Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3922/2019 |
Datum: | 25.02.2020 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Recht; Nennung; Quot;; Schweiz; Richt; Venezuela; Wegweisung; Mutter; Tochter; Beschwerdeführerinnen; Person; Bundes; Verfolgung; Heimat; Behörde; Vollzug; Quot;Colectivosquot;; Behörden; Sachverhalt; Familie; Beweis; Vorinstanz; Verfügung; Flüchtlingseigenschaft |
Rechtsnorm: | Art. 25 BV ;Art. 27 ZGB ;Art. 48 VwVG ;Art. 49 BV ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 AIG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | 130 II 281; 143 III 65; 144 I 11 |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-3922/2019
Besetzung Richterin Jeannine Scherrer-Bänziger (Vorsitz), Richterin Christa Luterbacher, Richter Simon Thurnheer, Gerichtsschreiber Stefan Weber.
Parteien A. , geboren am (...), und deren Tochter
B. _, geboren am (...), Venezuela,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Ana Moncada, Beschwerdeführerinnen,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des SEM vom 15. Juli 2019 / N .
A. (Beschwerdeführerin) suchte am 9. September 2016 in der Schweiz um Asyl nach. Am 28. September 2016 fand die Befragung zur Person (BzP) statt und am 18. Oktober 2016 wurde sie vom SEM angehört.
Zur Begründung ihres Asylgesuchs führte die Beschwerdeführerin an, sie sei in C. (Bundesstaat D. ) geboren. Ihre Eltern hätten sich scheiden lassen, als sie (Nennung Zeitpunkt) gewesen sei. Ihr (Nennung Verwandter) habe nach Erreichen der Volljährigkeit Venezuela verlassen. Ihr (Nennung Verwandter), zu dem sie eine distanzierte Beziehung habe, sowie (Nennung Verwandte) würden im (...) Autostunden von ihrem Wohnort E. (Bundesstaat F. ) entfernten G. (Bundesstaat H. ) leben. Sie habe in den Jahren (...) bis (...) an der Universität in E. (Nennung Studienrichtung) studiert, allerdings ohne Abschluss. Ihre Mutter habe (Nennung Erwerbstätigkeiten). Sowohl ihre Mutter als auch sie seien in der Oppositionspartei I. eingeschrieben gewesen. Bei Wahlen habe sie am Wahlprozess teilgenommen und sich ansonsten an Kundgebungen beteiligt, die sich gegen die sozialen und wirtschaftlichen Missstände beziehungsweise gegen die Repression und die Nahrungs- oder Medikamentenknappheit gerichtet hätten. Beispielsweise sei ihr (Nennung Verwandter) nur deshalb verstorben, weil er die benötigten Medikamente zu spät erhalten habe. Wenn sie an Demonstrationen teilgenommen habe, seien die Teilnehmenden der Kundgebung regelmässig von Angehörigen der Nationalgarde oder den "Colectivos" mit Tränengas beschossen und angegriffen worden. Wenn die Leute nicht weggerannt seien, seien sie verhaftet und anschliessend gefoltert worden oder verschwunden. Die Tochter einer Kollegin ihrer Mutter sei vergewaltigt und der Sohn einer anderen Kollegin sei getötet worden. Zudem habe man ihrer Mutter das Auto zerkratzt und die Reifen zerstochen. Während etwa (Nennung Dauer) hätten ihre Mutter und sie mehrmals Drohanrufe von Seiten der "Colectivos" erhalten. Man habe ihnen gesagt, dass sie beobachtet würden und sie auf der Hut sein sollten. Die Drohworte seien in der Folge schlimmer geworden und man habe ihnen mit dem Tod oder mit Vergewaltigung gedroht. Zudem sei sie aufgefordert worden, ihre politische Tätigkeit aufzugeben. Die Anrufer seien über (Nennung persönliche Verhältnisse) im Bilde gewesen. Aufgrund der Drohungen sei sie von ihrer Mutter jeweils zur Universität gefahren und von dort wieder abgeholt worden. (Nennung Zeitpunkt) habe sie zusammen mit (Nennung Person) beim Eingang der Universität auf ihre Mutter gewartet, als eine Gruppe von "Colectivos" - bei
denen es sich in Wirklichkeit um Kriminelle handle - auf Motorrädern herangefahren sei. Diese Männer hätten sie fahrend umkreist und dabei Steine und Stöcke auf sie geworfen und sie geschubst. Sie sei dabei von einem Stein (Nennung Verletzung) worden. Dies sei das einzige Mal gewesen, dass sie persönlich und direkt angegriffen worden sei. Wenn bei der Polizei Anzeige erstattet werde, werde die Situation nur noch schlimmer. Sie denke nicht, dass ihre Situation schlechter gewesen sei, als diejenige von anderen Oppositionellen. Da der Druck auf sie zugenommen habe und sie in Venezuela um ihr Leben fürchten müsse, habe sie schliesslich ihre Heimat legal in Richtung J. verlassen, wo sie sich zunächst während (Nennung Dauer) in K. bei Bekannten ihrer evangelischen Glaubensbrüder aus Venezuela aufgehalten habe. Dort habe sie auf eine Nachricht ihrer - sich bereits in der Schweiz aufhaltenden - Mutter zum weiteren Vorgehen respektive zum Stand deren Asylverfahrens gewartet.
Die Beschwerdeführerin reichte (Nennung Beweismittel) zu den Akten.
Am (...) brachte die Beschwerdeführerin (Nennung Kind) zur Welt.
Mit Verfügung vom 15. Juli 2019 stellte das SEM fest, die Beschwerdeführerin und ihre Tochter erfüllten die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihre Asylgesuche ab und ordnete gleichzeitig die Wegweisung aus der Schweiz und den Vollzug an.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 13. August 2019 für sich und die rubrizierte (Nennung Kind) Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte, es sei der angefochtene Entscheid vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Sachverhaltsabklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner sei die Unzulässigkeit, die Unzumutbarkeit und Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In prozessualer Hinsicht ersuchte sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung samt Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Beiordnung ihrer Rechtsvertreterin als unentgeltliche Rechtsbeiständin. Sodann sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vollzugsbehörden seien im Sinne einer superprovisorischen Massnahme anzuweisen, für die Dauer des Beschwerdeverfahrens von jeglichen Wegweisungsund Vollzugsmassnahmen abzusehen.
Der Beschwerde lagen (Aufzählung Beweismittel) bei.
Mit Zwischenverfügung vom 21. August 2019 teilte die Instruktionsrichterin der Beschwerdeführerin mit, sie und die Tochter dürften den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, und räumte ihr innert gesetzter Frist die Gelegenheit zur Beschwerdeverbesserung zwecks Klarstellung der Rechtsbegehren ein, wobei im Unterlassungsfall davon auszugehen sei, dass sie sich auf die Geltendmachung von formellen Rügen und Wegweisungsvollzugshindernissen beschränke.
Mit Eingabe vom 28. August 2019 reichte die Beschwerdeführerin eine Beschwerdeverbesserung zu den Akten, worin sie ihre in der Beschwerdeschrift gestellten Rechtsbegehren dahingehend ergänzte, dass ihr und der Tochter die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und Asyl zu gewähren sei.
Mit Zwischenverfügung vom 30. August 2019 hiess die Instruktionsrichterin das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und ordnete - in Gutheissung des entsprechenden Gesuchs - der Beschwerdeführerin eine amtliche Rechtsbeiständin in der Person von Rechtsanwältin Ana Moncada bei.
In seiner Vernehmlassung vom 3. September 2019 hielt das SEM - nach einigen ergänzenden Bemerkungen - an seinen Erwägungen im angefochtenen Entscheid vollumfänglich fest.
Die Beschwerdeführerin replizierte mit Eingabe vom 24. September 2019. Beigelegt war (Nennung Beweismittel).
Am 26. September 2019 ging beim Gericht (Nennung Beweismittel) ein.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - wie auch vorliegend
- endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]).
Am 1. März 2019 ist die Teilrevision (AS 2016 3101) des AsylG in Kraft getreten. Für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom
25. September 2015).
Die Beschwerdeführerinnen sind als Verfügungsadressatinnen zur Beschwerdeführung legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde (aArt. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG) ist einzutreten.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).
Die Beschwerdeführerinnen rügen mit Blick auf den in Ziffer 1 der Rechtsbegehren formulierten Rückweisungsantrag eine unrichtige und unvollständige Sachverhaltsfeststellung sowie sinngemäss eine Verletzung der Begründungspflicht, mithin des rechtlichen Gehörs. Diese Rügen sind vorab zu prüfen, da sie allenfalls geeignet wären, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes; 3. Aufl. 2013, Rz. 1043 ff. m.w.H.).
Gemäss Art. 29 VwVG haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör, welcher als Mitwirkungsrecht alle Befugnisse umfasst, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (vgl. BGE 144 I 11 E. 5.3; BVGE 2009/35 E. 6.4.1). Mit dem Gehörsanspruch korreliert die Pflicht der Behörden, die Vorbringen tatsächlich zu hören, ernsthaft zu prüfen und in ihrer Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist,
dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (vgl. BGE 143 III 65 E. 5.2).
Die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts in Verletzung der behördlichen Untersuchungspflicht bildet einen Beschwerdegrund (Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG). Unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn der Verfügung ein falscher und aktenwidriger Sachverhalt zugrunde gelegt wird oder Beweise falsch gewürdigt worden sind; unvollständig ist sie, wenn nicht alle für den Entscheid rechtswesentlichen Sachumstände berücksichtigt werden (vgl. KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., 2013, Rz. 1043).
Zur Begründung der formellen Rüge wird vorgebracht, das SEM habe in seinem Asylentscheid weder die politischen Aktivitäten der Beschwerdeführerin noch die deswegen ausgesprochenen Drohungen gegen ihre Person berücksichtigt. Die Vorinstanz erkenne im angefochtenen Entscheid die ernsthafte Gefahr für ihre Person nicht. Zudem seien weder die Aussagen noch die vorgelegten Beweismittel richtig geprüft beziehungsweise überhaupt berücksichtigt worden.
Die Vorinstanz kam hinsichtlich der Vorfluchtgründe der Beschwerdeführerin zum Schluss, diese seien nicht geeignet die Flüchtlingseigenschaft zu begründen beziehungsweise die dargelegten Benachteiligungen seien nicht gegen sie gezielt gerichtet gewesen und seien auch nicht als ernsthaft im Sinne des Asylgesetzes zu werten. Des Weiteren bestehe kein begründeter Anlass zur Annahme, dass sie vor ihrer Ausreise die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gelenkt habe und sie bei einer Rückkehr nach Venezuela mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt würde. Das SEM prüfte zunächst die geltend gemachten Behelligungen im Rahmen ihrer Demonstrationsteilnahmen und im Zusammenhang mit einem Übergriff vor dem Eingang der Universität sowie hinsichtlich der fehlenden medizinischen Versorgung ihres (Nennung Verwandter), die zu dessen Tod geführt habe. In einem weiteren Schritt prüfte und würdigte es die vorgebrachten Behelligungen durch die "Colectivos". Dabei kam das SEM zum Schluss, dass eine zielgerichtete Verfolgungsabsicht weder seitens der "Colectivos" noch der heimatlichen Behörden anzunehmen sei, da sich die geltend gemach-
ten Behelligungen nicht gegen die Beschwerdeführerin als Person, sondern gegen alle Oppositionellen beziehungsweise Protestierenden richten würden, und die erlittenen Nachteile auch zu wenig intensiv seien, um als ernsthafter Nachteil im Sinne des Asylgesetzes zu gelten. Ausserdem könne nicht von einer begründeten Furcht vor staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgegangen werden. Dabei hat das SEM, welches die von der Beschwerdeführerin eingereichten Beweismittel auf Seite 2 unten seines Entscheids aufführte und die Asylvorbringen der Beschwerdeführerin auch nicht bezweifelte, nachvollziehbar und hinreichend differenziert aufgezeigt, von welchen Überlegungen es sich vorliegend leiten liess und sich auch mit sämtlichen wesentlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt (vgl. act. A22/8, S. 3 f.). Die Rüge, das SEM habe weder ihre politischen Aktivitäten noch die gegen sie gerichteten Drohungen berücksichtigt, erweist sich demnach als nicht stichhaltig. Somit liegt eine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs - welche es aufgrund der Ausgestaltung der Begründung der Betroffenen ermöglichen soll, den Entscheid sachgerecht anzufechten, was nur der Fall ist, wenn sich sowohl die Betroffene als auch die Rechtsmittelinstanz über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können (vgl. BVGE 2011/37 E. 5.4.1; BVGE 2008/47 E. 3.2) - nicht vor. Dabei musste sich das SEM nicht ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen, sondern durfte sich auf die wesentlichen Gesichtspunkte beschränken. Der blosse Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Auffassung und Schlussfolgerungen des SEM nicht teilt, ist keine Verletzung der Begründungspflicht, sondern eine materielle Frage. Sodann zeigt die ausführliche Beschwerdeeingabe deutlich auf, dass eine sachgerechte Anfechtung ohne weiteres möglich war. Im Weiteren spricht alleine die Tatsache, dass die Vorinstanz in ihrer Länderpraxis zu Venezuela einer anderen Linie folgt, als von den Beschwerdeführerinnen vertreten, und sie aus sachlichen Gründen auch zu einer anderen Würdigung der Vorbringen gelangt, als von ihnen gewünscht, nicht für eine ungenügende Sachverhaltsfeststellung. Es ergeben sich denn auch nach Prüfung der Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte, welche den Schluss zulassen würden, das SEM habe den Sachverhalt unvollständig oder unrichtig abgeklärt.
Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen (Art. 3 Abs. 2 AsylG).
Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anforderungen an das Glaubhaftmachen der Vorbringen in verschiedenen Entscheiden dargelegt und folgt dabei ständiger Praxis. Darauf kann hier verwiesen werden (vgl. BVGE 2015/3 E. 6.5.1 m. Verw.).
Begründete Furcht vor Verfolgung liegt vor, wenn konkreter Anlass zur Annahme besteht, eine Verfolgung hätte sich - aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht beziehungsweise werde sich - auch aus heutiger Sicht - mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen. Eine bloss entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung genügt nicht; es müssen konkrete Indizien vorliegen, welche den Eintritt der erwarteten - und aus einem der vom Gesetz aufgezählten Motive erfolgenden - Benachteiligung als wahrscheinlich und dementsprechend die Furcht davor als realistisch und nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BVGE 2013/11 E. 5.1; 2010/57 E. 2.5; 2010/44 E. 3.).
Die Vorinstanz kommt in der angefochtenen Verfügung zum Schluss, die Vorbringen der Beschwerdeführerin (und ihres Kindes) hielten den Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht stand.
Die angeführten Geschehnisse seien nicht auf eine gezielte Verfolgung, sondern auf die allgemeinen politischen und sozialen Missstände in Venezuela zurückzuführen. Bei den "Colectivos" handle es sich um regierungsnahe Schlägertrupps, die schon unter Hugo Chavez als parallele Sicherheitskräfte eingesetzt und unter anderem als Eingreiftruppe bei Demonstrationen mobilisiert worden seien. Inzwischen seien sie oft zu kriminellen Gangs geworden, welche Stadtviertel beherrschen und in vielen Städten den Drogenhandel, teilweise Waffengeschäfte und den Handel mit gestohlenen Autos kontrollieren würden. Die angeführten Behelligungen seien nicht gegen die Beschwerdeführerin als Person, sondern gegen alle Oppositionellen beziehungsweise Protestierenden gerichtet gewesen. Zudem seien die geltend gemachten Nachteile aufgrund ihrer Art und Intensität auch nicht als ernsthaft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG zu werten, da sie der Beschwerdeführerin ein menschenwürdiges Leben im Heimatstaat weder verunmöglicht noch erschwert hätten.
Soweit die Beschwerdeführerin anführe, dass sie keinesfalls nach Venezuela zurückkehren könne, weil sie dort um ihr Leben fürchten müsse, Demonstrationsteilnehmer verhaftet und danach gefoltert oder einfach verschwinden würden, und sie selbst vor der Ausreise wiederholt bedroht worden sei, sei zu schliessen, dass sie sich - abgesehen von Teilnahmen an Demonstrationen - kaum politisch betätigt und auch ihre Mutter sich nicht politisch exponiert habe. Den Akten seien auch keine anderen Anhaltspunkte für die Annahme zu entnehmen, dass sie vor ihrer Ausreise die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gelenkt habe. Überdies liege ihre Ausreise bereits (...) Jahre zurück, so dass eine zielgerichtete Verfolgungsabsicht seitens der venezolanischen Behörden oder der "Colectivos" als unwahrscheinlich zu erachten sei. Es sei demnach nicht von einer begründeten Furcht vor staatlichen Verfolgungsmassnahmen auszugehen. Da die Vorbringen nicht asylrelevant seien, könne auf eine vertiefte Prüfung ihrer Glaubhaftigkeit verzichtet werden.
Die Beschwerdeführerin wiederholte in ihren Beschwerdeeingaben in materieller Hinsicht unter Hinweis auf die diesbezüglich ins Recht gelegten Beweismittel den bereits vorgebrachten Sachverhalt und wendete gegen die vorinstanzliche Einschätzung ein, dass sie aufgrund ihrer oppositionellen politischen Aktivitäten in ihrer Heimat ernsthaft gefährdet beziehungsweise ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sei.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach Abwägung der Argumente, die für oder gegen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sprechen, und nach Berücksichtigung der eingereichten Beweismittel zum Schluss, dass die Vorinstanz die Asylgesuche der Beschwerdeführerin und
ihrer Tochter zu Recht abgelehnt hat. Zudem ist die getroffene Einschätzung, dass bei einer Rückkehr nach Venezuela keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen asylrelevanten Massnahme für die Beschwerdeführerinnen besteht, zu bestätigen. Die Entgegnungen auf Beschwerdestufe vermögen die vom SEM getroffene Einschätzung nicht umzustossen.
Vorweg ist anzuführen, dass Nachteile, die auf die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen sind, keine Asylrelevanz zu entfalten vermögen, da sie keine individuelle Verfolgung darstellen, sondern die ganze Bevölkerung oder einen grossen Teil derselben in gleichem Ausmass treffen. Soweit die Beschwerdeführerin diverse Behelligungen durch Angehörige der Sicherheitskräfte respektive von Angehörigen der "Colectivos" anlässlich von Demonstrationsteilnahmen oder vor dem Eingang der von ihr besuchten Universität anführt, ist festzuhalten, dass die geschilderten Vorkommnisse - so unangenehm sie für die Beschwerdeführerin auch gewesen sein müssen - entweder nicht gezielt gegen ihre Person gerichtet waren oder in ihrer Art und Dauer nicht als genügend intensiv zu erachten sind, um ernsthafte Nachteile im Sinne von Art. 3 AsylG darzustellen. Vielmehr sind solche Vorfälle auf die allgemeine politische Situation in Venezuela zurückzuführen. So hat das Land insbesondere seit dem Jahr 2014 wiederholt Demonstrationen und Streiks erlebt, die hauptsächlich von der parlamentarischen Opposition, Studentenvereinigungen, Gewerkschaftsorganisationen und anderen sozialen Gruppen organisiert wurden und welche sich gegen die Regierungspolitik und die zunehmende Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen beziehungsweise der Infrastruktur richten, die Absetzung von Präsident Maduro und/oder den Rücktritt von seinem Regime fordern. Diese Proteste, die bis heute andauern, sind teilweise gewalttätig und werden oft von venezolanischen Sicherheitskräften und/oder bewaffneten zivilen Gruppen, die für die Regierung arbeiten, unter dem Namen "Colectivos" unterdrückt oder niedergeschlagen (vgl. dazu ausführlich Urteil des BVGer D-4465/2019 vom 2. Oktober 2019 E. 9.2.1).
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten, seit (...) andauernden vereinzelten telefonischen Drohungen, deren Intensität zugenommen habe (vgl. act. A10/12, S. 5, F37), vermögen sodann im geschilderten Kontext keine asylrelevante Furcht vor künftiger Verfolgung zu begründen. Hätten die venezolanischen Behörden respektive die "Colectivos" die Beschwerdeführerin individuell und gezielt verfolgen wollen, hätten sich diese nicht
über die angeführte lange Zeit von (Nennung Dauer) mit einigen Telefonanrufen begnügt. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie aktiv gesucht worden wäre oder man ihr geplant im öffentlichen Raum nachgestellt hätte. An dieser Einschätzung vermag auch der Vorfall im (...) vor dem Eingang der Universität, als sie und (Nennung Person) beim Warten auf ihre Mutter von vorbeifahrenden "Colectivos" überrascht, mit Gegenständen beworfen und geschubst worden sei, angesichts des zufälligen Charakters dieser für die Beschwerdeführerin zweifellos unerfreulichen Begegnung, nichts zu ändern. Ferner war es ihr möglich, während vielen Jahren unbehelligt die Schule respektive die Universität zu besuchen. Sodann hat die Beschwerdeführerin, die sich politisch nicht exponierte und selber eingestand, dass ihre Situation nicht schlimmer sei, als diejenige von anderen Leuten beziehungsweise von anderen gegen die Regierung Protestierenden (vgl. act. A10/12, S. 8, F53), keine gegen sie in der Zwischenzeit eingeleitete behördliche Massnahmen erwähnt. Nachdem aus den Akten ihrer Mutter (N ) ersichtlich ist, dass diese mit Angehörigen in der Heimat in Kontakt steht (vgl. Anhörungsprotokoll im Verfahren der Mutter: act. A10/11, S. 4, F17), und davon auszugehen ist, dass ihr oder ihrer Mutter seitens der Familienangehörigen mitgeteilt worden wäre, hätten die heimatlichen Behörden behördliche Schritte gegen sie eingeleitet, und auch ihre in der Heimat verbliebenen Familienangehörigen selber offenbar keine behördlichen Nachfragen nach ihrer Person oder andere Behelligungen über sich ergehen lassen mussten, ist der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin nicht im Visier der Behörden ihres Heimatlandes steht und diese auch kein tatsächliches und gezieltes Verfolgungsinteresse an ihrer Person haben. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass die Beschwerdeführerin Venezuela gemäss dem Eintrag in ihrem Reisepass am (...) offenbar problemlos über einen kontrollierten Grenzübergang verlassen hat, was als starkes Indiz gegen ein Verfolgungsinteresse der heimatlichen Behörden zu werten ist. Aufgrund ihrer Asylvorbringen kann sie sich nicht darauf berufen, sie habe begründete Furcht gehabt, asylrelevanten Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt zu werden, zumal es nicht genügt, bloss auf Vorkommnisse zu verweisen, welche sich früher oder später eventuell ereignen könnten (vgl. BVGE 2010/44 E. 3.3 f. S. 620 f.), auch wenn sie sich in subjektiver Hinsicht vor einer Verhaftung oder anderweitigen behördlichen Nachteilen gefürchtet haben mag. Überdies ist anzufügen, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Ausreise auf dem Weg in die Schweiz zunächst (Nennung Dauer) in J. verbrachte, wo sie bei Angehörigen ihrer Glaubensgemeinschaft in K. wohnhaft war und sich offensichtlich nicht veranlasst sah, in dieser Zeit bei den Behörden von J. um Asyl zu ersuchen. Dieses Verhalten widerspiegelt nicht
dasjenige einer Person, die vorgibt, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrer Heimat geflüchtet zu sein. Vielmehr wäre andernfalls zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer Ankunft in J. - ein Land, das sie von einer Ferienreise bereits gekannt habe (vgl. act. A10/12,
S. 5, F34) und dessen Landessprache sie spricht - bestrebt gewesen wäre, möglichst rasch um Asyl zu ersuchen. Ihre auf Vorhalt abgegebene Erklärung, wonach sie in J. nicht viel getan, das Kind einer Frau ihrer Glaubensgemeinschaft gehütet und gewartet habe, bis ihr ihre Mutter mitteile, wie es weitergehe (vgl. act. A10/12, S. 8, F54), stützt nach Ansicht des Gerichts obige Einschätzung einer fehlenden Verfolgungsfurcht.
Zusammenfassend ergibt sich, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, ihre Flüchtlingseigenschaft oder jene der Tochter nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, weshalb das SEM zu Recht die Flüchtlingseigenschaft verneint und die Asylgesuche abgelehnt hat.
Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG). Die Beschwerdeführerinnen verfügen weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).
Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG). Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).
Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunftsoder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG). So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft,
zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]). Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr der Beschwerdeführerin und ihres Kindes nach Venezuela ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.
Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen der Beschwerdeführerin noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass sie oder ihr Kind für den Fall einer Ausschaffung nach Venezuela dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung, sei es aufgrund von Handlungen des Staatspersonals oder von Mitgliedern verschiedener anderer paramilitärischen Gruppen, ausgesetzt wären. Gemäss Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste die Beschwerdeführerin eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihr und/oder ihrem Kind im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl. Urteil des EGMR Saadi gegen Italien 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Weder die weiterhin bestehenden politischen und sozialen Spannungen in Venezuela noch die allgemeine Menschenrechtssituation in der Herkunftsregion der Beschwerdeführerinnen lassen den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt als unzulässig erscheinen. So muss jedenfalls dort nicht von einer derart desolaten Sicherheitslage ausgegangen werden, dass die hohen Anforderungen des „real risks“ einer unmenschlichen Behandlung erfüllt wären.
Schliesslich berufen sich die Beschwerdeführerinnen auf Art. 8 EMRK als beachtliches Vollzugshindernis, da der Vater der rubrizierten
Tochter ein Staatsbürger von L.
sei, die Vaterschaft anerkannt
habe und die schweizerischen Zivilstandsbehörden die Registrierung bald abgeschlossen hätten. Da der Vater nicht in Venezuela lebe, würde mit einem Vollzug der Wegweisung das Familienleben und die Aufrechterhaltung der Beziehung zum Vater verunmöglicht. Altersgemäss benötige das Kind jedoch beide Elternteile für eine normale Entwicklung und der in dieser Hinsicht notwendigen Stabilität der Verhältnisse sei gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts Rechnung zu tragen. Das SEM hielt dazu in seiner Vernehmlassung fest, da der Vater des Kindes ein Staatsangehöriger von L. mit Wohnsitz in L. sei, vermöge die fast (...) Jahre nach der Geburt geschehene Vaterschaftsanerkennung den weiteren Verbleib der Beschwerdeführerinnen in der Schweiz offensichtlich nicht zu begründen. Der Kontakt zwischen Vater und Tochter könne mittels elektronischer Medien und gegenseitiger Besuche aufrechterhalten werden. In ihrer Replik wenden die Beschwerdeführerinnen ein, aufgrund der Distanz zum Heimatland sei die Aufrechterhaltung einer Beziehung zum Vater nicht möglich. Der Kontakt mittels elektronischer Medien komme wegen des Alters der Tochter nicht in Frage und das Internet werde durch die häufigen Stromunterbrüche in Venezuela stark beeinträchtigt. Gemäss Art. 273 ZGB hätten Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zustehe, und das minderjährige Kind Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr. Daher werde der persönliche Verkehr in der Schweiz geregelt. Der Vater und dessen Eltern würden in (...) wohnen, weshalb eine sehr gute Möglichkeit bestehe, den Kontakt zu halten. Die Tochter benötige aufgrund ihres Alters Zeit, um die Beziehung zu ihrem Vater zu vertiefen.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK schützt bestehende Familien. Der Begriff Familienleben umfasst unter anderem die Beziehungen zwischen Partnern, ob ehelich oder nicht, also auch die Beziehungen zwischen Personen, die eine De-facto-Familie bilden, die zusammenleben und bei denen also eine enge persönliche Beziehung besteht (vgl. BVGE 2013/49 E. 8.4.1 mit zahlreichen Hinweisen). Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ergibt sich indessen lediglich dann ein Aufenthaltsanspruch, wenn nahe Familienangehörige über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht in der Schweiz (das heisst die Schweizer Staatsangehörigkeit, eine Niederlassungsbewilligung oder eine Aufenthaltsbewilligung mit Anspruch auf Verlängerung) verfügen (vgl. statt vieler BGE 130 II 281 E. 3, m.w.H.). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Praxis angeschlossen (vgl. BVGE 2012/4 E. 4.3, BVGE
2013/24 E. 5.2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend, da der Kindsvater in L. lebt, bereits deswegen klarerweise nicht erfüllt respektive durch die Schweizer Behörden gar nicht zu prüfen. Es erübrigt sich unter diesen Umständen auch darauf einzugehen, ob überhaupt ein Familienleben im Sinne der zitierten Rechtsprechung vorliegen könnte. Mit Blick auf das Gesagte vermögen die Beschwerdeführerinnen auch aus dem zu den Akten gerichteten Schreiben der (Nennung Verwandte) des Kindsvaters nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asylals auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.
Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimatoder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.
Trotz der nach wie vor angespannten Situation im Heimatland der Beschwerdeführerinnen besteht in Venezuela keine Situation von Krieg, Bürgerkrieg oder allgemeiner Gewalt, die bei einer Rückkehr eine konkrete Gefährdung im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG zu begründen vermöchte (vgl. dazu ausführlich: Urteil des BVGer D-4465/2019 vom 2. Oktober 2019 E. 9.2.1).
Auch liegen keine individuellen Gründe wirtschaftlicher und sozialer Natur vor, die der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin verfügt über eine - wenn auch nicht abgeschlossene - universitäre Ausbildung (vgl. act. A8/10 S. 4; A 10/12,
S. 3, F7 ff.). Sodann stammt sie aus überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. Anhörungsprotokoll im Verfahren der Mutter: act. A10/11, S. 7, F32) und wurde auch während ihres Universitätsstudiums noch immer vom (Nennung Verwandter) finanziell unterstützt (vgl. act. A 10/12, S. 4, F23 ff.). Zudem verfügen sie und ihre Tochter in ihrer Herkunftsregion über ein soziales Beziehungsnetz ([...]), mit welchem ein Kontakt besteht (vgl. act. A8/10, S. 4; A10/12, S. 5). Da die Asylbeschwerde der Mutter respektive Grossmutter der Beschwerdeführerinnen (Geschäfts-Nr. D-3919/2019) mit Urteil gleichen Datums entschieden wurde, besteht die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin bei der Betreuung ihrer Tochter von ihrer Mutter unterstützt wird und sie aufgrund der guten
finanziellen Situation der Familie allenfalls auch ihr Studium wieder aufnehmen und beenden kann. Es ist daher - in Übereinstimmung mit den vorinstanzlichen Erwägungen - davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und ihre Tochter bei der Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Situation geraten werden, wobei allein wirtschaftliche Probleme ohnehin nicht zur Annahme der Unzumutbarkeit führen.
Sind von einem allfälligen Wegweisungsvollzug Kinder betroffen, so bildet das Kindeswohl im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung einen Gesichtspunkt von gewichtiger Bedeutung. Unter dem Aspekt des Kindeswohls sind sämtliche Umstände einzubeziehen und zu würdigen, die im Hinblick auf eine Wegweisung wesentlich erscheinen. In Bezug auf das Kindeswohl können namentlich folgende Kriterien im Rahmen einer gesamtheitlichen Beurteilung von Bedeutung sein: Alter des Kindes, Reife, Abhängigkeiten, Art (Nähe, Intensität, Tragfähigkeit) seiner Beziehungen, Eigenschaften seiner Bezugspersonen (insbes. Unterstützungsbereitschaft und -fähigkeit), Stand und Prognose bezüglich Entwicklung/Ausbildung, Grad der erfolgten Integration bei einem längeren Aufenthalt in der Schweiz. Insbesondere der letztgenannte Aspekt, die Dauer des Aufenthalts in der Schweiz, ist im Hinblick auf die Prüfung der Chancen und Hindernisse einer Reintegration im Heimatland bei einem Kind als gewichtiger Faktor zu werten, da Kinder nicht ohne guten Grund aus einem einmal vertrauten Umfeld herausgerissen werden sollten. Dabei ist aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht nur das unmittelbare persönliche Umfeld des Kindes (d.h. dessen Kernfamilie) zu berücksichtigen, sondern auch dessen übrige soziale Einbettung. Die Verwurzelung in der Schweiz kann eine reziproke Wirkung auf die Frage der Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs haben, indem eine starke Assimilierung in der Schweiz mithin eine Entwurzelung im Heimatstaat zur Folge haben kann, welche unter Umständen die Rückkehr dorthin als unzumutbar erscheinen lässt (vgl. BVGE 2009/51
E. 5.6, mit weiteren Hinweisen). Vorliegend kann mit Blick auf den Aufenthalt und eine damit verbundene Integration der Tochter B. in der Schweiz kein Verstoss gegen das Kindeswohl erblickt werden. Das Kind ist etwas mehr als (...) Jahre alt und - auch wenn es in der Schweiz geboren wurde -aufgrund seines Alters noch in erster Linie an seiner Mutter und Grossmutter orientiert. Es hat daher auch noch keine derartige Integration in der Schweiz erfahren, dass daraus zu schliessen wäre, eine Rückkehr nach Venezuela sei unter dem Aspekt des Kindeswohls unzumutbar. In Bezug zum in L. lebenden Kindsvater ist auf das unter E. 8.3.4 Ausgeführte zu verweisen.
Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung der Beschwerdeführerinnen nach Venezuela insgesamt als zumutbar.
Schliesslich obliegt es der Beschwerdeführerin, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente für sich und ihre Tochter zu beschaffen beziehungsweise ihren am (...) abgelaufenen Reisepass verlängern zu lassen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1-4 AIG).
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Indessen wurde mit Zwischenverfügung vom 30. August 2019 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gutgeheissen und es ist den Akten nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich nicht mehr bedürftig wäre, weshalb keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.
Mit derselben Verfügung wurde ausserdem das Gesuch um amtliche Verbeiständung gutgeheissen und den Beschwerdeführerinnen ihre Rechtsvertreterin als Rechtsbeiständin bestellt. Demnach ist dieser ein amtliches Honorar für ihre notwendigen Aufwendungen im Beschwerdeverfahren auszurichten. Seitens der Rechtsvertreterin wurde keine Kostennote eingereicht. Auf die Nachforderung einer solchen kann indes verzichtet werden, da der Aufwand für die Rechtsvertreterin zuverlässig abgeschätzt werden kann (Art. 14 Abs. 2 in fine VGKE). In Anwendung der massgeblichen Bemessungsfaktoren (vgl. Art. 8-11 VGKE) ist das Honorar auf Fr. 1500.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteueranteil) festzusetzen. Dieser Betrag ist Rechtsanwältin Ana Moncada als amtliches Honorar zu Lasten des Gerichts auszurichten.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
Der amtlichen Rechtsbeiständin wird zulasten der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1500.- zugesprochen.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführerinnen, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Jeannine Scherrer-Bänziger Stefan Weber
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