Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3873/2024 |
Datum: | 15.07.2024 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Recht; Revision; Gesuch; Advokat; Gesuchstellende; Parteien; Advokatur; Gesuchstellenden; Parteientschädigung; Bundesverwaltungsgericht; Honorar; Rechtsbeistand; Rechtsanwalt; Revisionsgesuch; Urteil; Aufwand; Kostennote; Stunden; Gericht; Dispositiv; Beschwerdeverfahren; Polatli; Wegweisung; Eingabe; Entschädigung; Beschwerdeurteil; Akten; Rechtsbeistands |
Rechtsnorm: | Art. 12 BGG ;Art. 121 BGG ;Art. 12112 BGG ;Art. 124 BGG ;Art. 64 VwVG ;Art. 67 VwVG ;Art. 68 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: |
Abteilung IV D-3873/2024
Besetzung Richterin Susanne Bolz-Reimann (Vorsitz), Richterin Regina Derrer, Richterin Giulia Marelli, Gerichtsschreiberin Irina Wyss.
vertreten durch lic. iur. Ozan Polatli, Advokat, Advokatur Polatli, (…),
Gesuchstellende,
gegen
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Revision gegen das Urteil D-5438/2020 vom 28. Mai 2024 / N (…).
Mit Verfügung vom 30. September 2020 stellte das SEM fest, die Gesuchstellenden erfüllten die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte ihre Asylgesuche ab und ordnete die Wegweisung und aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug an.
Mit Eingabe vom 4. November 2020 erhoben die Gesuchstellenden durch ihren damals bei der Advokatur Roth angestellten Rechtsvertreter Rechtsanwalt Ozan Polatli Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dabei reichten sie unter anderem eine Honorarnote vom 4. November 2020 ein.
Mit Zwischenverfügung vom 18. November 2020 hiess die zuständige Instruktionsrichterin des Verfahrens D-5438/2020 das in der Beschwerde gestellte Gesuch um amtliche Rechtsverbeiständung gut und ordnete den Gesuchstellenden Rechtsanwalt Ozan Polatli als amtlichen Rechtsbeistand bei.
Am 10. Januar 2024 reichte der amtliche Rechtsbeistand eine weitere Honorarnote ein. Dabei informierte er das Gericht über seinen Austritt aus der Advokatur Roth und seine Selbständigkeit als Rechtsanwalt, verbunden mit der Bitte, die Entschädigung für seinen bisherigen Aufwand an die Advokatur Roth auszuzahlen.
Mit Urteil D-5438/2020 vom 28. Mai 2024 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde betreffend den Wegweisungsvollzug gut, hob die angefochtene Verfügung diesbezüglich auf und wies das SEM an, die Gesuchstellenden vorläufig aufzunehmen. In den weiteren Punkten (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Gewährung von Asyl und Anordnung der Wegweisung) wies es die Beschwerde ab.
In Hinblick auf die Kostenverlegung stellte es fest, dass keine Verfahrenskosten erhoben würden. Das Honorar des amtlichen Rechtsbeistands setzte es auf insgesamt Fr. 2'127.50 fest (Dispositiv-Ziff. 4.1) und wies das SEM an, den Gesuchstellenden eine Parteientschädigung von Fr. 1'063.75 (Fr. 863.75 an die Advokatur Roth sowie Fr. 200.– als "Parteientschädigung"; Dispositiv-Ziff. 4.2) auszurichten. Zudem sprach es zulasten der
Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 1'063.75 zu (Fr. 863.75 zugunsten der Advokatur Roth und Fr. 200.– zugunsten des amtlichen Rechtsbeistands; Dispositiv-Ziff. 4.3).
Mit Eingabe vom 19. Juni 2024 reichte der amtliche Rechtsbeistand gemeinsam mit Rechtsanwalt Dieter Roth, Inhaber der Advokatur Roth, beim Bundesverwaltungsgericht ein Revisionsgesuch ein. Darin machen sie geltend, der amtliche Rechtsbeistand habe mit Eingabe vom 6. November 2020 (recte: 4. November 2020) eine Honorarnote eingereicht, welche im Beschwerdeurteil D-5438/2020 bei der Festsetzung der Parteientschädigung und des amtlichen Honorars nicht berücksichtigt worden sei. Es habe nur die Honorarnote vom 10. Januar 2024 Beachtung gefunden. Es sei daher das Dispositiv dieses Beschwerdeurteils in der Kostenverlegung entsprechend abzuändern.
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäss Art. 105 AsylG (SR 142.31) auf dem Gebiet des Asyls in der Regel endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen des SEM (vgl. zur Ausnahme Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Es ist ausserdem zuständig für die Revision von Urteilen, die es in seiner Funktion als Beschwerdeinstanz gefällt hat (vgl. BVGE 2007/21 E. 2.1).
Gemäss Art. 45 VGG gelten für die Revision von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts die Art. 121128 des BGG sinngemäss. Nach Art. 47 VGG findet auf Inhalt, Form und Ergänzung des Revisionsgesuches Art. 67 Abs. 3 VwVG Anwendung.
Das Revisionsgesuch ist ein ausserordentliches Rechtsmittel, das sich gegen einen rechtskräftigen Beschwerdeentscheid richtet. Wird das Gesuch gutgeheissen, beseitigt dies die Rechtkraft des angefochtenen Urteils, und die bereits entschiedene Streitsache ist neu zu beurteilen (vgl. ANDRÉ MOSER et al., Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 3. Aufl. 2022, S. 348 Rz. 5.36).
Die Kostenverlegung bildet bei sämtlichen Arten der Verfahrenserledigung einen eigenständigen Urteilsspruch. Ein Revisionsgesuch, das sich einzig gegen die Kostenund Entschädigungsregelung richtet, ist daher zulässig, wenn sich der angerufene Revisionsgrund direkt auf die Kostenund Entschädigungsfestsetzung bezieht (vgl. Urteil des BVGer E-5767/2023 vom 22. November 2023 E. 2.1 m. w. H.).
Die vorliegenden Rechtsbegehren des Revisionsgesuchs beziehen sich ausschliesslich auf die Kostenverlegung des Beschwerdeurteils D-5438/2020 und beschränken sich somit auf die zulässige Rüge betreffend eine im Beschwerdeverfahren übersehene Kostennote.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht auf Gesuch hin seine Urteile aus den in Art. 121123 BGG aufgeführten Gründen in Revision (Art. 45 VGG). Im Revisionsgesuch ist der angerufene Revisionsgrund anzugeben und die Rechtzeitigkeit des Revisionsbegehrens im Sinne von Art. 124 BGG darzutun (vgl. Art. 47 VGG i.V.m. Art. 67 Abs. 3 VwVG).
Die Gesuchstellenden machen den Revisionsgrund der versehentlichen Nichtberücksichtigung von in den Akten liegenden erheblichen Tatsachen (Art. 121 Bst. d BGG) geltend. Zudem erfolgte die Eingabe vom 19. Juni 2024 innert der massgeblichen Frist von 30 Tagen (Art. 124 Abs. 1 Bst. b BGG) und damit rechtzeitig. Sowohl Rechtsanwalt Ozan Polatli als ehemaliger amtlicher Rechtsbeistand der Gesuchstellenden als auch Rechtsanwalt Dieter Roth, Inhaber der Advokatur Roth (dem als ehemaliger Arbeitgeber von Ozan Polatli das amtliche Honorar und die Parteientschädigung vor Austritt des amtlichen Rechtsbeistands aus der Advokatur Roth zusteht), sind zur Eingabe des Revisionsgesuchs legitimiert (vgl. MEICHSSNER STEFAN, in: Praxiskommentar VwVG, 3. Aufl. 2023, Art. 65 VwVG Rn. 93). Auf das fristund formgerecht eingereichte Revisionsgesuch ist deshalb einzutreten.
Gemäss Art. 121 Bst. d BGG zieht das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid auf Begehren einer Partei in Revision, wenn es in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Der Revisionsgrund setzt voraus, dass eine erhebliche Tatsache im Zeitpunkt des Entscheids tatsächlich bei den Akten lag, das Gericht sie dennoch nicht berücksichtigte und die Nichtberücksichtigung auf ein Versehen zurückzuführen ist.
Die Gesuchstellenden bringen zu Recht vor, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Beschwerdeurteil D-5438/2020 vom 28. Mai 2024 im Entschädigungspunkt die Kostennote vom 4. November 2020 nicht berücksichtigt. So ist den Beschwerdeakten D-5438/2020 zu entnehmen, dass der amtliche Rechtsbeistand diese Kostennote mit der Beschwerdeeingabe am 4. November 2020 zu den Akten gereicht hatte (Beschwerdeakte Nr. 1). Das vorliegend in Revision gezogene Beschwerdeurteil berücksichtigt hingegen einzig die Kostennote vom 10. Januar 2024 (Beschwerdeakte Nr. 14; vgl. D-5438/2020 Sachverhalt H., E. 12.2., Dispositiv-Ziff. 4). Damit fand eine in den Akten liegende Tatsache versehentlich keine Berücksichtigung. Der angerufene Revisionsgrund ist zudem revisionsrechtlich erheblich, zumal das amtliche Honorar sowie die Parteientschädigung je nachdem, ob eine oder zwei Kostennoten berücksichtigt werden, entsprechend tiefer oder höher ausfallen.
Bei dieser Sachlage ist das auf den Entschädigungspunkt beschränkte Revisionsgesuch gutzuheissen, die Dispositiv-Ziffer 4 im Beschwerdeurteil D–5438/2020 aufzuheben und das Beschwerdeverfahren, beschränkt auf den Entschädigungspunkt, wieder aufzunehmen.
Die Gesuchstellenden weisen im Beschwerdeverfahren einen Aufwand von insgesamt Fr. 3'365.95 aus (Kostennote vom 4. November 2020: 6 Stunden à Fr. 250.– plus Auslagen von Fr. 21.30 zzgl. MwSt. = Fr. 1'638.45; Kostennote vom 10. Januar 2024: 4,42 Stunden à Fr. 250.– und 2,25 Stunden à Fr. 166.– plus Auslagen von Fr. 126.30 zzgl. MwSt. = Fr. 1'727.50). Der ausgewiesene zeitliche Vertretungsaufwand von gerundet 12,5 Stunden erscheint angemessen. Hinzu kommt die Eingabe des amtlichen Rechtsbeistands vom 13. April 2024 (Beschwerdeakte Nr. 21) nach seinem Austritt aus der Advokatur Roth und somit als selbständiger Rechtsanwalt. Dieser letztere Aufwand ist mit 2 Stunden zu bemessen. Der letztlich zu berücksichtigende zeitliche Aufwand beträgt demnach insgesamt 14,5 Stunden.
Aufgrund der Gutheissung der Beschwerde im Wegweisungsvollzugspunkt ist von einem teilweisen Obsiegen der Gesuchstellenden auszugehen. Es ist ihnen deshalb praxisgemäss eine um die Hälfte reduzierte – und von der Vorinstanz zu vergütende – Parteientschädigung für die ihnen notwendigerweise erwachsenen Parteikosten zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 und 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem
Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Betreffend die Parteientschädigung gemäss dem in den beiden Kostennoten veranschlagten Aufwand erscheint ein Stundenansatz von Fr. 250.– beziehungsweise Fr. 166.– angemessen. Demnach ist die hälftig anteilige Parteientschädigung für den Aufwand des amtlichen Rechtsvertreters als angestellter Rechtsanwalt der Advokatur Roth auf Fr. 1'683.40 (inkl. anteilige Auslagen von Fr. 73.80 und Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE) festzulegen. Hinzu kommt die hälftig anteilige Parteientschädigung für die Eingabe des amtlichen Rechtsbeistands vom 13. April 2024 als selbständiger Rechtsanwalt nach Austritt aus der Advokatur Roth. Diese ist auf Fr. 200.– festzusetzen und umfasst keinen Mehrwertsteuerzuschlag (Art. 9 Abs. 1 Bst. c und Art. 10 Abs. 2 VGKE). Die durch die Vorinstanz auszurichtende Parteientschädigung beträgt somit insgesamt Fr. 1'883.40.
Für den Teil des Unterliegens im Beschwerdeverfahren (Asyl, Flüchtlingseigenschaft und Wegweisung) ist den Gesuchstellenden keine Parteientschädigung zuzusprechen. Hingegen hat die im Beschwerdeverfahren zuständige Instruktionsrichterin mit Zwischenverfügung vom 18. November 2020 das Gesuch um amtliche Rechtsverbeiständung gutgeheissen und den Gesuchstellenden ihren Rechtsvertreter als amtlichen Rechtsbeistand beigeordnet. Entsprechend ist diesem zulasten der Gerichtskasse ein anteiliges amtliches Honorar für den Teil des Unterliegens im Beschwerdeverfahren zuzusprechen. Wie bereits in der Zwischenverfügung festgehalten, beträgt der Stundenansatz bei einer amtlichen Vertretung Fr. 200.– bis Fr. 220.– für Anwältinnen und Anwälte (vgl. Art. 12 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 VGKE), wobei nur der notwendige Aufwand zu entschädigen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 VGKE). Der Stundenansatz für das amtliche Honorar ist demnach auf Fr. 220.– zu kürzen. Somit ist der hälftig anteilige Aufwand des amtlichen Rechtsbeistands als Angestellter der Advokatur Roth auf Fr. 1'560.40 (inkl. anteilige Auslagen von Fr. 73.80 und Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE) festzulegen. Der hälftig anteilige Aufwand für die amtliche Rechtsvertretung als selbständiger Rechtsanwalt nach Austritt aus der Advokatur Roth ist auf Fr. 200.– festzusetzen und umfasst keinen Mehrwertsteuerzuschlag. Demnach ist das amtliche Honorar auf insgesamt Fr. 1'760.40 festzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen. Die Dispositivziffer 4 des Beschwerdeurteils D-5438/2020 vom 28. Mai 2024 wird aufgehoben und das Beschwerdeverfahren diesbezüglich wieder aufgenommen.
Das SEM wird angewiesen, für das Beschwerdeverfahren D-5438/2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'683.40 an die Advokatur Roth und eine Parteientschädigung von Fr. 200.– an die Gesuchstellenden auszurichten.
Der Advokatur Roth wird zulasten der Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 1'560.40 und Rechtsanwalt Ozan Polatli ein amtliches Honorar von Fr. 200.– zugesprochen.
Für das vorliegende Revisionsverfahren werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Für das Revisionsverfahren wird den vertretenen Gesuchstellenden zu Lasten der Gerichtskasse eine Parteientschädigung von Fr. 200.– ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an die Gesuchstellenden, Rechtsanwalt Dieter Roth, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Susanne Bolz-Reimann Irina Wyss
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