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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-729/2022

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-729/2022

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-729/2022
Datum:21.02.2022
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)
Schlagwörter : Bulgarien; Vorinstanz; Mitgliedstaat; Dublin-III-VO; Behandlung; Antrag; Asylgesuch; Bundesverwaltungsgericht; Über; Schweiz; Zuständigkeit; Asyls; Verfügung; Beschwerdeführers; Antrags; Recht; Behörde; Wegweisung; Sachverhalt; Verfahren; Staat; Person; Überstellung; Behörden; Asylsuchende
Rechtsnorm: Art. 33a VwVG ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 VwVG ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-729/2022

U r t e i l v o m 2 1 . F e b r u a r 2 0 2 2

Besetzung Einzelrichter Simon Thurnheer,

mit Zustimmung von Richter Gregor Chatton; Gerichtsschreiberin Sarah Rutishauser.

Parteien A. , geboren am (…), Afghanistan,

vertreten durch MLaw Eliane Schmid, Rechtsanwältin, SOS Ticino Protezione giuridica della Regione Ticino e Svizzera centrale - Caritas Svizzera,

(…) Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);

Verfügung des SEM vom 7. Februar 2022 / N (…).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am 8. Januar 2022 in der Schweiz um Asyl nach. Ein Abgleich seiner Fingerabdrücke mit der europäischen Fingerabdruck-Datenbank (Eurodac) ergab, dass er am 12. November 2021 bereits in Bulgarien um Asyl nachgesucht hatte.

B.

Die Vorinstanz befragte den Beschwerdeführer am 19. Januar 2022 zu seiner Person (PA) und am 21. Januar 2022 in einem persönlichen Gespräch zur allfälligen Zuständigkeit Bulgariens zur Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens und zu einer Überstellung dorthin. Der Beschwerdeführer führte aus, nach drei Einreiseversuchen in Bulgarien in ein Gefängnis gebracht worden zu sein. Die bulgarische Polizei habe ihm Gewalt angetan und er habe nur einmal wöchentlich Urlaub sowie alle 24 Stunden Toilettengang gehabt und mit dreissig bis vierzig Menschen in einem Raum schlafen müssen. Er wolle nicht nach Bulgarien zurückkehren. Sein Asylgesuch würde dort vermutungsweise auch nicht behandelt werden. Zum medizinischen Sachverhalt befragt, gab er an, vor sechs Monaten an Kopfschmerzen gelitten zu haben, welche sich nach einer medikamentösen Behandlung in der Schweiz verbessert hätten und es ihm ansonsten gut gehe («un normale mal die testa e sta bene»).

C.

Am 21. Januar 2022 ersuchte das SEM die bulgarischen Behörden um Rückübernahme des Beschwerdeführers gemäss Art. 18 Abs. 1 Bst. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO). Die bulgarischen Behörden hiessen das Ersuchen am 4. Februar 2022 gut.

D.

Mit am 8. Februar 2022 eröffneter Verfügung vom 7. Februar 2022 trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG (SR 142.31) auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, ordnete die Wegweisung aus der Schweiz nach Bulgarien an und forderte den Beschwerdeführer auf, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen. Gleichzeitig stellte es fest, einer allfälligen Beschwerde gegen den Entscheid komme keine aufschiebende Wirkung zu, und verfügte die

Aushändigung der editionspflichtigen Akten gemäss Aktenverzeichnis an den Beschwerdeführer.

E.

Mit Eingabe seiner Rechtsvertreterin vom 15. Februar 2022 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung vom 7. Februar 2022. Es sei die Zuständigkeit der Schweiz festzustellen und das Asylgesuch materiell zu prüfen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, die Anordnung eines Vollzugsstopps sowie um die unentgeltliche Prozessführung unter Verzicht auf das Erheben eines Kostenvorschusses ersucht.

F.

Die vorinstanzlichen Akten lagen dem Bundesverwaltungsgericht am

16. Februar 2022 in elektronischer Form vor (vgl. Art. 109 Abs. 3 und 4 AsylG).

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – so auch vorliegend – endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht (Art. 118 Abs. 3 AsylG; Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 52 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt, hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung und ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 37 VGG und Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

    3. Im Beschwerdeverfahren ist die Sprache des angefochtenen Entscheids massgebend. Verwenden die Parteien eine andere Amtssprache,

so dann das Verfahren in dieser Sprache (hier Deutsch) geführt werden (Art. 33a Abs. 2 VwVG).

2.

    1. Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Missbrauch und Überschreiten des Ermessens) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

    2. Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen (Art. 31a Abs. 1–3 AsylG), ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2017 VI/5 E. 3.1; 2012/4 E. 2.2, je m.w.H.).

3.

Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wie der vorliegenden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (vgl. Art. 111 Bst. e AsylG). Der Beschwerdeentscheid ist nur summarisch zu begründen (Art. 111a Abs. 2 AsylG) und auf einen Schriftenwechsel wurde in Anwendung von Art. 111a Abs. 1 AsylG verzichtet.

4.

    1. In der Beschwerde werden formelle Rügen erhoben, welche vorab zu beurteilen sind, da sie gegebenenfalls geeignet sind, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken.

      Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und sie sei ihren Untersuchungspflichten nicht nachgekommen. Sie habe nicht abgeklärt, inwiefern er auf medizinische beziehungsweise psychologische Behandlung angewiesen sei, wenn er das stabile Umfeld der Schweiz verlassen müsse, obwohl er ihr von seinen Kopfschmerzen und seinen Erkundigungen hinsichtlich eines psychologischen Beratungstermins berichtet habe ([…]). Im Weiteren wären Garantien für den Ausschluss der Konfrontation von menschenunwürdigen Umständen einzuholen gewesen. Die Vorinstanz habe den Beschwerdeführer zu wenig zu seinen (Gewalt-) Erlebnissen befragt und in ihrem Entscheid humanitäre Gründe für einen Selbsteintritt, die neusten Entwicklungen in

      Bulgarien und die Push Back-Problematik in ihren Erwägungen nicht gebührend berücksichtigt. Mit der Versagung des Selbsteintrittes habe sie ferner ihr Ermessen nicht richtig ausgeübt ([…]).

    2. Der Untersuchungsgrundsatz betrifft die Abklärungspflicht der Behörde. Der entsprechende Beschwerdegrund erscheint in der Variante «unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes» in Art. 49 Bst. b VwVG bzw. Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG. Er ist erfüllt, wenn die Behörde den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von Amtes wegen abgeklärt, oder nicht alle für den Entscheid wesentlichen Sachumstände berücksichtigt hat (vgl. BENJAMIN SCHINDLER, in: Kommentar zum VwVG, 2. Aufl. 2019, Art. 49 N. 29). Der Untersuchungsgrundsatz findet seine Grenze an der Mitwirkungspflicht der gesuchstellenden Person (Art. 8 AsylG, Art. 13 VwVG).

      1. Seinen Gesundheitszustand beschrieb der Beschwerdeführer im Rahmen des Dublin-Gesprächs vom 21. Januar 2022 mit Ausnahme von normalen, mit Medikamenten behandelbaren Kopfschmerzen als gut ([…]; Behandlung mit Dafalgan). Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer zu seinem Aufenthalt in Bulgarien im Rahmen des Dublin-Gesprächs vom 21. Januar 2022 befragt und er konnte sich frei dazu, wie auch zu den vorgebrachten (Gewalt-) Erlebnissen, äussern. Vor diesem Hintergrund bestand für die Vorinstanz keine Veranlassung, weitere Abklärungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vorzunehmen und auch hinsichtlich des Aufenthalts in Bulgarien ist nicht von einem unvollständig festgestellten Sachverhalt auszugehen. Die Vorinstanz hat den Untersuchungsgrundsatz nicht verletzt.

      2. Die Rüge betreffend die neusten Entwicklungen in Bulgarien stehen im Zusammenhang mit dem Vorbringen, wonach Bulgarien systemische Mängel in der Behandlung von Asylsuchenden aufweise (vgl. E. 6.2.2). Es kann daher auf E. 6.2.2 verwiesen werden, wobei der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass illegale Push-Backs sich in einem Wiederaufnahmeverfahren wie dem vorliegenden sachlogisch nicht ereignen können.

      3. Wie die nachstehenden Erwägungen 7 aufzeigen, erweisen sich auch die übrigen Rügen betreffend unterlassene Abklärung des Zugangs zu medizinischer und psychologischer Behandlung in Bulgarien beziehungsweise fehlende Einholung von Garantien als unbegründet.

4.3 Insgesamt erweisen sich die formellen Rügen als unbegründet, weshalb das Eventualbegehren um Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz abzuweisen ist.

5.

    1. Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG). In diesem Fall verfügt das SEM in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an (Art. 44 AsylG).

    2. Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Asylantrag gestellt wird (Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO).

Im Fall eines sogenannten Aufnahmeverfahrens (engl.: take charge) sind die in Kapitel III (Art. 8–15 Dublin-III-VO) genannten Kriterien in der dort aufgeführten Rangfolge (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO) anzuwenden, und es ist von der Situation im Zeitpunkt, in dem der Antragsteller erstmals einen Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt hat, auszugehen (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO). Im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens (engl.: take back) findet demgegenüber grundsätzlich keine (erneute) Zuständigkeitsprüfung nach Kapitel III statt (vgl. zum Ganzen BVGE 2019 VI/7 E. 4-6; 2017 VI/5 E. 6.2 und

8.2.1 m.w.H.).

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in jenem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2012/C 326/02, nachfolgend: EU-Grundrechtecharta) mit sich bringen, ist zu prüfen, ob aufgrund dieser Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden, wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO).

    1. Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Massgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO).

    2. Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschliessen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO; sog. Selbsteintrittsrecht).

6.

    1. Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Beschwerdeführers mit der "Eurodac"-Datenbank ergab, dass er am 12. November 2021 in Bulgarien ein Asylgesuch eingereicht hatte. Das SEM ersuchte deshalb gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Bst. b Dublin-III-VO die bulgarischen Behörden am 21. Januar 2022 um Wiederaufnahme der Beschwerdeführenden. Die bulgarischen Behörden stimmten dem Gesuch um Übernahme am 4. Februar 2022 zu.

      Der Einwand des Beschwerdeführers, er sei in Bulgarien zur Einreichung eines Asylgesuches gezwungen worden, ist eine blosse Schutzbehauptung, welche bezüglich der Zuständigkeitsfrage ohnehin unbehelflich ist, da bereits die vom Beschwerdeführer unbestrittene Einreise in das Hoheitsgebiet des Dublin-Staates die Zuständigkeit Bulgariens für die Durchführung des Asylund Wegweisungsverfahrens begründet (Art. 18 Abs. 1 Bst. a Dublin-III-VO).

      Die staatsvertragliche Zuständigkeit Bulgariens ist somit gegeben.

    2. Im Lichte von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO ist zu prüfen, ob es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Bulgarien würden systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen würden.

      1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das bulgarische Asylsystem weise systemische Mängel auf. Die Lebensbedingungen von Asylsuchenden

        seien desaströs, es komme zu Polizeigewalt (Asylsuchende würden geschlagen), zu illegalen Push-Backs und die medizinische Versorgung sei nicht gewährleistet. Diese menschenunwürdigen Zustände in Bulgarien würden auch vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil F-7195/2018 vom 11. Februar 2020 E. 6.6.7) sowie von öffentlichen Quellen kritisiert (beispielsweise Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH vom 30. August 2019; AIDA Country Report: Bulgarien, Update 2020, S. 61; und viele mehr; […]).

      2. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich – wie vom Beschwerdeführer zutreffend genannt – im Referenzurteil F-7195/2018 vom 11. Februar 2020 ausführlich mit dem bulgarischen Asylsystem und der Situation asylsuchender Personen in Bulgarien auseinandergesetzt. Es hat festgehalten, dass das dortige Asylverfahren sowie die Aufnahmebedingungen zwar gewisse Mängel aufweisen würden, diese aber nicht systemischer Natur seien, weshalb von Überstellungen nach Bulgarien grundsätzlich nicht abzusehen sei. Korrekte Asylverfahren seien in Bulgarien nicht systembedingt unmöglich. Zudem seien die Bedingungen in den Aufnahmeund Haftzentren zwar prekär, könnten aber nicht als unmenschlich oder entwürdigend qualifiziert werden. Auch bei besonders verletzlichen Personen sei eine Überstellung nicht per se ausgeschlossen; indessen sei bei solchen Asylsuchenden im Einzelfall vertieft zu prüfen, ob die betroffene Person im Falle des Vollzugs der Überstellung einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt wäre. Hierzu ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass sich die vom Beschwerdeführer geschilderten Erlebnisse in Bulgarien auf die Bedingungen bei einem Gefängnisaufenthalt (vgl. Sachverhalt B) und nicht auf jene in einem bulgarischen Flüchtlingslager beziehen. Für eine Änderung der Rechtsprechung besteht somit auch in Würdigung der vom Beschwerdeführer gemachten Äusserungen zu seiner Behandlung in Bulgarien – unabhängig von deren Glaubhaftigkeit– keine Veranlassung. Folglich ist die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht gerechtfertigt.

7.

Nachfolgend ist zu prüfen, ob das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 erster Satz Dublin-III-VO auszuüben ist.

    1. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, bei einer Rückkehr nach Bulgarien bestehe die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. von Art. 7 UNO-Pakt II. Er habe Gewalt erlebt und sei verhaftet worden. Es sei davon auszugehen, dass er ohne vorgängig eingeholte Garantien auch keinen Zugang zu medizinischer Behandlung erhalten werde und

      psychologische Unterstützung nicht verfügbar sei. Bei einer Wegweisung nach Bulgarien würde sich zudem sein Gesundheitszustand verschlechtern. Gemäss öffentlichen Quellen bestehe zudem für afghanische Staatsangehörige ein grösseres Risiko, diskriminiert zu werden ([…]).

      1. Der Beschwerdeführer vermag in Bezug auf die Zustände in Bulgarien nicht darzutun, dass die ihn bei einer Rückführung zu erwartenden Bedingungen derart schlecht wären, dass sie zu einer Verletzung von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta beziehungsweise Art. 3 EMRK oder Art. 7 UNPakt II führen könnten. Bei einer allfälligen vorübergehenden Einschränkung der ihm zustehenden Aufnahmebedingungen kann er sich – wie die Vorinstanz zutreffend festhielt – nötigenfalls an die bulgarischen Behörden wenden und seine Rechte auf dem Rechtsweg einfordern (vgl. Art. 26 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2013/33/EU vom

        26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen [Aufnahmerichtlinie]). Dies gilt auch in Bezug auf die geltend gemachte Polizeigewalt. Der Beschwerdeführer hat keine Beweise für eine Zuwiderhandlung gegen die Aufnahmerichtlinie vorgelegt. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, sind die vom Beschwerdeführer geschilderten Gewaltvorfälle als Missbrauch einzelner Beamter zu betrachten, welche aufgrund der Möglichkeit, gegen dieses fehlbare Verhalten rechtlich vorzugehen, nicht dem bulgarischen Staat anzulasten sind.

      2. Des Weiteren liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, wonach die Gesundheit des Beschwerdeführers bei einer Überstellung nach Bulgarien ernsthaft gefährdet würde. Gemäss eigenen Angaben leidet er an normalen Kopfschmerzen, welche sich in der Schweiz ohne Arzttermin durch die Einnahme von Medikamenten verbessert hätten. Bisher habe er sich vergeblich um einen psychologischen Beratungstermin bemüht ([…]). Weitere Probleme, abgesehen von Schlafstörungen, erwähnte er nicht ([…]). Sollte er dennoch nach der Rückkehr nach Bulgarien eine medizinische Behandlung benötigen, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, den Antragstellern die erforderliche medizinische Versorgung, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, zugänglich zu machen (Art. 19 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie). Antragstellenden mit besonderen Bedürfnissen ist die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschliesslich psychologischer Betreuung, zu gewähren (Art. 19 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht,

        dass er in Bulgarien medizinisch nicht behandelt worden sei, beziehungsweise ihm eine adäquate medizinische Behandlung seiner Kopfschmerzen verweigert worden sei. Es deutet somit nichts darauf hin, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Bulgarien eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohen würde.

      3. . Aufgrund vorstehender Erwägungen erübrigt sich die Prüfung, ob – wie vom Beschwerdeführer verlangt – in Bulgarien allfällige Garantien (Lebensumstände; Zugang zu medizinischer Versorgung) einzuholen wären.

    1. Die angefochtene Verfügung ist nicht zu beanstanden; insbesondere sind den Akten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Hinweise auf einen Ermessensmissbrauch oder ein Überrespektive Unterschreiten des Ermessens zu entnehmen. Deshalb kann auf weiterführende Erwägungen in diesem Zusammenhang verzichtet werden.

    2. Nach dem Gesagten besteht kein Grund für die Anwendung der Ermessensklauseln von Art. 17 Dublin-III-VO.

8.

Die Vorinstanz ist demnach zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. b AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten. Da der Beschwerdeführer nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung ist, wurde die Überstellung nach Bulgarien in Anwendung von Art. 44 AsylG ebenfalls zu Recht angeordnet (Art. 32 Bst. a AsylV 1).

9.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen und die Verfügung der Vorinstanz zu bestätigen.

Das Beschwerdeverfahren ist mit vorliegendem Urteil abgeschlossen, weshalb sich die Anträge auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung (einschliesslich Vollzugsstopps) sowie Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses als gegenstandslos erweisen.

10.

10.1 Das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung ist abzuweisen, da die Begehren – wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt – als aussichtslos zu bezeichnen

waren, weshalb die Voraussetzungen von Art. 65 Abs. 1 VwVG nicht erfüllt sind.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750.– festzusetzen (Art. 1–3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG wird abgewiesen.

3.

Die Verfahrenskosten von Fr. 750.– werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Dieser Betrag ist innert 30 Tagen ab Versand des Urteils zugunsten der Gerichtskasse zu überweisen.

4.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Simon Thurnheer Sarah Rutishauser

Versand:

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