zumutbar sein, wenn er für den Ausländer eine konkrete Gefährdung darstellt (Art. 14a Abs. 2 - 4 ANAG).

    2. Niemand darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet sind oder in dem die Gefahr besteht, dass er zur Ausreise in ein solches Land gezwungen wird (Art. 5 Abs. 1 AsylG). Gemäss Art. 25 Abs. 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101) darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

    3. Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen (vgl. MARIO GATTIKER, Das Asyl- und Wegweisungsverfahren, Bern 1999, S. 89). Da es den Beschwerdeführern nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann

      das in Art. 5 AsylG verankerte Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-refoulements im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

    4. Sodann ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführers für den Fall einer Ausschaffung in seinen Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. EMARK 2001 Nr. 16 S. 122 mit weiteren Hinweisen). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Mutter ausreisen und künftig bei ihr leben kann. Es ist nicht anzunehmen, dass er wieder ins Kinderheim, wo er angeblich missbraucht worden ist, zurückkehren muss. Die allgemeine Menschenrechtssituation in seinem Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt klarerweise nicht als unzulässig erscheinen.

    5. Der Beschwerdeführer wurde am E._______ geboren. Nach dem massgeblichen schweizerischen Recht (vgl. EMARK 1994 Nr. 11 E. 4d S. 92) ist er zum heutigen Zeitpunkt somit noch minderjährig, weil er noch nicht achtzehn Jahre alt ist. Folglich untersteht der Beschwerdeführer grundsätzlich dem Schutz der Kinderrechtskonvention. Art. 22 Abs. 2 KRK zielt darauf ab, durch Mitwirkung der Vertragsstaaten bei der Informationsbeschaffung die Familienzusammenführung zu fördern. Art. 22 KRK beschlägt indes nur minderjährige Asylsuchende und Flüchtlinge, nicht aber ausländische Kinder, deren Asylgesuch wie in casu abgewiesen worden ist. Somit besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung, im Vorfeld des Vollzugs der Wegweisung eines im Asylverfahren abgewiesenen Kindes Abklärungen über den Aufenthaltsort seiner Angehörigen vorzunehmen (vgl. EMARK 1998 Nr. 13 E. 5d.aa S. 96 f.).

      Der Vollzug der Wegweisung erweist sich nach dem Gesagten als zulässig.

    6. Aus humanitären Gründen, nicht in Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten der Schweiz, wird auf den Vollzug der Wegweisung auch verzichtet, wenn die Rückkehr in den Heimatstaat für den Betroffenen eine konkrete Gefährdung darstellt. Eine solche Gefährdung kann angesichts der im Heimatland herrschenden allgemeinen politischen Lage, die sich durch Krieg, Bürgerkrieg oder durch eine Situation allgemeiner Gewalt kennzeichnet, oder aufgrund anderer Gefahrenmomente, wie beispielsweise einer notwendigen medizinischen Behandlung, angenommen werden (vgl. Botschaft zum Bundesbeschluss über das Asylverfahren vom 22. Juni 1990, BBl 1990 II 668).

    7. Eine Situation, welche den Beschwerdeführer als "Gewaltoder de-facto-Flüchtling" qualifizieren würde, lässt sich aufgrund der heutigen Situation in der Ukraine nicht in genereller Form bejahen. Demnach ist es dem Beschwerdedeführer aufgrund der vorgehenden Erwägungen zumutbar, sich zusammen mit seiner Mutter in der Ukraine niederzulassen. Auch sprechen keine individuellen Unzumutbarkeitsgründe gegen eine Rückkehr. Gemäss Arztbericht vom 28. April 2004 der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste F._______ liegt beim Beschwerdeführer

      eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor, und er bedarf fachärztlicher psychotherapeutischer Behandlung. Dem Arztbericht vom 2. September 2004 ist neben der Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung ausserdem zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an psychosomatischen Beschwerden mit Herzschmerzen und Atemnot leidet und die Migrationsproblematik sich negativ auf seinen Gesundheitszustand auswirke. Diesbezüglich ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer zusammen mit seiner Mutter in die Ukraine zurückkehren kann, welche sich um ihn kümmern und für ihn sorgen kann. Gemäss Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts ist die medizinische Infrastruktur für eine allenfalls notwendige Weiterführung der Behandlung des Beschwerdeführers in der Ukraine vorhanden. Eine kinderpsychologische Behandlung sollte, wenn nicht in D._______ - dem Wohnort des Beschwerdeführers - selber, so dann auf jeden Fall in G._______, dem Hauptort der Region möglich sein, wo sich neben dem Regionalspital auch eine psychoneurologische Versorgungsstelle befindet und der Beschwerdeführer in ein spezielles Programm für Kinder aufgenommen werden könnte. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer, beziehungsweise seiner Mutter offen steht, bei der Vorinstanz um medizinische Rückkehrhilfe nachzusuchen (Art. 93 AsylG, Art. 62 ff. AsylV 2).

      Nach dem Gesagten sind die Gesuche um Beizug der Akten des Beschwerdeführers der Kinderund Jugendpsychiatrischen Diensten F._______ und um Einholung eines kinderpsychiatrischen Gutachtens abzulehnen, zumal der Sachverhalt genügend erstellt ist. Der Vollzug der Wegweisung ist somit als zumutbar zu bezeichnen.

    8. Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung seines Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (Art. 8 Abs. 4 AsylG), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist.

    9. Insgesamt ist die durch die Vorinstanz verfügte Wegweisung zu bestätigen. Die Vorinstanz hat deren Vollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich erachtet. Nach dem Gesagten fällt eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme ausser Betracht (Art. 14a Abs. 1 - 4 ANAG).

  2. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.

  3. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 600.-- festzusetzen (Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG i.V.m. Art. 2 und 3 des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 11. Dezember 2006 [VGKE, SR 173.320.2]).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Die Verfahrenskosten, bestimmt auf Fr. 600.--, werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen zu Gunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

  3. Dieses Urteil geht an:

    • den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, 2 Expl. (eingeschrieben; Beilagen: Einzahlungsschein, angefochtene Verfügung im Original)

    • die Vorinstanz, Abteilung Aufenthalt und Rückkehrförderung, mit den Akten (Ref.-Nr. N._______)

- das C._______ ad H._______

Der Instruktionsrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Markus König Karin Steiner

Versand am:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.