Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-3720/2013 |
Datum: | 11.02.2014 |
Leitsatz/Stichwort: | Asyl und Wegweisung |
Schlagwörter : | Beschwerde; Beschwerdeführer; Verfügung; Vorinstanz; Verfahren; Bundesverwaltungsgericht; Lanka; Quot;; Sachverhalt; Sachverhalts; Verfahrens; Parteien; Schweiz; Gelegenheit; Ausreise; Akten; Vorbringen; Wegweisung; Beweismittel; Frist; Kassation; Sachverhaltsfeststellung; Entscheidung; Einzelrichterin; Contessina; Theis; Zustimmung; Richterin; Gerichtsschreiberin; Hostettler |
Rechtsnorm: | Art. 61 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-3720/2013
thc/hoe/ves
Besetzung Einzelrichterin Contessina Theis,
mit Zustimmung von Richterin Muriel Beck Kadima; Gerichtsschreiberin Eva Hostettler.
Parteien A. , geboren ( ), Sri Lanka,
( ),
Beschwerdeführer,
gegen
Gegenstand Asyl und Wegweisung;
Verfügung des BFM vom 30. Mai 2013 / N ( ).
Der Beschwerdeführer, ein sri-lankischer Staatsangehöriger, tamilischer Ethnie, verliess seinen Heimatstaat eigenen Angaben zufolge am ( ) 2010 und gelangte am 12. Januar 2010 in die Schweiz, wo er gleichentags ein Asylgesuch stellte.
Anlässlich der Kurzbefragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum
(EVZ) B.
vom 18. Januar 2010 und der einlässlichen Anhörung
vom 28. Januar 2010 erhielt der Beschwerdeführer Gelegenheit, sich zu seinen Ausreiseund Asylgründen zu äussern. Hinsichtlich der Asylvorbringen des Beschwerdeführers wird auf die Akten verwiesen.
Zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer seine Identitätskarte, ein Bestätigungsschreiben des ( ) sowie den Schülerausweis, ein Bestätigungsschreiben des ( ) und seine Geburtsurkunde sowie eine Beglaubigung dieser ein.
Mit Verfügung vom 30. Mai 2013 - eröffnet am 31. Mai 2013 - lehnte das BFM das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie deren Vollzug an.
Mit Eingabe vom 28. Juni 2013 - Poststempel - reichte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein und beantragte im Wesentlichen, die vorinstanzliche Verfügung sei aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft festzustellen und ihm sei Asyl zu gewähren; eventualiter sei die Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und eine vorläufige Aufnahme anzuordnen.
In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) sowie um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Zur Stützung seiner Vorbringen reichte er eine Fürsorgebestätigung und ein weiteres Beweismittel zu den Akten.
Mit Zwischenverfügung vom 3. Juli 2013 hiess der damals zuständige Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und forderte den Beschwerdeführer auf, die in der Beschwerde in Aussicht gestellten Beweismittel innert Frist nachzureichen.
Mit Schreiben vom 7. August 2013 (Poststempel) reichte der Beschwerdeführer weitere Beweismittel ein.
Mit Verfügung vom 12. August 2013 wurde der Vorinstanz Gelegenheit eingeräumt, innert Frist eine Vernehmlassung einzureichen.
Das BFM hielt in der Vernehmlassung vom 27. August 2013 an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Mit Verfügung vom 5. September 2013 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit eingeräumt, innert Frist eine Replik einzureichen.
Der Beschwerdeführer nahm in seiner Replik vom 20. September 2013 Stellung.
Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme i.S. von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf
dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Beschwerde ist im Verfahren einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters oder einer zweiten Richterin zu behandeln, weil sie sich im Ergebnis als offensichtlich begründet erweist (Art. 111 Bst. e AsylG).
Die Vorinstanz ist in Verfahren, die Staatsangehörige Sri Lankas tamilischer Ethnie betreffen, systematisch dazu übergegangen, keine Ausreisefristen mehr zu verhängen und bereits angeordnete Ausreisefristen aufzuheben. Faktisch zieht sie damit sämtliche Verfahren (auch solche im Vollzugsstadium) in Wiedererwägung, und zwar unbesehen der konkreten Umstände im Einzelfall. Das vorinstanzliche Vorgehen geht auf zwei im August 2013 bekannt gewordene Vorfälle sri-lankischer Rückkehrer zurück, welche in der Schweiz jeweils erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen haben und weggewiesen wurden (vgl. Medienmitteilung des BFM vom 4. September 2013: "Bundesamt hat Rückführungen nach Sri Lanka vorläufig ausgesetzt"). Die sri-lankischen Behörden haben die tamilischen Rückkehrer bei der Wiedereinreise in Haft genommen. Daraufhin hat die Vorinstanz in Aussicht gestellt, die beiden Vorfälle und eine allfällige Veränderung der allgemeinen Situation und insbesondere die Lage der Rückkehrenden in Sri Lanka vertieft abzuklären. Hierfür ersuchte sie das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), die beiden Fälle einer Qualitätsprüfung zu unterziehen sowie anschliessend auch die Dossiers jener Personen zu überprüfen, deren Gesuche
rechtskräftig abgelehnt worden sind und die mit der Rückführung nach Sri Lanka hätten rechnen müssen (vgl. Medienmitteilung des BFM vom
3. Oktober 2013: "Sri Lanka gibt bekannt, warum zwei ehemalige Asylsuchende in Haft sind" sowie: Neue Zürcher Zeitung [NZZ] vom 4. Oktober 2013: "UNHCR überprüft Asyldossiers - zwei zurückgeschickte Tamilen seit Wochen in Haft"). Die Vorinstanz geht damit selbst davon aus, dass der Sachverhalt, wie er der Verfügung vom 30. Mai 2013 zugrunde liegt, offensichtlich nicht vollständig festgestellt ist. Denn es besteht kein Zweifel, dass eine neue Lagebeurteilung vor Ort sich auf die konkrete Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts auswirken kann.
Gemäss Art. 61 Abs. 1 VwVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst oder weist diese ausnahmsweise mit verbindlichen Weisungen an die Vorinstanz zurück. Eine Kassation und Rückweisung an die Vorinstanz ist insbesondere angezeigt, wenn weitere Tatsachen festgestellt werden müssen und ein umfassendes Beweisverfahren durchzuführen ist. Die in diesen Fällen fehlende Entscheidungsreife kann grundsätzlich zwar auch durch die Beschwerdeinstanz selbst hergestellt werden, wenn dies im Einzelfall aus prozessökonomischen Gründen angebracht erscheint; sie muss dies aber nicht (vgl. BVGE 2012/21 E. 5). Vorliegend liegt der Mangel in einer unvollständigen Sachverhaltsfeststellung, wobei die unterbliebenen notwendigen Abklärungen eine relativ aufwändige und umfangreiche Beweiserhebung darstellen, weshalb sich eine Kassation der angefochtenen Verfügung rechtfertigt. Im Übrigen bleibt auf diese Weise der Instanzenzug erhalten, was umso wichtiger ist, als das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich entscheidet.
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung ist aufzuheben, die Sache ist zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung sowie zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen und die vorinstanzlichen Akten sowie das Beschwerdedossier, welches ebenfalls Prozessstoff des vorinstanzlichen Verfahrens bilden wird, werden dem BFM zugestellt. Auf die weiteren Vorbringen in der Rechtsmitteleingabe ist aufgrund der vorliegenden Kassation zum heutigen Zeitpunkt nicht näher einzugehen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG).
Da der Beschwerdeführer nicht vertreten ist, wird ihm keine Parteientschädigung zugesprochen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
Die Verfügung des BFM vom 30. Mai 2013 wird aufgehoben und die Sache zur vollständigen Sachverhaltsfeststellung und zu neuer Entscheidung an das BFM zurückgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die Einzelrichterin: Die Gerichtsschreiberin:
Contessina Theis Eva Hostettler
Versand:
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