Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung V |
Dossiernummer: | E-1995/2020 |
Datum: | 26.08.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Schweiz; Aufenthalt; Verfügung; Recht; Beschwerdeführer; Beschwerdeführers; Wegweisung; Person; Aufenthaltsbewilligung; Migration; Familie; Behörde; Erteilung; Verfahren; Bundesverwaltungsgericht; Cousin; Lanka; Ausreise; Vorinstanz; Migrationsamt; Anspruch; Behörden; Akten; Personen; Gesuch; Verfolgung; Asylgesuch; Karten; ändig |
Rechtsnorm: | Art. 33 AIG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 62 AIG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 135 I 143; 138 I 246; 139 I 330 |
Kommentar: | - |
Abteilung V E-1995/2020
Besetzung Richterin Esther Marti (Vorsitz), Richterin Claudia Cotting-Schalch, Richterin Barbara Balmelli, Gerichtsschreiberin Nina Klaus.
Parteien A. , geboren am (…), Sri Lanka,
vertreten durch MLaw Cora Dubach, Freiplatzaktion Basel, Asyl und Integration, (…),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 11. März 2020 / N (…).
I.
Der Beschwerdeführer – ein sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie mit letztem Wohnort in B. , Nordprovinz, verliess seinen Heimatstaat gemäss eigenen Angaben illegal am (…) 2014. In Frankreich habe er ein Asylgesuch gestellt, das abgelehnt worden sei. Im Herbst 2015 habe er in C. seine heutige – seit 2007 in der Schweiz lebende – Ehefrau S. (N […]) nach Hindu-Brauch geheiratet. Am 8. Februar 2016 gelangte der Beschwerdeführer von Frankreich herkommend in die Schweiz und ersuchte am gleichen Tag um Asyl nach. Am 16. Februar 2016 fand die Befragung zur Person statt (BzP; Protokoll in den SEM-Akten: A4/11).
Mit Verfügung vom 8. März 2016 trat das SEM im Rahmen eines Dublinverfahrens auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein und ordnete seine Wegweisung nach Frankreich an. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil E-2277/2016 vom 21. April 2016 ab. Am 13. Mai 2016 meldete das Migrationsamt des Kantons D. dem SEM, der Beschwerdeführer gelte als verschwunden.
II.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 gelangte der Beschwerdeführer über seine Rechtsvertreterin an das SEM und machte geltend, die Überstellungsfrist sei inzwischen abgelaufen, weshalb sein Asylverfahren in der Schweiz durchzuführen sei. Anlässlich einer Anhörung seitens des Migrationsamts des Kantons D. in Bezug auf sein Verschwinden gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe sich seither bei seiner religiös angetrauten Ehefrau und dem am (…) 2016 geborenen gemeinsamen Sohn R. aufgehalten.
Mit Verfügung vom 27. Juni 2018 nahm das SEM infolge Ablaufs der Überstellungsfrist nach Frankreich das Asylverfahren des Beschwerdeführers wieder auf.
Am 8. August 2018 erfolgte die Anhörung zu den Asylgründen (Protokoll in den SEM-Akten: A44/12; nachfolgend A12).
Am 10. August 2018 bewilligte das SEM das Kantonswechselgesuch des Beschwerdeführers und wies ihn antragsgemäss dem Kanton E. zu, wo S. und R. wohnhaft sind. Zur Begründung hielt es fest, aufgrund der Kindesanerkennung vom 19. August 2016 sei praxisgemäss und in Übereinstimmung mit den betroffenen kantonalen Migrationsbehörden von einem Anspruch auf Einheit der Familie auszugehen.
Am (…) 2018 heiratete der Beschwerdeführer S. in der Schweiz zivilrechtlich.
Der Beschwerdeführer gab im Rahmen des erstinstanzlichen Asylverfahrens folgendes zu Protokoll:
Er sei in F. geboren. (…) sei er mit seiner Familie wegen der allgemeinen Kriegslage G. geflohen und von dort nach H. . Nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka im Jahr (…) habe er sich in
B.
niedergelassen. Dort habe er bis (…) im (…)-Laden seines
Cousins gearbeitet. Noch vor Kriegsende seien (…) seiner Brüder G. verschwunden; sie gälten seither als verschollen. Weder seine Familienangehörigen noch er seien Mitglieder der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) gewesen. Allerdings habe er zu Kriegszeiten mehrmals die Rebellen finanziell unterstützt.
In den Jahren (…) und (…) hätten in B. aufgrund von Bombenexplosionen immer wieder Kontrollen stattgefunden im Rahmen welcher es zu Festnahmen gekommen sei. Er sei deshalb insgesamt drei Mal für Befragungen, durchgeführt von Angehörigen des Criminal Investigation Department (CID), mitgenommen worden, da er sich in der Nähe dieser Explosionen aufgehalten habe. Mit Hilfe seines Anwalts sei er jeweils am darauffolgenden Tag wieder freigekommen. Am (…) 2009 sei er zusammen mit vier weiteren Personen nach einem solchen Bombenanschlag festgenommen und für fünf bis sechs Tage inhaftiert worden, währenddessen man ihn geschlagen und mit dem Tod bedroht habe. Nach seiner Haftentlassung habe er etwa zehn Monate lang monatlich eine Unterschrift leisten müssen. Danach habe er in Sri Lanka keine konkreten Probleme mehr gehabt, bis er (…) im (…)-Laden seines Cousins, wo er regelmässig SIMKarten verkauft habe, zwei ehemaligen LTTE-Mitgliedern solche Karten verkauft habe. Im Moment des Verkaufs habe er allerdings nicht gewusst, dass diese Kunden LTTE-Angehörige gewesen seien. Diese Personen seien später ermordet worden. In der Folge sei sein Cousin festgenommen
worden, da er verdächtigt worden sei, enge Kontakte zu diesen LTTE-Mitgliedern gehabt zu haben. Er (Beschwerdeführer) sei zwei bis drei Mal im (…)-Laden, vermutlich vom CID, gesucht worden; er vermute, man habe ihn verdächtigt, von der LTTE-Mitgliedschaft dieser Kunden gewusst zu haben, zumal sein Cousin dies wohl bei der Befragung in der Untersuchungshaft auch angegeben habe. Er habe sich deshalb ab ungefähr August (…) bis zu seiner Ausreise im (…) 2014 bei Freunden und Verwandten versteckt. Da er immer wieder gesucht worden sei, habe er schliesslich seinen Heimatstaat verlassen. Nach seiner Ausreise habe er erfahren, dass sein Cousin zwischenzeitlich, nach insgesamt neun Monaten, aus der Haft entlassen worden sei.
Mit Verfügung vom 11. März 2020 – eröffnet am 13. März 2020 – verneinte das SEM die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers und lehnte sein Asylgesuch vom 8. Februar 2016 ab. Gleichzeitig ordnete es seine Wegweisung aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.
Der Beschwerdeführer gelangte mit Beschwerde seiner Rechtsvertreterin vom 14. April 2020 an das Bundesverwaltungsgericht und beantragt, die Verfügung des SEM vom 11. März 2020 sei aufzuheben und es sei ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren, eventualiter sei die Unzulässigkeit, allenfalls die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme in der Schweiz zu gewähren.
In prozessualer Hinsicht ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses sowie um Beiordnung seiner Rechtsvertreterin als amtliche Rechtsbeiständin.
Als Beilagen reichte er eine Kopie der angefochtenen Verfügung, eine Vollmacht vom 22. Februar 2016 sowie eine Kostennote ein.
Mit Verfügung vom 22. April 2020 bestätigte die Instruktionsrichterin den Eingang der Beschwerde und stellte fest, der Beschwerdeführer könne den Ausgang des Verfahrens einstweilen in der Schweiz abwarten.
Mit Zwischenverfügung vom 24. April 2020 forderte die Instruktionsrichterin den Beschwerdeführer auf, bis zum 1. Mai 2020 eine Beschwerdeverbesserung nachzureichen.
Mit Eingabe vom 27. April 2020 kam der Beschwerdeführer dieser Aufforderung fristgerecht nach und reichte gleichzeitig eine Fürsorgebestätigung des kantonalen Sozialdienstes vom 14. April 2020 zu den Akten.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2020 teilte der Beschwerdeführer mit, seine Ehefrau habe beim kantonalen Migrationsamt ein Gesuch um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs eingereicht, das Verfahren sei aber aufgrund des Asylverfahrens sistiert. Dazu legte er zwei Schreiben ins Recht: Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 teilte das zuständige kantonale Migrationsamt der Ehefrau des Beschwerdeführers mit, das Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs werde nicht anhandgenommen, wobei innert 20 Tagen eine anfechtbare Verfügung verlangt werden könne. Mit Schreiben der Beschwerdeführenden vom 20. April 2020 an die zuständige kantonale Migrationsbehörde ersuchten diese sinngemäss darum, das Gesuch um Gewährung des Familiennachzugs bis zum Abschluss des Asylverfahrens pendent zu halten.
In ihrer Vernehmlassung vom 2. Juni 2020 hält die Vorinstanz mit ergänzenden Bemerkungen an ihrer Verfügung vom 11. März 2020 fest und beantragt sinngemäss die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 8. Juni 2020 lud die Instruktionsrichterin den Beschwerdeführer zur Einreichung einer Replik ein und forderte ihn angesichts dessen, dass sie aufgrund des Schreibens der kantonalen Behörde vom 20. Januar 2020 davon ausging, es sei kein formelles Verfahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung bei der zuständigen Behörde anhängig, auf, bis zum 22. Juni 2020 beim kantonalen Migrationsamt erneut ein Gesuch um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung einzureichen.
Mit Eingabe vom 22. Juni 2020 reichte der Beschwerdeführer eine Replik ein und hielt fest, dass gemäss der beilegten E-Mail des kantonalen Migrationsamtes vom 10. Juni 2020 das Verfahren betreffend Familiennachzug nach wie vor hängig sei.
Mit Eingabe vom 6. Juli 2020 reichte der Beschwerdeführer eine Einladung
zum Erstgespräch in das Ambulatorium I. Dienste E. zu den Akten.
der Psychiatrischen
Mit Verfügung vom 25. Juni 2020 lud die Instruktionsrichterin die Vorinstanz zum weiteren Schriftenwechsel ein, nachdem ein Gesuch um Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung bei der zuständigen kantonalen Behörde hängig sei.
In ihrer ergänzenden Vernehmlassung vom 8. Juli 2020 hält die Vorinstanz mit ergänzenden Bemerkungen weiterhin an ihrer Verfügung vom 11. März 2020 fest und beantragt sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Als Beilage reichte sie eine E-Mail des kantonalen Migrationsamtes an das SEM vom 7. Juli 2020 zu den Akten, worin die zuständige Mitarbeiterin des kantonalen Migrationsamtes die Rechtslage aus der Sicht ihrer Behörde schildert. Die ergänzende Vernehmlassung (inkl. Beilage) wird dem Beschwerdeführer mit dem vorliegenden Urteil zur Kenntnisnahme zugestellt.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVGer) zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – und auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015 [SR 142.31]).
Die Beschwerde ist fristgerecht und – mit innert Frist eingereichter Beschwerdeverbesserung – auch formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (vgl. aArt. 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).
Zur Begründung des ablehnenden Asylentscheids befindet die Vorinstanz die Vorbringen des Beschwerdeführers für nicht asylrelevant, weshalb es sich erübrige, auf die in Fülle vorhandenen Unglaubhaftigkeitselemente einzugehen.
Hinsichtlich des geltend gemachten Ereignisses bezüglich des Verkaufs von SIM-Karten an ehemalige LTTE-Mitglieder (…) hält das SEM im Wesentlichen fest, es sei nicht verständlich, weshalb der Beschwerdeführer sich diesbezüglich nicht allfälligen staatlichen Investigationsmassnahmen gestellt und sich zu diesem relativ simplen Sachverhalt erklärt habe. Denn aufgrund seiner Schilderungen habe er sich zum Zeitpunkt seines Versteckens nichts vorzuwerfen gehabt. Seit dem angeblichen Vorwurf seitens des CID seien mittlerweile rund (…) Jahre verstrichen, und gestützt auf seine Aussagen müsse davon ausgegangen werden, dass er nach seiner Ausreise nicht mehr gesucht worden sei und bezüglich des besagten Vorwurfs auch sonst nichts weiter passiert sei. Ohnehin sei nicht ersichtlich, weshalb der sri-lankische Staat ein Verfolgungsinteresse an seiner Person hegen sollte. Auch sein Cousin sei mittlerweile wieder freigelassen worden. Weder für den Zeitpunkt seines Versteckens noch für den Zeitpunkt seiner Ausreise und noch weniger für eine allfällige heutige Rückkehr sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er Gefahr laufen könnte, asylrelevanten staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt zu sein. Bezeichnenderweise habe er selbst angegeben, er hätte Sri Lanka nicht verlassen, hätte er zum Zeitpunkt seiner Ausreise bereits gewusst, dass sein Cousin wieder freigelassen worden sei.
Auch unter dem Aspekt der Risikofaktoren ergebe sich keine flüchtlingsrechtlich relevante Furcht vor Verfolgung. Insbesondere sei aufgrund des blossen Umstandes, dass er zu Kriegszeiten die Rebellen gelegentlich finanziell unterstützt habe – was gemäss Aktenlage jedoch nie zu konkreten Problemen für ihn geführt habe – und nach Bombenanschlägen zusammen mit anderen Personen festgenommen und befragt worden sei, nicht davon
auszugehen, dass er in den Augen der sri-lankischen Sicherheitsbehörden als Person gelte, die eine besonders enge Beziehung zu den LTTE gepflegt habe. Schliesslich habe er ab Kriegsende bis zumindest (…) nie konkrete Probleme mit den sri-lankischen Behörden gehabt und sei einzig durch den angeblichen unwissentlichen Warenverkauf an eine oder mehrere den Behörden missliebige Personen in den staatlichen Fokus gelangt. Insofern vermöge auch der Polizeirapport aus dem Jahr (…) seine Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. An dieser Einschätzung ändere auch die Präsidentschaftswahl vom 16. November 2019 nichts. Weder habe der Beschwerdeführer diese, respektive deren Folgen, als Gefährdungselement vorgebracht noch seien den Akten Hinweise auf eine Verschärfung seiner persönlichen Situation aufgrund dieses Ereignisses zu entnehmen.
In seiner Beschwerdeschrift wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, seine Aussagen zeichneten – entgegen der Einschätzung des SEM – ein kohärentes und detailreiches Bild seiner Verfolgungssituation. Hinsichtlich des Sachverhalts hält er sodann ergänzend fest, Angehörige des CID hätten seinem Cousin und seinen Verwandten mitgeteilt, dass sie dem CID eine allfällige Rückkehr des Beschwerdeführers zu melden hätten. Der Argumentation der Vorinstanz entgegnet er im Wesentlichen, es könne nicht angenommen werden, dass er von den sri-lankischen Behörden nichts zu befürchten hätte, nur weil er nicht bewusst SIM-Karten an ehemalige LTTEMitglieder verkauft habe. Im Weiteren suggerierten seine finanzielle Unterstützung der LTTE sowie das Verschwinden seiner (…) Brüder während des Krieges eine Nähe zu den LTTE. Nachdem er von den sri-lankischen Behörden immer noch gesucht werde, habe er zu befürchten, in ähnlicher Weise wie sein Cousin festgenommen und befragt zu werden. Dieser sei nur mit einer Ausreisesperre entlassen worden und habe während der Haft ausgesagt, der Beschwerdeführer sei verantwortlich gewesen für den Verkauf der SIM-Karten. Selbst wenn die asylrelevante Intensität bezüglich der erlittenen Ereignisse nicht erfüllt wäre, so sei ein unerträglicher psychischer Druck zu bejahen. Was seine Aussage anlässlich der Anhörung betreffe, wonach er nicht ausgereist wäre, hätte er damals bereits von der Freilassung seines Cousins gewusst, habe er die entsprechende Frage nicht richtig verstanden, weshalb die protokollierte Antwort nicht korrekt sei.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er erfülle mehrere Risikofaktoren im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts E-1866/2015 vom 15. Juli 2016 (als Referenzurteil publiziert). Aufgrund des Regierungswechsels in Sri Lanka am 16. November 2019 habe sich die Lage dort zudem verschärft. Es könne zum heutigen Zeitpunkt deshalb
nicht ausgeschlossen werden, dass aus der Schweiz rückkehrenden Asylsuchenden Folter, Inhaftierung oder andere unmenschliche Behandlungen in Sri Lanka drohten.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt nach eingehender Prüfung der Akten fest, dass die Einschätzung des SEM, die Vorbringen des Beschwerdeführers erfüllten die Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft nicht, zutrifft.
Die (…) und (…) erlittenen Festnahmen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung im Zeitpunkt seiner Ausreise zu begründen. Denn zum einen machte er aufgrund dieser Festnahmen keine weiteren Probleme geltend, die sich zwischen (…) und seiner Ausreise aus Sri Lanka ereignet hätten (vgl. A44 F38), solches ergibt sich auch nicht aus den Akten. Auch wenn verständlich ist, dass die geschilderten Erlebnisse – insbesondere die anlässlich der letzten Festnahme mit der Pistole vorgebrachte Bedrohung – für den Beschwerdeführer einschneidend gewesen seien (vgl. A44 F82), dürften sie zum anderen den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft bereits mangels der erforderlichen Intensität nicht genügen. Ganz abgesehen davon fehlt ihnen dass ihnen sowohl der zeitliche als auch der sachliche Kausalzusammenhang zur Ausreise.
Bezüglich des Vorfalls mit dem Verkauf von SIM-Karten an ehemalige LTTE-Mitglieder (…) wird betreffend Begründung des SEM, es sei nicht ersichtlich, weshalb sich der Beschwerdeführer nicht allfälligen staatlichen Untersuchungsmassnahmen gestellt habe, in der Beschwerde zu Recht gerügt, dass diese Argumentation nicht haltbar sei (vgl. Beschwerde Ziff. 22 S. 9), namentlich in Berücksichtigung des landesspezifischen Hintergrundes. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer früher schon mehrmals von den sri-lankischen Behörden festgehalten, befragt und dabei auch geschlagen und bedroht wurde. Auch war sein Cousin im Zusammenhang mit dem fraglichen Verkauf von SIM-Karten verhaftet worden, obwohl auch er nicht im Bilde gewesen sei, dass es sich bei den Käufern um ehemalige LTTE Mitglieder gehandelt habe. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation der Vorinstanz, es sei unverständlich, dass der Beschwerdeführer sich nicht freiwillig den Behörden gestellt habe, tatsächlich nicht haltbar.
Demgegenüber gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, aus diesem Ereignis eine asylrelevante Verfolgung abzuleiten. Zwar ist ein gewisses Interesse der sri-lankischen Behörden am Beschwerdeführer nicht völlig auszuschliessen, allerdings brachte er vor, dass diese ehemaligen LTTE-Mitglieder, denen er die SIM-Karten verkauft habe, bereits tot seien (vgl. A44 F38), weshalb nicht ganz klar ist, worin das Interesse der Behörden weiterhin bestehen sollte. Auffallend ist auch, dass er bei der Anhörung weder genau angeben konnte, wer ihn im Laden gesucht habe noch was die Personen von ihm gewollt hätten (vgl. A44 F52ff.). Bezeichnend ist zudem, dass sogar sein Cousin als Inhaber des Geschäfts und somit Verantwortlicher mittlerweile wieder freigelassen wurde, was gegen ein Verfolgungsinteresse der Behörden spricht. Daran ändert weder etwas, dass der Beschwerdeführer nun auf Beschwerdestufe angibt, der Cousin habe den Behörden gesagt, der Beschwerdeführer sei verantwortlich gewesen für den Verkauf der SIM-Karten noch, dass der Cousin nur mit einer Ausreisesperre entlassen worden sei. Ausserdem verweist das SEM zu Recht darauf, dass der Beschwerdeführer anlässlich der Anhörung ausgesagt hatte, er hätte Sri Lanka nicht verlassen, wenn er im Zeitpunkt seiner Ausreise bereits von der Freilassung seines Cousins gewusst hätte (vgl. A44 F71), was bereits in subjektiver Hinsicht gegen eine (noch) bestehende Furcht spricht. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er habe die diesbezügliche Frage wegen seiner schlechten psychischen Verfassung nicht richtig verstanden. Dies ergebe sich aus der gleichzeitig bekundeten Angst vor einer Rückkehr (vgl. Ziff. 25 S. 10 der Beschwerde). Zwar ist richtig, dass der Beschwerdeführer unter der Frage auch seine Angst vor einer Rückkehr nach Sri Lanka genannt hat. Gleichzeitig ist nicht ersichtlich, weshalb er nicht auch hier hätte bekunden können, er verstehe die Frage nicht, wäre dies tatsächlich so gewesen, war er doch an anderer Stelle dazu in der Lage (vgl. A44 F64). Auch hatte der Beschwerdeführer angegeben, die Dolmetscherin gut zu verstehen (vgl. A44 F1) und bestätigte am Ende der Anhörung mit seiner Unterschrift, dass die protokollierten Angaben seinen Aussagen entsprächen, wobei ihm das Protokoll in eine ihm verständliche Sprache rückübersetzt worden sei (vgl. A44 S. 11).
Nach dem Gesagten gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, für den Zeitpunkt der Ausreise eine auch objektiv begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Entgegen der Auffassung in der Beschwerde sind im Übrigen auch die geltend gemachten Ereignisse in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die hohen Anforderungen an die Annahme eines unerträglichen psychischen Druckes im Sinne von Art. 3 Abs. 2 AsylG zu erfüllen.
Hinsichtlich einer im heutigen Zeitpunkt allenfalls begründeten Furcht vor Verfolgung ist folgendes festzuhalten:
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde plötzlich vorbringt, das CID habe seine Angehörigen angewiesen, seine allfällige Rückkehr nach Sri Lanka dem CID zu melden, vermag er auch daraus nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. So hatte er zuvor nie angegeben, seine Familienangehörigen, die zudem noch teilweise in seinem Dorf lebten, seien wegen ihm kontaktiert worden. Er erklärte vielmehr anlässlich der Anhörung ausdrücklich, dass seine Familienangehörigen nach seiner Ausreise vermutlich keine Schwierigkeiten mehr wegen ihm gehabt hätten (vgl. A44 F77 f.). Auch wird in keiner Weise konkretisiert, wann und wie oft die Behörden gekommen seien oder aus welchen Gründen er sich dort melden solle. Dasselbe gilt im Übrigen hinsichtlich dem erstmaligen und substanzlosen Hinweis in der Beschwerde, es liege eine Vorladung für den Beschwerdeführer vor.
Zwar ist eine gewisse subjektive Furcht des Beschwerdeführers nachvollziehbar aufgrund der Festnahmen (…) und (…) sowie dem Ereignis (…) im Zusammenhang mit dem Verkauf von SIM-Karten und der Festnahme seines Cousins sowie allfälliger damaliger Nachfragen von unbekannten Personen nach ihm im Laden. Demgegenüber ist diese Furcht, so zutreffend das SEM, auch heute nicht objektiv begründet. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, das Verschwinden seiner (…) Brüder während des Krieges lasse eine Verbindung seinerseits zu den LTTE annehmen (vgl. Beschwerde Ziff. 23 S. 10), ändert dies nichts daran. Denn anlässlich der Anhörung hatte er angegeben, von seinen Familienmitgliedern habe niemand den LTTE angehört (vgl. A44 F34) und der Grund für das Verschwinden seiner Brüder ist offenbar nicht bekannt. Auch geht nirgends aus den Akten hervor, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise im Zusammenhang mit seinen Brüdern in irgendeiner Weise in den Fokus der Behörden geraten wäre. Es ist nicht ersichtlich, weshalb er nun bei seiner Rückkehr deswegen verdächtigt werden sollte, relevante Verbindungen zu den LTTE zu haben. Eine solche ergibt sich auch nicht aus seiner gelegentlichen finanziellen Unterstützung der LTTE zu Kriegszeiten.
Zu Recht verneinte das SEM schliesslich das Vorliegen allfälliger Risikofaktoren im Hinblick auf die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Sri Lanka im Sinne des Referenzurteils des BVGer E-1866/2015 E. 8.4. Auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung kann ver-
wiesen werden (vgl. ebd. Ziff. II b). Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka im November 2019 und der drauffolgende Regierungswechsel vermögen, wie das SEM ebenfalls ausführlich begründet hat, an dieser Einschätzung nichts zu ändern, zumal der Beschwerdeführer keinen persönlichen Bezug zur Präsidentschaftswahl vom 16. November 2019 und den seitherigen Entwicklungen dargetan hat. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann er schliesslich aus der Ende November 2019 erfolgten Verhaftung einer sri-lankischen Mitarbeiterin der Schweizerischen Botschaft in Colombo. Gemäss Auskunft der Schweizerischen Botschaft befanden sich keine Daten über sich in der Schweiz aufhaltende, asylsuchende Personen aus Sri Lanka auf dem beschlagnahmten Mobiltelefon, und es gelangten auch anderweitig keine Informationen in Bezug auf die erwähnten Personen an Dritte. Somit liegen auch unter diesem Aspekt keine Hinweise auf eine erhöhte Gefährdung des Beschwerdeführers vor. Dafür, dass seit dem Machtwechsel in Sri Lanka ganze Bevölkerungsgruppen oder Rückkehrer aus der Schweiz – auch tamilischer Ethnie – im allgemeinen, ohne jegliche weitere individuelle Gefährdungskomponente, einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären, gibt es auch heute keine Anhaltspunkte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine im Sinne von Art. 3 AsylG relevante Verfolgungsgefahr darzulegen. Er erfüllt die Flüchtlingseigenschaft nicht und die Vorinstanz hat sein Asylgesuch demzufolge zu Recht abgelehnt.
Gemäss Art. 44 AsylG verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz, wenn es das Asylgesuch ablehnt oder nicht darauf eintritt. Die Wegweisung wird unter anderem dann nicht verfügt, wenn die asylsuchende Person im Besitz einer Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung ist (Art. 32 Abs. 1 Bst. a der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311]), oder wenn ein potenzieller Anspruch auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Unter dem Aspekt der Wegweisung erwägt das SEM in der angefochtenen Verfügung und in der ergänzenden Vernehmlassung, die Ehefrau des Beschwerdeführers verfüge in der Schweiz lediglich über eine Härtefallbewilligung ohne Verlängerungsanspruch, weshalb weder für sie noch für das gemeinsame Kind ein faktisch gefestigtes Anwesenheitsrecht in der
Schweiz vorliege. Der Beschwerdeführer könne sich deshalb nicht auf einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung berufen. Im Übrigen sei der E-Mail des kantonalen Migrationsamtes an das SEM vom
7. Juli 2020 zu entnehmen, dass der Nichteintretensentscheid des Migrationsamtes vom 20. Januar 2020 bis anhin allein aufgrund rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht habe in Rechtskraft erwachsen können. Es sei nicht im Sinne der Gesetzgebung, unter offensichtlicher Ermangelung eines potenziellen Anspruchs gestellte Familiennachzugsgesuche beim Kanton zu deponieren, eine anfechtbare Verfügung zum Nichteintreten hinauszuzögern und sich sodann darauf zu berufen, beim Kanton sei ein Familiennachzugsgesuch hängig. Die Konstellation im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-3936/2019 vom 3. März 2020 unterscheide sich wesentlich von jener im vorliegenden Verfahren. Während das Anwesenheitsrecht der Ehefrau in E-3936/2019 auf dem gefestigten Aufenthaltsrecht ihres Kindes in der Schweiz beruht habe, habe das Kind des Beschwerdeführers den gleichen Aufenthaltsstatus wie seine Mutter.
In Art. 14 Abs. 1 AsylG ist der sogenannte Grundsatz des Vorrangs des Asylverfahrens (gegenüber ausländerrechtlichen Verfahren) festgehalten. Demnach kann eine asylsuchende Person ab Einreichung des Asylgesuches bis zur Ausreise nach einer rechtskräftig angeordneten Wegweisung, nach einem Rückzug des Asylgesuches oder bis zur Anordnung einer Ersatzmassnahme bei nicht durchführbarem Vollzug kein Verfahren um Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung einleiten, ausser es bestehe ein potenzieller Anspruch auf deren Erteilung. Ist dies der Fall, geht die Zuständigkeit, die Wegweisung aus der Schweiz zu verfügen, von den Asylbehörden auf die kantonale Ausländerbehörde über, welche über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu befinden hat (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4 und Entscheidungen und Mitteilungen der vormaligen Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2001 Nr. 21 E. 8d).
Im Asylund Wegweisungsverfahren ist daher vorfrageweise zu prüfen, ob sich die asylsuchende Person auf einen grundsätzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung berufen kann. Als Anspruchsgrundlage fällt dabei unter anderem Art. 8 EMRK in Betracht, wobei diesbezüglich die bundesgerichtliche Rechtsprechung massgeblich ist. Diese besagt, dass Ausländerinnen und Ausländern gestützt auf den in Art. 8 EMRK und Art. 13 BV gewährleisteten Schutz des Familienlebens ein potenzieller Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz erwächst, wenn eine nahe, echte und
tatsächlich gelebte familiäre Beziehung vorliegt. Zu den Familienbeziehungen, die nach dem Bundesgericht unter den Schutz von Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, gehört neben jener zwischen den Gatten auch jene zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Weiter muss es sich beim in der Schweiz lebenden Familienmitglied grundsätzlich um eine hier gefestigt anwesenheitsberechtigte Person handeln (vgl. BGE 139 I 330 E. 2.1). Von einem gefestigten Anwesenheitsrecht ist ohne weiteres bei schweizerischer Staatsangehörigkeit auszugehen, ebenso bei einer Niederlassungsoder Aufenthaltsbewilligung, auf deren Verlängerung ein Anspruch besteht (vgl. BGE 135 I 143 E. 1.3.1 m.w.H.). Auf den Schutz des Privatund Familienlebens können sich in Ausnahmesituationen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesgerichts auch Personen berufen, deren Anwesenheit rechtlich nicht geregelt ist beziehungsweise die allenfalls über kein (gefestigtes) Anwesenheitsrecht verfügen, deren Anwesenheit aber faktisch als Realität hingenommen wird respektive aus objektiven Gründen hingenommen werden muss (vgl. BGE 138 I 246 E. 3.3.1, 130 II 281 E.3.2.2 m.w.H. sowie
Urteile des BGer 2C_639/2012 vom 13. Februar 2013 E. 1.2.2 und 4.4;
2C_1045/2014 vom 26. Juni 2015 E. 1.1.3; 2C_360/2016 vom 31. Ja-
nuar 2017 E. 5.2; vgl. zur Rechtsprechung des EGMR die Urteile Jeunesse gegen Niederlande vom 3. Oktober 2014, 12738/10, § 103 ff. m.w.H., Agraw gegen Schweiz vom 29. Juli 2010, 3295/06, § 44 ff. und Mengesha Kimfe gegen Schweiz vom 29. Juli 2010, 24404/05, § 61 ff.).
Ergibt die vorfrageweise Prüfung, dass sich die asylsuchende Person auf einen grundsätzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung berufen kann, ist sie im Asylund Wegweisungsverfahren darauf hinzuweisen, dass sie ein entsprechendes Bewilligungsgesuch bei der zuständigen kantonalen Ausländerbehörde einzureichen hat. Ist bei der kantonalen Ausländerbehörde bereits ein Verfahren um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hängig, so hat das SEM – weist es das Asylgesuch ab oder tritt es auf dieses nicht ein – die Wegweisung nicht zu verfügen. Das Bundesverwaltungsgericht hebt diesfalls eine vom SEM verfügte Wegweisung auf (vgl. BVGE 2013/37; ebenso EMARK 2001 Nr. 21 E. 9a).
Das Bundesverwaltungsgericht kommt vorliegend zu folgendem Schluss:
Der Beschwerdeführer verweist in der Beschwerdeschrift zu Recht darauf, dass er sich potenziell auf Art. 8 EMRK und Art. 13 BV berufen könne. Die Beziehung zu S., mit der er sich Ende 2015 nach Brauch verheiratet habe,
ist seit spätestens dem 23. Februar 2016 aktenkundig. Im Frühjahr 2016 wurde das zivilrechtliche Ehevorbereitungsverfahren in der Schweiz eingeleitet und am (…) 2016 wurde der gemeinsame Sohn R. geboren, der vom Beschwerdeführer am 19. August 2016 anerkannt wurde. Am 10. August 2018 wurde das Kantonswechselgesuch zu Gunsten des Beschwerdeführers gestützt auf die auch vom Kanton E. erkannte Familieneinheit gutgeheissen und am (…) heirateten S. und der Beschwerdeführer in der Schweiz. Es ist somit im heutigen Zeitpunkt von einer gelebten familiären Beziehung auszugehen, was offenkundig auch von den kantonalen Behörden nicht bestritten wird.
S. verliess Sri Lanka am (…) 2007 und wurde im Rahmen ihres Asylverfahrens mit Verfügung des damaligen Bundesamtes für Migration vom 10. Juli 2008 wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufgenommen, seit dem 2. Oktober 2014 verfügt sie gestützt auf eine Härtefallregelung über eine Jahresaufenthaltsbewilligung B. Nach Art. 33 Abs. 3 AIG (SR 142.20) kann eine befristete Aufenthaltsbewilligung verlängert werden, wenn keine Widerrufsgründe nach Art. 62 Abs. 1 AIG vorliegen. Zwar verfügt S. nicht über ein "gefestigtes Anwesenheitsrecht" im Sinne der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Schweizer Bürgerrecht, Niederlassungsbewilligung oder Aufenthaltsbewilligung, die auf einem gefestigten Rechtsanspruch beruht). Wie erwähnt hat auch das Bundesgericht aber seine entsprechende Rechtsprechung im Laufe der vergangenen Jahre relativiert und festgehalten, dass sich in Ausnahmefällen auch Personen auf Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen könnten, deren Anwesenheit rechtlich nicht geregelt ist beziehungsweise die allenfalls über kein (gefestigtes) Aufenthaltsrecht verfügen, deren Anwesenheit aber faktisch als Realität hingenommen wird beziehungsweise die aus objektiven Gründen hingenommen werden muss. Dass in der vorliegenden Situation, wo die Ehefrau des Beschwerdeführers seit bald dreizehn Jahren in der Schweiz lebt, zunächst als vorläufig aufgenommene Person, seit 2014 im Rahmen einer jährlich erneuerten Aufenthaltsbewilligung – wobei seit der letzten Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung B vom 1. November 2019 nichts auf besondere Widerrufsgründe hindeutet – unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände potenziell von einem anspruchsbegründenden faktisch gefestigtes Aufenthaltsrecht von S. in der Schweiz auszugehen ist, darf angenommen werden. Die Ausführungen der Vorinstanz im Rahmen der ergänzenden Vernehmlassung sind nicht geeignet, diesen potenziellen Anspruch zu verneinen. Die Vorinstanz verkennt insbesondere, dass das Gericht im Urteil E-3936/2019 E. 6.6, welches eine vergleichbare
Konstellation wie das vorliegende Verfahren beinhaltet, das faktisch gefestigte Aufenthaltsrecht der Ehefrau nicht in entscheidender Weise lediglich aufgrund des gefestigten Aufenthaltsrechts ihres Kindes bejahte.
Damit ist insgesamt festzustellen, dass das SEM zu Unrecht den Schluss gezogen hat, es liege kein potenzieller Anspruch des Beschwerdeführers auf die Erteilung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsbewilligung vor. Ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu Gunsten des Beschwerdeführers im Rahmen des Familiennachzugs ging bereits am 20. Dezember 2018 beim Migrationsamt des Kantons E. ein. Die Zuständigkeit der Asylbehörden beziehungsweise des Bundesverwaltungsgerichts zur Prüfung der Wegweisung des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls von Wegweisungsvollzugshindernissen) ist damit nicht mehr gegeben und die vom SEM verfügte Wegweisung (Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung) ist aufzuheben. Der Umstand, dass das kantonale Migrationsamt mit Verfügung vom 14. August 2020 auf das Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht eingetreten ist, vermag daran nichts zu ändern, zumal diese Verfügung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. u.a. Urteil des BVGer E-4552/2008 vom 8. März 2012 E. 6.4).
Zusammenfassend ist die Beschwerde im Asylpunkt abzuweisen. Die Dispositivziffern 1 (Verneinung der Flüchtlingseigenschaft) und 2 (Abweisung des Asylgesuchs) sind zu bestätigen. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde ist die verfügte Wegweisung (Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung) aufzuheben, womit auch die Dispositivziffern 4 und 5 dahinfallen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Parteientschädigung sind grundsätzlich nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen des Beschwerdeführers aufzuerlegen beziehungsweise zuzusprechen. Der Beschwerdeführer ist bezüglich der Frage der Flüchtlingseigenschaft und des Asyls unterlegen. Bezüglich der Anordnung der Wegweisung hingegen hat er obsiegt. Praxisgemäss bedeutet dies ein hälftiges Obsiegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG).
Aufgrund des hälftigen Unterliegens des Beschwerdeführers wären ihm reduzierte Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten mit Zwischenverfügung vom 12. Mai 2020 gutgeheissen hat und keine
Veränderung seiner finanziellen Verhältnisse ersichtlich ist, sind keine Kosten zu erheben.
Soweit der Beschwerdeführer zur Hälfte obsiegt, hat er Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihm erwachsenen notwendigen Kosten, die vom SEM auszurichten ist (Art. 64 Abs. 1 VwVG, Art. 7 Abs. 1 und 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers hat mit der Beschwerde eine Kostennote zu den Akten gereicht, die einen zeitlichen Vertretungsaufwand von insgesamt 13 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 150.– ausweist. Dieser scheint auch in Berücksichtigung der weiteren Eingaben nicht vollumfänglich angemessen. Insbesondere scheint der mit neun Stunden veranschlagte Zeitaufwand für das Verfassen der Beschwerde deutlich überhöht, zumal der darin ausführlich wiedergegebene Sachverhalt sowie die detaillierten Ausführungen der Vorinstanz aus der angefochtenen Verfügung nicht notwendig sind (vgl. Art. 7 Abs. 1 VGKE). Zudem kann der geltend gemachte Aufwand von 0.5 Stunden für die Erstellung der Kostennote praxisgemäss nicht berücksichtigt werden. Der zeitliche Vertretungsaufwand ist demnach auf insgesamt 9 Stunden zu kürzen. Unter Einbezug der veranschlagten Kosten für die Übersetzungen von Fr. 120.– und der Auslagen ergibt sich somit unter Berücksichtigung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (Art. 8 ff. VGKE) ein Betrag von Fr. 1'480.–. Angesichts des hälftigen Obsiegens ergibt dies eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 740.– zu Lasten der Vorinstanz. Diese ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer diesen Betrag auszurichten. Für den Umfang des hälftigen Unterliegens, ist der Rechtsvertreterin ein Honorar für die amtliche Verbeiständung von Fr. 740.– zu Lasten der Gerichtskasse auszurichten.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird betreffend Verneinung der Flüchtlingseigenschaft und Ablehnung Asylgesuch abgewiesen. Betreffend Wegweisung wird die Beschwerde gutgeheissen. Die Dispositivziffer 3 der Verfügung des SEM vom 11. März 2020 wird aufgehoben.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 740.– auszurichten.
Der rubrizierten Rechtsvertreterin wird ein amtliches Honorar von Fr. 740.– zulasten der Gerichtskasse ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Esther Marti Nina Klaus
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