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Bundesverwaltungsgericht Urteil D-5808/2018

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-5808/2018

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-5808/2018
Datum:22.01.2020
Leitsatz/Stichwort:Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat 31a I a,c,d,e) und Wegweisung
Schlagwörter : Familie; Italien; Flüchtling; Recht; Schweiz; Wegweisung; Beschwerdeführers; Verfügung; Asylgesuch; Kinder; Bundesverwaltungsgericht; Verfahren; Vorinstanz; Drittstaat; Flüchtlingseigenschaft; Behörde; Aufenthalt; Gesuch; Gewährung; Entscheid; Familiennachzug; Schutz; Regel; Person; Partner; Richter; Behörden
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 32 VwVG ;Art. 44 EMRK ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 64 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:122 I 8; 135 II 286; 136 I 184
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-5808/2018

U r t e i l  v o m  2 2.  J a n u a r  2 0 2 0

Besetzung Richterin Daniela Brüschweiler (Vorsitz),

Richterin Christa Luterbacher, Richter Daniele Cattaneo; Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.

Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,

vertreten durch lic. iur. Fabienne Zannol, Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch (sicherer Drittstaat) und Wegweisung;

Verfügung des SEM vom 26. September 2018 / N ( ).

Sachverhalt:

A.

Der Beschwerdeführer suchte am 23. Juli 2009 in Italien um Asyl nach und wurde dort in der Folge als Flüchtling anerkannt.

B.

Am 3. August 2012 suchte die eritreische Staatsangehörige B. für sich und ihre drei Kinder (geboren zwischen [ ] und [ ]) in der Schweiz um Asyl nach. Sie gab an, sie sei seit ( ) mit dem Beschwerdeführer religiös verheiratet und er sei der Vater ihrer Kinder. Er sei 2008 festgenommen worden und sie wisse nicht, wo er sich seither aufhalte.

Mit Verfügung vom 27. August 2015 lehnte das SEM das Asylgesuch ab, ordnete aber die vorläufige Aufnahme von B. als Flüchtling an. Die Kinder bezog es gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG (SR 142.31) in die Flüchtlingseigenschaft der Mutter (und die vorläufige Aufnahme) ein.

C.

    1. Am 8. Februar 2016 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz ein Asylgesuch. Er machte geltend, er habe erst kürzlich vom Aufenthalt seiner Familie in der Schweiz erfahren und möchte nun mit ihr zusammen sein. In Italien habe er zwar einen positiven Asylentscheid erhalten, aber weder einen festen Wohnsitz noch Arbeit gehabt.

    2. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 28. Oktober 2016 trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer in den sicheren Drittstaat Italien zurückkehren könne. Von einer dauerhaft gelebten Beziehung zwischen ihm und B. sowie den Kindern sei nicht auszugehen. Die ihm als anerkanntem Flüchtling in Italien zustehenden Ansprüche hinsichtlich Unterkunft und Unterstützung habe er bei den italienischen Behörden einzufordern.

    3. Ein von B. am 9. März 2016 gestelltes Gesuch um Einbezug des Beschwerdeführers in ihre Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG lehnte das SEM mit Verfügung vom 28. Oktober 2016 ab. Auf die dagegen verspätet erhobene Beschwerde trat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil D-7706/2016 vom 16. Dezember 2016 nicht ein.

    4. Am 15. Februar 2017 wurde der Beschwerdeführer nach Italien überstellt.

D.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2018 - beim SEM eingegangen am 30. Januar 2018 - ersuchte der Beschwerdeführer um Wiedererwägung des Nichteintretensentscheids vom 28. Oktober 2016 und um Beurteilung seines Asylgesuchs respektive um Feststellung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs und um Gewährung der vorläufigen Aufnahme.

Er machte im Wesentlichen geltend, er sei nach der Rückführung nach Italien regelmässig zu Besuchszwecken zu seiner Familie in die Schweiz zurückgekehrt. Die Familie erhalte Zuwachs durch ein viertes Kind. Er und B. hätten sich im Sommer 2016 ein zweites Mal religiös trauen lassen. Rund zwei Jahre nach der Wiedervereinigung seien sie wieder eine intakte Familie. In Italien habe er keine feste Bleibe und er finde dort keine Arbeit. Vom italienischen Staat erhalte er keine Unterstützung. Zum Beleg der Familiengemeinschaft reichte er diverse Unterlagen ein (u. a. Fotos, Schreiben der Lehrpersonen der Kinder und des Sozialdienstes).

E.

Mit Schreiben vom 9. März 2018 teilte das SEM dem Beschwerdeführer mit, es nehme seine Eingabe als Mehrfachgesuch gemäss Art. 111c AsylG entgegen, nachdem der Entscheid vom 28. Oktober 2016 mit der am

15. Februar 2017 erfolgten Überstellung nach Italien konsumiert sei. Gleichzeitig informierte es den Beschwerdeführer, dass es beabsichtige, auf sein Mehrfachgesuch nicht einzutreten und ihn nach Italien wegzuweisen. Es räumte ihm die Gelegenheit ein, sich dazu zu äussern.

F.

In seiner Stellungnahme vom 26. März 2018 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, er habe das am ( ) geborene vierte Kind beim Zivilstandsamt anerkannt und er möchte mit seiner Familie ein gemeinsames Leben führen. Seine Beziehung zu den Kindern sei gut. Er mache mit ihnen Ausflüge und besuche Schulanlässe. Seine Partnerin unterstütze er im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. B. bemühe sich um ihre berufliche Integration in der Schweiz. Er hingegen sei gezwungen, das Land regelmässig zu verlassen und in Italien auszuharren, wo er kein Einkommen habe. Er habe dort in besetzten Häusern gewohnt und von der Kirche Essen erhalten. Ein solches Leben könne er seiner Familie, insbesondere den Kindern, die er nicht aus ihrem hiesigen Umfeld entwurzeln

möchte, nicht zumuten. Es sei auch nicht sicher, ob Italien den Familiennachzug bewilligen würde.

G.

Mit Verfügung vom 26. September 2018 - eröffnet am 3. Oktober 2018 - trat das SEM in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG auf das Mehrfachgesuch des Beschwerdeführers nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Es forderte den Beschwerdeführer auf, die Schweiz am Tag nach Eintritt der Rechtskraft dieser Verfügung zu verlassen, ansonsten er in Haft genommen und unter Zwang nach Italien zurückgeführt werden könne. Weiter verfügte es die Aushändigung der editionspflichtigen Akten und erhob eine Gebühr von Fr. 600.-.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, Italien, das ein sicherer Drittstaat sei und den Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt habe, habe bestätigt, dass er über eine bis zum ( ) gültige Aufenthaltsbewilligung verfüge, und der Rückübernahme am 7. September 2018 ausdrücklich zugestimmt. Einem Begehren um Feststellung der Flüchtlingseigenschaft in der Schweiz sei nur zu entsprechen, wenn ein schutzwürdiges Interesse nachgewiesen werde. Dieser Nachweis könne offensichtlich nicht gelingen, wenn, wie vorliegend, bereits ein Drittstaat die Flüchtlingseigenschaft festgestellt und Schutz vor Verfolgung gewährt habe. Hinsichtlich des Wunschs des Beschwerdeführers nach einem Zusammenleben mit seiner Familie sei festzuhalten, dass er bewusst in Umgehung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen in die Schweiz eingereist und ein (als Wiedererwägungsgesuch bezeichnetes) Asylgesuch gestellt habe. Es gehe ihm in erster Linie um eine Familienzusammenführung und nicht um asylrechtlichen Schutz, den er bereits in Italien erhalten habe. Ein solches Vorgehen stelle einen nicht schützenswerten Versuch einer Umgehung der ausländerrechtlichen Bestimmungen zum Familiennachzug dar. Die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers in Italien berechtige auch zum Familiennachzug und es stehe ihm frei, in Italien darum zu ersuchen, zumal er seinen Schutzstatus dort bereits mehrere Jahre vor der vorläufigen Aufnahme der Partnerin und Kinder in der Schweiz erhalten habe und dieser umfassender sei. Die Beziehung könne weiterhin mit Besuchen aufrechterhalten werden. Dem Beschwerdeführer sei die Anwesenheit hierzulande lediglich zwecks Prüfung seines Asylgesuchs erlaubt gewesen. Es sei für ihn von Anfang an ersichtlich gewesen, dass ein allfällig aufgenommenes Familienleben nur von vorübergehender Dauer sei, zumal er aufgrund der bereits erfolgen Asylprüfung durch Italien hätte wissen müssen, dass die Schweiz nicht für die (erneute) Prüfung zuständig sei. Art. 8 EMRK stehe

der Wegweisung nicht entgegen. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt im Nachbarland derart gravierende Konsequenzen hätte, als dass das Kindswohl gefährdet wäre. Selbst wenn die Beziehung zur Partnerin und den Kindern unter den Schutzbereich von Art. 8 EMRK subsumiert würde, wäre der mit einer Wegweisung verbundene Eingriff gerechtfertigt. Das Hauptanliegen bestehe in einer Familienzusammenführung nach den ausländerrechtlichen Bestimmungen und es könne vom Beschwerdeführer respektive seiner Partnerin gefordert werden, ein entsprechendes Verfahren bei den zuständigen Behörden einzuleiten. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, bis zu einem diesbezüglichen Entscheid besuchsweise oder über die modernen Kommunikationsmittel mit der Familie in Kontakt zu bleiben. Die kurzzeitige Trennung sei verhältnismässig. Der Beschwerdeführer könne nach Italien zurückkehren, ohne eine Rückschiebung in Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips zu befürchten. Auch habe Italien die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie), die unter anderem die Ansprüche anerkannter Flüchtlinge hinsichtlich Sozialleistungen und Zugang zu Beschäftigung und Wohnraum regle, umgesetzt. Die ihm als anerkanntem Flüchtling zustehenden Ansprüche hinsichtlich Unterkunft und Unterstützung habe der Beschwerdeführer bei den italienischen Behörden einzufordern. Im Übrigen bestehe in keinem Staat eine Garantie auf eine bezahlte Arbeitsstelle.

H.

Ein am 30. Januar 2018 beim SEM eingegangenes weiteres Gesuch von B. um Einbezug des Beschwerdeführers in ihre Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG lehnte das SEM mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 26. September 2018 ab.

I.

Mit Eingabe vom 10. Oktober 2018 erhob der Beschwerdeführer durch die rubrizierte Rechtsvertreterin beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen die vorinstanzliche Nichteintretensverfügung vom 26. September 2018, worin um Aufhebung der besagten Verfügung und um Rückweisung der Sache an das SEM zwecks Neubeurteilung, eventualiter um Gewährung der vorläufigen Aufnahme ersucht wurde. Zudem wurde um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsverbeiständung sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.

Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, es liege eine nahe, tatsächlich gelebte Familienbeziehung vor, die in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK falle. Auch stehe das Kindswohl dem Vollzug der Wegweisung entgegen.

Auf die weitere Beschwerdebegründung und die eingereichten Beweismittel (Geburtsurkunde des vierten Kindes, Bestätigung der Fürsorgeabhängigkeit von B. vom 10. Oktober 2018) ist - soweit für den Entscheid wesentlich - in den nachfolgenden Erwägungen einzugehen.

J.

Mit Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2018 stellte die Instruktionsrichterin fest, dass der Beschwerdeführer den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten dürfe. Über die Beschwerdeanträge werde zu einem späteren Zeitpunkt befunden.

K.

Am 5. Februar 2019 beantwortete die Instruktionsrichterin eine Verfahrensstandsanfrage des Beschwerdeführers vom 30. Januar 2019.

L.

Mit Eingabe vom 11. November 2019 reichte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel zu den Akten, welche die Familienbeziehung, die beruflichen Integrationsbemühungen von B. (Absolvierung von Praktika, Anmeldung zu Lehrgang) und die Integration der drei eingeschulten Kinder dokumentieren würden (Bericht der Schulsozialarbeit vom [ ], Bericht des Sozialdiensts vom [ ], Familienfotos [Sommerferien in C. , Geburtstagsfeier des jüngsten Kindes]).

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - und auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom

      25. September 2015).

      Am 1. Januar 2019 wurde das Ausländergesetz vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) teilrevidiert (AS 2018 3171) und in Ausländerund Integrationsgesetz (AIG) umbenannt. Die vorliegend anwendbaren Gesetzesartikel sind unverändert ins AIG übernommen worden, weshalb nachfolgend die neue Gesetzesbezeichnung verwendet wird.

    3. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und aArt. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

    1. Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

    2. Die Abteilungen des Bundesverwaltungsgerichts entscheiden in der Regel in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen (Art. 21 Abs. 1 VGG). Das Gericht kann - wie vorliegend - auch in solchen Fällen auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichten (Art. 111a Abs. 1 AsylG).

3.

Bei Beschwerden gegen Nichteintretensentscheide, mit denen es das SEM ablehnt, das Asylgesuch auf seine Begründetheit hin zu überprüfen, ist die Beurteilungskompetenz der Beschwerdeinstanz grundsätzlich auf die Frage beschränkt, ob die Vorinstanz zu Recht auf das Asylgesuch nicht eingetreten ist (vgl. BVGE 2011/9 E. 5). Die Fragen der Wegweisung und des Vollzugs prüft die Vorinstanz materiell, weshalb dem Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich volle Kognition zukommt.

4.

    1. Der Beschwerdeführer rügte in der Rechtsmitteleingabe vom 10. Oktober 2018 in formeller Hinsicht, das SEM habe die Untersuchungsund Begründungspflicht verletzt.

    2. Gemäss Art. 12 VwVG stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 29 und Art. 32 Abs. 1 VwVG), das alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 135 II 286 E. 5.1; BVGE 2009/35 E. 6.4.1). Dazu gehört insbesondere das Recht des Betroffenen, sich zur Sache zu äussern, erhebliche Beweismittel beizubringen und mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden sowie Einsicht in die Akten zu nehmen. Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidung angemessen zu berücksichtigen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass die betroffene Person den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Die Behörde muss die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sie sich hat leiten lassen und auf die sie ihren Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich erwähnt oder widerlegt. Somit darf sich die Vorinstanz bei der Begründung der Verfügung auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken und ist nicht gehalten, sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung auseinanderzusetzen (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1, 126 I 97 E. 2.b).

    3. Die besagte verfahrensrechtliche Rüge des Beschwerdeführers, wonach das SEM Art. 8 EMRK nicht hinlänglich geprüft und das Kindswohl nicht genügend berücksichtigt habe, vermag nicht zu einer Kassation des erstinstanzlichen Entscheids aus formellen Gründen zu führen. Das SEM ging in seiner Verfügung auf die Umstände der Anwesenheit der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in der Schweiz und die damit allenfalls verbundenen Ansprüche mit Blick auf Art. 8 EMRK und das Kindswohl ein. Eine andere Würdigung der Parteivorbringen und Beweismittel durch die Vorinstanz als diejenige des Beschwerdeführers stellt keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes dar. Es besteht keine Veranlassung, die angefochtene Verfügung aus formellen Gründen aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der entsprechende Beschwerdeantrag um Rückweisung an das SEM ist daher abzuweisen.

5.

    1. Gemäss Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG tritt das SEM in der Regel auf ein Asylgesuch nicht ein, wenn der Asylsuchende in einen sicheren Drittstaat nach Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG zurückkehren kann, in welchem er sich vorher aufgehalten hat. Italien wurde vom Bundesrat am 14. Dezember

      2007 als sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 6a Abs. 2 Bst. b AsylG bezeichnet.

    2. Der Beschwerdeführer hat sich vor seiner Einreise in die Schweiz unbestrittenermassen in Italien aufgehalten. Er wurde dort als Flüchtling anerkannt, verfügt über eine gültige Aufenthaltsbewilligung und die italienischen Behörden haben seiner Rückübernahme am 7. September 2018 explizit zugestimmt. Er kann somit nach Italien zurückkehren. Bei einer Person, die bereits in einem sicheren Drittstaat als Flüchtling anerkannt wurde und dorthin zurückkehren kann, erfolgt in der Schweiz mangels Bestehens eines Rechtsschutzinteresses keine zusätzliche Anerkennung als Flüchtling und keine Asylgewährung. Dies gilt auch für den Beschwerdeführer.

    3. Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen als Flüchtlinge anerkannt, wenn keine besonderen Umstände dagegensprechen.

      1. Der Beschwerdeführer kehrte am 15. Februar 2017 nach Italien zurück, nachdem das SEM auf sein erstes Asylgesuch vom 8. Februar 2016 nicht eingetreten war und die Wegweisung nach Italien angeordnet hatte, und das (erste) Gesuch von B. um Einbezug des Beschwerdeführers in ihre Flüchtlingseigenschaft abgewiesen worden war. Angesichts dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bewusst in Umgehung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen erneut in die Schweiz eingereist ist und einzig mit dem Ziel der Familienzusammenführung ein (als Wiedererwägungsgesuch bezeichnetes) neuerliches Asylgesuch gestellt hat, begründete er dieses doch hauptsächlich mit dem Wunsch nach dem Zusammenleben mit der Familie. Dieses Vorgehen ist als Rechtsumgehung zu qualifizieren und kann nicht geschützt werden. Anders zu entscheiden würde bedeuten, die Umgehung der im AIG vorgesehenen Bestimmungen zum ausländerrechtlichen Familiennachzug zu schützen. Dass zwischenzeitlich das vierte Kind geboren wurde, ändert daran nichts.

        Das Bundesverwaltungsgericht hat denn auch im Grundsatzurteil E-4639/2017 vom 25. September 2019 (zur Publikation vorgesehen) festgestellt, dass sich der Familiennachzug für eine bereits in einem sicheren Drittstaat als Flüchtling anerkannte Person nicht nach der asylrechtlichen Bestimmung von Art. 51 AsylG, sondern nach den ordentlichen ausländerrechtlichen Regeln (namentlich Art. 44 AIG und Art. 8 EMRK) richtet. Einer Person, die bereits in einem sicheren Drittstaat Schutz erhalten hat, kann

        - nachdem die derivative Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 51 AsylG subsidiär ist - nicht nach asylrechtlichen Regeln eine Familienzusammenführung gewährt werden (vgl. Grundsatzurteil E-4639/2017 vom

        25. September 2019 E. 5.7).

      2. Vorliegend hat das SEM das (zweite) Gesuch von B. vom

30. Januar 2018 um Einbezug des Beschwerdeführers in ihre Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG mit Verfügung vom 26. September 2018 abgelehnt. Wenn die Voraussetzungen von Art. 51 Abs. 1 AsylG nicht erfüllt sind, kann die Bestimmung von Art. 8 EMRK nicht ergänzend angewendet werden, ebenso wenig vermögen die Bestimmungen der KRK oder humanitäre Überlegungen etwas zu ändern. Die Frage nach einem allfälligen Anspruch auf Regelung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz als Partner beziehungsweise Vater hier als Flüchtlinge anerkannter Personen ist von der zuständigen kantonalen Migrationsbehörde im Wege des ausländerrechtlichen Familiennachzugs zu beurteilen (vgl. Grundsatzurteil E-4639/2017 vom 25. September 2019 E. 5.7); dazu ist auf die nachfolgenden Ausführungen zu verweisen.

5.4 Zusammenfassend ist das SEM zu Recht in Anwendung von Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG auf das Mehrfachgesuch des Beschwerdeführers um Anerkennung der (originären) Flüchtlingseigenschaft nicht eingetreten.

6.

    1. Die Ablehnung eines Asylgesuchs oder das Nichteintreten auf ein solches hat in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz zur Folge (Art. 44 AsylG). Die Wegweisung wird unter anderem dann nicht verfügt, wenn die asylsuchende Person im Besitz einer Aufenthaltsoder Niederlassungsbewilligung ist (Art. 32 Abs. 1 Bst. a der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 [AsylV 1, SR 142.311]), oder wenn Anspruch auf Erteilung einer solchen besteht (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4, 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

    2. Im heutigen Zeitpunkt kann nicht in Abrede gestellt werden, dass es sich beim Beschwerdeführer, seiner Ehefrau beziehungsweise Partnerin sowie den gemeinsamen Kindern um eine Familiengemeinschaft handelt. B. wurde als Flüchtling anerkannt und vorläufig aufgenommen, die Kinder verfügen - von ihr abgeleitet - über denselben Status. Wie vorstehend unter E. 5.3.2 ausgeführt, ist die Frage nach einem allfälligen Anspruch auf Regelung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz als Partner beziehungsweise Vater hierzulande als Flüchtlinge anerkannter Personen von der zuständigen kantonalen Migrationsbehörde im

Wege des ausländerrechtlichen Familiennachzugs zu beurteilen (vgl. Grundsatzurteil E-4639/2017 vom 25. September 2019 E. 5.7). Da prima facie ein theoretischer Anspruch auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 EMRK nicht verneint werden kann, ist der Beschwerdeführer für die Frage der Wegweisung auf den ausländerrechtlichen Weg zu verweisen. Bei dieser Sachlage entfällt die Zuständigkeit des SEM für die Anordnung der Wegweisung im Rahmen eines Asylverfahrens. Die angefochtene Verfügung ist demnach in Bezug auf die Wegweisung und den Wegweisungsvollzug aufzuheben.

7.

Nach dem Gesagten ergibt sich, dass das SEM auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers zu Recht nicht eingetreten ist. Diesbezüglich ist die Beschwerde abzuweisen. In Bezug auf die Anordnung der Wegweisung und des Wegweisungsvollzugs ist die Beschwerde indessen gutzuheissen.

Der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass es sich nicht rechtfertigt, die von der Vorinstanz getroffene Gebührenregelung aufzuheben, nachdem der Beschwerdeführer mit seinem Hauptanliegen (Eintreten auf sein Asylgesuch) unterlegen ist.

8.

    1. Mit vorliegendem Urteil ist das Beschwerdeverfahren abgeschlossen, weshalb sich der Antrag auf Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses als gegenstandslos erweist.

    2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist von einem hälftigen Unterliegen des Beschwerdeführers auszugehen. Ihm wären daher grundsätzlich die hälftigen Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da die Beschwerde aber nicht als aussichtslos zu bezeichnen war, ist in Gutheissung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG von der Kostenerhebung abzusehen, zumal sich dem Bericht des Sozialdiensts vom 28. Oktober 2019 entnehmen lässt, dass die Familie weiterhin auf finanzielle Unterstützung angewiesen ist. Die gemäss den am 11. November 2019 eingereichten Fotos von in C. verbrachten Ferien der ganzen Familie führen für sich allein zu keinem anderen Schluss.

    3. Dem Beschwerdeführer ist angesichts seines hälftigen Obsiegens in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 des Reglements über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht

      vom 21. Februar 2008 (VGKE, SR 173.320.2) eine entsprechend reduzierte Entschädigung für die ihm notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen. Die Rechtsvertreterin bezifferte den zeitlichen Aufwand in ihrer Kostennote vom 11. November 2019 mit 10.25 Stunden und beantragte einen Stundenansatz von Fr. 180.-. Zudem machte sie eine Spesenpauschale von Fr. 50.- geltend und wies auf die Mehrwertsteuerpflicht hin. Der zeitliche Aufwand scheint relativ hoch, aber noch angemessen. Indes ist die Spesenpauschale zu kürzen; generelle Pauschalen werden praxisgemäss nicht vergütet, sondern nur effektiv ausgewiesene Kosten (wie Portokosten) entschädigt. Die reduzierte Parteientschädigung ist somit vorliegend auf insgesamt Fr. 1000.- (einschliesslich Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag) festzusetzen. Dieser Betrag ist dem Beschwerdeführer durch das SEM zu entrichten.

    4. Bezüglich der Frage einer Entschädigung im Umfang des Unterliegens des Beschwerdeführers ist festzustellen, dass im Rahmen von Beschwerdeverfahren betreffend Mehrfachgesuchen unter den in Art. 65 Abs. 1 VwVG umschriebenen Voraussetzungen ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wird, wenn es zur Wahrung der Rechte der Partei notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG i.V.m. aArt. 110a Abs. 2 AsylG). Dabei ist ausschlaggebend, ob die Partei zur Wahrung ihrer Rechte notwendigerweise der professionellen juristischen Hilfe eines Rechtsvertreters bedarf. In Verfahren, die, wie das vorliegende, vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht sind, sind strenge Massstäbe an die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung anzusetzen (vgl. BGE 122 I 8 E. 2c S. 10). Im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren sind zur wirksamen Beschwerdeführung besondere Rechtskenntnisse im Regelfall nicht unbedingt erforderlich, weshalb die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG praxisgemäss nur in den besonderen Fällen gewährt wird, in denen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht erhöhte Schwierigkeiten bestehen. Das vorliegende Verfahren ist weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht besonders komplex und bietet nicht derartige Schwierigkeiten, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen würden. Mithin besteht keine Notwendigkeit einer Vertretung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung abzuweisen ist. Im Umfang des Unterliegens ist dem Beschwerdeführer daher keine Entschädigung zuzusprechen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird, soweit die Wegweisung und den Wegweisungsvollzug nach Italien betreffend, gutgeheissen. Im Übrigen wird sie abgewiesen.

2.

Die Dispositivziffern 2 bis 4 der Verfügung vom 26. September 2018 werden aufgehoben.

3.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen. Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

4.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.

5.

Das SEM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine reduzierte Parteientschädigung von insgesamt Fr. 1000.- auszurichten.

6.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Daniela Brüschweiler Susanne Burgherr

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