E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Bundesverwaltungsgericht Urteil D-2741/2016

Urteilsdetails des Bundesverwaltungsgerichts D-2741/2016

Instanz:Bundesverwaltungsgericht
Abteilung:Abteilung IV
Dossiernummer:D-2741/2016
Datum:04.09.2018
Leitsatz/Stichwort:Asyl und Wegweisung (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid)
Schlagwörter : Familie; Schweiz; Recht; Flüchtling; Verfügung; Italien; Ehefrau; Wiedererwägung; Gesuch; Bundesverwaltungsgericht; Beziehung; Flüchtlingseigenschaft; Familiengemeinschaft; Umstände; Kontakt; Beschwerdeführer; Aufenthalt; Familiennachzug; Beschwerdeführers; Gewährung; Eritrea; Kinder; Familiennachzugs; Aufenthalts; Familienasyl
Rechtsnorm: Art. 49 BV ;Art. 51 arg;Art. 52 VwVG ;Art. 65 VwVG ;Art. 66 VwVG ;Art. 83 BGG ;
Referenz BGE:122 I 8; 136 II 177; 139 III 475
Kommentar:
-

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts

B u n d e s v e r w a l t u n g s g e r i c h t

T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i f f é d é r a l

T r i b u n a l e a m m i n i s t r a t i v o f e d e r a l e T r i b u n a l a d m i n i s t r a t i v f e d e r a l

Abteilung IV D-2741/2016

U r t e i l  v o m  4.  S e p t e m b e r  2 0 1 8

Besetzung Richter Thomas Wespi (Vorsitz),

Richter Walter Lang, Richter Gérard Scherrer, Gerichtsschreiber Daniel Widmer.

Parteien A. , geboren am ( ), Eritrea,

vertreten durch lic. iur. LL.M. Tarig Hassan, substituiert durch MLaw Natalie Perino-Bowman, Advokatur Kanonengasse,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM, zuvor Bundesamt für Migration, BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Familienzusammenführung

(Asyl; Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid); Verfügung des SEM vom 7. April 2016 / N ( ).

Sachverhalt:

I.

A.

B. ([ ]) suchte am 2. Mai 2012 für sich und ihr Kind C. , geboren am ( ), in der Schweiz um Asyl nach. In der Befragung zur Person (BzP) gab sie an, sie sei seit dem ( ) 2005 nach Brauch verheiratet. Ihr Mann habe Eritrea im (...) 2006 verlassen; sie selber sei im ( ) 2010 ausgereist. Ende ( ) 2010 hätten sie sich für ( ) Wochen in Äthiopien getroffen; seither sei er unbekannten Aufenthalts. In der Anhörung vom 21. Oktober 2014 gab sie zu Protokoll, ihr Ehemann lebe in Italien; vor etwa einem Monat habe sie zuletzt Kontakt mit ihm gehabt. Ein gemeinsamer Sohn lebe in Eritrea.

B.

Der Beschwerdeführer suchte am 14. April 2014 im Empfangsund Verfahrenszentrum (EVZ) D. um Asyl nach. Anlässlich der BzP vom

22. Mai 2014 gab er insbesondere zu Protokoll, er habe Eritrea im ( ) 2005 in Richtung Äthiopien verlassen, sei im ( ) 2005 E. gelangt, im ( ) 2006 nach F. weitergereist und im (...) 2006 in Italien angekommen. Dort habe er ein Asylgesuch gestellt und einen Aufenthaltstitel (permesso) erhalten. Vom ( ) November 2010 bis Ende 2010 habe er von Italien aus B. , mit der er seit ( ) 2005 nach Brauch verheiratet sei, in Äthiopien besucht. Dabei hätten sie das Kind C. gezeugt. Im ( ) 2013 habe er seine Ehefrau während einer Woche in G. besucht. Am 3. April 2014 sei er von Italien in die Schweiz gereist. Im Rahmen des ihm zu einer allfälligen Wegweisung nach Italien gewährten rechtlichen Gehörs führte er in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24. Juni 2014 aus, er wolle bei seiner hochschwangeren Frau und seiner Tochter in der Schweiz bleiben. In Italien erhalte er weder medizinische Hilfe noch Unterbringung für seine Familie oder sich selbst.

C.

Am ( ) 2014 gebar B. das Kind H. .

D.

Mit Verfügung vom 12. August 2014 trat das BFM auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 31a Abs. 1 Bst. a AsylG (SR 142.31) nicht ein und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz nach Italien an. Zur Begründung führte das SEM unter anderem aus, der Beschwerdeführer habe in Italien subsidiären Schutz erhalten. Die Beziehung mit seiner

angeblichen Ehefrau könne nicht als gelebte Beziehung betrachtet werden, weshalb sie nicht als schützenswert im Sinne von Art. 8 EMRK zu werten sei. Seine angebliche Tochter habe er erst in der Schweiz kennengelernt. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Am ( ) 2014 wurde der Beschwerdeführer nach Italien überstellt. Gleichentags verfügte das BFM ein bis 15. September 2017 gültiges Einreiseverbot gegen ihn.

E.

Mit Verfügung vom 24. Oktober 2014 stellte das BFM fest, B. erfülle die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 Abs. 1 und 2 AsylG, erkannte die Kinder C. und H. gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG als Flüchtlinge an und gewährte ihr und den beiden Kindern Asyl. In der Folge wurde ihnen vom Kanton G. eine Aufenthaltsbewilligung B erteilt.

F.

Mit Schreiben vom 21. April 2015 ersuchte B. beim SEM um Einbezug des Beschwerdeführers in ihre Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 51 Abs. 4 AsylG und um Erteilung einer Einreisebewilligung. In diesem Zusammenhang forderte das SEM B. zur schriftlichen Beantwortung verschiedener Fragen bezüglich ihrer Beziehung zum Beschwerdeführer auf. Ihr Antwortschreiben datiert vom 19. Juni 2016.

G.

Mit Verfügung vom 7. Juli 2015 verweigerte das SEM die Einreise des Beschwerdeführers in die Schweiz und lehnte das Gesuch um Familienasyl ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ungeachtet dessen, wie eng die gegenwärtige Beziehung des Ehepaares sei, habe der Beschwerdeführer durch seine Ausreise aus Eritrea und den darauffolgenden Abbruch des Kontakts die eheliche Beziehung beendet. Gemäss Rechtsprechung diene das Familienasyl nach Art. 51 Abs. 1 AsylG nicht der Wiederaufnahme von zuvor abgebrochenen Beziehungen. Dabei sei auch der Wille des Beschwerdeführers, die eheliche Gemeinschaft in der Schweiz wiederaufzunehmen, ohne Belang. Insgesamt könne die Beziehung des Ehepaars nicht als gelebte bezeichnet werden. Dies gelte auch bezüglich der Beziehung zwischen ihm und den beiden Töchtern C. und H. . Da B. über eine Aufenthaltsbewilligung B verfüge, stehe es ihr offen, bei der kantonalen Migrationsbehörde ein Gesuch um Familienzusammenführung gestützt auf das Ausländergesetz (AuG, SR 142.20) einzureichen. Diese Verfügung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

H.

Mit Schreiben vom 25. November 2015 ersuchte der Beschwerdeführer beim SEM erneut um Asyl.

I.

Mit Abschreibungsbeschluss vom 4. Dezember 2015 schrieb das SEM das Asylgesuch vom 25. November 2015 formlos ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich um ein wiederholt gleich begründetes Gesuch handle.

II.

J.

Mit Eingabe vom 9. März 2016 liessen der Beschwerdeführer und

B.

beim SEM um Wiedererwägung der Verfügung vom 7. Juli

2015 ersuchen. Dabei beantragten sie in der Hauptsache die Aufhebung der Verfügung des SEM vom 7. Juli 2015, der Beschwerdeführer sei gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG in die Flüchtlingseigenschaft von B. einzubeziehen und es sei ihm Asyl zu gewähren, eventualiter sei ihm gestützt auf Art. 51 Abs. 4 AsylG die Einreise in die Schweiz zu bewilligen. In prozessualer Hinsicht wurde insbesondere um Befreiung von der Bezahlung von Verfahrenskosten und um Verzicht auf die Erhebung eines Gebührenvorschusses ersucht. Zur Begründung stützten sie sich im Wesentlichen auf neu beigebrachte Beweismittel, welche eine tatsächlich gelebte Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau nach seiner Flucht aus Eritrea im ( ) 2005 belegen würden. So reichte der Beschwerdeführer einen Chat-Auszug von ( ) und einen Auszug seines ( ) ein, welche Nachrichtenverläufe sowie Telefonanrufe der beiden Ehepartner miteinander ab ( ) 2011 aufzeigen würden. B. reichte einen Auszug ihres E-Mail-Verkehrs aus dem Jahr 2011 zu den Akten. In einer eidesstattlichen Erklärung und Vorgangsbeurkundung vom ( ) 2016 hielt sie fest, dass sie seit ihrer Flucht aus Eritrea zwar geographisch vom Beschwerdeführer getrennt gewesen sei, jedoch vom Jahr 2005 bis 2015 über Internet in konstantem Kontakt mit ihm gestanden habe. Insgesamt sei den eingereichten Beweismitteln zu entnehmen, dass die beiden Ehepartner auch nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus Eritrea über Internet in stetem Austausch gestanden hätten und die Ehegemeinschaft trotz geographischer Trennung aufgrund der Flucht aufrechterhalten worden sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG wiedererwägungsweise in die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehefrau einzubeziehen und es sei ihm die Einreise in die Schweiz zu bewilligen.

K.

Mit Verfügung vom 7. April 2016 - eröffnet am 8. April 2016 - wies das SEM das Wiedererwägungsgesuch ab und stellte fest, die Verfügung vom

7. Juli 2015 sei rechtskräftig und vollstreckbar. Im Weiteren erhob es eine Gebühr und hielt fest, einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende Wirkung zu. Zudem wies es das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ab.

L.

Mit Eingabe vom 3. Mai 2016 erhoben der Beschwerdeführer und B. mittels ihres Rechtsvertreters Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragten dabei, dass die Verfügung des SEM vom

7. April 2016 vollumfänglich aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen sei, den Beschwerdeführer in die Flüchtlingseigenschaft von B. einzubeziehen. In prozessualer Hinsicht wurde beantragt, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen; im Sinne einer vorsorglichen Massnahme seien die Vollzugsbehörden anzuweisen, von einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien abzusehen, bis das Bundesverwaltungsgericht über die Erteilung der aufschiebenden Wirkung entschieden habe; es sei die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten; dem Beschwerdeführer und B. sei in der Person von lic. iur. LL.M. Tarig Hassan ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Auf die Begründung wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

M.

Mit Zwischenverfügung vom 13. Mai 2016 setzte der Instruktionsrichter den Vollzug der Überstellung nach Italien per sofort einstweilen aus, verschob den Entscheid über das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung auf einen späteren Zeitpunkt, wies das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 2 VwVG ab, verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses und forderte die Vorinstanz um Einreichung einer Vernehmlassung auf. Mit Schreiben vom 24. Mai 2016 kam das SEM dieser Aufforderung nach.

N.

Mit Verfügung vom 26. Mai 2016 räumte der Instruktionsrichter dem Beschwerdeführer die Gelegenheit ein, eine Replik einzureichen. Am 7. Juni 2016 reichte der Beschwerdeführer seine Stellungnahme und eine Kostennote ein.

O.

Am ( ) 2017 gebar B. das Kind I. . Am 27. Juni 2018 wurde es gestützt auf Art. 51 Abs. 3 AsylG als Flüchtling anerkannt und ihm wurde Asyl gewährt. Am ( ) 2018 wurde die Vaterschaft durch den Beschwerdeführer anerkannt.

P.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 erkundigte sich der Beschwerdeführer nach dem Verfahrensstand. Diese Anfrage wurde am 12. Mai 2017 beantwortet.

Q.

Am 18. Oktober 2017 reichte der Beschwerdeführer eine weitere Stellungnahme und eine aktualisierte Kostennote ein.

R.

Mit Verfügung vom 24. Oktober 2017 forderte der Instruktionsrichter die Vorinstanz zur Einreichung einer zweiten Vernehmlassung auf. Mit Schreiben vom 22. November 2017 kam das SEM dieser Aufforderung nach.

S.

Mit Verfügung vom 28. November 2017 räumte der Instruktionsrichter dem Beschwerdeführer die Gelegenheit ein, eine Replik einzureichen. Der Beschwerdeführer reichte seine Stellungnahme am 13. Dezember 2017 samt mehrerer Beweismittel betreffend tatsächlich gelebte Familiengemeinschaft in G. und Integration in der Schweiz, einer Substitutionsvollmacht zugunsten von Natalie Perino-Bowman und einer aktualisierten Kostennote ein.

T.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2018 reichte der Beschwerdeführer eine Mitteilung einer Kindesanerkennung nach der Geburt, eine Erklärung über die gemeinsame elterliche Sorge nach der Geburt und eine Geburtsurkunde, alles betreffend das Kind I. , als Beweismittel in Kopie ein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

    1. Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den

      Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Nachdem gemäss Lehre und Praxis Wiedererwägungsentscheide grundsätzlich wie die ursprüngliche Verfügung auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg weitergezogen werden können, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Es entscheidet auf dem Gebiet des Asyls - in der Regel und auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

    2. Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 112 AuG in Verbindung mit Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5.4 f.).

3.

    1. Das Wiedererwägungsverfahren ist seit dem Inkrafttreten der Änderung des Asylgesetzes vom 14. Dezember 2012 am 1. Februar 2014 im Asylrecht spezialgesetzlich geregelt (vgl. Art. 111b ff. AsylG). Ein entsprechendes Gesuch ist dem SEM innert 30 Tagen nach Entdeckung des Wiedererwägungsgrundes schriftlich und begründet einzureichen; im Übrigen richtet sich das Verfahren nach den revisionsrechtlichen Bestimmungen von Art. 66-68 VwVG (Art. 111b Abs. 1 AsylG).

    2. In seiner praktisch relevantesten Form bezweckt das Wiedererwägungsgesuch die Anpassung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine nachträglich eingetretene erhebliche Veränderung der Sachlage (vgl. BVGE 2014/39 E. 4.5 m.w.H.). Falls die abzuändernde Verfügung unangefochten blieb - oder ein eingeleitetes Beschwerdeverfahren mit einem blossen Prozessentscheid abgeschlossen wurde - können auch Revisionsgründe einen Anspruch auf Wiedererwägung begründen (zum sogenannten «qualifizierten Wiedererwägungsgesuch» vgl. BVGE 2013/22 E. 5.4 m.w.H.).

    3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 29 BV ist auf ein Wiedererwägungsgesuch einzutreten, wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn die Gesuchstellenden erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft machen, die ihnen im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für sie rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Die Wiedererwägung ist nicht beliebig zulässig. Sie darf namentlich nicht dazu dienen, die Rechtskraft von Verwaltungsentscheiden immer wieder infrage zu stellen oder die Fristen für die Ergreifung von Rechtsmitteln zu umgehen (vgl. BGE 136 II 177 E. 2.1 S. 181 sowie Urteil des BVGer D-2879/2013 vom 31. Mai 2013, mit Verweis). Namentlich ist auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht einzutreten, wenn lediglich eine neue Würdigung der beim früheren Entscheid bereits bekannten Tatsachen herbeigeführt werden soll oder Gründe angeführt werden, die bereits in einem ordentlichen Beschwerdeverfahren gegen die frühere Verfügung hätten geltend gemacht werden können. Eine Wiedererwägung fällt ausserdem dann nicht in Betracht, wenn zu deren Begründung lediglich unsubstanziierte Behauptungen aufgestellt werden und aus der Rechtsschrift die tatsächlichen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen eines Wiedererwägungsgrundes hindeuten sollen, nicht ersichtlich sind. Hingegen ist auf ein Gesuch einzutreten, wenn die gesuchstellende Person Tatsachen vorbringt, die an sich geeignet sein könnten, zu einem anderen Entscheid zu führen.

4.

    1. Das SEM führte in seiner Verfügung vom 7. April 2016 aus, es sei sinngemäss geltend gemacht worden, dass die ursprüngliche Verfügung mit einem Fehler behaftet sei und daher aufgrund der neu eingereichten Dokumente in Wiedererwägung zu ziehen sei. Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, er besitze neue Beweismittel, welche belegen würden, dass auch nach seiner Ausreise aus Eritrea im ( ) 2015 (recte: 2005) eine tatsächlich gelebte und einzig durch Flucht getrennte Beziehung zwischen ihm und B. bestanden habe. Indes - so das SEM - habe es bereits in seiner Verfügung vom 7. Juli 2015 ausführlich gewürdigt, dass das Rechtsinstitut des Familienasyls die Bewahrung von vorbestandenen Familiengemeinschaften beziehungsweise deren Wiederherstellung bezwecke, sofern die Gemeinschaft alleine aufgrund der Fluchtumstände und somit unfreiwillig getrennt worden sei, wobei es auf die entsprechende Praxis des Bundesverwaltungsgerichts verwies. Den Akten sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Eritrea im ( ) 2005 in Richtung Italien verlassen und sich dort seit ( ) 2006 aufgehalten habe. Ende ( ) 2010 habe er sich für einen Monat nach Äthiopien begeben, wo er erstmals wieder auf seine Ehefrau getroffen sei. Aus den eingereichten Beweismitteln gehe hervor, dass er ab ( ) 2011 - also nach dem erwähnten Besuch in Äthiopien - mittels Internet in Kontakt mit seiner Ehefrau getreten sei. Den Akten sei jedoch nicht zu entnehmen, dass er im ( ) 2005 bis zum Wiedertreffen in Äthiopien Ende 2010 in Kontakt mit seiner Ehefrau gestanden habe. Diese Annahme werde im Schreiben von B. vom 19. Juni 2015 bestätigt, worin sie - entgegen ihrer Aussage in ihrer eidesstattlichen Erklärung vom ( ) 2016 - explizit angebe, in der Zeit nach der Ausreise des Beschwerdeführers aus Eritrea bis zum Wiedertreffen in Äthiopien Ende 2010 weder von ihm gehört noch ihn gesehen zu haben. Demnach habe er nach der Ausreise aus Eritrea während mehr als fünfeinhalb Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau gehabt. Es sei davon auszugehen, dass er - hätte denn das Interesse an einer Fortführung des Eheund Familienlebens bestanden - während dieser langen Zeitspanne Kontakt zu seiner Ehefrau aufgenommen hätte. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme nicht bestanden haben sollte. Demnach dränge sich viel eher der Eindruck auf, dass er bis zum Wiedertreffen Ende 2010 in Äthiopien und somit bis zum beginnenden Prozess des Asylverfahrens an keiner Weiterführung des Familienlebens interessiert gewesen sei. Ansonsten wäre anzunehmen, dass er sich spätestens nach seiner Ankunft in Italien im Jahr 2006 um eine Wiederaufnahme des Kontakts bemüht hätte. Gemäss Praxis diene das Familienasyl nach Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG insbesondere nicht der Wiederaufnahme von zuvor abgebrochenen Beziehungen. Der Wille des Beschwerdeführers, die eheliche Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in der Schweiz wiederaufzunehmen, sei daher ohne Belang. Daran vermöge auch die eidesstattliche Erklärung seiner Ehefrau vom ( ) 2016 nichts zu ändern, handle es sich doch dabei lediglich um eine notariell beurkundete Behauptung, wobei einzig die Aussage an sich beurkundet worden sei, jedoch nicht der Wahrheitsgehalt selbst. Darüber hinaus widerspreche ihr Inhalt der schriftlichen Eingabe von B. vom 19. Juni 2015, in der sie festgehalten habe, erst ab Ende 2010 wieder in Kontakt mit dem Beschwerdeführer gestanden zu haben. Der Erklärung sei demnach kein Beweiswert zuzumessen und sie vermöge das angebliche Bestehen einer andauernden Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau nicht zu begründen. Zusammenfassend lägen keine Gründe vor, welche die Rechtskraft der Verfügung vom 7. Juli 2015 beseitigen könnten.

    2. In der Rechtsmitteleingabe wurde ausgeführt, mit dem Hauptantrag im Wiedererwägungsgesuch vom 9. März 2016 sei beantragt worden, den Beschwerdeführer gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG in die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehefrau einzubeziehen. Demgegenüber sei die Vorinstanz in der angefochtenen Verfügung zum Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen des Familiennachzugs nach Art. 51 Abs. 1 und 4 AsylG nicht gegeben seien. Dadurch habe sie die Differenz zwischen Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft (Art. 51 Abs. 1 AsylG) und dem Familienasyl (Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AsylG) verkannt. Im Weiteren beschränkte sich die Beschwerde im Wesentlichen auf eine Wiederholung der Vorbringen im Wiedererwägungsgesuch. So befinde sich der Beschwerdeführer seit November 2015 ununterbrochen bei seiner Familie in der Schweiz. Da er sich trotz angesetzter Ausreisefrist hier befinde und sich B. den Verbleib ihres Ehemannes bei ihr zwecks Ausübung des Familienlebens innig wünsche, sei sie mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft G. vom ( ) 2016 wegen Förderung der rechtswidrigen Einund Ausreise sowie des rechtwidrigen Aufenthalts bestraft worden. Des Weiteren hätten B. und ihre beiden älteren Kinder den Beschwerdeführer vom ( ) bis zum ( ) Juli 2015 in Mailand besucht, wobei auf Fotos verwiesen wurde, die als Beilagen zum Wiedererwägungsgesuch vom 9. März 2016 eingereicht worden waren. Überdies seien die drei gemeinsamen Kinder ein starkes Indiz für das tatsächliche Vorliegen der Familiengemeinschaft. Zudem wurde auf weitere Beilagen des erwähnten Gesuchs verwiesen, so auf die Unterlagen bezüglich Internet-Kommunikation, wonach die Eheleute Anfang 2012 in engem Kontakt gestanden hätten, und die eidesstattliche Erklärung vom ( ) 2016, wonach vom Jahr 2005 bis 2015 ein konstanter Kontakt zwischen ihnen bestanden habe. Aufgrund des dargelegten Kontakts und der gegenseitigen Unterstützung bestehe zwischen ihnen nach wie vor eine gelebte Beziehung, die trotz Flucht nie aufgegeben worden sei. Unter diesen Umständen bestehe ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in der Schweiz. Auch wäre das Ausleben der Familiengemeinschaft in Italien in der vorliegenden Konstellation unzumutbar. So verfüge der Beschwerdeführer dort bloss über subsidiären Schutz und sei nicht als Flüchtling anerkannt. Überdies sei seine Bewilligung im Mai 2013 abgelaufen und nicht mehr verlängert worden. Mithin würden B. und die Kinder dort über einen schlechteren asylrechtlichen

      Status verfügen. Zudem habe der Beschwerdeführer in Italien in sehr armen Verhältnissen gelebt. Zusammenfassend sei die Ehegemeinschaft seit der Flucht aus Eritrea im Jahr 2005 aufrechterhalten worden und es lägen keine besonderen Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG vor.

    3. In ihrer Vernehmlassung vom 24. Mai 2016 führte die Vorinstanz aus, bei den in Art. 51 Abs. 1 AsylG erwähnten besonderen Umständen handle es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, dessen ratio legis unter anderem darin bestehe, Missbrauchstatbestände zu unterbinden. Einer dieser besonderen Umstände sei das Vorliegen einer vorbestandenen Familiengemeinschaft. So sei zentrale Bedingung für den Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft, dass bereits vor der Flucht aus dem Verfolgerstaat eine Familiengemeinschaft zwischen der gesuchstellenden und anspruchsberechtigten Person bestanden habe, wobei auf die Botschaft zur Totalrevision des AsylG sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 4. Dezember 1995, BBl. 1996 II 1 ff., insbesondere Seite 68 verwiesen wurde. Auch wenn sich die Familienangehörigen zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung bereits in der Schweiz aufhielten, bleibe es für eine Gewährung des Familienasyls erforderlich, dass der Ehegatte mit dem in der Schweiz anerkannten Flüchtling zum Zeitpunkt seiner Flucht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft gleichzeitig unentbehrlich sei sowie in der Schweiz tatsächlich auch angestrebt werde, wobei das SEM auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-5472/2013 vom 3. Februar 2015 verwies. Das Staatssekretariat habe bereits in der angefochtenen Verfügung ausführlich erwähnt, dass das Familienasyl nach Art. 51 Abs. 1 AsylG weder der Aufnahme von neuen respektive von zuvor gar nicht gelebten familiären Beziehungen noch der Wiederaufnahme von zuvor abgebrochenen Beziehungen diene.

    4. In seiner Replik vom 7. Juni 2016 führte der Beschwerdeführer aus, das in der Vernehmlassung zitierte Urteil D-5472/2013 weiche bezüglich Auslegung von Art. 51 Abs. 1 AsylG von der etablierten Rechtsprechung ab. Aber auch nach diesem Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Fällen betreffend Einbezug des Ehegatten in die Flüchtlingseigenschaft Beschwerden gutgeheissen, wobei die Eheschliessung - mithin die Art. 51 Abs. 1 AsylG zugrundeliegende Anspruchsvoraussetzung - erst nach der Anerkennung als Flüchtling stattgefunden habe. Ebenso habe das SEM in etlichen Fällen in diesem Sinne entschieden. Bezüglich Abbruch der ehelichen Beziehung wies der Beschwerdeführer auf das Urteil

      des Bundesverwaltungsgerichts D-7566/2015 vom 18. Mai 2016 hin, wonach davon nur bei Vorliegen von stichhaltigen Hinweisen für einen gewollten Bruch mit der nachzuziehenden Person ausgegangen werden könne. Überdies liege gemäss einem weiteren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein besonderer Umstand nur dann vor, wenn das Familienleben während längerer Zeit nicht gelebt worden und erkennbar sei, dass die Familienmitglieder nicht den Willen hätten, als Familie zusammenzuleben. Demgegenüber sei bereits in der Beschwerde vom 3. Mai 2016 dargelegt worden, dass in casu weder von einer ausdrücklichen noch von einer konkludenten Beendigung des Familienlebens gesprochen werden könne.

    5. Sodann verwies der Beschwerdeführer in seiner (unaufgeforderten) Stellungnahme vom 18. Oktober 2017 auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3175/2016 vom 17. August 2017 (vgl. BVGE 2017 VI/4). Darin habe das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, dass das Familienasyl gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG keine vorbestandene Familiengemeinschaft voraussetze. Nachdem vorliegend das Bestehen einer Vorfluchtfamilie den einzig strittigen Punkt darstelle, dürfte der Gutheissung der Beschwerde nichts mehr im Wege stehen.

    6. In der Vernehmlassung vom 22. November 2017 führte das SEM aus, vorliegend deute das Verhalten des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau darauf hin, dass ein Missbrauchstatbestand erfüllt sei. So verfüge er in Italien über einen subsidiären Schutz. Am ( ) 2014 sei er nach Italien ausgeschafft worden. Am 24. Oktober 2014 seien seine Ehefrau und seine Kinder in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt worden und hätten Asyl erhalten. Daraufhin habe er am 21. April 2015 ein Gesuch um Einbezug nach Art. 51 Abs. 1 AsylG gestellt. Er sei demnach vor seiner Frau im Besitz eines geregelten Status in Italien gewesen. Es wäre ihm bereits zum Zeitpunkt des Erhalts des subsidiären Schutzes in Italien möglich gewesen, ein entsprechendes Familiennachzugsgesuch für seine Frau und die gemeinsamen Kinder einzureichen. Weshalb er dies unterlassen und stattdessen einige Jahre zugewartet habe, bis er ein entsprechendes Gesuch um Einbezug in den Status seiner Familie gestellt habe, gehe aus den Akten nicht hervor. Jedenfalls lasse ein solches Verhalten den Eindruck entstehen, als verfolge er in erster Linie nicht das Ziel des Familiennachzugs

      - die Wiederherstellung von Familiengemeinschaften -, sondern als habe er vorwiegend in der Absicht gehandelt, sich dadurch selbst einen besseren Status zu verschaffen. Art. 51 Abs. 1 AsylG dürfe jedoch nicht so angewendet werden, dass damit die Regeln sowie Sinn und Zweck des Familiennachzugs umgangen beziehungsweise ausgehebelt werden dürfen.

      Schliesslich sei auch die vorgebrachte tatsächlich gelebte Familiengemeinschaft in der Schweiz bis dahin zweifelhaft. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich zwar zugegeben, dass er trotz Einreiseverbot erneut in die Schweiz eingereist und trotz Aufforderung, das Land zu verlassen, nie ausgereist sei. Eine entsprechende Meldung an die Behörden habe er unterlassen. Ob er sich während der behaupteten Zeitdauer - mutmasslich ab April 2015 - tatsächlich bei seiner Familie aufgehalten habe, lasse sich nicht eruieren. Damit mangle es an einer nachvollziehbaren gelebten Familiengemeinschaft in der Schweiz. Insgesamt sei davon auszugehen, dass er durch sein Verhalten den Tatbestand eines besonderen Umstands erfülle, welcher in einer Gesamtschau gegen die Anwendung von Art. 51 Abs. 1 AsylG spreche.

    7. Der Beschwerdeführer wiederholte in seiner Replik vom 13. Dezember 2017, dass er sich seit November 2015 ununterbrochen in der Schweiz aufhalte. Obwohl mit der auch dem Migrationsamt des Kantons G. zugestellten Zwischenverfügung vom 13. Mai 2016 seine Überstellung nach Italien einstweilen ausgesetzt worden sei, habe er sich erst am

      12. Oktober 2017 auf Anraten der Sozialberaterin seiner Ehefrau bei der kantonalen Migrationsbehörde gemeldet. Seither spreche er dort regelmässig vor. Demnach sei sein derzeitiger Aufenthalt in G. erwiesen. Durch die Ausführungen zu den gleichzeitig mit der Replik eingereichten Beweismitteln werde die bereits in der Beschwerde glaubhaft gemachte tatsächlich gelebte Familiengemeinschaft zusätzlich bestätigt. Entgegen der neuen Argumentation des SEM in der Vernehmlassung vom 22. November 2017 lägen keine besonderen Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG vor. Da es sich dabei um eine Ausnahmeklausel handle, mit der Missbräuche verhindert werden sollen, sei sie restriktiv auszulegen. Dazu verwies er auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E- 1683/2013 vom 21. April 2015 E. 7.1. Der Beschwerdeführer habe in Italien aus humanitären Gründen ein permesso erhalten, welches im Mai 2013 abgelaufen sei. Er habe sich bei seiner prefettura nach den Möglichkeiten eines Familiennachzugs erkundigt. Ihm sei jedoch gesagt worden, dass die Voraussetzungen dafür in seinem Fall nicht gegeben seien. Abgesehen davon wäre eine Familienvereinigung auch nicht zumutbar. Mit einem Umzug nach Italien wäre sowohl eine unvereinbare Härte verbunden als auch das Kindeswohl in unzulässiger Weise und in drohender Verletzung von Art. 3 EMRK gefährdet. In einzelnen Fällen habe das Bundesverwaltungsgericht bereits die Umgehung der ausländerrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen an sich als besonderen Umstand gewertet und gar nicht geprüft,

      ob sich alle Familienangehörigen rechtlich und faktisch im Drittstaat aufhalten könnten. Eine solche Argumentation wäre aber unhaltbar. So stelle Art. 51 Abs. 1 AsylG eben gerade eine lex specialis zu den ausländerrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen dar und weiche bewusst von diesen ab. Ferner könnten nach der Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts - abgesehen von Personen, bei denen erst in der Schweiz das Familienleben zu einem anerkannten Flüchtling entstehe - alle Familienangehörigen ein Familiennachzugsgesuch gemäss Ausländerrecht stellen, anstatt eigenständig in die Schweiz einzureisen und sich auf Art. 51 Abs. 1 AsylG zu berufen. Anders gesagt reisten alle Personen, welche sich in der Schweiz auf Art. 51 Abs. 1 AsylG berufen würden und nicht nach Art. 51 Abs. 4 AsylG nachgezogen worden seien, in Umgehung der ausländerrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen in die Schweiz ein. Eine solche Argumentation würde dazu führen, dass nur noch Familienangehörige, die erst in der Schweiz ein Familienleben zu einem anerkannten Flüchtling begründet hätten und deshalb vor der Einreise nicht die Möglichkeit eines ausländerrechtlichen Familiennachzugs gehabt hätten, gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG in die Flüchtlingseigenschaft einbezogen werden könnten. Dies entspreche eindeutig nicht der ratio legis von Art. 51 Abs. 1 AsylG. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die angebliche Umgehung der ausländerrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen anders qualifiziert werden sollte, je nachdem ob der Familienangehörige direkt von seinem Heimatland einreise oder über einen sicheren Drittstaat. In der zweiten Konstellation könne somit einzig der Schutz und die legale und faktische Möglichkeit, im Drittstaat das Familienleben zu leben, einen besonderen Umstand darstellen, nicht jedoch die Umgehung von ausländerrechtlichen Bestimmungen an sich. Zwar sei dem Beschwerdeführer in Italien ein subsidiärer Schutzstatus gewährt worden. Dieser reiche jedoch gemäss Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, um besondere Umstände zu begründen. Vielmehr müsse die Familienvereinigung im Drittstaat nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich möglich sein. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Der Beschwerdeführer habe klar aufgezeigt, dass er sich wegen seiner Familie und nicht wegen des besseren Status in die Flüchtlingseigenschaft seiner Ehefrau einbeziehen lassen wolle.

    8. Der Beschwerdeführer wies in seiner Replik vom 7. Juni 2016 zu Recht darauf hin, dass bezüglich der Frage der vorbestandenen Familiengemeinschaft gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG keine kohärente Rechtsprechung bestanden habe und seit der mit BVGE 2017 VI/4 initiierten der Vorbestand der Familiengemeinschaft nicht mehr Voraussetzung bilde. So wird in diesem Grundsatzurteil bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen von Art. 51

      Abs. 1 und 4 AsylG festgehalten, dass Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder, wenn sie sich in der Schweiz befinden, vorbehältlich besonderer Umstände ebenfalls die Flüchtlingseigenschaft und Asyl erhalten, auch wenn die Familiengemeinschaft erst in der Schweiz begründet worden ist (vgl. a.a.O., E 4.2-4.4, insb. 4.4.1). Befinden sie sich demgegenüber im Ausland, ist ihnen die Einreise zwecks Gewährung von Familienasyl nur zu bewilligen, wenn eine Familiengemeinschaft bestanden hat, welche durch die Flucht getrennt wurde, und keine besonderen Umstände gegen das Familienasyl sprechen (vgl. a.a.O., E. 3.1 und 4.4, insb. 4.4.2). Nachdem vorliegend die vorbestandene Familiengemeinschaft von der Vorinstanz nie in Abrede gestellt wurde, kann die Frage offengelassen werden, ob die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiedererwägungsgesuchs gestützt auf Art. 51 Abs. 1 AsylG oder auf Art. 51 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 AsylG zu prüfen ist. Mithin erübrigen sich auch Ausführungen dazu, ob es dem Beschwerdeführer im Wiedererwägungsverfahren gelang, den Nachweis zu erbringen, dass er die Familienbeziehung mit seiner Ehefrau nicht abgebrochen beziehungsweise gegebenenfalls im gegenseitigen Einvernehmen wieder aufgenommen habe. An dieser Stelle ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Vorbringen der Eheleute betreffend den jeweiligen Aufenthaltsort des andern Ehepartners beziehungsweise den Kontakt zu diesem im Wiedererwägungverfahren diametral von ihren Aussagen in den vorangegangenen Asylverfahren abweichen. So gab der Beschwerdeführer beispielsweise in der BzP vom 22. Mai 2014 zu Protokoll, er habe erst anlässlich eines einwöchigen Aufenthalts im November 2013 in der Schweiz erfahren, dass sich seine Ehefrau hier aufhalte, nachdem der letzte Kontakt zuvor gegen Ende 2010 in Äthiopien stattgefunden habe, wobei sie ein Kind gezeugt hätten (vgl. act. [ ]). Nach dem Gesagten gilt es nachstehend einzig die Frage zu beantworten, ob im Rahmen des Wiedererwägungsverfahrens besondere Gründe bestehen, die gegen die Gewährung von Familienasyl im Sinne von Art. 51 AsylG sprechen.

    9. Gemäss Art. 51 Abs. 1 AsylG werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder als Flüchtlinge anerkannt und erhalten Asyl, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen. In der Schweiz geborene Kinder von Flüchtlingen werden gemäss Art. 51 Abs. 3 AsylG auch als Flüchtlinge anerkannt, sofern wiederum keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Dem Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft und der Asylgewährung entgegenstehende "besondere Umstände" sind beispielsweise anzunehmen, wenn das Familienmitglied Bürger eines anderen Staates als der Flüchtling ist und die Familie in diesem Staat nicht gefährdet ist, wenn der Flüchtling seinen Status derivativ erworben hat, oder

      wenn das Familienleben während einer längeren Zeit nicht gelebt wurde und erkennbar ist, dass die Familienmitglieder nicht den Willen haben, als Familie zusammenzuleben. Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft bedingt zudem, dass die anspruchsberechtigte Person ihren Heimatoder Herkunftsstaat verlassen hat (vgl. zum Ganzen BVGE 2012/32 E. 5.1). Massgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für den Einbezug in die Flüchtlingseigenschaft ist nicht der Zeitpunkt der Gesuchstellung, sondern derjenige des Asylbeziehungsweise Beschwerdeentscheides (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2002 Nr. 20 E. 5a S. 167).

    10. Der Beschwerdeführer brachte zwar bereits in seiner BzP vor, dass sein permesso in Italien im Mai 2013 abgelaufen sei; er habe es zur Verlängerung gegeben, aber bislang nicht zurückerhalten (vgl. act. [ ]). Dabei und bei seinem Vorbringen, er habe sich in Italien nach einem Familiennachzug erkundigt und abschlägigen Bescheid erhalten, handelt es sich jedoch um durch nichts belegte Parteibehauptungen. Dafür spricht auch seine Aussage in der BzP, dass er auf die Frage, weshalb er beim Besuch seiner Ehefrau im November 2013 in der Schweiz nicht um Asyl nachgesucht habe, zur Antwort gab, er sei nicht sicher gewesen, ob er hier bleiben wolle, da er lieber in einem anderen europäischen Land habe leben wollen (vgl. [ ]). Unter diesen Umständen erübrigen sich Ausführungen zur Ansicht des Beschwerdeführers, dass die Familienvereinigung im Drittstaat nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich möglich sein müsse und zudem vorliegend eine solche in Italien nicht zumutbar wäre.

      Soweit der Beschwerdeführer einwendet, Art. 51 Abs. 1 AsylG stelle eine lex specialis zu den ausländerrechtlichen Familiennachzugsbestimmungen dar und weiche bewusst von diesen ab, geht seine Argumentation fehl. So führte er in seiner Replik vom 7. Juni 2016 selbst zutreffend aus, dass sich die einheitliche Regelung in Art. 51 Abs. 1 AsylG rechtfertige, da davon ausgegangen werde, dass die engsten Familienmitglieder unter der Verfolgung des Ehepartners oder Elternteils mitgelitten hätten (vgl. Botschaft zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des ANAG vom 4. Dezember 1995, a.a.O.). Mithin gibt diese Gesetzesbestimmung bestimmten Familienangehörigen gestützt auf eine flüchtlingsrechtliche Verfolgung einen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und Gewährung von Asyl, und als Folge davon wird ein Aufenthaltstitel vermittelt, wogegen Grundlage des ausländerrechtlichen Familiennachzugs nicht asylrechtliche Kriterien bilden, sondern ein solcher Aufenthaltsstatus einzig auf dem

      Ausländerrecht beruht. Es kann daher auf weitere Ausführungen zu diesem Vorbringen verzichtet werden.

      Das Gericht gelangt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zum Schluss, dass vorliegend besondere Umstände gegeben sind, welche einem Einbezug des Beschwerdeführers in das seiner Ehefrau gewährte Asyl entgegenstehen. Der Beschwerdeführer hielt sich seit dem Jahr 2006 in Italien auf und besass dort einen Aufenthaltstitel. Bei seinem Vorbringen, die Bewilligung sei im Mai 2013 abgelaufen und nicht mehr verlängert worden, handelt es sich lediglich um eine durch nichts belegte Parteibehauptung. Er reiste erst am 3. April 2014 in die Schweiz und suchte um Asyl nach, nachdem seine Ehefrau hier ein Asylgesuch gestellt hatte und ein weiteres Mal von ihm schwanger war. Dass er nicht bereits bei seinem ersten Besuch seiner Frau in der Schweiz im November 2013 um Asyl nachsuchte, weil er damals nicht sicher gewesen sei, ob er hier bleiben wolle, da er es vorgezogen habe, in einem anderen europäischen Land zu leben, lässt darauf schliessen, dass er in erster Linie an einem Aufenthaltsrecht interessiert war und nicht an einer Prüfung seiner Asylvorbringen. Sodann ist - auch angesichts der unterlassenen Anfechtung der Verfügung des SEM vom 12. August 2014, soweit darin auf sein Asylgesuch nicht eingetreten wurde - davon auszugehen, dass er bewusst in Umgehung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen in die Schweiz gereist und sein Asylgesuch in der Schweiz einzig mit dem Ziel der Familienzusammenführung stellte, umso mehr, als er im Rahmen des ihm damals zu einer allfälligen Wegweisung nach Italien gewährten rechtlichen Gehörs ausführte, er wolle bei seiner hochschwangeren Frau und seiner Tochter in der Schweiz bleiben. Indessen stellt ein solches Vorgehen einen offensichtlichen und nicht schützenswerten Versuch einer Rechtsumgehung der ausländerrechtlichen Bestimmungen zum Familiennachzug dar.

    11. Im Übrigen können im vorliegenden Verfahren weder die Bestimmungen von Art. 8 EMRK noch jene des UNO-Pakts II über bürgerliche und politische Rechte (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, SR 0.103.2) ergänzend angewendet werden, wenn die Voraussetzungen des Familienasyls im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG nicht erfüllt sind. Die Frage nach einem allfälligen Anspruch des Beschwerdeführers auf Aufenthalt in der Schweiz als Ehemann beziehungsweise Vater hier aufenthaltsberechtigter Personen wird von der zuständigen kantonalen Migrationsbehörde im Rahmen der Beurteilung eines von B. gestützt auf Art. 44 AuG anhängig zu machenden Gesuchs um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu prüfen sein (vgl.

EMARK 2002 Nr. 6 E. 5 S. 44 f.). Diese Behörde ist bei der Prüfung eines entsprechenden Gesuchs ebenfalls insbesondere an die Bestimmungen von Art. 8 EMRK und der Kinderrechtskonvention gebunden.

5.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

6.

    1. Eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, wird auf Antrag hin von der Bezahlung der Verfahrenskosten befreit, sofern ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (Art. 65 Abs. 1 VwVG). Dabei verfügt sie dann nicht über die erforderlichen Mittel, wenn sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Lebensunterhaltes die Prozesskosten nicht zu bestreiten vermag. Eine Beschwerde gilt dann als aussichtslos, wenn die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (vgl. BGE 139 III 475). Für die Beurteilung der Prozesschancen ist eine summarische Prüfung vorzunehmen. Aufgrund der Aktenlage ist von der prozessualen Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Auch konnten die Begehren der Beschwerde nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG ist somit gutzuheissen, weshalb keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

    2. Der mittellosen Partei wird in einem nicht aussichtslosen Verfahren ein Anwalt bestellt, wenn dies zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG). Zur Begründung der Abweisung des Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wurde in der Zwischenverfügung vom 13. Mai 2016 ausgeführt, dass in Verfahren, welche - wie das vorliegende - vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht seien, strenge Massstäbe an die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung anzusetzen seien (vgl. EMARK 2000 Nr. 6 sowie BGE 122 I 8 E. 2c S. 10) und es im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren im Wesentlichen um die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gehe. Daher seien zur wirksamen Beschwerdeführung besondere Rechtskenntnisse im Regelfall nicht unbedingt erforderlich, weshalb praxisgemäss die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG nur in den be-

sonderen Fällen gewährt werde, in welchen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht erhöhte Schwierigkeiten bestehen würden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren würden sich indes keine komplexen Sachverhaltsrespektive Rechtsfragen stellen, mithin keine erhöhten Schwierigkeiten bestehen und es seien auch keine wesentlichen Interessen des Beschwerdeführers in schwerwiegender Weise betroffen, weshalb sich die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung nicht als notwendig erweise. In seinem diesbezüglich in der Replik vom 13. Dezember 2017 gestellten Wiedererwägungsgesuch machte der Beschwerdeführer geltend, seit der Einreichung der Beschwerde am 3. Mai 2016 habe sich die Rechtsprechung geändert, weshalb ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet worden sei. Dabei habe die Vorinstanz mit dem unbestimmten Gesetzesbegriff der besonderen Umstände im Sinne von Art. 51 Abs. 1 AsylG argumentiert. Die vorliegende rechtliche Argumentation sei komplex und der Beschwerdeführer wäre nicht imstande gewesen, die Replik dazu selbst zu verfassen. Sein Interesse, mit der Ehefrau und den Kindern vereint zu leben, sei gewichtig. Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Änderung der Rechtsprechung vom Gericht von Amtes wegen zu berücksichtigen ist. Ebenso hat es bei der Anwendung von Art. 51 Abs. 1 AsylG von Amtes wegen zu prüfen, ob einer solchen besondere Umstände entgegenstehen, wobei es wiederum die entsprechende Rechtsprechung zu beachten hat. Demnach ist das Gesuch um wiedererwägungsweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung abzuweisen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wird gutgeheissen.

3.

Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.

Das Gesuch um wiedererwägungsweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird abgewiesen.

5.

Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Thomas Wespi Daniel Widmer

Versand:

Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.