Instanz: | Bundesverwaltungsgericht |
Abteilung: | Abteilung IV |
Dossiernummer: | D-2967/2018 |
Datum: | 04.02.2021 |
Leitsatz/Stichwort: | Asylwiderruf |
Schlagwörter : | Recht; Handlung; Griechenland; Urteil; Freiheitsstrafe; Taten; Sinne; Beschwerdeführers; Verfügung; Flüchtling; Gericht; Ausreise; Bereicherungsabsicht; Schweiz; Unterlagen; Bundesverwaltungsgericht; Dokumente; Person; Urteil; Recht; Vorinstanz; Verurteilung; Verbrechen; Handlungen; Stellung; Rechtsvertreter; Vernehmlassung |
Rechtsnorm: | Art. 10 StGB ;Art. 116 AIG ;Art. 13 StGB ;Art. 25 BV ;Art. 25 StGB ;Art. 255 StGB ;Art. 32 BV ;Art. 33 VwVG ;Art. 333 StGB ;Art. 52 VwVG ;Art. 63 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 83 BGG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Abteilung IV D-2967/2018
Besetzung Richterin Mia Fuchs (Vorsitz), Richterin Constance Leisinger, Richter Gérald Bovier,
Gerichtsschreiberin Teresia Gordzielik.
Parteien A. ,
geboren am (…), Iran,
vertreten durch lic. iur. Urs Ebnöther, Rechtsanwalt, Advokatur Kanonengasse,
(…),
Beschwerdeführer,
gegen
Vorinstanz.
Gegenstand Asylwiderruf;
Verfügung des SEM vom 19. April 2018 / N (…).
Mit Verfügung vom 14. Juli 2014 erkannte das SEM den Beschwerdeführer als Flüchtling an und gewährte ihm Asyl.
Im Februar 2017 informierte die Schweizerische Botschaft in Athen das SEM, dass der Beschwerdeführer am 15. April 2016 in Griechenland anlässlich einer Personenkontrolle verhaftet worden sei, nachdem in seinem Gepäck sieben gefälschte rumänische Identitätspapiere gefunden worden seien. Er sei am 18. April 2017 aus der Haft entlassen worden und hätte sich fortan während vier Jahren einmal monatlich auf einem Polizeiposten in Griechenland melden müssen. Er sei jedoch noch im April 2017 in die Schweiz zurückgekehrt.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 forderte das SEM den Beschwerdeführer auf, ausführlich zu diversen Fragen betreffend seinen Aufenthalt und seine Haft in Griechenland Stellung zu nehmen und alle Unterlagen zur Inhaftierung, allfälligen Verurteilung und Haftentlassung einzureichen.
Am 26. Oktober 2017 nahm der Beschwerdeführer kurz zu den Fragen der Vorinstanz Stellung. Zu allfälligen Unterlagen äusserte er sich nicht.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 gewährte ihm die Vorinstanz im Hinblick auf einen allfälligen Asylwiderruf das rechtliche Gehör und forderte ihn erneut zur Einreichung der einverlangten Unterlagen auf. Innerhalb der gesetzten Frist (23. Februar 2018) und bis zum Entscheiddatum kam der Beschwerdeführer dem nicht nach.
Mit Verfügung vom 19. April 2018 – eröffnet am 22. April 2018 – widerrief das SEM das dem Beschwerdeführer gewährte Asyl.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 22. Mai 2018 erhob der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen den vorinstanzlichen Entscheid und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. In prozessualer Hinsicht ersuchte er um Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und um Beiordnung seines Rechtsvertreters als amtlichen Rechtsbeistand. Mit der Beschwerdeschrift reichte er diverse Unterlagen betreffend seine Bedürftigkeit sowie verschiedene Dokumente in griechischer Sprache ein. Zudem ersuchte er um amtliche Übersetzung der griechischen Dokumente, da er selber nicht über die nötigen Mittel verfüge.
Am 24. Mai 2018 bestätigte das Gericht den Eingang der Beschwerde.
Mit Zwischenverfügung vom 11. Juni 2018 hiess die Instruktionsrichterin die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und amtliche Verbeiständung gut, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und ordnete den rubrizierten Rechtsvertreter als amtlichen Rechtsbeistand bei. Zugleich informierte sie über die amtliche Übersetzung der von ihr für wesentlich erachteten griechischen Dokumente in englischer Sprache (vgl. Art. 33a Abs. 4 VwVG) und lud das SEM zur Vernehmlassung ein.
In seiner Vernehmlassung vom 18. Juni 2018 hielt das SEM an seiner Verfügung fest.
In seiner Replik vom 5. Juli 2018 nahm der Beschwerdeführer zur vorinstanzlichen Vernehmlassung Stellung. Zudem ersuchte er um Einsicht in die amtliche Übersetzung der wesentlichen Unterlagen aus Griechenland und um Fristerstreckung zur Einreichung einer ergänzenden Replik.
Mit Zwischenverfügung vom 9. Juli 2018 gewährte die Instruktionsrichterin dem Beschwerdeführer Einsicht in die übersetzten Dokumente und eine Frist zur ergänzenden Replik.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 und damit innert Frist ergänzte der Beschwerdeführer seine Replik. Zugleich reichte er eine Kostennote seines Rechtsvertreters sowie einen Strafregisterauszug vom 13. April 2018 ein.
Mit Zwischenverfügung vom 9. August 2018 forderte die Instruktionsrichterin den Beschwerdeführer auf, das griechische Strafurteil vom 8. März 2017 zu den Akten zu reichen.
Mit Schreiben vom 17. September 2018 kam der Beschwerdeführer nach zweimaliger Fristerstreckung zwecks Kontaktaufnahme mit dem griechischen Strafverteidiger der Aufforderung des Gerichts nach und reichte das Strafurteil in griechischer Sprache ein.
Mit Zwischenverfügung vom 9. Oktober 2018 lud die Instruktionsrichterin nach amtlicher Übersetzung des Strafurteils das SEM erneut zur Vernehmlassung ein.
In seiner Vernehmlassung vom 11. Oktober 2018 hielt das SEM weiter an seiner Verfügung fest.
Mit Eingabe vom 31. Oktober 2018 nahm der Beschwerdeführer zur vorinstanzlichen Vernehmlassung vom 11. Oktober 2018 Stellung und reichte eine aktualisierte Kostennote seines Rechtsvertreters ein.
Am 5. April 2019 heiratete der Beschwerdeführer die iranische Staatsangehörige B. . Am 24. September 2019 wurde ihr gemeinsames Kind C. geboren. Mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 wurde die Ehefrau in die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers einbezogen und vorläufig aufgenommen.
Gemäss Art. 31 VGG ist das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung von Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG zuständig und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel – wie auch vorliegend – endgültig (Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG; Art. 105 AsylG [SR 142.31]).
Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).
Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom
25. September 2015).
Der Beschwerdeführer ist legitimiert (Art. 48 VwVG). Auf die fristund formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (aArt. 108 Abs. 1 AsylG und Art. 52 Abs. 1 VwVG).
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG.
Die Vorinstanz führte zur Begründung ihrer Verfügung aus, der Beschwerdeführer habe mangels Einreichung von Unterlagen zu seiner Verurteilung in Griechenland die abschliessende Feststellung verunmöglicht, für welche Straftat er tatsächlich verurteilt worden sei. Dass er wegen Besitzes rumänischer Identitätsdokumente inhaftiert worden sei, lasse vermuten, er sei in die Beihilfe zur rechtswidrigen Einreise einer Person in die Schweiz oder in einen anderen Schengen-Staat, zum rechtswidrigen Aufenthalt dort oder zur rechtswidrigen Ausreise (Menschenschmuggel) involviert gewesen. Diese Straftat könne nach schweizerischem Recht (Art. 116 Abs. 3 AuG, jetzt Art. 116 Abs. 3 AIG [SR 142.20]) mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden und sei demnach als Verbrechen einzustufen. Die Erklärung des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2017, wonach er die Identitätsdokumente unwissentlich auf sich getragen habe, könne nicht geglaubt werden, ebenso wenig, dass er sich nicht an die Kontaktdaten seiner griechischen Rechtsvertretung erinnern könne. Sein Aussageverhalten sowie die unterbliebene Einreichung der eingeforderten Unterlagen erweckten vielmehr den Verdacht, dass er dem SEM zentrale Punkte seiner Verurteilung vorenthalten wolle. Die begangene Straftat sei damit als verwerflich zu erachten.
Bei Verdacht auf Menschenschmuggel könne zudem nicht von einem geringen Verschulden ausgegangen werden. Im Gegenteil sei grundsätzlich von einer gewissen kriminellen Energie des Beschwerdeführers auszuge-
hen. Dafür sprächen ebenso die Bestrafung mit einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe und die anschliessende Unterstellung unter eine monatliche Meldepflicht während vier Jahren. Das Kriterium der besonderen Verwerflichkeit sei damit als erfüllt anzusehen. In der Folge sei das Asyl zu widerrufen.
Der Asylwiderruf erscheine im Weiteren auch verhältnismässig, da er nicht zu einer automatischen Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führe und der Verlust des Asylstatus sich nicht unmittelbar konkret nachteilig für den Beschwerdeführer auswirke. Solange der zuständige Kanton die Niederlassungsbewilligung nicht widerrufe – wobei ein solcher Entscheid anfechtbar wäre – habe der Beschwerdeführer ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz und die Möglichkeit zu arbeiten. Als Flüchtling verfüge er weiterhin über den Non-Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 des Abkommens vom
28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und Art. 5 AsylG. Zudem sei er danach besser gestellt als die übrigen vorläufig Aufgenommenen. Mithin stünden dem öffentlichen Interesse keine überwiegenden privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber.
Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seiner Beschwerde vor, er habe aus Überforderung mit der tatsächlichen und finanziellen Situation nach seiner Rückkehr in die Schweiz bis in das Jahr 2018 hinein nicht in ausreichender Weise an der Erstellung des rechtserheblichen Sachverhalts mitwirken können. Er habe im Februar 2017 mit dem griechischen Anwaltsbüro D. Verbindung aufgenommen, eine Vollmacht mangels finanzieller Möglichkeiten aber nicht unterzeichnet. Soweit er dies habe verstehen können, sei er im Strafverfahren amtlich vertreten worden. Aufgrund fehlender Erkenntnisse habe die Vorinstanz keine wirkliche Verhältnismässigkeitsprüfung vornehmen können und sich auf Vermutungen stützen müssen, etwa um von einer Straftat nach Art. 116 Abs. 3 AIG auszugehen. Dabei sei aber implizit behauptet worden, dass die qualifizierenden Merkmale der Bereicherungsabsicht oder der Zusammenarbeit mit einer Schlepperorganisation vorlägen, bei denen allein eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen werde (sonst ein Strafrahmen von nicht über einem Jahr Freiheitsstrafe). Ob das Erfordernis der besonderen Verwerflichkeit erfüllt sei, müsse aktuell noch offen bleiben. Die eingereichten Dokumente in griechischer Sprache könnten Aufschluss geben.
In seiner Vernehmlassung vom 18. Juni 2018 führte das SEM aus, die Argumentation zum finanziellen Engpass des Beschwerdeführers über-
zeuge nicht. Es hätte ihm offen gestanden, ein Gesuch um Fristverlängerung einzureichen und die Gründe zu benennen, weshalb ihm eine fristgerechte Antwort nicht möglich sei. Ihm sei genügend Zeit zur Beantwortung der Fragen und Einreichung der Unterlagen eingeräumt worden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass er innerhalb eines knappen halben Jahres dazu ausserstande gewesen sein soll, dies umso mehr, als ihm spätestens nach Erhalt des rechtlichen Gehörs die drohenden Rechtsfolgen bekannt gewesen seien. Er habe in seiner Eingabe vom 26. Oktober 2017 noch erklärt, die Kontaktdaten seines Rechtsanwalts verloren zu haben. Der Beschwerdeschrift sei nicht zu entnehmen, warum der Beschwerdeführer erst bei Gericht die gerichtlichen Dokumente habe einreichen können. Es müsse angenommen werden, dass er seit seiner Verurteilung im Besitz dieser Dokumente gewesen sei und sie der Vorinstanz vorenthalten habe. Den gerichtlichen Dokumenten sei zu entnehmen, dass er aufgrund des Versuchs der Beihilfe zur rechtswidrigen Ausreise aus Griechenland von Drittstaatsangehörigen zu vier Jahren Haft und aufgrund Besitzes von sieben gefälschten Reisedokumenten zu zwei Jahren Haft verurteilt worden sei (mit endgültigem Urteil fünf Jahre Freiheitsstrafe). Demnach sowie nach Durchsicht der gerichtlichen Unterlagen aus Griechenland werde das Erfordernis der besonderen Verwerflichkeit weiterhin als gegeben erachtet.
In seiner Replik vom 5. Juli 2018 bemerkte der Beschwerdeführer erneut, dass es ihm nicht an Zeit, sondern an den finanziellen Mitteln für eine erforderliche juristische Beratung und Schreibhilfe zur Stellungnahme gefehlt habe, zumal er über wenig schriftliche Deutschkenntnisse verfüge. Er habe auch nicht gewusst, was er mit den zahlreichen Unterlagen in griechischer Sprache anfangen solle, die er nicht verstanden habe. Erst nach Erhalt der Verfügung vom 19. April 2018 habe er sich auf dringenden Rat eines Kollegen an den rubrizierten Rechtsvertreter gewandt.
In der ergänzenden Replik vom 24. Juli 2018 brachte der Beschwerdeführer nach Einsicht in die übersetzten Gerichtsdokumente vor, darin würden ihm weder Bereicherungsabsicht noch Gewerbsoder Bandenmässigkeit vorgeworfen noch Beweise in dieser Hinsicht genannt (vgl. Art. 116 Abs. 3 AIG). Mithin sei nach schweizerischem Recht von der Förderung der rechtswidrigen Einund Ausreise nach Art. 116 Abs. 1 AIG sowie von der Fälschung von Ausweisen nach Art. 252 StGB (SR 311.0) auszugehen, welche mit höchstens einem beziehungsweise drei Jahren geahndet würden. Der hohe Strafrahmen von zehn Jahren Freiheitsstrafe für die Förderung der rechtswidrigen Einund Ausreise nach griechischem Recht sei vor dem länderspezifischen Kontext zu sehen und nicht ohne weiteres auf den
nach schweizerischen Gesetzen anzuwendenden Massstab hinsichtlich des Unrechtsgehalts einer Straftat übertragbar. Griechenland dürfte damit versucht sein, generalpräventive Ziele zu erreichen und das Schlepperwesen dadurch zu bekämpfen. Der hohe Strafrahmen sei zudem in Verbindung mit der Möglichkeit zur bedingten Entlassung nach Verbüssung eines Fünftels der Strafe zu sehen. Dem eingereichten Strafregisterauszug seien des Weiteren zwei Vorstrafen (Führen eines Fahrzeugs ohne Ausweis, trotz Verweigerung, Aberkennung oder Entzug und ohne Haftpflichtversicherung vom 24. April 2015 [Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 30.–, bedingt vollziehbar, Probezeit 2 Jahre, Busse Fr. 600.–]; Diebstahl, Führen eines Fahrzeugs trotz Verweigerung, Aberkennung oder Entzug des Ausweises, Verletzung von Verkehrsregeln vom 24. August 2015 [Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu Fr. 30.–, Busse Fr. 360.–]) zu entnehmen, welche wie die Straftaten nach Art. 116 Abs. 1 AIG und Art. 252 StGB als Vergehen zu qualifizieren seien und sich aufgrund des geringen Strafmasses als Bagatellen erwiesen. Mithin könne ihm weder die Begehung eines Verbrechens noch einer Reihe von Straftaten vorgeworfen werden, weshalb die besondere Verwerflichkeit zu verneinen sei. Selbst bei gegenteiliger Einschätzung müsse im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung dem Umstand gebührend Rechnung getragen werden, dass das schweizerische Recht deutlich geringere Straftaten für die begangenen Delikte vorsehe.
In der weiteren Vernehmlassung vom 18. Oktober 2018 hielt das SEM unter Bezug auf die gerichtlichen Unterlagen einschliesslich dem Strafurteil fest, es sei kaum nachvollziehbar und widerspreche jeglicher Logik des Handelns, dass der Beschwerdeführer sieben Identitätsdokumente von ihm unbekannten Personen auf sich genommen habe, ohne sich der damit verbundenen Risiken bewusst zu sein. In seiner Stellungnahme vom
26. Oktober 2017 habe er zudem noch geltend gemacht, er habe die Identitätsdokumente unbewusst mitgenommen. Wie von der griechischen Staatsanwaltschaft festgehalten, könne es kein Zufall sein, dass der Beschwerdeführer sich mit den Dokumenten ausgerechnet nach Lesbos begeben habe, zu einem Zeitpunkt, da zahlreiche papierlose Asylsuchende versuchten, die Insel zu verlassen. Zwar werde ihm weder Bereicherungsabsicht noch Gewerbsoder Bandenmässigkeit vorgeworfen. Es sei jedoch davon auszugehen, dass er ohne Anhaltung durch die Polizei die Identitätsdokumente zu einem hohen Preis an papierlose Migranten verkauft hätte. Anders sei nicht ersichtlich, warum er ein derart riskantes Verhalten hätte in Kauf nehmen sollen. Es sei somit davon auszugehen, dass er nicht uneigennützig, sondern im vollen Bewusstsein seiner Tat und mit Bereicherungsabsicht gehandelt habe.
In seiner Stellungnahme vom 31. Oktober 2018 widersprach der Beschwerdeführer erneut der vorinstanzlichen Einschätzung, seine Tat sei mit einer qualifizierten Begehung der Förderung der rechtswidrigen Einund Ausreise (Art. 116 Abs. 3 AIG) vergleichbar. Es widerspreche der Unschuldsvermutung, ihm ohne entsprechenden Vorwurf eine Bereicherungsabsicht zu unterstellen. Das hohe Strafmass rühre woanders her, nämlich aus der mehrfachen Tatbegehung (sieben gefälschte Identitätskarten) und der Konkurrenz zwischen verschiedenen Straftatbeständen. Gemäss griechischem Strafurteil könne die Tat aber auch deshalb nicht als besonders verwerflich bezeichnet werden, da die Gesamtfreiheitstrafe von fünf Jahren in eine Geldstrafe umgewandelt worden sei mit der Begründung, sein Charakter und die übrigen Umstände liessen es als ausreichend erscheinen, ihn mit einer Geldstrafe von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Die Rechtsgüter der rechtmässigen Einund Ausreise sowie das einer Urkunde im Rechtsverkehr entgegengebrachte Vertrauen als Beweismittel könnten zudem nicht mit Gewalt-, Sexualoder Drogendelikten verglichen werden, bei denen das betroffene Rechtsgut einen höheren Stellenwert geniesse. Der durch sein Verhalten angerichtete Schaden müsse auch als relativ gering qualifiziert werden, zumal die Tat – obschon durch äussere Umstände verursacht – im Versuchsstadium steckengeblieben und ein Schaden damit nicht angerichtet worden sei. Schliesslich zeuge sein Verhalten gegenüber den schweizerischen Behörden, seine Tat zunächst als unbewusste, nicht geplante Kurzschlusshandlung zu verkaufen, höchstens von einer mangelnden Einsicht. Sie werde damit jedoch nicht zu einer besonders verwerflichen Tat.
Art. 53 AsylG bestimmt, dass Flüchtlingen kein Asyl gewährt wird, wenn sie wegen verwerflicher Handlungen dessen unwürdig sind (Bst. a) oder die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden (Bst. b) oder gegen sie eine Landesverweisung ausgesprochen wurde (Bst. c). Nach der von der Asylrekurskommission (ARK) entwickelten und seither bestätigten Praxis gelten als «verwerfliche Handlungen» im Sinne von Art. 53 Bst. a AsylG nicht nur Straftaten, welche Verbrechen und Handlungen im Sinne von Art. 1 F FK darstellen, sondern all jene, die unter den Verbrechensbegriff von Art. 9 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung fallen. Nicht von Belang ist, ob die verwerfliche Handlung einen ausschliesslich gemein-rechtlichen Charakter hat oder als politisches Delikt aufzufassen ist (vgl. BVGE 2014/29 E. 5.3.1; 2012/20 E. 4.2; 2011/29 E. 9.2.2; 2010/44 E. 6.1; EMARK 2003 Nr. 11 E. 7; 2002
Nr. 9 E. 7b; 1993 Nr. 23 E. 6).
Als Verbrechen gemäss aArt. 9 Abs. 1 StGB wurde jede mit Zuchthaus bedrohte Straftat definiert (Mindeststrafe von einem Jahr und Höchststrafe von 20 Jahren, in besonderen Fällen lebenslänglich, vgl. aArt. 35 StGB). Seit der Änderung des Strafgesetzbuches auf den 1. Januar 2007 werden Straftaten als Verbrechen definiert, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind (Art. 10 Abs. 2 StGB). Zudem wurde die Unterscheidung der Strafen in Zuchthaus und Gefängnis aufgegeben. Nach altem wie nach neuem Recht wird für die Einstufung von Straftaten unabhängig von der im Einzelfall verhängten Strafe die für die begangene Straftat vorgesehene Höchststrafe berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht schloss daraus, dass die Änderung des Verbrechensbegriffs mehrheitlich keine Auswirkungen auf die Beurteilung einer Straftat als verwerfliche Handlung habe, vorausgesetzt das Höchststrafmass ändere sich nicht (vgl. BVGE 2012/20 E. 4.3).
In der neueren Rechtsprechung wird unter Hinweis auf Art. 333 Abs. 2 Bst. a StGB (Ersatz des Begriffs «Zuchthaus» durch «Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr») festgehalten, dass auch Vergehen als verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG erachtet werden und zum Asylausschluss führen können, sofern sie mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bestraft werden (vgl. Urteile des BVGer E-1341/2017 vom 27. Januar 2020 E. 3.3 und E-2734/2015 vom 16. April 2018 E. 7.2.1). Die fortgesetzte Anbindung an den alten Verbrechensbegriff rechtfertige sich damit, dass die ARK-Praxis vom Gesetzgeber mit der Totalrevision des Asylgesetzes im Jahr 1998 bewusst übernommen worden sei (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.2). Unter Art. 53 AsylG könnten mithin auch Handlungen subsumiert werden, denen keine strafrechtliche Konnotation im engeren Sinne des Strafrechts zukomme. Art. 53 AsylG verwende letztlich keinen der Begriffe «Verbrechen, Vergehen, Delikte oder strafbare Handlungen», sondern jenen der «verwerflichen Handlung»; dieser werde durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts definiert (vgl. Urteile des BVGer E-1341/2017 E. 3.3 und E-2734/2015 E. 7.2.1, je m.H.).
Gemäss Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG (in Kraft seit 1. April 2019; inhaltlich gleichlautend wie der vorherige Art. 63 Abs. 2 AsylG) widerruft das SEM das Asyl, wenn ein Flüchtling die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz verletzt hat oder gefährdet oder wenn er besonders verwerfliche strafbare Handlungen begangen hat. Ein solcher Widerruf setzt gemäss konstanter Rechtsprechung eine qualifizierte Asylunwürdigkeit im Sinne von Art. 53 AsylG voraus; mithin muss die «besonders verwerfliche Hand-
lung» qualitativ eine Stufe über der im Sinne von Art. 53 AsylG «verwerflichen Handlung» stehen. Die in Frage stehende Straftat muss demnach mit einer erheblichen Strafe bedroht sein und eine gewisse Intensität aufweisen. Bei der Beurteilung der Intensität der Straftat müssen die verletzten Rechtsgüter, der Umfang des Schadens und das Verhalten des Täters berücksichtigt werden (vgl. BVGE 2012/20 E. 5.2). Zudem muss bei der Würdigung einer strafbaren Handlung als besonders verwerflich im Sinne von Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. BVGE 2012/20 E. 6.1 f.).
Das Bundesverwaltungsgericht ist überdies zum Schluss gekommen, dass auch eine Reihe von geringfügigen Straftaten – die für sich alleine genommen das Kriterium der besonderen Verwerflichkeit nicht erfüllen – in Kombination mit einer verwerflichen Handlung als besonders verwerfliche Handlung erachtet werden und einen Asylwiderruf gemäss Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG rechtfertigen kann. Es ist zudem denkbar, dass eine derartige, einen Widerruf rechtfertigende Situation vorliegt, wenn eine Person zahlreiche Delikte begeht, von denen keines unter den Verbrechensbegriff fällt, die indes auf einen dauerhaft fehlenden Willen der Rücksichtnahme gegenüber den schweizerischen Rechtsnormen schliessen lassen (vgl. Urteile des BVGer E-1180/2017 vom 1. September 2017 E. 3.2 und E-4824/2014 vom 16. Februar 2016 E. 6.1 ff.). Bei der Beurteilung im konkreten Anwendungsfall ist wiederum im Blick zu behalten, dass die Reihe von geringfügigen Straftaten für die Annahme einer besonderen Verwerflichkeit insgesamt qualitativ eine Stufe höher anzusetzen ist, als die unqualifiziert verwerflichen im Sinne von Art. 53 AsylG (vgl. Urteil des BVGer E-4824/2014 E. 7.1).
Der Umstand, dass die Straftat im Ausland begangen und beurteilt wurde, hindert die Anwendung von Art. 53 und Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG praxisgemäss nicht (vgl. Urteile des BVGer E-4824/2014 E. 5.2 und D- 1171/2010 vom 7. November 2012 E. 6.2, je m.H.). Für die Frage, ob eine im Ausland begangene und beurteilte Straftat als verwerfliche Handlung zu erachten ist, ist im Weiteren auf die schweizerische Rechtsordnung abzustellen und – ausgehend von der durch das ausländische Gericht festgestellten Straftat – zu bestimmen, wie diese nach schweizerischem Strafrecht qualifiziert würde (vgl. Urteile des BVGer E-4824/2014 E. 5.2; D-1171/2010 E. 6.2; D-2604/2012 vom 31. Mai 2012 E. 5.1). Dieses Vor-
gehen rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass die Asylgewährung einen Akt staatlicher Souveränität darstellt, der im Kontext und unter Beachtung
der Vorgaben der schweizerischen Rechtsordnung ergeht. Demnach erscheint es sachgerecht, den Widerruf der Asylgewährung ebenfalls nach den Grundsätzen des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen, dies umso mehr, wenn das ausländische Strafrecht für das gleiche Delikt ein weit höheres oder niedrigeres Strafmass androht, als im schweizerischen Recht vorgesehen.
Hinsichtlich des anzusetzendes Beweismassstabes bei im Ausland begangenen Straftaten sieht die Rechtsprechung im Rahmen von Art. 53 AsylG (und Art. 1 F FK) keinen strikten Nachweis als erforderlich an. Es genügt die aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigte Annahme, dass sich die betreffende Person einer Straftat im Sinne der genannten Bestimmungen schuldig gemacht hat, wobei auf den individuellen Tatbeitrag abzustellen ist (vgl. BVGE 2011/29 E. 9.2.3 f. m.H.). Asylunwürdigkeit kann auch dann vorliegen, wenn die endgültig verhängte Strafe nicht schwerwiegend ist oder sogar zur Bewährung ausgesetzt wird, sofern die betreffende Person eine besondere Gefährlichkeit aufweist. Art. 53 AsylG kann überdies erfüllt sein, bevor eine Verurteilung ausgesprochen wurde, vorausgesetzt, dass kein Zweifel an der Realität der beanstandeten Taten besteht. Es müssen dann ausreichende Beweise dafür vorliegen, dass die beschuldigte Person schwere Taten begangen hat, wie etwa Mord im Rahmen einer bewaffneten Aktion oder Handlungen im Dienste einer terroristischen Organisation (vgl. BVGE 2014/29 E. 5.3.1 [3. Abschnitt] m.H.). Zu beachten bleibt aber die Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 10 Abs. 1 Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 [StPO, SR 312.0]), als deren Ausfluss grundsätzlich eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung vorliegen muss (vgl. Urteil des BVGer E-1180/2017 vom 1. September 2017 E. 3.5).
Nachfolgend ist zu prüfen, ob das SEM das dem Beschwerdeführer gewährte Asyl zu Recht widerrufen hat.
Der Beschwerdeführer wurde wegen verschiedener Straftaten verurteilt.
Die zwei im Strafregisterauszug aufgeführten Verurteilungen vom
24. April 2015 und 24. August 2015 ergingen wegen diverser Verstösse gegen Tatbestände des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG, SR 741.01), einmal in Tateinheit mit einem Diebstahl; der Beschwerdeführer wurde zu Geldstrafen von 30 und 45 Tagessätzen sowie
Bussen verurteilt (vgl. E. 3.5). Diese Tatbestände sind mit einer Strafandrohung von weniger als und jedenfalls nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bewehrt. Das schweizerische Recht sieht in diesen Fällen auch keine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vor (vgl. Art. 139 StGB sowie die Bestimmungen des SVG). Mithin sind sie nicht als verwerfliche Handlungen im Sinne von Art. 53 AsylG zu definieren.
Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer in Griechenland wegen Versuchs der Beihilfe zur rechtswidrigen Ausreise aus Griechenland von Drittstaatsangehörigen zu vier Jahren Haft in Tateinheit mit dem Besitz von sieben gefälschten ausländischen Reisedokumenten zu zwei Jahren Haft, gesamthaft zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, verurteilt.
Ausgehend von vorstehenden Erwägungen (vgl. E. 4) ist festzuhalten, dass der Strafvorwurf des Besitzes von gefälschten ausländischen Reisedokumenten (vgl. Art. 255, 252 StGB) nach schweizerischem Recht mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet wird; eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr ist nicht vorgesehen. Bei der Förderung der illegalen Einoder Ausreise wird – wie auch im griechischen Recht (vgl. Art. 29 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 4251/2014) – unterschieden in einen einfachen Tatbestand und einen qualifizierten, welcher namentlich bei Vorliegen einer Bereicherungsabsicht und bei Bandenoder Gewerbsmässigkeit bejaht wird (Art. 116 Abs. 1 und 3 AIG). Während die einfache Tatbegehung mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird, sieht der Gesetzgeber bei Vorliegen einer Bereicherungsabsicht und bei Bandenoder Gewerbsmässigkeit einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Gemäss griechischem Urteil wurde der Beschwerdeführer weder wegen Bereicherungsabsicht noch wegen bandenoder gewerbsmässigen Handelns verurteilt, aber in Tateinheit mit dem siebenfachen Besitz von gefälschten ausländischen Reisedokumenten.
Fraglich ist, ob damit eine verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 Bst. a AsylG vorliegt. Zugunsten des Beschwerdeführers ist anzuführen, dass das griechische Gericht keine Verurteilung zur versuchten Beihilfe zur illegalen Einoder Ausreise in Bereicherungsabsicht ausgesprochen hat. Unter Beachtung des bei im Ausland begangenen Straftaten anzusetzenden Beweismassstabs (vgl. oben E. 4.4) ist allerdings festzuhalten, dass sich das griechische Gericht mit der Frage der Bereicherungsabsicht trotz der im konkreten Fall vorliegenden Nachweise gar nicht befasst hat. Dies, obwohl der Beschwerdeführer mit sieben gefälschten Pässen auf einer der griechischen Inseln aufgegriffen wurde, auf der sich zu diesem Zeitpunkt
zahlreiche Personen befanden, welche um Schutz vor Krieg und Verfolgung in Europa ersuchten, und viele von ihnen ohne Papiere versuchten, die Insel zu verlassen. Dazu hielt die griechische Staatsanwaltschaft wohlgemerkt fest, es könne sich um keinen Zufall handeln. In diesem Kontext widerspricht es geradezu der Logik realistischen Handelns und Denkens, dass die Pässe für Freunde bestimmt waren oder aus sonstigen altruistischen Motiven auf die Inseln gebracht werden sollten, geschweige denn, dass der Beschwerdeführer die Dokumente unbewusst auf sich geführt habe. Seine gegenteiligen Beteuerungen im griechischen Strafprozess und gegenüber der Vorinstanz sind als Schutzbehauptungen im Angesicht einer drohenden Verurteilung zurückzuweisen. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer – wäre er nicht von der Polizei in seinem Handeln unterbrochen worden – die gefälschten Dokumente selbst oder über weitere Mittelspersonen zu hohen Preisen an Schutzsuchende verkauft und davon in finanzieller Hinsicht profitiert hätte. Damit liegt der berechtigte Schluss nahe, dass er sehr wohl in Bereicherungsabsicht handelte und seine eigenen finanziellen Interessen gewichtigen Rechtsgütern voranstellte. Gerade im griechischen Kontext manifestierte er dadurch eine verwerfliche Haltung (dazu sogleich nachfolgend E. 5.2.3).
Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer in Griechenland einer Straftat schuldig gemacht hat, welche als verwerfliche Handlung im Sinne von Art. 53 AsylG zu qualifizieren ist.
In der Folge ist zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten die Voraussetzungen an das Vorliegen einer «besonders verwerflichen» Handlung im Sinne von Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG erfüllen.
Die Verurteilungen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz und wegen Diebstahls sind als Bagatelldelikte zwar zu vernachlässigen. Indes fällt diesbezüglich dennoch ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer sich durch die jeweiligen Urteile nicht vom Begehen seiner Straftat in Griechenland abhalten liess, was bereits darauf schliessen lässt, dass er nicht gewillt war, die schweizerische oder eine ausländische Rechtsordnung zu beachten.
Weiter ist festzustellen, dass er, wie gesehen, in Griechenland wegen des Versuchs der Beihilfe zur rechtswidrigen Ausreise aus Griechenland von Drittstaatsangehörigen zu vier Jahren Haft in Tateinheit mit dem Besitz von sieben gefälschten ausländischen Reisedokumenten zu zwei Jahren
Haft, gesamthaft zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, verurteilt wurde. Das schweizerische Recht sieht für die einfache Tatbegehung, zu welcher der Beschwerdeführer verurteilt wurde, zwar lediglich einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor. Soweit der Beschwerdeführer hier geltend macht, es könne nicht auf den höheren Strafrahmen nach griechischem Recht von bis zu 10 Jahren abgestellt werden (vgl. Art. 29 Abs. 5 des griechischen Gesetzes Nr. 4251/2014), vermag er damit aber nicht durchzudringen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass gegen ihn allein für den Versuch der Beihilfe zur Förderung der Einund Ausreise eine innerhalb des Strafrahmens relativ hohe Strafe von vier Jahren ausgesprochen wurde, welche in der tateinheitlichen Strafzumessung wegen des mehrfachen Besitzes gefälschter Ausweise auf insgesamt fünf Jahre festgesetzt wurde. Zwar wurde im Weiteren die fast einjährige Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet und die restliche Strafe in eine Geldstrafe umgewandelt. Das griechische Gericht stützte sich in seiner Begründung dazu auf den Charakter des Beschwerdeführers und die besonderen Umstände des Einzelfalls. Es ging dabei aber fälschlicherweise – wie der eingereichte Strafregisterauszug belegt – von einem unbescholtenen Verhalten vor der Tatbegehung und einem guten Charakter des Beschwerdeführers aus. Die Umwandlung in eine Geldstrafe wurde zudem mit einer Meldepflichtauflage verbunden, der sich der Beschwerdeführer umgehend nach Haftentlassung pflichtwidrig durch Rückkehr in die Schweiz entzog.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Beschwerdeführer nicht davon abhalten liess, Straftaten überhaupt im Ausland zu begehen. Mit seinem Handeln in Griechenland, und zumal auf den im Jahr 2016 von der Ankunft einer hohen Anzahl von Schutzsuchenden besonders betroffenen griechischen Insel Lesbos, hat er sich dabei zumindest billigend der erhöhten Strafandrohung ausgesetzt, welche das griechische Strafrecht vorsieht. Die geschützten Rechtsgüter der rechtmässigen Einund Ausreise sowie das einer Urkunde im Rechtsverkehr entgegengebrachte Vertrauen als Beweismittel dürften in diesem griechischen Kontext – in dem die Bekämpfung der Schlepperkriminalität und der Ausbeutung von schutzsuchenden Personen, welche unter erheblichen Gefahren über das Mittelmeer flüchten – besondere Priorität hatte und weiter hat – noch weitaus höher zu bewerten sein, als schon im schweizerischen Kontext. Entsprechend muss sich der Beschwerdeführer die in der Beschwerdeschrift erwähnte präventive Zielsetzung und Bekämpfung der Schlepperwirtschaft in Griechenland gerade entgegenhalten lassen, setzte er sich doch dem Risiko der erhöhten Bestrafung dort bei einer Aufdeckung selbst aus. Ein allfälliges, obschon wenig nachvollziehbares Unwissen um die besondere
Situation in Griechenland und das griechische Strafrecht schützen ihn nicht.
Überdies gilt es zu beachten, dass er hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Straftaten wegen mehrfachen Versuchs belangt wurde, der nur durch äussere Umstände nicht zu einem Abschluss fand. Der Schaden wäre ohne Eingreifen der Polizei – was dem Beschwerdeführer gerade nicht zugutegehalten werden kann – mithin sehr hoch gewesen. Im Hinblick auf einen allfälligen Schaden können die Überlegungen zur Bereicherungsabsicht des Beschwerdeführers herangezogen werden (vgl. bereits
E. 5.1.2). Des Weiteren ist auf die möglichen Schäden für die zu schleusenden Personen und allfällige aus der Schleuserkriminalität erwachsenden Folgen für die Zielstaaten – einschliesslich der Schweiz – zu verweisen.
Nicht zuletzt deutet das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber den schweizerischen Behörden nach seiner Rückkehr darauf hin, dass er sich der Schwere seiner Handlungen und der möglichen Folgen etwa für seinen Asylstatus durchaus bewusst war. Ungeachtet der finanziellen und persönlichen Probleme nach der Inhaftierung in Griechenland, die er sich letztlich selbst vorhalten muss, ist dabei auch davon auszugehen, dass es ihm weiterhin an der nötigen Unrechtseinsicht gegenüber seinen Handlungen fehlt.
In einer Gesamtschau lassen die in der Schweiz und in Griechenland begangenen Straftaten somit auf einen fehlenden Willen der Rücksichtnahme gegenüber den schweizerischen sowie zusätzlich den griechischen Rechtsnormen schliessen. Nach dem Gesagten gelangt das Gericht zum Schluss, dass diese gesamthaft als besonders verwerflich im Sinne von Art. 63 Abs. 2 Bst. a AsylG zu qualifizieren sind.
Der Asylwiderruf des Beschwerdeführers führt nicht zu einer automatischen Aberkennung seiner Flüchtlingseigenschaft. Nachdem die Vorinstanz die Flüchtlingseigenschaft in der angefochtenen Verfügung nicht
widerrufen hat, wirkt sich der Verlust des Asylstatus nicht unmittelbar nachteilig für den Beschwerdeführer aus. Er verfügt weiterhin über ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz (zumindest eine vorläufige Aufnahme als Flüchtling) und über die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit. Als Flüchtling geniesst er ausserdem nach wie vor den Refoulement-Schutz gemäss Art. 33 FK sowie Art. 25 Abs. 2 und 3 BV. Dies gilt im Übrigen auch für seine Ehefrau und das gemeinsame Kind, welche zwischenzeitlich von der Vorinstanz in die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers einbezogen wurden. Vor diesem Hintergrund teilt das Gericht die Auffassung der Vorinstanz, dass dem öffentlichen Interesse an einem Asylwiderruf wegen der Verübung besonders verwerflicher Straftaten und damit der Bekämpfung und Prävention strafrechtlichen Verhaltens keine überwiegenden privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers auf Beschwerdeebene vermögen keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Damit erweist sich der Widerruf des Asyls als verhältnismässig.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG).
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Da indessen mit Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juni 2018 das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gemäss Art. 65 Abs. 1 VwVG gutgeheissen wurde und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die finanzielle Lage des Beschwerdeführers seither entscheidrelevant verändert hätte, ist auf das Erheben von Verfahrenskosten zu verzichten.
Nachdem der rubrizierte Rechtsanwalt dem Beschwerdeführer ebenfalls mit Verfügung vom 11. Juni 2018 als amtlicher Rechtsbeistand beigeordnet worden ist (vgl. aArt. 110a Abs. 1 AsylG), ist er für seinen Aufwand unbesehen des Ausgangs des Verfahrens zu entschädigen, soweit dieser sachlich notwendig war (vgl. Art. 12 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der Rechtsanwalt hat am
31. Oktober 2018 eine Kostennote vorgelegt, in welcher ein Aufwand von
9.85 Stunden zu Fr. 300.– geltend gemacht wird, zuzüglich Auslagen von
Fr. 74.60 und Mehrwertsteuer. Der zeitliche Aufwand erscheint angemessen. Der Stundenansatz ist jedoch zu reduzieren, da bei amtlicher Vertretung in der Regel von einem Stundenansatz von Fr. 200.– bis Fr. 220.– für Rechtsvertreter oder Rechtsvertreterinnen mit Anwaltspatent ausgegangen wird (vgl. Art. 12 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 VGKE). Demnach ist zulasten der Gerichtskasse ein amtliches Honorar von Fr. 2’415.– (inklusive Auslagen und Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c VGKE) festzusetzen.
(Dispositiv nächste Seite)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
Dem Rechtsbeistand wird durch das Bundesverwaltungsgericht ein amtliches Honorar von insgesamt Fr. 2‘415.– ausgerichtet.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Mia Fuchs Teresia Gordzielik
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